Ich versuche mal auf etwas einzugehen.
1.
- Wie groß war die Welle der Aufklärung wirklich? Ich habe gelesen, dass sich damit eine kleine Gruppe aus dem gehobenen Bürgertum und dem Adel beschäftigte, es aber kein so allumfassendes Thema war, wie es oft dargestellt wird.
2.
- An einer Stelle ist mir die Aussage begegnet, dass man versuchte, die chinesische Mode der kleinen, zarten Füße nachzuahmen. Chinesisches / Asiatisches war ja in dieser Zeit sehr beliebt. Könnte man es also als umfassenden Trend ansehen oder eher als persönlichen Geschmack?
3.
- Wie sehr war man noch vom 7jährigen Krieg geprägt in den 1780er Jahren?
4.
- Wie stark war man vom Staatsoberhaupt (also dem alten Fritz) geprägt und beeinflusst im Alltag? Also hatte jeder Haushalt ein Bild von ihm an der Wand hängen? Sprach man über ihn, wenn man nicht direkt mit ihm zu tun hatte? Wurde er so angesehen wie die Politiker heute oder empfand man wirklich glühende Bewunderung für ihn und seine Leistungen?
5.
- Mehrmals habe ich gelesen, dass man nach einer gewissen Zierlichkeit strebte bei seinem Umgangsformen. Was muss man sich denn darunter vorstellen?
6.
- Generell frage ich mich, ob man die Umwelt so empfand und wahrnahm, wie wir es heute tun mit der damaligen Zeit (z. B. Armut, Umständlichkeit des Reisens, die Langsamkeit, Kinderarbeit, globales Denken / regionales Denken / Interesse für das Weltgeschehen oder eher nicht, eingeschränkte Rechte der Frau, der angebliche Gestank, der überall herrschte etc.)
7.
Der Aufhänger für meine Überlegungen ist, dass ich den Eindruck habe, in Geschichtsbüchern / Sachbüchern zu diversen Epochen wird es immer so dargestellt, als wären die Politik des entsprechenden gesamten (!) Jahrhunderts und das, was die Zeit kennzeichnet, permanent in aller Munde gewesen. Aber ich denke nicht, dass es wirklich so war. Ich vergleiche es mit der Gegenwart: Irgendwann wird das, was wir gerade erleben, auch mal Geschichte sein.
8.
Auch modische Trends bei Kleidung, Kunst, Musik und Möbeln entstehen Stück für Stück und gehen fließend in einander über. Es war damals sicher nicht so, dass von gestern auf heute jemand dachte, es wäre doch toll, eine Turmfrisur mit eingebundenen Porzellanfiguren auf dem Kopf zu haben - und schon war er für die nächsten 50 Jahre DAS Gesprächsthema. Aber trotzdem kommt es in der Literatur immer wieder so rüber.
1.
Man kann wohl sagen, dass die Zahl der "großen Aufklärer" wie Rousseau, Voltaire, Grimm, Diderot ... nun nicht so gewaltig war. Auf der anderen Seite waren die Aufklärer enorm mit einander vernetzt und ziemlich viele Herrscher bemühten sich bspw. mit Voltaire in Konversation zu treten.
Auf der anderen Seite stand die ländliche Unterschicht oft recht skeptisch bis ablehnend den aufklärerischen Neuerungen von oben entgegen, welche ihnen kaum erklärt wurden. Man muss dazu aber bedenken, dass dort auch oftmals die Volksgläubigkeit noch sehr tief saß.
Grundsätzlich sehe ich im Bürgertum einen weit größeren Widerhall der Aufklärung.
2.
Bei den Herren habe ich das noch nicht festgestellt. Bei den Damen sieht man auf vielen Gemälden und Modekupfern überproportional kleine Füße. Zum Schönheitsideal der Zeit haben wir schon einen Thread:
http://www.geschichtsforum.de/f72/das-sch-nheitsideal-im-18-jh-33088/
3.
Der Krieg lag bereits etwa 20 Jahre zurück, aber der Konflikt mit Österreich war noch permanent. Lies Dich doch mal zum Thema
Bayerischer Erbfolgekrieg und
Fürstenbund ein! Ich denke, das waren die aktuell ca. 1780-1790 weit verbreiteteren Themen.
4.
Hm, das mit dem Bild, kannst Du Dir ja selbst erklären. Wenn Du ein Gemälde meinst, wirst Du leicht darauf kommen, dass sich wohl kaum jeder ein Gemälde leisten konnte.
Auf der anderen Seite gab es viele Kopien der Porträts des Königs von Ziesenis oder auch das Altersbild von Anton Graff.
Ganz allgemein gesagt, darfst Du auch die Volkskunst nicht außer Acht lassen. Es gibt allerhand naive Abbildungen, welche Friedrich oder eine seiner Schlachten zeigen und wohl eher in den Haushalt eines wenig zahlungskräftigen Personenkreises gehören.
Darüberhinaus war das 18.Jh. DAS Jahrhundert des Kupferstiches. Gerade die Werke von Daniel Chodowiecki waren enorm verbreitet.
5.
Hm, das kann ich nicht so mit Bestimmtheit sagen.
Hast Du Dich schon mit Tanzmeisterbüchern aus der Zeit beschäftigt?
6.
Na ja, kannst Du Dir wahrscheinlich selbst beantworten.
Warum soll man damals geringere Frauenrechte, als Beispiel, so empfunden haben wie heute, wenn man doch garnichts anderes kannte und ein ganz anderes Weltbild hatte?
7.
Das verstehe ich nicht ganz, was Du damit meinst.
Natürlich hatte jede Gesellschaftsschicht ihren spezifischen Horizont.
Mal zwei hoffentlich anschauliche Beispiele(1780er):
Der Stutzer in Paris interessierte sich freilich für die neuesten Moden, trug die neuesten Fräcke, die neuesten Frisuren.
Den Bauer im tiefsten Deutschland kehrte das wenig. Lebte er bspw. im Schwarzwald, so trug er eine Tracht, die noch stark ans 17.Jh. erinnern konnte.
Das Politische sieht genauso aus. Natürlich wurde es in jedem Land klar, dass Krieg war, wenn die Regimenter aufgefüllt werden mussten und die Mütter und Gemahlinnen der Gefallenen weinten. Man sah die Werbetrupps, erlebte Truppendurchzüge und die dazu gehörigen Drangsale evtl..
Auf der anderen Seite erfuhr man natürlich ganz unterschiedlich viel von Geschehnissen im Ausland, die den Menschen wenig berührten. Der Städter hätte wohl z.B. den Krieg in Amerika durch die Zeitung erfahren. (Die Zahl der Zeitungsleser nahm ja im 18.Jh. rasant zu.
http://www.geschichtsforum.de/504700-post49.html ) ...
8.
Das ist dann aber sehr schlechte Literatur, die alles in einen Topf haut.
Kannst Du mal konkret sagen, wo Du so einen Eindruck hast?
Insgesamt: Das war bei mir alles aus dem hohlen Bauch heraus und "so nach Gefühl".
Ich will nämlich auch nicht alles hier nochmal aufwärmen, sondern Dir lieber empfehlen, einfach auch mal in anderen Threads nachzuschauen, wo einiges sicherlich schon durchgekaut wurde. Da kannst Du ja auch noch Fragen stellen.
C'est ca.:winke: