Preußen- Friedrich II

Jetzt sind wir wieder bei der Außenpolitik gelandet, von der sunbell (#1) selbst schrieb, sie sei "eigentlich nicht schwer" darzustellen - das wird er/sie wohl jetzt zurücknehmen... :still:

Kurz zurück zur Frage, ob denn Friedrich tatsächlich "politische Macht und Herrschaft neu entworfen und legitimiert" hat, und wenn ja, wie und wodurch. Dem Enthusiamus der einen, die dem Motto "Der Souverän ist der erste Diener des Staates" [1] sozusagen evangelische Qualität zumessen, steht die vernichtende Kritik der anderen gegenüber, die das für einen besonders obskuren Teil der "Hohenzollernlegende" halten.

Christopher Clark (Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600-1947) schreibt, dass im Kern von Friedrichs Denken "die Bewahrung und Ausweitung der Macht des Staates" stand (S. 222); das kommt auch im Antimachiavelli (1739/40, Clark: "irreführender Titel") klar zum Ausdruck: "Hier findet sich kein Bezug auf Dinge wie die Befreiung von Glaubensgenossen oder die Verteidigung alter Rechte, nur ungehemmtes Phantasieren über die Expansion des Staates" (S. 223). Nun mag, wer will, z. B. F.s "bemerkenswerte Gleichgültigkeit gegen den religiösen Konventionen seiner Zeit" als Fortschritt ansehen; aber dass seine Zweifel sich auch auf das Gottesgnadentum in Bezug auf seine königliche Stellung erstreckt hätte, ist mir nicht bekannt.

Aber nochmal zur "Dienerschaft": F. sei für "die abstrakte Autorität des Staates" eingetreten (S. 288), also für die bewusste Unterscheidung von der Person des Monarchen, aber auch insoweit gab es "etliche eklatante Widersprüche zwischen Theorie und Praxis. Obgleich er prinzipiell die Unumstößlichkeit aller veröffentlichten Gesetze und Verfahrensordnungen anerkannte, schreckte er nicht davor zurück, wenn seiner Ansicht nach nötig, sich über die Entscheidungen seiner Justizbehörden hinwegzusetzen." Insgesamt war seine Regierung "eine im höchsten Maße persönliche Angelegenheit und der politische Prozeß eine in mancherlei Hinsicht sogar noch ausschließlicher auf den König ausgerichtet, als das unter seinem Vater der Fall gewesen war" (S. 290 f.).

Wichtig noch der Hinweis Clarks auf F.s "weniger umfassend" angelegtes Staatskonzept (S. 289): Der von seinem Vater betriebene Politik der Integration der z. T. weit entfernten Gebiete mit dem brandenburgischen Kernland maß er deutlich geringere Bedeutung bei, auch ökonomisch übrigens - an der "Herstellung gleicher Lebensverhältnisse", um einen heutigen Begriff zu wählen, war er desinteressiert; es ist kein Zufall, dass er z. B. von 1763 bis zu seinem Tode die Provinz Ostpreußen nicht mehr betreten hat (S. 290).

[1] Aus dem politischen Testament von 1752, zit. b. Clark, S. 285
 
1.
Nun mag, wer will, z. B. F.s "bemerkenswerte Gleichgültigkeit gegen den religiösen Konventionen seiner Zeit" als Fortschritt ansehen; aber dass seine Zweifel sich auch auf das Gottesgnadentum in Bezug auf seine königliche Stellung erstreckt hätte, ist mir nicht bekannt.

2.
Insgesamt war seine Regierung "eine im höchsten Maße persönliche Angelegenheit und der politische Prozeß eine in mancherlei Hinsicht sogar noch ausschließlicher auf den König ausgerichtet, als das unter seinem Vater der Fall gewesen war" (S. 290 f.).

3.
Wichtig noch der Hinweis Clarks auf F.s "weniger umfassend" angelegtes Staatskonzept (S. 289): Der von seinem Vater betriebene Politik der Integration der z. T. weit entfernten Gebiete mit dem brandenburgischen Kernland maß er deutlich geringere Bedeutung bei, auch ökonomisch übrigens - an der "Herstellung gleicher Lebensverhältnisse", um einen heutigen Begriff zu wählen, war er desinteressiert; es ist kein Zufall, dass er z. B. von 1763 bis zu seinem Tode die Provinz Ostpreußen nicht mehr betreten hat (S. 290).
1.
Eine Frage wäre wie weit das Gottesgnadentum in einem Preußen ausgeprägt sein konnte, das lutherisch von Religion in der Allgemeinheit und aber reformiert von Religion an der Staatsspitze war.
An den Werten seines Vaters rüttelte Friedrich II. auch nicht, da würde ich bei Dir mitgehen, nur betonte er die religiöse Facette des Arbeitsethos seiner Beamten nicht wieder. Vielleicht war das auch nicht nötig, da diese etabliert war(?).

Ich glaube gelesen zu haben, dass Friedrich II. an den politischen Verhältnissen seiner Zeit einfach erkannte, dass die monarchische Herrschaft bei allen Schönheiten der Republiken die beste Staatsform war, welche den größten Erfolg für den Staat selbst versprach. Eine ziemlich rationale Erklärung wäre das zumindest für seine Herrschaft - sie ist richtig, weil es nichts besseres gibt.

