Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Damals haben wir kein Regelwerk gebraucht, um einem Quellenzitat auf den Grund zu gehen, und ich glaube, wir brauchen das auch in Zukunft nicht.

Offenkundig bin ich wieder missverstanden worden.
Ich habe habe ausgeführt, das im Regelwerk kein Hinweis zu entdecken ist, das Aussagen und Ausführungen mit Quellen zu belegen sind. Ich habe mich weiter oben dazu ausführlich geäußert gehabt.
Des Weiteren habe ich u.a. ausgeführt, wenn das verlangt würde, dann wäre es sinnvoll das Regelwerk anzupassen.
Wir hatten doch mal ein angebliches Quellenzitat des renommierten und sehr bekannten Historikers Fritz Fischer

Du meinst sicher den Altnazi Fritz Fischer, ehemals Mitglied der NSDAP, seit 1937 und darüber hinaus der SA, hier schon seit 1933, der behauptete kein Anhänger der Nazis gewesen zu sein. Der dann trotz dieser Vergangenheit erstaunlicherweise in Hamburg einen Lehrstuhl erhalten hatte und dann als Professor für Geschichte, dem Kaiserreich die alleinige Kriegsschuld testierte. Wir wissen heute, das er falsch lag. Zudem hatte Fischer sich bei seiner Betrachtung nur auf Berlin fixiert und die anderen Akteure ausgeblendet. Sicher hat er mit seinen Forschungen seine Verdienste.

Aber das Thema hier heißt doch Poincaré.
 
OT:
Fischer & die Liman von Sanders-Krise: gezielt die verschärfenden u. kompromittierenden Fragmente aus Äußerungen z.b. bei von Wangenheim, KWII. Siehe den Faden dazu.

Huuh....was KWII. an Äußerungen nach dem Höhepunkt der LimanKrise dazu im Februar 1914 abgab, Conny Hötzendörf hatts offenbar im 'O-Ton' überliefert, wie ich sehen konnte. Die hatte Fischer anscheinend nicht gesehen, ebenso wenig die unmittelbar daran anschließenden geheimen 'Racheplanungen' aus dem Umfeld KWII. Die via Wien dank eines bestechlichen ÖU-Konsuls mit sehr guten Beziehungen zu Personen aus dem Umfeld des ÖU-Generalstab in St. Petersburg landeten...und gut versteckt in einer bolschewistischen, anti-imperialistischen (=antifranzös./antizussischer) DokuSammlung veröffentlicht wurden.
 
Du meinst sicher den Altnazi Fritz Fischer, ehemals Mitglied der NSDAP, seit 1937 und darüber hinaus der SA, hier schon seit 1933, der behauptete kein Anhänger der Nazis gewesen zu sein. Der dann trotz dieser Vergangenheit erstaunlicherweise in Hamburg einen Lehrstuhl erhalten hatte und dann als Professor für Geschichte, dem Kaiserreich die alleinige Kriegsschuld testierte. Wir wissen heute, das er falsch lag. Zudem hatte Fischer sich bei seiner Betrachtung nur auf Berlin fixiert und die anderen Akteure ausgeblendet. Sicher hat er mit seinen Forschungen seine Verdienste.

Aber das Thema hier heißt doch Poincaré.

Weshalb mir schleierhaft ist, warum Du an dieser Stelle eine alte Diskussion aufwärmst, darauf haben Dir doch schon eine Menge Leute geantwortet: Historiker als historische Subjekte: Mommsen, Fischer....


Leider hast Du versäumt, Dich zu meiner eigentlichen Frage zu äußern:

Wenn jetzt energisch versucht wird Quellen zu zerlegen, auch wenn diese von renommierten und sehr bekannten Historikern kommen, dann stimmt mich das nachdenklich.
Inwiefern nachdenklich?
[...]
Ich finde es völlig normal, dass man einem Quellenbeleg nachgeht, und wenn man die Quelle gefunden hat, dann zählt die Quelle, und nicht, was ein noch so renommierter Historiker (der vielleicht selber die Quelle gar nicht angesehen hat, sondern aus der Sekundärliteratur zitiert) über die Quelle schreibt.
 
Zu Fritz Fischer habe ich eine Meinung und die habe ich geäußert. Eine Aufwärmung einer alten Diskussion war/sollte es ganz bestimmt nicht sein.

Ich vermisse deine Frage an @andreassolar, weshalb dieser offene Fragen, trotz mehrfacher Wiederholung von verschiedenen Mitgliedern aber auch das "Übersehen" so einiger bedeutsamer Ausführungen von mir zum Thema. Da ist nichts zu gekommen. Auch gestern wieder nicht.

