Paris-Geschütz

jein - solange die Atmosphäre mitdreht, spielt die Erdrotation eigentlich keine Rolle. Erst wenn die Flugbahnen in die Stratosphäre führt, kommt die Rotation ins Spiel, wobei immer noch ein grosser Teil der Flugbahn unterhalb liegt.
Dazu muss ich kurz anmerken, dass die Berücksichtigung der Erdrotation mit der Masseträgheit des Geschosses zu tun hat. Wenn man also mit der Erdrotation schießt, schießt man kürzer (die Erde läuft sozusagen unter dem fliegenden Geschoss weg), wenn gegen diese, dann eben weiter.
 
Mitgleid "HoThanatos", der anscheinend noch nicht die Schreibrechte für die Neuzeit hat, schickte mir eine PN mit dieser Aussage zu den Paris-Geschützen:

"Anfangs hat jemand gesagt dass wegen dem hohen Verschleiß und den dadurch verursachten "Ausleiern" der Rohre verschiedene Projektile verwendet wurden. Ich hab neulich gelesen, dass die verwendete Munition immer gleich war, allerdings für jeden weiteren Schuss nach dem ersten 15 Kilogramm mehr Schießpulver (Treibladung halt, weiß nicht genau was für Pulver oder sonstwas^^) verwendet wurde, also das zweite Projektil hatte 15kg mehr als das erste, das dritte 30kg mehr als das erste usw..."

Ich meine mich zu erinnern, dass die Geschosse tatsächlich Führungsringe mit unterschiedlichen Kalibern hatten um den Verschleiss auszugleichen, kann aber sein dass ich mich da irre. Hat jemand eine konkrete Quelle dazu?
 
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Ich meine mich zu erinnern, dass die Geschosse tatsächlich Führungsringe mit unterschiedlichen Kalibern hatten um den Verschleiss auszugleichen, kann aber sein dass ich mich da irre. Hat jemand eine konkrete Quelle dazu?

Die Aussage von HoThanatos kann durchaus zutreffend.

Schmalenbach schreibt im Rahmen der Entwicklung zur Schnell-Lade-Kanone (S. 65, letzter Absatz):

Zitat:
Die stärksten Abnutzungen fanden im Übergangskonus statt, weil dort sich die Führungsringe beim Ansetzen in die Züge preßten und weil dort die brennenden Pulvergase Rohrmetall mitrissen.

In diesem Bericht der Briten, u. a. über die dt. 38cm-Kanonen C34 wird die Verlängerung des Landungsraums durch den Materialabtrag erwähnt und dass man auf deutscher Seite diese Ausdehnung, die nicht unerheblich war, als Maß für den Rohrverschleiß genommen hat.
 
Bdaian's Frage hat mir keine Ruhe gelassen. Beim Versuch, die im vorstehenden Beitrag angesprochene Passage
The Germans assessed one 800 kg. shell or one 495 kg. shell with top service charge as one E.F.C. and the average life of a gun liner ist said to be 286 E.F.C. 300 of the heavier shell are quoted as corresponding to 82 m.s. drop in M.V. or to 540 mm. extra ram (normal ram 2464 mm.), whilst 350 of the 495 kg. light shell correspond to 105 m.s. loss in M.V. or to 540 mm. extra ram (normal ram 2479 mm.). A special tool is provided to measure ram and it is interesting to note that the Germans regarded length of ram as a criterion of the life of the gun and muzzle velocity. They regarded the liner as worn out when the loss in M.V. reached 10%.
zur 38cm C34 zu übersetzen, bin ich fündig geworden.

Zunächst einmal: Durch den Abbrand im Geschütz verlängert sich der Ladungsraum im Fall der 38er um immerhin 540 mm. Durch das vergrößerte Kammervolumen sinken natürlich der Druck und damit die Mündungsgeschwindkeit um 105 bzw. 82 m/sec. Die Verlängerung des Ansetzweges (ram) wurde von den dt. Artilleristen als Maßstab für die Verringerung der Mündungsgeschwindigkeit und damit des Rohrverschleißes genutzt. Sank die Mündungsgeschwindigkeit um mehr als 10%, galt das Rohr als ausgeschossen.

Bei der Übersetzung konnte ich zunächst nichts mit "E.F.C." anfangen. Nun die Antwort ist: E.F.C. = equivalent full charge. Darüber bin ich auf die Ausarbeitung von Richard G. Hasenbein >>Wear and Erosion in Large Caliber Gun Barrels<< gestoßen, die ausführlich die Problematik des Verschleißes großkalibriger Kanonen erläutert, und das wesentlich präziser als ich es wiedergeben kann, deshalb bitte selber nachlesen.
 
