Reichsgründung 1871 aus Sicht der europ. Nachbarn

Die Französich-Preußischen Beziehungen kühlten zwar nach 1866 ab, aber innerhalb der Bevölkerungen hielt sich der Hass doch in Grenzen. Viel mehr hatten beide Seiten konträre Gebietsforderungen. Preußen/Deutschland auf Elsaß-Lothringen und Frankreich auf das Linke Rheinufer ("natürliche" französische Grenze).

Die Beziehungen zwischen dem französischen Kaiserreich und dem Königreich Preussen kühlten 1866 nach dem `Deutschen Krieg` deswegen ab, weil Napoleon III. von Bismarck Kompensationen in Form von Gebietserwerbungen erwartete jedoch nicht erhielt! Preussen hatte meines Erachtens vor 1870/1871 keine Ansprüche auf das Elsaß angemeldet da es dort auch keine ehemaligen Gebiete besaß. Frankreich musste das Elsaß 1871 abtreten weil die siegreiche Macht nun halt einen Tribut forderte. Preussen hätte in diesem Sinne anstatt des Elsaßes auch die Abtretung der Bretagne fordern können, allerdings bot das Elsaß demgegenüber den Vorteil dass es ehemals zum Deutschen Reich, wenn auch dem Vorgänger, gehörig war, und dass es bei einem weiteren deutsch-französischen Krieg als Glacis zwischen Frankreich und den süddeutschen Staaten lag. Demzufolge wurde das Elsaß nach Friedensschluß 1871 auch nicht preussische Provinz sondern (relativ) unabhängiges Reichsland.

Frankreich widerum beschränkte seine territorialen Forderungen, besser: Hoffnungen, auf das französischsprachige Belgien und Luxemburg. Die Rheingrenze war nach 1815 für die Franzosen passé, die Quadrupelallianz der Siegermächte aus den napoleonischen Kriegen wusste dies zu verhindern.
 
Napoleon war enttäuscht leer ausgegangen zu sein. Er konnte 1866 nicht die von ihm gewünschte Rolle spielen, dafür war alles viel zu schnell gegangen. 1866 bedeutete für Frankreich ganz klar ein Machtverlust und das war für die Grande Nation schwer zu verkraften.

1867 trat Napoleon dann mit der Forderung nach Kompensationen für die preußische Machterweiterung in der Form des Norddeutschen Bundes hervor. Hierbei ist zu beachten, dass die Stabilität des Regimes Napoleon III. nicht ganz unwesentlich von außenpolitischen Erfolgen abhängig war. In den französischen Gazetten geisterte die Forderung nach den Grenzen von 1814 herum.

Napoleon III. war ja auch nicht ganz zu Unrecht sauer. Bismarck hatte sich zwar zu nichts verpflichtet, eine schriftliche Vereinbarung, die ihm vom französischen Botschafter vorgelegt wurde, hat er nicht unterschrieben. Aber Bismarck hat doch Andeutungen gemacht, die Napoleon zu der Annahme verleiteten, das nach dem Kriege Frankreich eine Kompensation erhalten würde. Letzten Endes wollte die französische Regierung dann den holländischen König, dieser war in erheblichen Geldnöten, Luxemburg abkaufen. Just zu diesem Zeitpunkt wurden die Schutz-und Trutzbündnisse mit den Süddeutschen Staaten veröffentlicht. Der holländische König war nun stark verunsichert und wollte für den Verkauf die Zustimmung des preußischen Königs Wilhelm I. erhalten. Die deutsche Öffentlichkeit war empört und Bismarck wolle sich nicht gegen die Nationalbewegung stellen. Er ging also zu Abwehr der französischen Wünsche über. Nein, das wirklich nicht besonders freundlich. Das Bismarck dies aber so geplant hat, dafür sind mir keine Belege bekannt.
 
Da 1871 keiner den anderen mochte, befand es sich da gleich in allerbester Gesellschaft.

Deshalb hatte sich der britische Militärattaché anläßlich der Siegesfeiern in Berlin sich auch gleich beeilt Urlaub zu nehmen. :D
Beust hingegen war sehr bemüht und hatte extra Feldmarschallleutnant Gablenz, mit ihm verbanden die Preußen ja Stichwort Krieg gegen Dänemark von 1864, gute Erinnerungen. Auch die Russen waren präsent.