Christopher Clark ist ein internationaler, sehr renommierter Historiker. Ich denke das ist unstrittig. Eine Diskussion über meine Bedenken führt, @andreassolar hat es bereits versucht, dann zu einer Diskussion über meine Person. Das lehne ich ab; ich möchte gemäß der Themenstellung über Poincaré sprechen.

Und wenn ich solche "Äußerungen" über bekannte Historiker lese, na ja......

andreassolar schrieb:
Dein schon mehrfach referierter Beitrag enthält halbgare Behauptungen, Verkürzungen, Kraut und Rüben durcheinander. Da steht von Kuhls zusammengenageltes Der deutsche Generalstab neben Clark's Schlafwandler, dann der unvermeidliche R.F. Schmidt mit seinem Machwerk 'Revanche pour Sedan', das nur so strotzt vor Verkürzungen, Entstellungen, aus dem Kontext gerissenen Aussagen, Fakten usw. usw.

andreassolar schrieb:
Großspurige Meinungsmache eines Revisionisten, denn einen speziellen Neujahrsaufsatz konnte ich in der 1. Ausgabe 1914 von Raswjädtschik nicht finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich vermisse deine Frage an @andreassolar, weshalb dieser offene Fragen

Bin ich jetzt dafür zuständig, Deine offene Fragen, die Du an andere Mitglieder gestellt hast, für Dich zu klären? Wenn ich mich veranlasst sehe, bei @andreassolar nachzuhaken, mache ich das, wie Du vielleicht auch in diesem Thread schon bemerkt hast. Hier hatte ich z. B. nachgehakt:
@andressolar hatte hier auch angedeutet, das die Schrift von Kuhl möglicherweise gar nicht existiere.


Im Moment habe ich allerdings keine offenen Fragen an @andreassolar, sondern eine offene Frage an Dich.

Christopher Clark ist ein internationaler, sehr renommierter Historiker. Ich denke das ist unstrittig.
Dass das auch für Fritz Fischer gilt, sollte Dir bekannt sein.
1971 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der British Academy gewählt.[6] Im Alter von 91 Jahren starb Fritz Fischer 1999 in Hamburg. Im selben Jahr wurde er in The Encyclopedia of Historians and Historical Writing als der wichtigste deutsche Historiker des 20. Jahrhunderts bezeichnet.[7]
Fritz Fischer (Historiker) – Wikipedia

Dessenungeachtet dürfen und sollen auch Äußerungen renommierter Historiker auf den Prüfstand gestellt und ggf. kritisiert werden. Ich verstehe nicht, was daran bedenklich sein sollte.

Und wenn Du mir dazu nach dreimaliger Nachfrage nur ausweichst, dann werde ich auch nicht weiter nachhaken.
 
Zurück zum Thema:

Unter dem Datum 07.11/20.11 schickte Iswolski, der russische Botschafter in Paris, Sasonow die folgenden Zeilen:

"[...] Tittoni sagte ihm (Poincaré, Anmerkung von mir) auch, das infolge der erregten öffentlichen Meinung Russlands Sie genötigt wären, ihren ursprünglichen Standpunkt zu ändern und daß Sie die Forderungen Serbiens, einen territorialen Ausgang zum adriatischen Meer zu erhalten, unterstützen müssen.
Das macht ihm, Tittoni, Sorgen, denn Italien hat sich verpflichtet, daß Prinzip der Integrität Albaniens zu verteidigen und im Falle eines Krieges muß Italien Österreich bewaffnete Unterstützung leisten.
Poincaré bemerkte, das stehe schwerlich im Einklang mit dem, was ihm über das russisch-italienische Abkommenin Racconigi bekannt sei und widerspreche durchaus dem französisch-italienischen Abkommen von 1902, kraft dessen Frankreich das Recht habe, für den Fall eines Krieges mit Deutschland und Österreich auf die Neutralität Italiens zu rechnen.
Tittoni antwortet, dass das Abkommen mit Österreich über Albanien der Verständigung mit Frankreich und Russland vorausgegangen und für die italienische Regierung unbedingt verpflichtend sei. Das bringt Italien in eine äußerst schwierige Lage und deshalb sucht es mit allen Kräften eine friedliche Lösung der Lage zu erreichen.
Im Laufe des Gesprächs sagte Poincarè zu Tittoni, daß wenn der österreichisch-serbische Konflikt zu einem allgemeinen Kriege führe, Russland auf bewaffnete Hilfe seitens Frankreichs vollkommen rechnen könne. Das machte, sagt Poincarè, auf Tittoni sichtbaren Eindruck."


