"Pseudo"-Dokus

Klar waren für historisch Uninteressierte Zuschauer solche Sendungen nicht so spannend wie das Infotainment von heute. Andererseits frage ich mich auch, ob man denn die Dokus für Leute zurecht biegen muss, damit sie ihnen gefallen, die sich nunmal sowieso eher für die Schaueffekte interessieren und denen ein guter Teil der Sachinformationen dann eh am Popo vorbeigeht. Was sie sich behalten, ist was ihnen gefällt. Nicht selten sind das Klischees (Adelige mit Plastikfiffis auf dem Kopp und dumme, gestelzte Sprüche etc.) und die hatten sie schon zuvor - durch Mantel- und Degenfilme oder sonst welche Transportmittel von solchem Unfug in die Köppe der Menschen.
Man kann Infotaiment eigentlich ganz gut mit Fakten verbinden. Dummerweise kriegen ZDF, ARD und 3sat sowas nicht hin. Die Deutschen ist stellenweise geradezu lächerlich. Wer hat bitte die Texte der Spielszenen verbrochen.
Ich finde diese Doku zur Geschichte Kanadas exzellent. Dort wird solides Wissen mit einer gehörigen Portion Spannung und Action verbunden:
YouTube - Québec History 15 - Battle Plains of Abraham
Man merkt schon recht deutlich den Unterschied zum albernen Schlachtgehampel in "Die Deutschen". Die Kostüme sind exzellent und man bekommt ein gutes Gefühl von Lineartaktik vermittelt. Das Vorlesen von Primärquellen passt gut zu den Spielszenen. Nichts mit Friedrich der Große der mitten im wilden formationslosem Getümmel reitet und die Österreicher persönlich absticht.
 
Darin steckt allerdings ein Widerspruch: Phoenix als gemeinsamer Sender von ARD und ZDF zeigt die Dokumentationen von ARD und ZDF. 3sat wiederum ist ein Sender der von ARD und ZDF für Deutschland, ORF für Österreich und SRG für die Schweiz betrieben wird, die dritten Programme wiederum bilden gemeinsam die ARD-Gruppe. Insbesondere die ZDF-Dokumentationen (jüngst Die Deutschen, aber auch Sphinx, Terra X oder Schliemanns Erben usw.) sind aber eher - wie sagt man das, ohne Ärger mit dem ZDF zu bekommen? - grenzwertig. Gerade beim ZDF kann man sich immer wieder über Dokumentationen ärgern, in denen Dinge in Sachverhalte hineingeheimnist werden oder in denen offensichtlich Falsches verkauft wird.

Wenn also empfiehlt, die Dokumentationen von ZDF oder von der ARD-Gruppe bzw. 3sat zu sehen und gleichzeitig die Dokumentationen von Phoenix ablehnt, dann spricht man über dieselben Dokumentationen, die man letztlich nur deswegen ablehnt oder empfiehlt, weil sie auf dem richtigen bzw. falschen Sender laufen.
Wie gesagt, die Dokus aus der ARD-Gruppe sind meist besser, als die vom ZDF, aber auf 3sat, arte und Phoenix laufen die sowohl vom ZDF, als auch die von der ARD-Gruppe.

Da hast du wohl recht habs nochmal nachgeschaut, sorry. Meiner Meinung nach gibt es nichts schlimmeres als das reine "Infotainment". Eine Doku sollte bilden und nicht unterhalten. Die Unterhaltung sollte nur dem Zweck des Verstehens dienen. Mein Vorschlag: Dokus mit sehr hohem wissenschaftlichen Wert sollten besonders gekennzeichnet werden. Ein Art Gütesiegel. Andere Möglichkeit der besseren Unterscheidung: reine Unterhaltungsokus mit minderer sachlicher Qualität sollten dies zeigen müssen und deutlich machen, dass man den Effekt der Qualität vorgezogen hat.
 
Vielleicht sollte man mal ein Blick auf die Schule werfen…
Das letzte Schulbuch, was ich in den Händen hatte, von einer Gesamtschule, kein reiner Geschichts- sondern ein Kombiunterricht mit Politik und Sachkunde.
Dort wurde Mittelalter mit Bildern von Mittelaltermarkt Satzvey, Braveheart und Zeichnungen von Knappen die moderne Kinder treffen beschrieben.
Was als Heranführung ins Thema nicht das schlechteste ist, war dann aber auch alles.
Da wundern Dokus die halbe Spielfilme sind mich nicht mehr.
 
Ich finde diese Doku zur Geschichte Kanadas exzellent. Dort wird solides Wissen mit einer gehörigen Portion Spannung und Action verbunden:
YouTube - Québec History 15 - Battle Plains of Abraham
Man merkt schon recht deutlich den Unterschied zum albernen Schlachtgehampel in "Die Deutschen". Die Kostüme sind exzellent und man bekommt ein gutes Gefühl von Lineartaktik vermittelt.
Das ist wirklich ein ganz gutes Gegenbeispiel.

Sehr schön sieht man bei den Briten ein Regiment Linieninfanterie mit Grenadieren und Füselieren. Daneben erkennt man noch Highlander-Infanterie.
Die Franzosen haben nicht nur Artillerie, ein Geschütz habe ich ausmachen können, sondern auch Miliz, zu erkennen an den Zipfelmützen, als typische zivile Kopfbedeckung.

Ich denke mal, dass die Uniformen, die man dort sieht und auch die Truppenteile beider Seiten für diese Schlacht belegt sind.

Schön sieht man, dass auch mit nicht wirklich vielen Darstellern/Statisten viel Atmosphäre erreichbar ist. Toll fand ich auch die eine Szene mit dem einen Franzosen, dessen Pulver auf der Pfanne erst beim zweiten Versuch abbrannt, womit er das Gewehr abfeuern konnte. Sowas wie fehlender Funkenflug und dadurch Nichtenzünden der Ladung, kommt/kam in der Realität sicherlich immer wieder vor. Das ist ein schönes Detail. Sehr gut finde ich auch die rußgeschwärzten Gesichter nach einigen Salven oder "Feu à volonté". Die Liniensoldaten machen generell einen glaubhaften, routinierten Eindruck. Außerdem können sie auch auf dem schwierigen Gelände in Formation vorgehen.

Ein paar Fragen hätte ich dazu dennoch, auch wenn es hier vielleicht OT geht: haben die Highlander statt des Bajonettangriffes wirklich damals die Musketen liegen gelassen und mit den blanken Broadswords angegriffen? Schon blöd, wenn sie dann in ein Feuergefecht geraten und dann zu ihren abgelegten Musketen zurücklaufen müssen.:grübel:
Die kurzen Handschuhe von dem einen britischen Offizier haben mich auch überrascht.

Jedenfalls sieht man in der Sequenz, dass man mit wenig viel machen kann, wenn man eben den Willen hat und was von seinem Handwerkszeug versteht.:yes:

PS:
Die dargestellten Uniformen, auch die Anwesenheit von Highlanders werden übrigens durch die Zusammenstellung auf "british battles" untermauert: http://www.britishbattles.com/battle-of-quebec.htm
 
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haben die Highlander statt des Bajonettangriffes wirklich damals die Musketen liegen gelassen und mit den blanken Broadswords angegriffen? Schon blöd, wenn sie dann in ein Feuergefecht geraten und dann zu ihren abgelegten Musketen zurücklaufen müssen.:grübel:
Die Highland Truppen in Nordamerika hatten regulär neben der Muskete Broadsword, Dirk und Pistolen (ganz aus Metall gefertigt). Schusswaffentechnisch waren sie also nach dem Ablegen der Musketen nicht vollständig entwaffnet.
Es gibt zu den Highland Regimentern im French and Indian War übrigens auch einen sehr guten Osprey Band.

Die kurzen Handschuhe von dem einen britischen Offizier haben mich auch überrascht.
Das gehört vielleicht zu den kleinen Schnitzern? Die Uniformen der Franzosen zum Beispiel sind zu grau. Auf den Originalabbildungen ist es nur eine kleine Nuance zwischen dem weiß der Gamaschen und dem Farbton des Rockes.

Die Liniensoldaten machen generell einen glaubhaften, routinierten Eindruck. Außerdem können sie auch auf dem schwierigen Gelände in Formation vorgehen.
Genau, es wirkt halt einfach stimmig.
 
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Das gehört vielleicht zu den kleinen Schnitzern? Die Uniformen der Franzosen zum Beispiel sind zu grau. Auf den Originalabbildungen ist es nur eine kleine Nuance zwischen dem weiß der Gamaschen und dem Farbton des Rockes.
Oder die Hemden, d.h. Hemdskrägen, sind daneben zu weiß. Es ist ja insgesamt in einem gewissen Dämmerlicht dargestellt.
Aber ich denke, Du hast schon Recht.:friends:
 
Generell wird man den Wunsch nach guten historischen Dokus hier in Deutschland allein aus finanziellen Mitteln nicht erfüllt bekommen. Zu aufwändig und teuer sind Produktionen, zu niedrig ist die Einschaltquote. Das gilt im übrigen auch für ÖR Sender. Gerade Dokumentarfilme kommen hierzulande immer mehr auf das Abstellgleis. Galileo deckt den Bedarf der Durchschnittsbevölkerung an Wissen. Da lohnt es sich für die ARD und Förderanstalten der jeweiligen Bundesländer nicht 200-500.000 Euro auszugeben, wenn es sich nur 2% der Menschen ansehen. Die Doku-Reihe "Die größten Eroberer" von kabel 1 bspw. wurde nach drei von sechs Folgen eingestellt. Und die wurde von BBC-Koproduziert. BBC ist eigentlich das Flagschiff aufwändiger und unterhaltsamer Dokumentationen. Es hat sich Niemand angeschaut, obwohl diese sogar sehr auf Entertainment ging.

Solange sich bei den Sehgewohnheiten der Menschen nichts ändert, wird dies auch leider so bleiben. Nach der Pleite von Kabel1, wird es sogar noch schwieriger solche Produktionen an den Mann zu bringen.
 
Wundert mich nicht, dass der Wunsch nach guten Geschichtsdokus in Deutschland eher gering ist.
Vergleichen wir mal die Geschichte Englands mit der von Deutschland.
Da schneidet England einfach besser ab. Besonders wenn man nur die letzten 100 Jahre berücksichtigt, also das was noch lebendig in der Erinnerung ist.
In England ist man zB stolz darauf 2 Weltkriege gewonnen zu haben. Veteranen schwärmen davon wie sie den Krauts in den Arsch getreten haben.
Wir jedoch schämen uns in Grund und Boden. Unsere Veteranen schweigen beschämt.

Schwer da der Jugend Begeisterung an Geschichte zu vermitteln, wenn unsere eigene Geschichte so beschäment erscheint.
 
Ja dass man auf den Dokusendern mit 2.WK Dokus überschwemmt wird nervt mich auch. Daher interessiert mich der 1.WK um so mehr :)
 
Wundert mich nicht, dass der Wunsch nach guten Geschichtsdokus in Deutschland eher gering ist.
Vergleichen wir mal die Geschichte Englands mit der von Deutschland.
Da schneidet England einfach besser ab. Besonders wenn man nur die letzten 100 Jahre berücksichtigt, also das was noch lebendig in der Erinnerung ist.
Naja, man muss ja nicht immer nur die 100 Jahre betrachten.

Das Problem ist vielleicht, dass wir in Dtl. an nationaler Geschichte vor, sagen wir, 1870 kaum interessiert sind. Wenn wir aber ins Detail gehen und z.B. Geschichte der Grafen von Hohenlohe präsentieren, interessiert das nicht den großen Markt. In einem Freilichtmuseum vor Ort hingegen kann ich damit punkten und dort sind dann auch die Namen der wichtigsten Grafen- und Fürstenhäuser präsent.

Bei der BBC ist allerdings auch ein Bildungsauftrag dahinter. Das bürgt natürlich nicht immer für Qualität. Andererseits gibt es immerhin überhaupt einige Juwelen unter den Fernsehdokus, welche dort hergestellt werden und wurden, die dann aber auch nicht von Semi-Profis wie Knopp und Co sondern von richtigen Kennern der Materie gestaltet wurden.
Das generelle Geschichtsinteresse mag im Vereinigten Königreich größer sein, vielleicht auch weil mehr Geschichte als nur die von 33 bis 45 den Menschen präsent ist. Soweit ich mit Briten in Kontakt kam, erhielt ich schonmal den Eindruck, dass sie weitaus mehr Positiv-Identifikationsfiguren aus ihrer Geschichte hatten als die Deutschen, denen bei so einer positiven Identifikation auch oft Nationalismus nachgesagt wird. Natürlich kommt das auch daher weil historische Persönlichkeiten mit teilweise "unmoralischen" Aspekten wie Wilhelm von Oranien zumindest in bestimmten Gruppen noch als "in Ordnung" eingestuft werden. Die Beziehung zu den anderen Staaten, der ewige Frankreich-England-Konflikt z.B., werden immer wieder auch mit einem Augenzwinkern betrachtet, was durchaus auch auf Gegenseitigkeit beruht, auch wenn man sich faktisch Jahrhunderte lang gegenseitig abgeschlachtet hatte.

