Selektive Wiedergabe nach
Wilhelm Volkert "Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters" - C.H. Beck, München 1991
Wichtige Anmerkung: Die Ausführungen gelten für das
Heilige Römische Reich (deutscher Raum)!
Und noch eine wichtige Vorbemerkung: der folgende Abriß ist sehr grob und muß normalerweise an einigen Punkten weiter vertieft bzw. ausgeführt werden. Die folgenden Texte eignen sich demnach lediglich für einen Einstieg in die Materie!
König
Das Königtum enthielt Elemente germanischer Vorstellungen vom Volkskönigtum, d.h., der König konnte nur mit Zustimmung des Volkes seine Herrschaft erlangen und ausüben, wobei "Volk" jedoch nur Adel und Freie umfaßt. Aus dieser Würde und Autorität leitete sich auch das
Königsheil ab.
Daneben ist das Königtum christlich legitimiert, da sich aus der überweltlichen Idee des Gottesgnadentums die Stellung des Herrschers als Garant der Rechtsordung ableitet.
Die Thronerhebung erfolgte - vereinfacht ausgedrückt - gemäß Erbrecht aus germanischer Tradiertheit, wobei der König den Nachfolger (zumeist seinen Sohn oder zumindest einen sippenmäßig nahestehenden Bewerber) bereits designierte, welcher dann gemäß o.g. Wahlrecht durch die adlige Oberschicht entsprechend Zustimmung zu erfahren hatte.
Anm.: Funktionierte das Prinzip der erbrechtlichen Designation und Herrschaftsanerkennung unter Ottonen und Saliern noch, so trat seit dem Investiturstreit mit der Wahl von Gegenkönigen die freie Wahl durch die höchsten Adligen des Reiches (Fürsten) mehr und mehr in den Vordergrund. Zwar konnten die Könige aus dem Haus der Hohenstaufen nochmals zur Grundlage dynastischen Erbrechts einigermaßen zurückkehren, aber nach ihrem Ende setzte sich die
freie wahl durch Kurfürsten endgültig durch.
Inhalte der Königsherrschaft:
- Banngewalt: Gebote und Verbote anordnen und durchsetzen (z.B. Heerbann, Gerichtsbann)
- Hoheit über die Kirche (aus Schutzfunktion erwachsen, seit Investiturstreit eingeschränkt)
- Gewere (d.h. svw. Innehaben und Bewahren) am Reichsgut (dies war jedoch von Anbeginn nur schwer vom Hausgut der Dynastie zu trennen und wurde auf Dauer mehr und mehr geschmälert, so daß die königliche Politik schließlich im Späatmittelalter ausschließlich aus dem Hausgut finanziert wurde)
- Ausübung von Regalien, d.h., königlichen Rechten (Münzregal, Zollregal, Marktregal, Geleitregal, Straßen- und Flußregal, Fischereiregal, Forst- und Jagdregal, Bergregal, Judenschutzregal)
Kaiser
Das Kaisertum galt als Inbegriff der obersten weltlichen Herrschaft, und der Herrscher erlangte damit den Anspruch auf die Oberherrschaft über andere Königreiche und die ihnen unterworfenen Völker.
Damit ist das Kaisertum an das römische Papsttum gebunden und der sakrale Charakter der abendländischen Kaiserherrschaft darin verwurzelt.
Neben der damit nun verbundenen Kirchenhoheit dokumentierte sich die Kaiserherrschaft im Herrschaftsanspruch über die Königreiche in Deutschland, Italien und Burgund sowie die Schutzherrschaft über den Kirchenstaat (
patrimonum petri).
Die Kirchenreform des 11. Jh. und die Zurückweisung des weltlichen Anspruchs durch die römische Kurie im Investiturstreit mußten zwangsläufig die kaiserliche Position reduzieren, so daß ab dem 13./14. Jh. dem Kaisertum faktisch der konkrete herrschaftliche und rechtliche Inhalt fehlte.
Herzog
Die Herzöge waren nach dem Königtum die wichtigsten Herrschaftsträger; in verschiedenen Entwicklungsstufen hatten sie unterschiedliche Aufgaben- und Funktionskreise.
Ich versuche die Darstellung in einem vereinfachten Kurzabriß...
Ursprünglich standen sie bzw. ihre Dynastien an der Spitze der Stämme des Reiches (anfangs Alamannen, Bayern, Franken und Sachsen), von denen sie jeweils anerkannt waren und damit Gerichtsbarkeit, Heerbann, Landfriedenssicherung und Ausübung der Kirchenherrschaft wahrnahmen. Ergo verfügten sie für dieses Stammesgebiet (Stammesherzogtum über eine königsgleiche Stellung).
(
Stammesherzogtum)
Im 10. Jh. führte die Auseinandersetzung zwischen Herzögen und Königtum zur Einbindung der Herzogtümer in das Reich, als Otto I. diese Würde an Angehörige seiner Familie übertrug. Damit wurde auch die Bindung der Herzigsherrschaft an das Stammesgefüge lockerer.
(
Amtsherzogtum)
Seit dem 11. Jh. kam es mehrfach vor, daß Angehörige der Dynastien, welche Herzogtümer innegehabt und diese wieder verloren hatten, den Titel weiterführten (Bsp. Welfen, Zähringer). Dadurch wurde der Herzogstitel zum Kennzeichen der obersten Dynastenschicht unter dem Königtum, womit er im 12. Jh. zum Merkmal für die Zugehörigkeit weltlicher Fürsten zur besonderen Rangklasse der Reichsfürsten in der Heerschildordnung wurde. (
Titelherzogtum) Parallel dazu war eine Entwicklung von Territorien im Reich zu verzeichnen, auf deren Grundlage sich neue Herzogtümer bildeten: Inhaber alter Herzogtümer rundeten ihre Herrschften auf Grundlage von Besitz, Rechten und Kirchenvogteien gebietsmäßig ab, die aber auch durch königliche Rechtsakte nach den Normen des Lehensrechts begründet werden konnten.