Ein deutliche Ansage des französischen Präsidenten.

Quelle: Siebert, Diplomatische Aktenstücke der Entente Band 2, S.473
 
@Shinigami

Aus dem Buch „Die Mobilmachung der Russischen Armee 1914“ von Dobrorolski ein Zitat.

"Es entstand die Notwendigkeit, für die Eisenbahnen eine ganz besondere Kombination vorzusehen: Teilmobilmachung einiger europäischer Bezirke, auf welche die allgemeine folgen sollte. Diese Kombination war aber nicht ausgearbeitet, wie dies bereits früher erwähnt wurde, da nicht die Möglichkeit einer Teilmobilmachung gegen Österreich-Ungarn allein vorgesehen war.

Noch gefährlicher, aber wäre eine strategische Konzentration der mobil gemachten Truppen an der Grenze gewesen.

Für den Aufmarsch war nur ein einziger Plan ausgearbeitet. Auf Grund dieses Planes gehörten die Korps des Moskauer und des Kasanschen Militärbezirks zum Bestand der Armeen, die sich auf dem Territorium des Warschauer Militärbezirks zu entwickeln hatten. Infolgedessen hätten bei der geplanten Teilmobilmachung diese Korps in andere Rayons der Konzentrierung dirigiert werden müssen, die an der Grenze des Kiewschen Bezirks hätten gewählt werden müssen."
 
Zurück zum Thema:

Unter dem Datum 07.11/20.11 schickte Iswolski, der russische Botschafter in Paris, Sasonow die folgenden Zeilen:

"[...] Tittoni sagte ihm (Poincaré, Anmerkung von mir) auch, das infolge der erregten öffentlichen Meinung Russlands Sie genötigt wären, ihren ursprünglichen Standpunkt zu ändern und daß Sie die Forderungen Serbiens, einen territorialen Ausgang zum adriatischen Meer zu erhalten, unterstützen müssen.
Das macht ihm, Tittoni, Sorgen, denn Italien hat sich verpflichtet, daß Prinzip der Integrität Albaniens zu verteidigen und im Falle eines Krieges muß Italien Österreich bewaffnete Unterstützung leisten.
Poincaré bemerkte, das stehe schwerlich im Einklang mit dem, was ihm über das russisch-italienische Abkommenin Racconigi bekannt sei und widerspreche durchaus dem französisch-italienischen Abkommen von 1902, kraft dessen Frankreich das Recht habe, für den Fall eines Krieges mit Deutschland und Österreich auf die Neutralität Italiens zu rechnen.
Tittoni antwortet, dass das Abkommen mit Österreich über Albanien der Verständigung mit Frankreich und Russland vorausgegangen und für die italienische Regierung unbedingt verpflichtend sei. Das bringt Italien in eine äußerst schwierige Lage und deshalb sucht es mit allen Kräften eine friedliche Lösung der Lage zu erreichen.
Im Laufe des Gesprächs sagte Poincarè zu Tittoni, daß wenn der österreichisch-serbische Konflikt zu einem allgemeinen Kriege führe, Russland auf bewaffnete Hilfe seitens Frankreichs vollkommen rechnen könne. Das machte, sagt Poincarè, auf Tittoni sichtbaren Eindruck."


Ein deutliche Ansage des französischen Präsidenten.

Quelle: Siebert, Diplomatische Aktenstücke der Entente Band 2, S.473

Wiederholt der Hinweis auf meinen Beitrag 224:

Natürlich fehlt bei Schmidt die Durazzo-Krise im November 1912, Serbien wollte im Rahmen des erfolgreichen Balkankriegs das albanische Durazzogebiet im Osmanischen Reich besetzten, um einen Adriahafen zu erlangen.
ÖU drohte dagegen militärisch vorzugehen - und Poincaré bemerkte entlang dem Telegramm von Iswolski an Sasonow am 23.11.1912 (Siebert, Diplomatische Aktenstücke zur Geschichte zur Ententepolitik, S. 590-592) am Ende, dass es in dieser sehr kritischen Zeit äußerst wichtig sei, daß Serbien sich nicht auf Ratschläge von Seiten Rußlands berufen könne, und dass es für alle klar sein müsse, dass Serbien, wenn es auf seinen Marsch nach Durazzo besteht, auf seine eigene Gefahr hin handelt.
Poincare bat Iswolski, dies Sasonow mitzuteilen.
Ein deutliche Absage des französischen Präsidenten Poincaré.