Das deutsche Geschichtsverständnis über die Beziehungen zu Nachbarn hingegen ist immer von den Fehltritten des 20.Jh. überlagert, was mir auch bei der Geschichtsvermittlung durch mich selbst angelegentlich auffällt. Wenn ich von franz. Kriegsgefangenen des 18.Jh. spreche, die von Reichstruppen meinetwegen eingebracht wurden, dann erinnert schon allein die Bezeichnung "Reichstruppen" an eine ganz falsche Schiene. :cry:
Währenddessen lassen sich Britendarsteller in Uniformen der Zeit des Jakobitenaufstandes unter einem Galgen ablichten, woran offensichtlich - natürlich gefaket - ein Kontrahent aufgeknüpft hängt. Mach das mal in Dtl. ... :S
 
Ja dass man auf den Dokusendern mit 2.WK Dokus überschwemmt wird nervt mich auch. Daher interessiert mich der 1.WK um so mehr :)

Das zeigt, dass sich erstaunlicherweise noch immer sehr viele Leute für den Zweiten Weltkrieg interessieren. In den 50er und 60er Jahren war das noch verständlich und es gab diese so genannten "Landserhefte", die wöchentlich als Groschenromane mit kriegsverherrlichender Trivialliteratur erschienen und eine eine gewaltige Lesergemeinde hatten.

Aber welche Klientel interessiert sich heute nach über 60 Jahren noch dafür?
 
Landser hab ich früher auch gelesen *schäm*

Und welches Klientel interessiert sich für den 2.WK? Zum Beispiel Leute die davon beeinflusst wurden, aber nicht wissen was der Grund dafür war. Gestern erst den Opa von einer Freundin kennengelernt. Der war '45 14 Jahre alt und wurde von dem ganzen Nazikram fern gehalten. Aber genau das hat ihn dazu angeregt sich für die Zeit '33-'45 zu interessieren, denn immerhin ist das seine ganze Vorgeschichte bevor er alt genug wurde "bewusst" zu denken/handeln. Er ist weder (Neo-)Nazi noch sonst was, sondern einfach nur neugierig.
 
Landser hab ich früher auch gelesen *schäm*

Musst du nicht! War damals unter Jugendlichen eine ganz normale Angelegenheit! Bedenklich wär's, wenn du die Landser noch immer mit ungebremster Lust verschlingen würdest. :D

Und welches Klientel interessiert sich für den 2.WK? Zum Beispiel Leute die davon beeinflusst wurden, aber nicht wissen was der Grund dafür war ... Er ist weder (Neo-)Nazi noch sonst was, sondern einfach nur neugierig.

Wenn das so ist, sollte sich keiner über die WK-II-Dokus beklagen! :grübel:
 
Dieter schrieb:
Aber welche Klientel interessiert sich heute nach über 60 Jahren noch dafür?

Meine beiden Opas, einige Onkels waren alle in der Wehrmacht und gehörten zum Millionenherr, welches am 22.06.1941 den Krieg gegen die Sowjetunion eröffnete. Das hat mein bis heute lebhaftes Interesse am Zweiten Weltkrieg hervorgerufen. Könnte mir gut vorstellen, das es mir nicht allein so geht.
 
Meine beiden Opas, einige Onkels waren alle in der Wehrmacht und gehörten zum Millionenherr, welches am 22.06.1941 den Krieg gegen die Sowjetunion eröffnete. Das hat mein bis heute lebhaftes Interesse am Zweiten Weltkrieg hervorgerufen. Könnte mir gut vorstellen, das es mir nicht allein so geht.

Ist dir klar, dass die Leute, die den 2. Weltkrieg als Spldaten erlebten, heute mindestens 82 Jahre alt sind und der größte Teil lder Soldatenängst gestorben ist? Daher kann eine so große interessierte Klientel also nicht kommen.
 
Ist dir klar, dass die Leute, die den 2. Weltkrieg als Spldaten erlebten, heute mindestens 82 Jahre alt sind und der größte Teil lder Soldatenängst gestorben ist? Daher kann eine so große interessierte Klientel also nicht kommen.


