Prof. Junkers - Die praktische Anwendung der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat

Der Wege sind es viele. Die Frage ist, welche gesehen wurden. Aber das ist Spekulation.

Noch zu den Fakten. Aus den beiden Büchern von Völker zum Aufbau der Luftwaffe geht Folgendes hervor:

1. für die schnellstmögliche Beschaffung der "Risiko-Luftflotte" waren sofortige erhebliche Investitionen in die Luftrüstung notwendig.

2. Die zu kreierende Militärversion der Ju52 (zwar ineffizient, aber man nahm, was da war) war laut Daten-Typenblatt vom Juli 1933 angefordert. Das dürfte in der Kenntnis und im Informationsaustausch einige Wochen vorher zu datieren sein.

Beide Vorgänge sind nur Mosaikstückchen. Beide könnten - reine Spekulation - in die Abläufe hineinspielen.
 
Die Entwicklung bei Heinkel, die Budraß-Ausstellung

www.ruhr-uni-bochum.de/foluft/Heinkel-Ausstellung.pdf

Die "Enteignung" beim Krisenunternehmen Junkers, soweit Flugzeug- und Motorenbau betroffen waren, begann im Prinzip schon mit der Übertragung der Patente, wenige Tage nach der Machtübernahme der NSDAP.

Das frisch - mit einem Sonderetat gerade - geschaffene Reichskommissariat für die Luftfahrt hatte am Tag seiner Gründung nichts Wichtigeres zu tun, als sich um die Junkers-Patente zu kümmern.

Um das Ausmaß einmal etwas aufzuhellen, eine Plausibilitätsüberlegung: geht man davon aus, dass die "Risiko-Luftwaffe" persepktivisch bis 1937 etwa 4000 Flugzeuge umfassen sollte (ähnliche Planungen gab es bereits vor 1933 bei der Reichswehr), so wäre im 4 Jahreszeitraum neben der Typenentwicklung ganz überschlägig der Bau von rd. 6000 Flugzeugen (inkl. Reserve, Training) erforderlich.

Stundenaufwand pro Flugzeug: von 100.000 degressiv auf 50.000 Baustunden (all-in) unterstellt, Mittelwert: 60.000. Da hätte bedeutet, dass man aus den Rüstungszwergen Junkers und Co. ein Luftrüstungsindustrie von 50. - 60.000 Beschäftigten schafft. Hinzu kommen die umfangreichen, liquiditätsfressenden Investitionen für die Ausrüstungen. Ich halte diese "Rechnung" im Kontext für bedeutend, da Junkers vom ersten Tag offenbar keine Alternative gelassen werden sollte (sofortige "Aktivität", erst Abpressen der Patente, dann Abpressen des Unternehmens). Nach der Budraß-Kommentierung soll übrigens gerüchteweise Heinkel als nächster Kandidat gehandelt worden sein. Die Luftrüstung - Flugzellenbau und Flugmotoren - wurde offenbar NS-seitig in einem Ausmaß als Schlüssel angesehen, dass die sofortige Kontrolle ganz oben auf die Aktivitätsliste gesetzt worden ist. Innerhalb der Liste dürfte das Krisenunternehmen Junkers wiederum höchste Priorität besessen haben, wenn die Luftrüstungsplanungen bis 1937 nicht nach einigen Wochen in die Tonne wandern sollten.

Die Frage wäre nun (wenn man so kurze Schnipsel wie bei Schmitt vorfindet): gab es überhaupt einen "Akteur" Junkers in dem Ablauf? Die Ursachen für die schnellen Handlungen des NS-Regimes würde ich aber derzeit kaum bei irgendwelchen Aktivitäten von Junkers nach dem 30.1.1933 setzen.


zum Verlauf 1933 siehe auch noch
RUDOLF HEYDELOFF: STARANWALT DER RECHTSEXTREMISTEN
VfZ 1984, Heft 3, download verfügbar unter
www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1984_3.pdf

neben der Darstellung von Budraß noch der Hinweis auf:
SEHEPUNKTE - Rezension von: Der Fliegerblick - Ausgabe 3 (2003), Nr. 3

... und die Verwicklung von Flick in die Junkers-Affäre:
Der Flick-Konzern im Dritten Reich - Google Bücher
 
Zuletzt bearbeitet:
Könntest Du, so Du ihn hast, den Referentenentwurf dieses Gesetzes einstellen, denn dabei scheint es ja geblieben zu sein - oder steh ich da jetzt vollkommen auf dem Schlauch (?).
M.