Das ist zwar sehr interessant, hat aber wenig mit den Paris-Geschützen zu tun, bei den es sich um eine aussergewöhnliche Konstruktion handelte, vollkommen anders als standardgeschütze wie die 38 cm C34.

Ich habe auch nachgedacht über das Thema, und kann mir nicht vorstellen, dass es sich nur um eine schrittweise Vergrößerung der Ladung handelte.

Durch Verschleiss der Rohrseele und des Übergangskonus konnten zwei sachen passieren:

a- Der Führungsring der Granate wird nicht so weit eingedrückt, der Widerstand ist geringer, die Granate fliegt weiter aber instabil und weniger genau. Eine größere Ladung ist in diesem Falle sinnlos.

b- Der Führungsring wird überhaupt nicht eingepresst. Es verbleibt ein Spalt bei dem die Verbrennungsgase vor der Granate in den Lauf gelangen (balistischer Wind). Das setzt im besten Fall die Leistung massiv herunter, wird durch eine Vergrößerung der Ladung auch nicht verbessert. Es ist jedoch auch extrem gefährlich und kann im schlimmsten Fall zum Rohrkrepierer führen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf archive.org gibt es eine Publikation, die auch die Ergebnisse der Untersuchungskommission enthält, die 1919 zu den Skoda-Werken geschickt wurde.
 
Das ist zwar sehr interessant, hat aber wenig mit den Paris-Geschützen zu tun, bei den es sich um eine aussergewöhnliche Konstruktion handelte, vollkommen anders als standardgeschütze wie die 38 cm C34.

Das Paris-Geschütz entstand aus der 38 cm SK (Max) des ersten Weltkrieges, in deren 38 cm - Rohr ein 30 m langes 21cm - Seelenrohr eingezogen wurde, an das nochmals eine 6 m lange sogenannte Tube angeflanscht worden war. Der hintere Teil war also nichts anderes als ein Standardgeschütz des I. Weltkrieges. Die außergewöhnliche Konstruktion war also ein Gutteil Improvisation. Das findet sich aber auch schon bei wiki.

Man verschoß einfach ein relativ kleines und leichtes Geschoß (106 kg) mit Treibladungen, die für 750kg Geschosse bestimmt waren oder anders es handelte sich um einen VW-Käfer mit Porsche-Motor. Der Rest ist einfach angewandte Physik - zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch unerforschtes Neuland.

Die Verstärkung / Ersatz der zu schwachen Kupferbänder durch Stahlbänder und Stahlwarzen wurde bereits thematisiert.

Die Ausführungen Hasenbeins sind grundsätzlicher Natur und gelten damit natürlich auch für das Paris-Geschütz. In dem Artikel finden sich u. a. Aufnahmen die den Zustand neu - verschlissen dokumentieren, er benennt ferner 8 Folgen des Rohrverschleißes.
 
Dass es aus Teilen von anderen Konstruktionen zusammengesetzt wurde (21cm Lauf in einem 38 cm Mantel mit einer 28 cm Kammer), heisst ja nicht dass es auch ein gewöhnliches Geschütz war. Der entwickelte Druck und die Geschossgeschwindigkeit lag über allem bis dahin bekannten.

Und aus den Erläuterungen der Wehrtechnischen Sammlung in Koblenz ergibt sich die Antwort auf die Frage. Beides ist demnach richtig: Die Granaten wurden im Kaliber abgestuft um die Rohrabnutzung auszugleichen, es wurde aber auch die Treibladung angepasst.
 
Dass es aus Teilen von anderen Konstruktionen zusammengesetzt wurde (21cm Lauf in einem 38 cm Mantel mit einer 28 cm Kammer), heisst ja nicht dass es auch ein gewöhnliches Geschütz war. Der entwickelte Druck und die Geschossgeschwindigkeit lag über allem bis dahin bekannten.

Woher kommt die 28 cm Kammer?

Aber der Widersprüche gibt es auch so genug:

............................lt. WST...........lt. Railway Report
................................................Ziff. 712 ff.

Lebensdauer eines Zyklus... 60 - 70...............50 Schuss
Aufbohrungsdurchmesser..... 22,4 / 23,8...........24** / 26 cm
Geschoßgewicht............. 106 kg............... 120 kg***
Arbeitsdruck............... bis 4.800 atm........ <= 3.000 atm****
Vo.m/sec .................. 1.645................ 1.500 - 1.600

Zur Anpassung der Treibladung von Schuß zu Schuß habe ich noch nichts gefunden.