Christopher Clark hatte nach dem großen Verkaufserfolg von Die Schlafwandler in verschiedenen Dis. bzw. Interviews (2015/2016) auf gewisse kritische Nachfragen selbst notiert, dass er seinen Titel so nicht mehr in allen Abschnitten schreiben würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erlaube mir nochmals den Hinweis auf meinen Beitrag #111 vom 6. September 2022 im Faden Rainer F. Schmidt und seine Beurteilung Poincare usw.:

Nochmals zu Rainer Schmidts Aufsatz in Historische Zeitschrift, in welchem er sinngemäß postuliert, Poincaré habe im September 1912 den 1914 entscheidenden Kriegssauslöse-Mechanismus erkannt, welchen er nach Ansicht von Schmidt dann entscheidend integriert und gefördert habe...ungefähr.
Natürlich fehlt bei Schmidt die Durazzo-Krise im November 1912, Serbien wollte im Rahmen des erfolgreichen Balkankriegs das albanische Durazzogebiet im Osmanischen Reich besetzten, um einen Adriahafen zu erlangen.
ÖU drohte dagegen militärisch vorzugehen - und Poincaré bemerkte entlang dem Telegramm von Iswolski an Sasonow am 23.11.1912 (Siebert, Aktenstücke, S. 590-592) am Ende, dass es in dieser sehr kritischen Zeit äußerst wichtig sei, daß Serbien sich nicht auf Ratschläge von Seiten Rußlands berufen könne, und dass es für alle klar sein müsse, dass Serbien, wenn es auf seinen Marsch nach Durazzo besteht, auf seine eigene Gefahr hin handelt.
Poincare bat Iswolski, dies Sasonow mitzuteilen.
Obwohl also im November 1912 bereits die Gelegenheit bestand, den von Poincare - nach Rainer Schmidts Aufsatz - im September erkannten Kriegsauslöse-Mechanismus für die Auslösung des angelblich von ihm gezielt anvisierten großen Krieges via Serbien-ÖU zu nutzen, tat er das nicht. Ebenso wenig ermunterte er Sasonow in irgendeiner Weise, Serbien gegen ÖU militärisch zu unterstützen bzw. eine entsprechende Zusage zu geben.

Im gleichen genannten Faden aus Beitrag 138:

Ich werde zitiert:
Dazu lohnen sich die überlieferten Zeilen von der Unterhaltung zwischen Sasonov und Poincaré bei dessen Staatsbesuch in Moskau im August 1912, Stieve, Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis, Bd. 2, Dok 401, S. 223f, Abschnitte Der bulgarisch-serbische Vertrag und Die möglichen Verwicklungen auf dem Balkan.​

Darunter wird dazu notiert:

In der Tat. Poincaré bringt sein Besorgnis zum Ausdruck, da er in dem Bündnis der Serben und Bulgaren mehr einen aggressiven als defensiven Charakter sieht.

Und Sasnow informierte darüber, er hatte also etwas getan, das die Sängerbrücke Bulgarien und Serbien darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass das Zarenreich dieses Bündnis nur als Defensivbündnis, eben für einen Angriff Österreich-Ungarns, anerkennten wollte und nicht die Hand für irgendwelche Angriffspläne reichen wolle.

Und Poincaré klärt Sasonow darüber auf, das der casus foederis nur gegeben sei, wenn Deutschland bei einem mögliche Balkankrieg beteiligt ist. Etwas anderes würde die französische Öffentlichkeit der Regierung nicht erlauben.


Sehr informativ.

Und direkt darauf, aus Beitrag #139, genannter Faden:

Und dabei bleiben beide. Daher lehnen beide ab, den eigenmächtigen serbischen Truppenvormarsch auf albanisches Gebiet im Rahmen des sehr erfolgreichen 1. Balkankrieges (Okt.-Nov. 1912) gegen die militärischen Drohungen ÖUs und der Beistandserklärung Berlins für Wien zu schützen/Garantien zu geben usw.
Die ganzen Treue-Versicherungen gelten vor allem für den Fall, dass die ÖU-Verantwortlichen grundlos oder mit nicht ausreichend anerkannten Gründen Serbisches Staatsgebiet (Serbische Truppen?) selber angreift. Das ist kein Blankoscheck, auch keine Art Blankoscheck Poincarés für die russ. Administration.