Meinst Du diesen Entwurf?
aus: Die Regierung Hitler, Band 2, S. 1045 zum 15.12.1933, in Auszügen:

"1. Übertragung aller bisher von Landesbehörden im Bereich der Luftfahrt ...

2. Verbot der unbefugten Herstellung von Luftaufnahmen ...

3. Das Reich kann gegen angemessene Entschädigung ... das Recht zum Betrieb von Luftfahrtunternehmen, Flughäfen, Flugsicherungseinrichtungen sowie Ausbildungsunternehmen (Luftfahrerschulen) und Forschungsanstalten ... oder das Eigentum oder sonstige Rechte an Anlagen dieser Unternehmen und an ihren dem Betrieb dienenden Gegenständen übernehmen."
 
Manchmal gibt es auch noch Zufallstreffer, hier zumindest nah dran.

Die Tätigkeit der Deutsche Revisions- und Treuhand AG von 1925 bis 1945
Dissertation 2009
Frank Pega

Leider ist nicht direkt der Zeitraum 1933/34 angesprochen, aber die Ausführungen zu den folgenden Jahren lassen einiges von den finanziellen Auswirkungen der Luftrüstungsprogramme in den Bilanzen der Unternehmen (hier Junkers) erahnen.

Die Investitionsprogramme auf Basis der Rüstungsaufträge ließen sich demnach nicht ohne staatliche Flankierung bei den rasant wachsenden Unternehmen finanzieren. Pega geht auch auf die schon von Budraß dargestellte Kapitalschnittprogramme, Abschreibungsgarantien sowie staatlichen Kredithilfen und anschließende Umwandlung in verlorene Zuschüsse als direkte Beihilfen ein. 1937/38 erfolgte dann Übernahme Teil II: Beschränkungen der Verfügungsrechte bei Aktien und Anlagen (des Unternehmens!), Mitbestimnmungsrechte bei Gesellschafterwechsel, Aufstellung der Jahresabschlüsse und Ausschüttungen. Junkers erreichte bei den Anlagen vorher nicht dagewesene Größenordnungen: allein Ausbauprogramm A mit Investitionen im Geschäftsjahr 1937/38 von 237 Mio. RM, Auftragsbestände in den Büchern von 280 Mio. RM zB für Ju87 Sturzkampfbomber und Jumo211-Flugmotoren. Bis 1939/40 war die Mitarbeiterzahl auf 22.000 gestiegen (dazu siehe auch oben).

Wenn die Details interessieren (2MB):
http://edoc.ub.uni-muenchen.de/11671/1/Pega_Frank.pdf

P.S. die Dissertation ist auch abseits des Themas Junkers eine interessante Innensicht der unternehmerischen Vorgänge im Dritten Reich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die "Enteignung" beim Krisenunternehmen Junkers, soweit Flugzeug- und Motorenbau betroffen waren, begann im Prinzip schon mit der Übertragung der Patente, wenige Tage nach der Machtübernahme der NSDAP.

Das „Abpressen“ der Übertragung der Junkers-Patente hatte einen sehr weit zurückgehenden geschichtlichen Hintergrund.

Ich kann jetzt keine Quellen nachschlagen und so referiere ich hier nur mal, was ich so im Kopf habe.

Im Ersten Weltkrieg bauten in Deutschland sehr viele, häufig kleine Firmen sehr viele militärische Flugzeugmuster. Die Inspektion der Fliegertruppen (IdFlieg) versuchte deshalb 1916, die Zahl der Muster dadurch zu reduzieren, dass sie ein Zusammengehen von Unternehmen in Gruppen anstrebte. Eine Gruppe sollte jeweils in großer Stückzahl eines oder mehrere Muster bauen. Es gelang IdFlieg jedoch nicht., die Widerstände in der Industrie zu überwinden.

In diesem Zusammenhang schlug übrigens Hugo Junkers dem Grafen Zeppelin vor, die Abteilung Dornier im Luftschiffbau Zeppelin mit Junkers zusammenzulegen, um so nur an einer Stelle Metallflugzeuge zu entwickeln. Zeppelin fragte Claude Dornier um seine Meinung. Dornier, schon damals um seine Selbständigkeit als Konstrukteur sehr besorgt, lehnte ab; daraufhin gründete der Luftschiffbau Anfang 1917 die Zeppelin-Werk Lindau GmbH, zur Entwicklung von Metallflugzeugen mit Claude Dornier als Geschäftsführer, aus der nach Sitzverlegung und mehrfachen Namensänderungen schließlich die Dornier GmbH wurde, die später in der DASA aufging.