Und 1871 trafen sich Franz-Joseph und Wilhelm I. gleich zweimal; in Ischl und Salzburg. Auch Beust und Bismarck sahen sich öfter. Diese Treffen hatten in Paris und Petersburg auch für eine gewisse Unruhe gesorgt gehabt.
 
Turgot schrieb:
1867 trat Napoleon dann mit der Forderung nach Kompensationen für die preußische Machterweiterung in der Form des Norddeutschen Bundes hervor

Zur Präzisierung: Am 26.Juli 1866 forderte der französsiche Botschafte Benedetti in Berlin die Revision der deutsch-französischen Grenze auf dem Stadn von 1814 sowie an den Anschluß Luxemburgs. Am 05.August 1866 wurde noch nachgelegt und nunmehr die bayrische Pfalz und das linksrheinische Hessen verlangt. Bismarcks Statement war eindeutig. Napoleon machte einen Rückzieher, sicher nicht zuletzt wegen der nationalen Empfindlichenkeiten eines großen Teils der deutschen Bevölkerung und brachte schließlich am 12.August 1866 Abtretungen in Belgien und Luxenburg ins Gespräch. Man war nicht gerade bescheiden.
 
Zu Beginn des Krieges zwischen Preußen und Österreich war Russland sehr bemüht einen Machtzuwachs Preußens zu verhindern. Zu diesem Zwecke war auch das Angebot an Wien zu verstehen, das die Süddeutschen unter der Vorherrschaft Österreichs fallen müssen.

Ähnlich wie der Ballhausplatz hat man sich sehr schnell den Realitäten des Krieges angepasst. Nach Sedan war Alexander II. und Gortschakow vollkommen klar, das die Süddeutschen nunmehr unter der Herrschaft Preußen kommen; alles andere sei Preußen nicht mehr zumutbar. Man bemühte sich gewissermaßen um Schadensbegrenzung. Gortschakow führte gegenüber Reuss unfassbar naiv aus, "nicht wahr, sie werden sich nicht zum Kaiserreich machen." Alexander II. und Gortschakow nächstes Ziel war nunmehr ein europäischer Kongress, der Frankreich vor zu großem Schaden bewahren sollte, Preußen nicht zu mächtig werden lassen sollte und so ganz nebebei den Pariser Frieden von 1856 kassieren sollte.
 
Zur Präzisierung: Am 26.Juli 1866 forderte der französsiche Botschafte Benedetti in Berlin die Revision der deutsch-französischen Grenze auf dem Stadn von 1814 sowie an den Anschluß Luxemburgs. Am 05.August 1866 wurde noch nachgelegt und nunmehr die bayrische Pfalz und das linksrheinische Hessen verlangt.

Oh là là, die Grenzen von 1814 umfaßten nicht nur die linksrheinischen Gebiete in Deutschland, sondern auch noch die gesamte Küstenregion an der deuschen Nordsee bis hin zur Ostsee (Lübeck):

Französische Départements in Mitteleuropa von 1792 bis 1814 – Wikipedia

Das wären ja schon gewaltige Gebietsansprüche, wenn dann sogar über Hamburg (oder dann Hambourg) die Trikolore geweht hätte. Glaubte man in Paris ernsthaft, dass man outre-rhin darauf eingehen wollen würde?
 
Diese opulenten Forderungen wurden ja auch wieder zurückgenommen; das sei alles nur "ein Missverständnis" gewesen.

Aber Napoleon III. wollte natürlich etwas bekommen. Man dachte da an Luxemburg oder Belgien. Das spätere "Geschrei" Rache für Sadowa hatte hier seinen Ursprung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oh là là, die Grenzen von 1814 umfaßten nicht nur die linksrheinischen Gebiete in Deutschland, sondern auch noch die gesamte Küstenregion an der deuschen Nordsee bis hin zur Ostsee (Lübeck):

Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor; es ging wohl eher um die Grenze nach Napoleons 1. Abdankung (1814).
Nach seiner 2. Abdankung 1815 verlor man einige kleinere Gebiete in Belgien und an der saarländisch-/pfälzischen Grenze. (Letztere waren übrigens auch nach 1945 noch einmal kurz in der Diskussion; aber Marschall Neys Geburtsort Saarlouis ist bekanntlich deutsch geblieben).

Gruss, muheijo
 
Interessant in diesem Kontext ist auch, das einige Jahre später Alexander II. in seinem Ohrfeigenbrief u.a. zum Ausdruck brachte, das Preußen ihm eine Gegenleistung für 1870 schuldig geblieben war. Das wurde Bismarck öfters auf das Brot geschmiert. Übersehen wird dabei, das Preußen 1853 - 1856 als einzige europäische Großmacht sich nicht gegen Russland gestellt hatte und 1863 im Zuge des polnischen Aufstandes mit dem Zarenreich sogar kooperierte. Abschließend war Berlin bei der Kassierung der Pontusklausel behilflich. Das Zarenreich erwartete im Prinzip Gefolgschaft, man war es zu viele Jahre hindurch schon gewohnt, aber Bismarck bestand auf Reziprozität.
 
Mit großem Interesse lese ich gerade, dass das französische Kaiserpaar, Napoleon III. und Eugenie, bereits 1869 von der Hohenzollernkandidatur und der preußischen Spanienpolitik sehr wohl Kenntnis hatten. Im März 1869 hatte man sogar die Zustimmung zur Kandidatur vom Erbprinzen Leopold gegeben und die spanische Regierung in ihren Plänen eher bestärkt.

Als Prim am 11.Juni 1870 auf einen vierten Kandidaten hinwies, gab es für den französischen Gesandten Mercier de Lostende keinen Zweifel darüber, wer das denn sei.

Mann könnte zu dem Schluss kommen, das man Preußen in eine Falle locken wollte.

Nachzulesen ist das bei Schaarschmidt, Außenpolitik und öffentliche Meinung in Großbritannien während des deutsch-französischen Krieges 1870/71
 
Schon am 10.Juli 1870 befürchtete der britische Botschafter in Paris Lord Lyons und der britischen Militärattaché, dass die Franzosen den Krieg anstreben, weil sie sich sich gute Erfolgschancen ausrechneten.

Denn an diesem 10.Juli hatte Gramont Lord Lyons wissen lassen, das ein einfacher Verzicht Leopolds nicht mehr ausreichen würde; der Preußische König muss mit eingebunden sein.

Auch Queen Victoria bemühte sich redlich um den Frieden. Sie ließ über den Grafen von Flandern auf den Erbprinzen Leopold am 11.Juli einwirken. Da war es aber eigentlich schon zu spät. Als Victoria dann das französische Verhalten am 12.juli zur Kenntnis nehmen musste, empfand sie dieses als persönlichen Affront. Entsprechend verhielt sie sich im weiteren Verlauf der Julikrise 1870.
 
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Es ist auch noch darauf hinzuweisen, das Gramont an er Eskaltionsspirale entgegen den Beschluss des Ministerrates handelte. Der war nämlkich willens, es beim Verzicht Leopols bewenden zu lassen. Nur Gramont war es nicht, obwohl Wilhelm I. im am 13.07. wissen ließ, das er mit dem Verzicht Leopolds einverstanden sei. Das war schon Bismarck zu viel, aber Gramont zu wenig.
 
Zu guter Letzt gab es noch einen Vermittlungsvorschlag der zwischen London und Petersburg abgestimmt war. Wilhelm I. sollte den Verzicht noch einmal nach Paris mitteilen und Frankreich sollte seine zusätzlichen Forderungen zurücknehmen. Gramont war aus Gründen der Ehre hierzu nicht bereit. Bismarck wies den Vorschlag ebenfalls zurück.
Als der Krieg von Frankreich dann erklärt wurde, gehörten die Sympathie überwiegend Preußen. Gladstone und Granville hielte Preußen nicht für unschuldig, aber sie wiesen die Hauptschuld Frankreich zu.
 
Na, ich hoffe das hierfür auch noch Interesse, trotz Ukraine Krieg, vorhanden ist.

Als klar war, das der Krieg nicht mehr abzuwenden war, galt das britische Interesse der Beachtung der belgischen Neutralität. Das Interesse Petersburg galt hingegen der Neutralität Dänemarks und den Versuch, für Kopenhagen etwas herauszuschlagen; nämlich die Abtretung einiger Teile von Norden Schleswigs.

