fingalo
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Zusammenfassung eines Artikels der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung v. 27.03.05 S. 65
Das alte Rätsel der Osterinsel, das Generationen von Forschern und Autoren bis hin zu Erich von Däniken beschäftigt hat, ist seit gut zwanzig Jahren gelöst. 1984 veröffentlichte der britische Geograph John Flenley zusammen mit der Botanikerin Sarah King Untersuchungen an Pollen und Samen, die sich in Sedimenten erhalten hatten. Die Polynesier hatten etwa seit 400 n. Chr. die Insel besiedelt. Noch im Mittelalter war sie stark bewaldet gewesen. Vom 14. bis 17. Jh. müssen große Bestände einer riesenhaften Verwandten der Chilenischen Weinpalme (Jubaea chilensis) vorhanden gewesen sein, die sich hervorragend zum Transport der Statuen (Moai) geeignet haben.
Die Frage der Transportwege ist weitgehend geklärt: In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Antiquity veröffentlichen die beiden Südsee-Archäologen Carl Lipo von der California State University in Long Beach und Terry Hunt von der University of Hawaii die bisher genaueste Karte des alten Straßensystems. Dazu kombinierten sie Satellitenaufnahmen mit Untersuchungen am Boden. "Die Pfade verbinden keine Wohngebiete", schreiben sie. "Vielmehr wurden sie offenbar vorrangig für den Transport der Statuen angelegt." Denn vier der sechs Hauptstraßen laufen sternförmig auf den Vulkankrater von Rano Raraku zu, wo 96 Prozent der 702 untersuchten Moai aus dem dort anstehenden Lapilli-Tuffstein gemeißelt wurden. "Die Straßenführung legt nahe, daß jede Region ihren eigenen Transportweg nach Rano Raraku besaß", schreiben Lipo und Hunt. "Dies spricht dagegen, daß Herstellung und Transport von einer zentralen Autorität organisiert wurden."
Britton Shepardson von der University of Hawaii untersucht im gleichen Heft die Statuen selbst. Dabei hat er sich einer zahlenmäßig kleinen Untergruppe der Moai angenommen, und zwar bestehend aus solchen, die weder entlang der Küste aufgestellt noch im Steinbruch von Rano Raraku liegengeblieben waren, sondern wahllos im Inselinneren verstreut schienen. Die meisten Forscher hatten sie bisher als "beim Transport liegengeblieben" klassifiziert. Allerdings waren schon Katherine Routledge bei einigen dieser Moai Erosionsspuren aufgefallen, die darauf hindeuten, daß sie lange Zeit aufrecht gestanden haben müssen. Shepardson glaubt daher, daß es sich in Wahrheit um Grenzmarkierungen handelt. Daß die Bevölkerung der Osterinseln einst in mehrere regionale Gruppen zerfiel, schloß bereits die britische Ethnographin Katherine Routledge, die sich von 1914 bis 1915 siebzehn Monate lang auf der Osterinsel aufhielt. Diese Befunde passen zu der Vermutung, daß wir es bei den Moai sowie bei den sakralen Plattformen, den Ahu, auf denen viele der Figuren aufgestellt waren, weniger mit Zeugnissen einer frommen Megalomanie im Stile der Cheopspyramide als mit den Überresten eines - letztlich ruinösen - Wettkampfes zu tun haben. "Wer baut den größten Moai?" muß sich zu einer Obsession der Clanhäuptlinge entwickelt haben, die echte kriegerische Auseinandersetzungen möglicherweise lange verhindert hat, aber nach Meinung des Geographen Jared Diamond gewiß ein Hauptfaktor für die befremdliche Tatsache war, daß man auf der Osterinsel so lange nicht bemerkte, daß man den Ast absägte, auf dem man saß.
Holzkohlefunde belegen, daß die letzten Riesenpalmen um 1640 gefällt wurden - genau um die Zeit, zu der die Statuenproduktion plötzlich stoppte und die größten Moai unvollendet im Steinbruch von Rano Raraku liegenblieben. Ohne Holz ließen sie sich nicht abtransportieren.
Damit brach die Katastrophe über die Osterinsel herein: Der Boden erodierte, die Vögel blieben weg, die Fischerei kam mangels Baumaterials für seegängige Kanus zum Erliegen. Auswandern war nun ebenfalls nicht mehr möglich. Man war gefangen auf einem Eiland, auf dem es statt Palmnüssen, Delphin und Thunfisch bald nur noch Ratten zu essen gab - oder erschlagene Feinde.
Mit der wirtschaftlichen Grundlage brach auch das Sozialgefüge zusammen. Der Wettbewerb um die größten Moai wurde nun dadurch ausgetragen, so glaubt Jared Diamond, daß man die Statuen der Nachbarn umwarf. Ein mörderischer Bürgerkrieg brach aus, von dem unzählige Speerspitzen aus Obsidian zeugen. Die letzte stehende Statue wurde 1838 gesichtet.
1863 begann die Verschleppung der halben Bevölkerung durch Sklavenhändler in die Salpeterminen Südamerikas. Die Einwohnerzahl war von 10000 bis 15000 zur Blütezeit auf wenige hundert gefallen.