Am 30. September 1912 lässt der dt. AA-Minister Kiderlen-Wächter in Berlin folgendes Schreiben an den Geschäftsträger der dt. Botschaft in Wien entwerfen (GP 33, S. 139 f. Zitat daraus:


Zu Ihrer Information. Als mir der französische Botschafter vor einigen Tagen im Verlauf eines Gesprächs über die Balkanlage* ganz von sich aus die Idee aussprach, wir sollten doch unser Bundesverhältnis zu Österreich-Ungarn dazu benutzen, um unserem Alliierten die Initiative zu einer energischen Friedensintervention bei den Balkanstaaten nahezulegen, habe ich Herrn Cambon den Gedanken souffliert, es möge doch auch Frankreich seinerseits seine Allianz mit Rußland zum Anlaß nehmen, um gegebenenfalls in der gleichen Richtung auf St. Petersburg einzuwirken.
Eine inzwischen eingegangene telegraphische Meldung des Kaiserlichen Geschäftsträgers in Paris läßt erkennen, daß Herr Cambon die
vorstehend ventilierten Gedanken alsbald an seine Regierung weitergegeben hat.

Die betreffende Meldung Freiherrn von der Lanckens** besagt:
„Herr Poincare redete mich auf Gespräch Staatssekretärs mit Herrn Cambon an, worin französische Einwirkung auf Rußland und deutsche
Einwirkung auf Österreich-Ungarn erwogen wird zwecks Herbeiführung gemeinschaftlicher Initiative der beiden Mächte bei den Balkanstaaten.
Konseilpräsident stellte mit Genugtuung volle Identität deutsch-französischer Interessen fest, betonte Notwendigkeit etwaiger entschiedener
Friedensintervention der Mächte und war gern bereit, in vorgedachtem Sinne demnächst mit Herrn Sasonow zu sprechen. Immerhin hege er
leise Zweifel, ob auch Österreich-Ungarn und Rußland es tatsächlich über sich bringen würden, sobald positive Maßnahmen in Frage kämen,
bei den kleinen Balkanstaaten Hand in Hand aufzutreten. Weiter meinte Herr Poincare hinsichtlich etwa in Frage kommender
Kollektivdemarchen der Mächte in Konstantinopel, er lege sich die Frage vor, ob sich Großbritannien an solchen jemals beteiligen werde."
 
In GP 33, S. 134, werden in einer Anmerkung Poincarés Positionen und Handeln im September 1912 angesichts der drohenden Kriegslage auf dem Balken referiert. Achtung, langes Zitat:

In diesen Worten Paleologues liegt die erste an die deutsche Adresse gerichtete Hindeutung auf eine neue Initiative in der Mediationsfrage, die inzwischen der französische Ministerpräsident Poincare am 22. September 1912 zunächst durch Fühlungnahme mit England und Rußland eingeleitet hatte. Seit seinem Aufenthalt in Petersburg im August, Wo er zuerst den genauen Text des unter russischer Ägide abgeschlossenen serbischbulgarischen Bündnisses, dieser wahren ‚„„convention de guerre‘“ kennen gelernt hatte (vgl. Kap. CCLXI, Nr. 12058, Fußnote**), war Poincare gleich Paleologue, der aus seiner fünfjährigen Tätigkeit als Gesandter in Sofia das Balkanterrain gründlich kannte, von den schwärzesten Besorgnissen für den Frieden erfüllt. Nachdem er am 12. September Rußland, dem er die Hauptschuld an der kriegerischen Zuspitzung der Lage
beimaß, zu verstehen gegeben hatte, daß Frankreich nur dann gebunden sei, Rußland bei einem entstehenden allgemeinen Kriege mit den Waffen zu unterstützen, wenn Deutschland Rußland angreife (siehe den streng vertraulichen Privatbrief Iswolskys an Sasonow vom 12. September, Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis 1911—1914, ed. Fr. Stieve, I1,252), entschloß er sich, zumal angesichts der Wirkungslosigkeit des Graf Berchtoldschen Schrittes, selbst eine Initiative zu versuchen. Das von ihm am 22, September vorgelegte „Projet d’accord‘“ umfaßte vier Punkte, von denen der erste eine Intervention der Mächte bei den Balkanstaaten, der letzte eine Vorstellung bei der Pforte zur Einführung von Reformen, der zweite und dritte für den Fall des Scheiterns dieser Schritte Maßregeln zur Lokalisierung des Konflikts, insbesondere eine Kollektiverklärung der Mächte an die den Frieden störenden Staaten vorsah, daß sie von einem eventuellen Sieg keinen territorialen Vorteil zu erwarten hätten. Siehe den Erlaß Poincares an den Botschafter Paul Cambon-London vom 22. September, Französisches
Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, I, 60s. und die Geheimtelegramme Iswolskys vom gleichen Tage, Stieve,a.a. O., II, 257. Gegen das Poincaresche Projekt hatte Iswolsky einzuwenden, daß es die Teilung Europas in zwei Mächtegruppen unterstreichen würde, worauf Poincare erwiderte, daß das Projekt ja vor den Dreibundmächten geheimgehalten werden könne, und daß ‚le double groupement etait un fait connu de tous et que la
cooperation publique des deux groupes n’avait que des avantages.‘“ Poincare erklärte sich schließlich bereit, wenn Sasonow oder England an einer „communication de groupe ä groupe‘“ Anstoß nehme, seinerseits bei Deutschland und Österreich wegen einer Gesamtaktion der Mächte zu sondieren. Telegramm Poincares an Paul Cambon vom 22,. September, Französisches Gelbbuch, a. a.O., I, 61. Da tatsächlich England gegen das „Projet d’accord‘‘ Einwendungen erhob, ersetzte Poincare einige Tage später seinen ersten Vorschlag durch einen neuen, nach dem Rußland und Österreich als die am meisten für eine ruhige Lage auf dem Balkan interessierten Staaten auf Grund eines Mandats der Mächte in den Hauptstädten der Balkanstaaten vorstellig werden sollten, um den Beginn einer bewaffneten Aktion aufzuhalten.