Bismarck und auch Napoleon III. erklärten die belgische Neutralität achten zu wollen. Bismarck war bemüht, Großbritannien auf die Seite Preußens zu ziehen. Zu diesem Zwecke informierte der London über die französischen Kompensationsvorschläg betreff Belgiens nach dem Krieg mit Österreich. Granville reagiert spröde; er durchschaute Bismarcks Absicht.

Jedenfalls gab der englische Außenminister Granville nicht viel auf die Erklärungen der Kriegskontrahenten zur belgischen Neutralität. Er wollte sie vertraglich binden, denn angesichts der tatsächlichen Machtverhältnisse auf dem Kontinent, war Großbritannien alleine nicht in der Lage seine Wünsche dort den gewünschten Nachdruck zu verleihen.

Granville präsentierte also sowohl Bismarck als auch Gramont einen Vertragsentwurf. Gegenstand des Vertrages war, das London sich verpflichten würde bei Vertragsbruch eines der beiden Kontrahenten, mit den anderen Belgien gemeinsam zu verteidigen. Bismarck war sofort zum Abschluss bereit. Gramont hingegen erst einmal nicht. Erst nach einigen Herumgeier war er bereit.

London stellte 2 Millionen Pfunde zur Verfügung, um das Herr zunächst um 20.000 Soldaten zu vermehren. Wenn man die tatsächliche Heeresgröße Großbritanniens bedenkt, ist die Heeresvermehrung nicht zu verachten.

Petersburg hatte wenig Interesse an der Neutralität Belgiens. Dort lag der Fokus auf Dänemark. In Kopenhagen liebäugelte man durchaus ein wenig sich Frankreich anzuschließen. Es stand ja im Raum, das die Franzosen möglicherweise eine 2.Front, in Schleswig, eröffnen. Das wäre die Gelegenheit für Dänemark. Alexander II. und Gortschakow bearbeiteten Kopenhagen intensiv, das man sich ja aus den Krieg heraushält. Schließlich blieben die Dänen neutral, was angesichts der schnellen preußischen Erfolge in Wichern, Weißenburg und Wörth nicht groß überraschend war. Gortschakow versucht dann für Kopenhagen eine "Bezahlung" für die Neutralität herauszuschlagen. Er dacht dabei an territoriale Abtretungen in Nordschleswig. Nur, das war mit Bimsmarck aber auch Wilhelm I. nicht zu machen.
 
Das Interesse Petersburg galt hingegen der Neutralität Dänemarks und den Versuch, für Kopenhagen etwas herauszuschlagen; nämlich die Abtretung einiger Teile von Norden Schleswigs.

Woher kam denn eigentlich das Interesse für die dänische Neutralität? Man hatte ja keine gemeinsame Grenze, keine sprachlichen oder religiösen Gemeinsamkeiten. War das wegen der dynastischen Verbindungen (die Frau des Thronfolgers war die Tochter des dänischen Königs)? Oder wollte man in der Ostsee keinen Krieg?
 
Frankreich war sehr darum bemüht Europa in Brand zu setzen. Am 06.07.1870 fasste Ollivier sogar ein Bündnis mit dem Zarenreich ins Auge. Man versuchte Italien, Dänemark, Österreich-Ungarn, Spanien und das Osmanische Reich mit in den Krieg zu ziehen.
 
Die Königin von Württemberg, Olga Nikolajewna Romanowa, Tochter des Zaren Nikolaus I., war nun auch nicht so gerade glücklich mit der Reichsgründung.
Als sie 1873 von Russland kommend, ihre Ankunft in Konstantinopel anmeldete, tat sie dies als russische Großfürstin, nicht als Königin von Württemberg.
Der Pforte und auch den russischen Botschafter Ignatiew war das peinlich. Beide informierten Gesandten des Deutschen Reiches Radowitz, der darüber informierte, das er von nichts wüßte und sich auch dann nicht für die hohe Dame zuständig fühle.
Letzten Endes haben Ignatiew und Radowitz Königin Olga gemeinsam beim Sultan eingeführt, wobei Igantiew taktvoll sich immer hinter Radowitz hielt. Im Verlauf des Besuches verstanden sich Olga und Radowitz immer besser, Radowitz seine Ehefrau war Russin, und kaum zu Hause in Württemberg, schrieb Königin Olga Bismarck, das sie Radowitz als Botschafter nach Stuttgart haben wolle.
 
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