2.
Eigentlich erstaunlich, dass es so war. Aber wenn man sich anschaut, wie Friedrich Wilhelm I. beide Seiten bediente - "persönliche Herrschaft" und Schaffung von Verwaltungsapperaten - so mag diese Entwicklung hin zu Friedrich II. ein natürlicher Prozess gewesen sein.
Unter den beiden Vorgängern Friedrich Wilhelm I. wurde dem Adel die Mitsprache in wesentlichen politischen Belangen entzogen und dies durch die allmähliche Einrichtung einer komplexen Verwaltungsstruktur noch weiter gewissermaßen auch der Übersicht des Adels entzogen. Die Hauptsache war ja für diese absolutistischen Könige, dass der Herrscher die Übersicht bewahrte. Dass das eigentlich schon bei der Größe eines Staates wie unter Friedrich I. illusorisch war, steht auf einem anderen Blatt.

3.
Das sind interessante Punkte. Wohlmöglich war dieses eindeutige Staatskonzept nicht vorhanden, da sich eben Friedrich II. so viel mit den Theoretikern (Philosophen, aber auch anderen) beschäftigte und dies zu einfachen Antworten oder auch nur geraden Wegen weit weniger hinführt, als dies bei einem religiös beeinflussten Herrschaftsstil seines Vaters der Fall war, der obendrein weit weniger gebildet als sein Sohn war.

Im Prinzip ließen sich da auch Parallelen zu Friedrich II. militärischer Strategie ziehen. Wenn er auch anfänglich bestimmte fundamentale Ansichten hatte, die aber nicht immer ausschlaggebend waren, sondern schon früh den Gegebenheiten angepasst wurden, so wurde er mit den Jahren noch einsichtiger, was durch das Anwachsen eines militärtheoretischen und aus der Praxis seiner Kriege entstehenden Wissensstand resultierte. Man könnte diesen Weg, den in eine Beliebigkeit oder Inkonsequenz nennen, aber das würde den Wert desselben wohl sicherlich verfehlen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wow danke für eure super Antworten. Hat mir echt viel geholfen!!!!!

Aber ich frage mich eigentlich nur noch, warum Friedrich ,im Vergleich zu seinem Vater, seine Politik so anderes gestaltet hat....? Und wie deffinierte er für sich selber ,, gerechten Krieg"? Wir alle wissen ja, dass er sich mehr oder weniger nicht an seinen Antimachiavelli gehalten hat.
Wisst ihr eventuell zu seinen Kriegtechniken, also z.B wie sein stehendes Herr aufgebaut war und warum er so erfolgreich mit denen war?


weiterhin meinte er selber, dass es 3 legitime möglichkeiten gab, durch die ein herrscher die macht übernehmen kann.

,, entweder durch die erbfolge, durch wahl eines volkes, welches dazu in der lage ist ; oder, wenn man durch einen mit Gerechtigkeit unternommenen Krieg einige feindliche Peovinzen erobert"

wieso bringt er hier das Volk mit ins spiel?
 
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Wow danke für eure super Antworten. Hat mir echt viel geholfen!!!!!

Aber ich frage mich eigentlich nur noch, warum Friedrich ,im Vergleich zu seinem Vater, seine Politik so anderes gestaltet hat....? Und wie deffinierte er für sich selber ,, gerechten Krieg"? Wir alle wissen ja, dass er sich mehr oder weniger nicht an seinen Antimachiavelli gehalten hat.
Wisst ihr eventuell zu seinen Kriegtechniken, also z.B wie sein stehendes Herr aufgebaut war und warum er so erfolgreich mit denen war?


weiterhin meinte er selber, dass es 3 legitime möglichkeiten gab, durch die ein herrscher die macht übernehmen kann.

,, entweder durch die erbfolge, durch wahl eines volkes, welches dazu in der lage ist ; oder, wenn man durch einen mit Gerechtigkeit unternommenen Krieg einige feindliche Peovinzen erobert"

wieso bringt er hier das Volk mit ins spiel?


Der Preußenkönig hat vielleicht heimlich doch heimlich Machiavelli gelesen, der ihm vermutlich für seinen schlesischen Coup Beifall geklatscht hätte.

Es hat wirklich alles gepasst: occasio, virtu und fortuna. Maria Theresia war in verzweifelter Lage, als Friedrich ultimativ die Abtretung Schlesiens verlangte, wofür er ihrem Mann seine Stimme bei der Kaiserwahl geben wollte. Ihre Antwort wartete er erst gar nicht ab- soviel zum Thema gerechter Krieg. Später hat Friedrich ganz offen zugegeben, dass ihn nur die "gloire" getrieben habe.

Sein Spiel war riskant, aber der Preußenkönig wusste was er tat. Er verfügte über einen soliden Staatsschatz und über vermutlich die modernste Armee der damaligen Zeit mit einem äußerst professionellen Offizierskorps, das nur darauf brannte, einmal zu zeigen, was es konnte. Einige der älteren generale wie Schwerin und Leopold von anhalt- dessau hatten sich bereits unter Marlborough und Prinz Eugen im Spanischen Erbfolgekrieg, bzw im Polnischen Thronfolgekrieg ausgezeichnet. Prinz Eugen flößte dem jungen Preußenkönig zwar noch erheblichen Respekt ein, doch das Offizierskorps der Österreicher war überaltert. Der Türkenkrieg 1737- 1739 in dem Österreich weite Gebiete (Nordbosnien, Nordserbien und die kleine Walachei) wieder an die Osmanen verlor, zeigte deutlich, dass die kaiserliche Armee ihrem Ruf nicht mehr ganz gerecht wurde.

Preußens Aufstieg zur europäischen Großmacht war nur auf Kosten Österreichs möglich. Dass die beiden einmal aneinandergeraten würden hat die Zeitgenossen weniger überrascht, als durch die Art wie es geschah.
 
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