Der GP-Band 33 kennt ja bereits Stiewe, Siebert usw. Ich darf erneut höflich darum bitten, Poincaré differenzierter wie R.F. Schmidt in dessen ZeitschriftenAufsatz abzubilden.

Siehe auch Klaus Wilsberg, Terrible ami - aimable ennemi"Kooperation und Konflikt in dendeutsch-französischen Beziehungen 1911-1914 (1998), S. 62 - 80, Die Balkankrise: deutsch-französische Aspekte des europäischen Krisenmanagements, Oktober 1912 bis April 1913.
Kostenfrei als pdf.
S. 67, unterer Abschnitt, scheint mir - Hinweis auf Riezlersche Konzeption - einen wichtigen Punkt anzusprechen bzw. auf den Punkt zu bringen.

Alles weitere, die innenpolitisch oft etwas prekäre Lage Poincarés, die oft in Russland wiederholte öffentliche Kritik an den französischen Zuständen, gerade ab Ende 1913, wie auch beispielsweise der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen Paris-Berlin zur 'Bagdad-Bahn' im Februar 1914, lassen eine breitere Deutung, Interpretation zu. Siehe meine Hinweise auf die Kölnische Zeitung, auf GP.
 
Ich erlaube mir nochmals den Hinweis auf meinen Beitrag #111 vom 6. September 2022 im Faden Rainer F. Schmidt und seine Beurteilung Poincare usw.:

Du erlaubst du Hinweise auf deine Beiträge, ignorierst aber selbst weiterhin, schon seit einiger Zeit, entsprechende Hinweise anderer Mitglieder; mich eingeschlossen.
 
Nur ganz kurz: Die französischen Blankoschecks, in der Vergangenheit und in der Julikrise, waren ganz sicher mit ausschlaggebend für die Eskalation und den schließlichen Ausbruch des Krieges, denn ohne diese Freibriefe, hätte Russland ganz anders, vorsichtiger und zurückhaltender, agiert und in der Folge mit Sicherheit eben auch Belgrad.
 
Nur ganz kurz: Die französischen Blankoschecks, in der Vergangenheit und in der Julikrise, waren ganz sicher mit ausschlaggebend für die Eskalation und den schließlichen Ausbruch des Krieges, denn ohne diese Freibriefe, hätte Russland ganz anders, vorsichtiger und zurückhaltender, agiert und in der Folge mit Sicherheit eben auch Belgrad.
Das französische Handeln in der Juli-Krise mag durchau seinen Einfluss gehabt haben.
Das das französische Handeln davor ausschlaggebend gewesen wäre, dass sehe ich durch nichts wirklich gestützt.
 
Bekanntermaßen hatte Poincaré den Blankoscheck 1912 erteilt. Petersburg wusste, das Frankreich fest an seiner Seite stehen würde.
Überhaupt: Wozu war die Ausdehnung des Bündnisfalls auf dem Balkan überhaupt notwendig geworden?
 
Nur ganz kurz: Die französischen Blankoschecks, in der Vergangenheit und in der Julikrise, waren ganz sicher mit ausschlaggebend für die Eskalation und den schließlichen Ausbruch des Krieges, denn ohne diese Freibriefe, hätte Russland ganz anders, vorsichtiger und zurückhaltender, agiert und in der Folge mit Sicherheit eben auch Belgrad.
Ganz sicher mit ausschlaggebend...hört sich schon viel besser an, für die vermeintlichen B. Natürlich waren die Berliner Blancoschecks seit 1912 für ÖU ebenfalls mit ausschlaggebend. Doch selbstredend nicht die Ursachen und Gründe.