Bzgl. der Geschosse ist die Rede davon, dass diese besonders präzie gefertigt und austariert (Schwerpunktlage) waren, um ballistische Abweichungen zu minimieren. Sie wurden dann zu Losen möglichst gleicherartiger Geschosse zusammengefasst, markiert und für jedes Los die Schußwerte ermittelt. Zu unterschiedl. Durchmessern je Schuß wird nichts gesagt, allerdings sind dort auch keine Details das Design des Übergangs vom Ladungsraum zum gezogenen Teil des Rohres bekannt.

Ferner ist die Rede davon, das die Geschosse vor dem hinteren und vorderen Kupferführungsband jeweils über eine Länge von 70 mm "enlarged and rifled" waren, also mit Zügen und Feldern versehen, um den vorderen Teil zwecks besserer Abdichtung schon in den gezogenen Teil des Rohres einzuführen; bei der WTS werden dann daraus "Warzen":motz:!

Der notwendigen Präzision dürfte auch die Temperierung der Treibladungen geschuldet sein, um gleichmäßige Ergebnisse zu erzielen, ansonsten dürfte bei dem Treibmittel nichts besonderes gewesen sein.

** ein Geschütz soll noch mit diesem Durchmesser zum Einsatz gekommen sein. 23,8 und 24 darf man wohl gleichsetzen.
*** vielleicht vor / nach Aufbohren?
**** entspricht der 38 cm SK L/45,
"The design of the breech mechanism of the original 38-cm gun did not require modification."
 

Anhänge

  • Design der Granate.pdf
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Zuletzt bearbeitet:
Hier noch eine deutlichere Darstellung der Granate: File:paris Gun Shell Diagram.jpeg - Wikimedia Commons

Im Text wird ein Arbeitsdruck von 21 to / Quadratzoll erwähnt, das entspricht 3.255 kg / cm2.

Auf dieser Website wird zwar die 35 cm / L45 als Basisgeschütz genannt, dafür interessante Daten und Hinweise zu Quellen. Leider in Auswärts, Bdaian hilf:
- Paris Gun

Bei der erwähnten vorderen Vorkartusche könnte es sich um die Ausgleichsladung handeln:

Röhrenpulver C 12
Peso do propulsor
Hauptkartusche (carga principal, caixa de cartucho): 70kg hintere Vorkartusche (carga frontal e traseira, saco de seda): 75kg vordere Vorkartusche (carga inicial dianteira, saco de seda): variável tendo em conta o calibre, distância, uso, etc.). Exemplo de carga completa: 164kg (incluindo19kg vordere Vorkartusche) tubo reutilizado 210mm, distância 120km. Temperatura da carga: 15°C
 
Leider fehlt im Augenblick die Zeit zu einer umfassenden Aufbereitung. In der Juni Ausgabe von 1930 der Zeitschrift "Modern Mechanix" findet sich ein Artikel von Henry W. Miller: Secrets of the Mystery Gun that Shelled Paris | Modern Mechanix

Interessant finde ich einmal natürlich die grafischen Darstellungen und Abbildungen (auch der Geschosse) sowie die Erwähnung, dass sich die Länge des Ladungsraumes durch den Abbrand um bis zu 1,80 m erhöhte, damit käme man auf die andernorts genannten rund 5 m - allerdings bei einem ausgeschossenen Rohr.
But in the German guns cone wear progressed up to six feet of barrel length before they were discarded.
Falsch dürfte hingegen die angegebene Mündungsenergie von 8 Mrd. foot pound sein, hier wurde vergessen durch 2 zu dividieren (E = 1/2 m * v * v).

Grundsätzliches und Anschauliches zum Aufbau von Rohren findet sich auch auf der Seite: GUN-BARL-CONSTRUCTION-1.
 
Die schweren Marinegeschütze an der Westfront und gegen Paris

lautet die Überschrift eines Berichts von Korvettenkapitän Walter Kinzel, der seinerzeit zur ballistischen Leitung der Ferngeschütze zählte, in dem Erlebnisband I "Auf See unbesiegt", S. 171 ff.

Der Bericht gibt einen kleinen Einblick in die Geschehnisse beim Einsatz der Paris-Geschütze.

(PS: vielen Dank an silesia für den Link in http://www.geschichtsforum.de/686153-post8.html)
 
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