In dem Luftrüstungskonzept der Reichswehr und der Reichsmarine in der Weimarer Republik tauchte der Gedanke aus dem Ersten Weltkrieg wieder auf.
Wegen der politischen Rahmenbedingungen konnte man nur verdeckt militärische Flugzeuge entwickeln und bis zur „Frontreife“ erproben lassen, unter Heranziehung von vom Reich geförderten ausländischen Beteiligungsunternehmen der Flugzeugfirmen (aber auch durch die Reichswehr selbst in der Sowjetunion), aber nicht in Serie bauen. Man war jedoch sehr daran interessiert, bei einer Freigabe so schnell wie möglich diese Flugzeuge (acht Baumuster, vier für die Reichswehr, vier für die Reichsmarine) in Stückzahlen, die für den Aufbau einer Luftwaffe ausreichten, geliefert zu bekommen.
Das Reich strebte an, seine für die Luftrüstung in erster Linie vorgesehenen Stammfirmen im Raum um die westliche Ostsee strategisch günstig zu konzentrieren, also möglichst weit von den potentiellen Gegnern Polen, Frankreich und Tschechoslowakei entfernt.
Dornier wurde dabei der Standort Lübeck zugewiesen, wo dann später ein Werk der Norddeutschen Dornier-Werke GmbH entstand.
Es wurde auch überlegt, zur Erhöhung der Ausbringung, wenn denn die politischen Verhältnisse den Aufbau einer Luftwaffe erlaubten, die Unternehmen zu verpflichten, Muster aus fremder Entwicklung zu fertigen. Hierzu wurde eine Firma, ich glaube Heinkel, gegen heftigen Widerstand sogar 1928 verpflichtet, eine solche Lizenzfertigung zu üben. In diesem Zusammenhang strebte man auch die Bildung eines Patentpools der Flugzeugfirmen an.
Hugo Junkers lehnte einen solchen Patentpool ab. Als jedoch 1932 Junkers in Vergleich ging, musste er sich im Vergleichsvertrag verpflichten, seine Patente an seine Firmen IFA und Jumo zu übertragen. Anfang 1933 war die Übertragung trotz der vertraglichen Verpflichtung noch nicht erfolgt. Da mittlerweile sich die wirtschaftliche Situation für ihn verbessert hatte, lehnte Hugo Junkers nun die Übertragung ab. Auf der anderen Seite sah man gerade in dieser Verpflichtung von Hugo Junkers eine Möglichkeit, nun doch noch zu dem angestrebten Pool zu kommen. Es handelten ja unter neuer Führung dieselben Personen, die schon in den Jahren zuvor die Luftrüstung geplant hatten.

[FONT=Verdana, sans-serif]Das isr der historische Hintergrund zum „Abpressen“. [/FONT]
 

Hugo Junkers lehnte einen solchen Patentpool ab. Als jedoch 1932 Junkers in Vergleich ging, musste er sich im Vergleichsvertrag verpflichten, seine Patente an seine Firmen IFA und Jumo zu übertragen. Anfang 1933 war die Übertragung trotz der vertraglichen Verpflichtung noch nicht erfolgt. Da mittlerweile sich die wirtschaftliche Situation für ihn verbessert hatte, lehnte Hugo Junkers nun die Übertragung ab. Auf der anderen Seite sah man gerade in dieser Verpflichtung von Hugo Junkers eine Möglichkeit, nun doch noch zu dem angestrebten Pool zu kommen. Es handelten ja unter neuer Führung dieselben Personen, die schon in den Jahren zuvor die Luftrüstung geplant hatten.

[FONT=Verdana, sans-serif]Das isr der historische Hintergrund zum „Abpressen“. [/FONT]


Vielen Dank für diese kompetente Richtigstellung.

Demnach ist Junkers weniger als Naziopfer zu sehen. "Lediglich" die Methoden waren überaus drastisch, halt nazionalsozialistisch geworden.
 
Demnach ist Junkers weniger als Naziopfer zu sehen. "Lediglich" die Methoden waren überaus drastisch, halt nazionalsozialistisch geworden.

Hugo Junkers hatte in der Weimarer Zeit zahlreiche Verbindungen in alle wesentlichen Parteien. Nur dadurch ist es ihm gelungen, solange immer wieder Hilfe bei seinen wirtschaftlichen Schieflagen zu bekommen und doch seine wirtschaftliche Unabh'ngigkeit zu wahren. Dabei hat er sich durch sein Lavieren nicht nur Freunde gemacht.