Selbstverständlich lösten die angeblichen Blancoschecks-Freibriefe des französischen Staatspräsident Poincaré beispielsweise im Fahrwasser der Durazzokrise, der Liman-Krise Ende 1913/1914 usw. bekanntlich keinen Krieg aus zw. dem Dt. Reich und dem russ. Reich, obwohl er angeblich Russland in jedem Kriegsgeschehen gegen das Dt. Reich bedingungslos unterstützt hätte.


NZZ Standpunkte, Sendung vom 1.6.1914: Christopher Clark. Der Erste Weltkrieg.

Mit Christopher Clark, Markus Spillmann (NZZ) und Marco Färber (NZZ)


Ab 30:19 sagt Clark:

Ersten darf man nicht vergessen, dass Fritz Fischer sich eigentlich nur für Deutschland interessiert hat. Er hat zwar die anderen Länder so kurz am Rande erwähnt, aber er interessierte sich nicht für das, was die anderen Länder machten.
Er [Fischer] war sensibilisiert für die Frage nach der deutschen Schuld durch seine eigenen Erlebnisse im Dritten Reich. Und er hat ein Psychogramm sozusagen der deutsche Eliten dargestellt. Ich wollte mit meinen Buch, und ich kann das auch nicht, Fischer einfach einseitig widerlegen oder revidieren, das geht nicht. Er hat seine Quellen nicht erfunden, hat ein sehr trübes und überzeugendes Bild von dem Kollektivdenken in gewissen Teilen der politischen Intelligenz des damaligen Deutschland hervorgebracht. Und es bleibt nach wie vor eine große Errungenschaft.
Was ich machen wollte, war dieses Bild also zuerst ein bisschen zu relativieren, denn Fischer hat auch gemeint, die Deutschen hätten den Krieg im Voraus schon geplant. Das ist meines Erachtens nicht durch die Quellen zu belegen. Aber den Rest würde ich gerne einfach so lassen, aber einbetten in ein gesamteuropäisches Bild. Denn wenn man sozusagen Fischer-artig über die anderen Entscheidungszentren auch nachdenkt, dann kommt man, dann sieht man, wie sich die Verantwortung, die Bereitschaft, das Kriegsrisiko aufzunehmen, verteilt.


Fischer-artig wiederu nur die späteren Weltkriegsfeinde des Dt. Reiches abzubilden.....ebenso einseitig selektiv und voreingenommen, wird man immer fündig werden, scheint mir.
 
Bekanntermaßen hatte Poincaré den Blankoscheck 1912 erteilt. Petersburg wusste, das Frankreich fest an seiner Seite stehen würde.
Überhaupt: Wozu war die Ausdehnung des Bündnisfalls auf dem Balkan überhaupt notwendig geworden?

Die Politik der Franzosen ist wirklich interessant. Das ist eine Mischung aus zwei Aspekten, man möchte einerseits die Mittelmächte erdrosseln, gleichzeitig ist man abhängig von den Russen und verliert immer Entscheidungsmöglichkeiten. Frankreich ist in einer Partnerschaft mit den Russen immer der kleine Partner. Der Fehler Poincares ist somit, dass er immer tiefer sich in eine Abhängigkeit von den Russen begeben hat.
Die Russen hingegen hatten ein enormes Druckmittel gegenüber den Franzosen, sie könnten jederzeit mit einer Annäherung an die Deutschen drohen.
Ich kann mir vorstellen, dass Sasonow dieses Druckmittel mehrfach eingesetzt hat, und Poincare über den Tisch gezogen hat. Der gute Poincare war einfach blind in seiner Germanophobie.
 
Der Fehler Poincares ist somit, dass er immer tiefer sich in eine Abhängigkeit von den Russen begeben hat.
Die sicherheitspolitische Abhängigkeit Frankreichs von Russland, bestand bereits qua demographischer und wirtschaftlicher Entwicklung Deutschlands und Frankreichs und qua Existenz des Dreibunds.

Poincaré konnte nichts dafür, dass Deutschlands Bevölkerung und Wirtschaft deutlich schneller wuchsen, als die Frankreichs, was zunehmend negative Folgen für die französische Fähigkeit zur eigenen Landesverteidigung haben musste.
Das war ein sicherheitspolitisches Problem, mit dem Frankreich irgendwie umgehe musste und das konnte nur heißen, sich durch ein Bündnis mit einer anderen größeren Macht gegen Deutschland abzusichern.
Wer wäre da infrage gekommen?