Aber sicher ist mir das klar.:winke: Von meinen genannten Verwanden lebt schließlich auch keiner mehr. Aber meine Generation ist noch äußerst lebendig und dann und wann werden Interessen ja auch an die eigenen Kinder weitergegeben. Meine beiden haben beispielsweise ein sehr starkes Interesse an Geschichte.
 
Ist dir klar, dass die Leute, die den 2. Weltkrieg als Spldaten erlebten, heute mindestens 82 Jahre alt sind und der größte Teil lder Soldatenängst gestorben ist? Daher kann eine so große interessierte Klientel also nicht kommen.

Ich denke, das Interesse, zumal am 2. Weltkrieg im Allgemeinen wie, in meinem Fall im Speziellen an der Ostfront rührt zum großen Teil daran, dass die vielen Verwandten die im Krieg waren, oft nur sehr wenig darüber erzählt haben, und dass da immer die Ahnung von etwas Schrecklichem war, dass so traumatisierend, so ekelhaft, so brutal, so abstoßend war, dass man darüber nicht sprechen konnte oder wollte.

Sicher, manche Opas, Großonkel etc. erzählten spannende Räuberpistolen aus dem Krieg, und manchmal wurden die alten Herren wieder wie Jungs, die sich an Abenteuer mit Etappenhengsten, Kettenhunden und Schleifern erinnerten, wie sie Champagner aus der feldflasche tranken und auf der Kühlerhaube Spiegeleier bruzzelten.

Manchmal kam dann ganz abrupt eine Bemerkung, ein schnoddriger Kommentar, eine Zote, die einen tieferen Einblick gewährte:

Leichenberge zusammengeschossener Rotarmisten! Hunger! Kälte! T-34! Einkesselung! Partisanenkrieg!"

-dann folgte eine peinliche große Stille, als ob etwas furchtbar Peinliches geschehen sei.

"Ach, das ist doch schon so lange her, regt den Opa nicht so auf!"

Meiner hatte einige Kriegskameraden, die ihn manchmal besuchten, einen lustigen Rheinländer. Die Männer zogen sich dann nach einer Weile zurück, rauchten und tranken Cognac, während die Damen Kaffee tranken- und sie schlossen immer die Tür. Der Rheinländer wusste manchmal ebenso obszöne wie episch breite Bordellerlebnisse aus Frankreich und Russland zu berichten, aber das war es nicht, weshalb sie immer die Türen schlossen.

Als dann Glasnost und Perestroika kamen, als die SU und ihre Satelliten zusammenbrachen, als anlässlich des 50 jährigen Gedenkens an Unternehmen Barbarossa erste gemeinsame Projekte deutsch- russischer Historiker gesendet und Zeitzeugen befragt wurden, erzählte mein Opa mehr von der Ostfront, was ich vorher nie erfahren habe oder nie gefragt habe wie der Rheinländer seine Hand verlor wie mein Großvater zu seinen EKS gekommen war, aber eben auch Dinge, die man zuvor nur vage geahnt hatte.

"Der Krieg" war für die Generation der Enkel, die in den 70er und 80er Jahren heranwuchs, immer noch sehr lebendig- wieviele Bekannte hatten mehrere Angehörige oder einen Arm, ein Bein verloren, wieviele mussten die alte Heimat verlassen? In der Generation unser Eltern hat man die Frage nach der NS- Vergangenheit pointierter, schärfer gestellt- oder eben auch nicht- es gab bestimmte Themen, die waren gewissermaßen Tabu. Als wir Jugendliche oder junge Erwachsene waren, hatte die Generation unserer Großeltern das Land wieder mit aufgebaut, und es war die (west)deutsche Gesellschaft liberaler und demokratischer geworden. Unsere Eltern haben Fahrten nach Frankreich unternommen, wir sind im Schüleraustausch nach Frankreich, England oder in die USA gereist oder haben Kontakt mit Schülern aus Westeuropa gehabt oder auch Gelegenheit in Warschau, Ost- Berlin und Prag mit Zeitgenossen zu diskutieren.

Ehe man über den Krieg, die NS-Zeit unbefangener und objektiver sprechen konnte, ehe auch das Bild von der unbefleckten Wehrmacht öffentlich in Frage gestellt werden konnte, bedurfte es allerdings eine lange Zeit.
 
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