Das ultimative Hempelsche Sofa
Mercy schrieb:
Ergänzung:
Schon Reinhard Mey hat die Hempels unter'm Bett besungen:
Ach wie nett, ach wie adrett!
Aber wie, aber wie, aber wie, aber wie, aber wie
Sieht 's aus bei Hempels unterm Bett?
Bei euch sieht's aus, wie bei Hempels unterm Wohnwagen
hiess es schon bei Hagenbeck um die Jahrhundertwende (um 1900).
Wie es "bei Hempels unterm Sofa" aussieht, das weiß man schon seit vielen Jahren: schlimm. Aber wer die schöne Redensart wann, wo, wie und warum in die Welt gesetzt hat, das weiß man immer noch nicht.
Der Sprachwissenschaftler Wilfried Seibicke ist in einem Beitrag für die Zeitschrift „Der Sprachdienst" (1997) der Antwort auf die Frage näher gekommen (hier zit. nach FAZ 11. Dez. 1997):
Bisher sah es in den Lexika der Redensarten in etwa so konfus aus wie, sagen wir, in der Sprachgeschichte. In Lutz Röhrichs „Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten" heißt es, die Wendung werde „in übertragener Bedeutung erst seit 1991 gebraucht". Weit gefehlt. Denn das einige Zeilen weiter angeführte Beispiel aus einer Ballade Reinhard Meys - „Ach wie nett, ach wie adrett! / Aber wie, aber wie, aber wie, aber wie, aber wie / Sieht's aus bei Hempels unterm Bett?" - stammt schon aus dem Jahr 1988. Wenn die Erinnerung nicht trügt, sieht es aber seit mindestens dreißig Jahren bei Hempels unterm Sofa schludrig und liederlich aus. Denn fast so lang sind auch schon weiterentwickelte Redensarten bekannt: Wie bei Hempels unterm Sofa soll es zum Beispiel auch „bei Jepsens unterm Bett" aussehen, „bei Luis Trenker im Rucksack" und „bei Nachbars unterm Küchentisch".
Und auch das ist noch nicht das letzte Wort. Denn Kurt Krüger-Lorenzens „Deutsche Redensarten" hat das nämliche Sofa in Form eines Wohnwagens bei Artisten gefunden. Lorenz Hagenbeck, der Sohn des Tierparkgründers Carl Hagenbeck, habe die Entstehung auf ein konkretes Ereignis zurückgeführt. In Artistenfamilien, in denen es traditionell sauber und ordentlich zugehe, sei nur einmal um die Jahrhundertwende in einer süddeutschen Stadt ein Budenbesitzer namens Hempel aus der Reihe getanzt, der regelmäßig Müll und andere Abfälle unter seinen Wohnwagen statt in die vorgesehenen Behälter kehrte. „Es gelang uns schnell", so berichtete Hagenbeck, „die Ordnung wiederherzustellen und ihn nach vergeblichen Ermahnungen mit Hilfe der Stadtverwaltung des Geländes zu verweisen. Was von ihm übrigblieb, war ein dunkler Fleck auf dem Rummelplatz und die Redensart: Bei euch sieht's ja aus wie bei Hempels unterm Wohnwagen!" Eine schöne Geschichte: traurig. Aber wahr?
Seibicke glaubt nicht an diese Herleitung. Bewiesen sei mit der Geschichte nichts, solange man die Person und das Ereignis nicht durch historische Zeugnisse belegen könne. [...] Bei Geschichten, die mit den Worten „Der Meier hat gesagt, Müller habe gehört, wie Schmidt bei Hempesl unterm Sofa . . ." beginnen, sollten also noch nicht auf einen historisch gesicherten Nachweis hoffen.
Daher ist Seibicke der Redensart in schriftlichen Quellen nachgegangen und schließlich in Andreas Schmellers „Bayerischem Wörterbuch" von 1872, Band I, Spalte 1113, fündig geworden. Das Stichwort „Hämpel, Hampel" ist als „Einfaltspinsel", „dummer Mensch" schon für das Jahr 1828 nachgewiesen. Das Verb „hämpeln" tritt auf in der Bedeutung: „ einfältig benehmen, weinerlich tun schlechte oder Pfuscharbeit machen". Seibicke nimmt an, daß die gesuchte Wendung von diesen Wörtern herzuleiten ist. Möglicherweise sei sie sogar auf das schon von Luther verwendete Schimpfwort „grober Hempel" oder „ungelehrter Hempel" zurückzuführen, das wiederum mit dem „Hampelmann" verwandt ist - im Grimmschen Wörterbuch etwa steht unter dem Eintrag „hempelmann: vergl hampelmann".
Nach diesen Erkenntnissen wird man kaum mehr einen historischen Hempel für die Unordnung und Schludrigkeit unterm Sofa, unterm Bett, unterm Küchentisch, im Rucksack oder wo auch immer namhaft machen können - in der Hempel-Forschung ist dennoch nicht das letzte Wort gesprochen. Für zukünftige Forscher gilt aber in jedem Fall der altbekannte Hinweis: Je genauer man ein Wort anschaut, desto feiner schaut es zurück.
Wer bei Hempels unterm Sofa forscht, der muß ziemlich tief in der Geschichte kramen.