- Großbritannien? Besaß kein hinreichend großes Landheer um Frankreich in einem großen Konflikt mit Deutschland wirklich entlasten zu können.
- Italien? War mit eben diesem Deutschland verbündet, außerdem konnte man mit einigem Recht Wünsche der italienischen Nationalisten nach französischen Territorium unterstellen.
- Österreich-Ungarn? War ebenfalls durch Bündnis an Deutschland gebunden und auch auf das Deutsche Bündnis angewiesen, wenn es seine Balkanpolitik vorrantreiben sollte.

Was wäre also die sicherheitspolitische Alternative zu einem russischen Bündnis aus französischer Sicht gewesen?

Hätten sich der Dreibund und der Zweibund aufgelöst, so das Österreich-Ungarn und Italien denkbare Partner gewesen wären, dann wäre es für die Franzosen sicher eine Überlegung wert gewesen die eigene Sicherheit auf eine Bündniskombination zu stützen, bei der sie der Seniorpartner gewesen wären und das kommando gehabt hätten.
Da das aber nicht passierte, blieb nur Russland in Kombination mit Großbritannien und hier musste Frankreich naturgemäß Juniorpartner sein.

Das ist Poincaré durchaus nicht anzulasten, jedenfalls nicht grundsätzlich.
 
Ganz sicher mit ausschlaggebend...hört sich schon viel besser an, für die vermeintlichen B. Natürlich waren die Berliner Blancoschecks seit 1912 für ÖU ebenfalls mit ausschlaggebend. Doch selbstredend nicht die Ursachen und Gründe.

Selbstverständlich lösten die angeblichen Blancoschecks-Freibriefe des französischen Staatspräsident Poincaré beispielsweise im Fahrwasser der Durazzokrise, der Liman-Krise Ende 1913/1914 usw. bekanntlich keinen Krieg aus zw. dem Dt. Reich und dem russ. Reich, obwohl er angeblich Russland in jedem Kriegsgeschehen gegen das Dt. Reich bedingungslos unterstützt hätte.


NZZ Standpunkte, Sendung vom 1.6.1914: Christopher Clark. Der Erste Weltkrieg.

Mit Christopher Clark, Markus Spillmann (NZZ) und Marco Färber (NZZ)


Ab 30:19 sagt Clark:

Ersten darf man nicht vergessen, dass Fritz Fischer sich eigentlich nur für Deutschland interessiert hat. Er hat zwar die anderen Länder so kurz am Rande erwähnt, aber er interessierte sich nicht für das, was die anderen Länder machten.
Er [Fischer] war sensibilisiert für die Frage nach der deutschen Schuld durch seine eigenen Erlebnisse im Dritten Reich. Und er hat ein Psychogramm sozusagen der deutsche Eliten dargestellt. Ich wollte mit meinen Buch, und ich kann das auch nicht, Fischer einfach einseitig widerlegen oder revidieren, das geht nicht. Er hat seine Quellen nicht erfunden, hat ein sehr trübes und überzeugendes Bild von dem Kollektivdenken in gewissen Teilen der politischen Intelligenz des damaligen Deutschland hervorgebracht. Und es bleibt nach wie vor eine große Errungenschaft.
Was ich machen wollte, war dieses Bild also zuerst ein bisschen zu relativieren, denn Fischer hat auch gemeint, die Deutschen hätten den Krieg im Voraus schon geplant. Das ist meines Erachtens nicht durch die Quellen zu belegen. Aber den Rest würde ich gerne einfach so lassen, aber einbetten in ein gesamteuropäisches Bild. Denn wenn man sozusagen Fischer-artig über die anderen Entscheidungszentren auch nachdenkt, dann kommt man, dann sieht man, wie sich die Verantwortung, die Bereitschaft, das Kriegsrisiko aufzunehmen, verteilt.


Fischer-artig wiederu nur die späteren Weltkriegsfeinde des Dt. Reiches abzubilden.....ebenso einseitig selektiv und voreingenommen, wird man immer fündig werden, scheint mir.

Ich weise nochmals auf Beitrag 342 hin.
 
Poincaré konnte nichts dafür, dass Deutschlands Bevölkerung und Wirtschaft deutlich schneller wuchsen, als die Frankreichs, was zunehmend negative Folgen für die französische Fähigkeit zur eigenen Landesverteidigung haben musste.
Das war ein sicherheitspolitisches Problem, mit dem Frankreich irgendwie umgehe musste und das konnte nur heißen, sich durch ein Bündnis mit einer anderen größeren Macht gegen Deutschland abzusichern.
Wer wäre da infrage gekommen?

Die Lösung ist relativ einfach: Eine Politik der Annäherung, der Verständigung und der Versöhnung, was über 40 Jahre nach dem Krieg überfällig gewesen wäre. Aber das wollte der Lothringer Poincaré eben nicht.
 
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