Mit dem Einsetzen des Tourismus begann man die Statuen wieder aufzustellen
Fingalo
Das alte Rätsel der Osterinsel, das Generationen von Forschern und Autoren bis hin zu Erich von Däniken beschäftigt hat, ist seit gut zwanzig Jahren gelöst. 1984 veröffentlichte der britische Geograph John Flenley zusammen mit der Botanikerin Sarah King Untersuchungen an Pollen und Samen, die sich in Sedimenten erhalten hatten. Die Polynesier hatten etwa seit 400 n. Chr. die Insel besiedelt. Noch im Mittelalter war sie stark bewaldet gewesen. Vom 14. bis 17. Jh. müssen große Bestände einer riesenhaften Verwandten der Chilenischen Weinpalme (Jubaea chilensis) vorhanden gewesen sein, die sich hervorragend zum Transport der Statuen (Moai) geeignet haben.
Die Frage der Transportwege ist weitgehend geklärt: In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Antiquity veröffentlichen die beiden Südsee-Archäologen Carl Lipo von der California State University in Long Beach und Terry Hunt von der University of Hawaii die bisher genaueste Karte des alten Straßensystems. Dazu kombinierten sie Satellitenaufnahmen mit Untersuchungen am Boden. "Die Pfade verbinden keine Wohngebiete", schreiben sie. "Vielmehr wurden sie offenbar vorrangig für den Transport der Statuen angelegt." Denn vier der sechs Hauptstraßen laufen sternförmig auf den Vulkankrater von Rano Raraku zu, wo 96 Prozent der 702 untersuchten Moai aus dem dort anstehenden Lapilli-Tuffstein gemeißelt wurden. "Die Straßenführung legt nahe, daß jede Region ihren eigenen Transportweg nach Rano Raraku besaß", schreiben Lipo und Hunt. "Dies spricht dagegen, daß Herstellung und Transport von einer zentralen Autorität organisiert wurden."
Britton Shepardson von der University of Hawaii untersucht im gleichen Heft die Statuen selbst. Dabei hat er sich einer zahlenmäßig kleinen Untergruppe der Moai angenommen, und zwar bestehend aus solchen, die weder entlang der Küste aufgestellt noch im Steinbruch von Rano Raraku liegengeblieben waren, sondern wahllos im Inselinneren verstreut schienen. Die meisten Forscher hatten sie bisher als "beim Transport liegengeblieben" klassifiziert. Allerdings waren schon Katherine Routledge bei einigen dieser Moai Erosionsspuren aufgefallen, die darauf hindeuten, daß sie lange Zeit aufrecht gestanden haben müssen. Shepardson glaubt daher, daß es sich in Wahrheit um Grenzmarkierungen handelt. Daß die Bevölkerung der Osterinseln einst in mehrere regionale Gruppen zerfiel, schloß bereits die britische Ethnographin Katherine Routledge, die sich von 1914 bis 1915 siebzehn Monate lang auf der Osterinsel aufhielt. Diese Befunde passen zu der Vermutung, daß wir es bei den Moai sowie bei den sakralen Plattformen, den Ahu, auf denen viele der Figuren aufgestellt waren, weniger mit Zeugnissen einer frommen Megalomanie im Stile der Cheopspyramide als mit den Überresten eines - letztlich ruinösen - Wettkampfes zu tun haben. "Wer baut den größten Moai?" muß sich zu einer Obsession der Clanhäuptlinge entwickelt haben, die echte kriegerische Auseinandersetzungen möglicherweise lange verhindert hat, aber nach Meinung des Geographen Jared Diamond gewiß ein Hauptfaktor für die befremdliche Tatsache war, daß man auf der Osterinsel so lange nicht bemerkte, daß man den Ast absägte, auf dem man saß.
Holzkohlefunde belegen, daß die letzten Riesenpalmen um 1640 gefällt wurden - genau um die Zeit, zu der die Statuenproduktion plötzlich stoppte und die größten Moai unvollendet im Steinbruch von Rano Raraku liegenblieben. Ohne Holz ließen sie sich nicht abtransportieren.
Damit brach die Katastrophe über die Osterinsel herein: Der Boden erodierte, die Vögel blieben weg, die Fischerei kam mangels Baumaterials für seegängige Kanus zum Erliegen. Auswandern war nun ebenfalls nicht mehr möglich. Man war gefangen auf einem Eiland, auf dem es statt Palmnüssen, Delphin und Thunfisch bald nur noch Ratten zu essen gab - oder erschlagene Feinde.
Mit der wirtschaftlichen Grundlage brach auch das Sozialgefüge zusammen. Der Wettbewerb um die größten Moai wurde nun dadurch ausgetragen, so glaubt Jared Diamond, daß man die Statuen der Nachbarn umwarf. Ein mörderischer Bürgerkrieg brach aus, von dem unzählige Speerspitzen aus Obsidian zeugen. Die letzte stehende Statue wurde 1838 gesichtet.
1863 begann die Verschleppung der halben Bevölkerung durch Sklavenhändler in die Salpeterminen Südamerikas. Die Einwohnerzahl war von 10000 bis 15000 zur Blütezeit auf wenige hundert gefallen.
Mit dem Einsetzen des Tourismus begann man die Statuen wieder aufzustellen
Fingalo