In Anhalt waren die Nazis schon Ende der Zwanziger Jahre Regierugspartei und da ist er in interne Machtkaempfe zweier Fluegel verstrickt worden.
Junkers war ja im Grunde ein stockkonservativer Mensch und er hat sich auch noch am 14.2.1933 nach dem ersten Zusammentreffen der Flugzeugbauer mit Goering in einem Tagebucheintrag sehr positiv [ber ihn geaeussert.

Sein Sohn Klaus war schon vor 1933 in der SS.

Also, man muss das glaube ich sehr differenyiert sehen, viel mehr, als man gemeinhin liest.

Vielleicht schlage ich am Wochenende noch mal einiges nach.
 
Demnach ist Junkers weniger als Naziopfer zu sehen. "Lediglich" die Methoden waren überaus drastisch, halt nazionalsozialistisch geworden.

Zwar ist der Qualität nach zwischen dem Pressing vor 1933 und danach unterscheiden, aber die Verschärfung der Gangart war der Hintergrund dieser Bemerkung oben:

Daher mein Hinweis, dass hier "Sensibilitäten" in der (geheimen) Aufrüstungsfrage plausibel unterstellt werden können.

Nach Durchsicht des Werkes "Fliegerblick" ...

[Siegfried, Detlef: Der Fliegerblick - Intellektuelle, Radikalismus und Flugzeugproduktion bei Junkers 1914-1934;
Zitat siehe oben, stand mir anfangs noch nicht zur Verfügung; zur Ausnutzung siehe auch:
Piontkowitz, Herbert: Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im nationalsozialistischen Deutschland]

... erhärtet sich neben der finanziellen Motivation, das Unternehmen zuverlässig unter Kontrolle zu bringen und mit der Aufrüstung gleichzuschalten...

(Junkers befürchtete ua. durch den hohen Zuschußbedarf bei den angekündigten Aufträgen aus der Aufrüstung und Massenfertigung, dass seine Freiheit in der Forschung beschnitten wird),

...der Eindruck, dass es auch um das unter "Linksverdacht" stehende übrige Management bei Junkers ging. Ich schaue das nochmal nach, jedenfalls kam es hier zu einigen "Rotationen".
 
Also, man muss das glaube ich sehr differenziert sehen, viel mehr, als man gemeinhin liest.

Ganz richtig, dass ist auch die Ansicht von Lutz Budraß, der die Anknüpfung an die Streitigkeiten in den 20er Jahren, an das Düpieren einiger Luftfahrtexperten der Reichswehr und die Weigerung beim Patent-Pool zurückführt.

Die Anwendung der "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" wertet er als "Bluff", nachdem der Versuch der förmlichen Landesverratsklage vorerst am Widerstand des Oberreichsanwalt und des Reichsgerichtspräsidenten Simon gescheitert war. Jedenfalls erreichte man die treuhänderische Verwaltung von 51% der Aktien sowie die Niederlegung des Aufsichtsratsvorsitz von Junkers auf der außerordentlichen Generalversammlung der IFA. Störend für die NS-Führung wirkte nun noch die qualifizierte Minderhetisbeteiligung von Junkers. Dieser fuhr dabei eine Linie, die er eigentlich auch schon im April 1933 vertreten hatte und die zeigt, worum es ihm im Kern ging: Herauslösung der Forschungsanstalt aus der Produktion, um sie in eigener Regie weiter zu betrieben. Das heizte aber wieder die Patentfragen an, und war wohl nicht realisitisch vor dem Hintergrund der geplanten Aufrüstung.

Ein Randaspekt der ganzen Frage war übrigens auch mit Postenverschiebungen verbunden: es ging auch darum, Mitglieder des Keppler-Kreises in die Rüstungsorganisation einzubinden, quasi als "Funktionärskader" der NS-Wirtschafts- und Rüstungspolitik (Budraß, S. 334).
 
Ein Nachtrag aus der Literatur, der Detailangaben auch zu der wirtschaftlichen Lage der IFA enthält:

Richard W Byers:
Power and initiative in twentieth century germany : the case of Hugo Junkers

2002. University of Adelaide, Australia, 1995

Workform: UGA Electronic Theses and Dissertations

"...Eventually the state tired of Junkers’ machinations and applied coercion in conjunction with financial pressure to remove Hugo Junkers from control of his firm, a process completed by the National Socialist regime in 1934. This national takeover characterizes the loss of individual initiative within high technology sectors considered crucial to national security throughout the twentieth century."

Erstaunlich, welche Themen sich so aus der Entfernung ergeben :devil:
 
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