(
Gebietsherzogtum)
Entscheidend für die Herzogsherrschaft:
- Ausbau der Gerichtsbarkeit
- Ausbau der Urbar- und Regalienverwaltung
- neues Dienstrecht der Ministerialen, womit dieser Dienstadel in die Landstände des Territoriums eingegliedert wurde
Graf
Die Verwaltung des Königsgutes und die Organisation des Heeresaufgebotes aus den zum Kriegsdienst verpflichteten Freien bildete den Kern der Funktionen des Grafenamtes. Grafen erhoben die dem König zustehenden Zölle und garantierten den Königsschutz.
Der Autorität des Grafen anvertraute Urteilsvollstreckungen bildeten seine Wahrnehmung der Gerichtsbarkeit, womit der bei Gerichtsverhandlungen anwesend sein mußte, was letztendlich Grundlage dafür bildete, daß der Graf die Aufgaben des Gerichstvorsitzenden erfüllte. Das Grafengericht war Instanz für die dem Grafenamt unterstehenden Leute.
Aufgrund des Ansehens und Vermögens, welches für die erforderliche Autorität bei den der Herrschaft Unterworfenen notwendig war, befanden sich die Grafenämter seit etwa 800 durchgehend in Händen der Adligen. Die Abhängigkeit des Amtes vom Königtum war jedoch in den verschiedenen Gebieten unterschiedlich.
Da in der Mitte des 10. Jh. zahlreiche Grafschaften an geistliche Institutionen (Bischöfe, Klöster) übertragen wurden und deren Vögte dort die Rechte wahrnahmen, wurde zwischen Herrschaft über das Eigentum an Personen und Sachen (Liegenschaften) einerseits und Gebietsherrschaft andererseits getrennt. Der wichtigste und wesentliche Inhalt der Grafenrechte wurde deshalb die hohe Jurisdiktion über die ihr zugeordneten Freien, die voll rechts-, wehr- und waffenfähigen Leute.
Daneben gab es jedoch auch ausgedehnte Adelsimmunitäten, in denen die mit Grafschaften ausgestatteten Adligen ihrerseits die dem Grafenamt entsprechenden Rechte wahrnahmen.
Die Grafschaften, soweit sie als Amt galten, waren seit den hochmittelalterlichen Verleihungen durch das Königtum in den Händen der gesellschaftlich und politisch führenden Adelsgeschlechter.
Im Spätmittelalter schotteten sich die Angehörigen des zweiten Heerschildes, die weltlichen Reichsfürsten, standesmäßig gegen die anderen Adligen ab, und nur sehr wenigen Grafen gelang es, als
gefürstete Grafen Anschluß an diese Gruppe zu erhalten. Die anderen wurden zu
Grafen, was seitdem Bezeichnung dieses Standes war.
Bistum
In den Bistümern, welche als sog.
Sprengel organisiert waren, übten die Bischöfe kirchliche Aufsicht über die Pfarreien aus. Bischofssitze waren bereits frühzeitig auf Städte fixiert, in denen bischöfliche kathedralkirchen (Dome) gebaut wurden.
Die
Erzbischöfe (im Mittelalter Erzbischöfe in
Mainz, Köln, Trier, Salzburg) hatten Aufsicht über die Bischöfe ihrer Kirchenprovinz (sog.
Diözesansprengel) und wirkten häufig auch als päpstliche Legaten.
Durch die bischöfliche Weihe-, Lehr- und Aufsichtsvollmacht wurden Interessen und Wirkungsmöglichkeiten weltlicher Eigenkirchenherren in Zaum gehalten und eine Grundlage für eine relativ einheitliche Kirchenorganisation gegeben.
Ursprünglich sollten Bischöfe von den Klerikern der Domkirche und der Diözese, z.T. auch unter Beteiligung von Laien, gewählt werden. Allerdings investierte seit dem 9. Jh. der dem sakralen Charakter des Königtums verpflichtete Herrscher, der zudem selbst über die Bischofssitze verfügte, den für das Amt bestimmten durch Überreichen des Bischofsstabes. (
Laieninvestitur) Dies wurde im ottonisch-salischen Reichskirchensystem weiter ausgebaut: Bischöfe erhielten nun auch hohe Reichsämter, Königsgüter und Grafschaften übertragen. Auch stellten nun die führenden Adelsgeschlechter Aspiranten für die Bischofsämter.
So wie die Pfarreien unter Einfluß des adligen Eigenkirchenwesens standen, standen die Bistümer unter dem herrschaftlichen Anspruch des Königstiums von Ottonen und Saliern.
Die Verfügung des Königtums über die Bistümer und die Laieninvestitur stießen im Zuge der Kirchenreform des 11. jh. auf scharfen Widerspruch, welcher im Investiturstreit gipfelte, bis im Jahre
1122 mit dem
Wormser Konkordat eine Neuregelung getroffen wurde: der Bischof sollte von Klerus und Volk gewählt werden, wobei der Kaiser bei Entscheidung über zwiespältige Wahlen ein Mitwirkungsrecht hatte. Außerdem erhliet der Bischof fortan die Einwesiung in die weltlichen Herrschaftrechte durch Überreichung des Szepters vom König (gemäß lehensrecht und Heerschildordnung analog zu den anderen Reichsfürsten), die geistliche Vollmacht jedoch durch Ring und Stab vom Papst.
Das aktive Wahlrecht übten jedoch schon bald ausschließlich die jeweiligen Domkapitel aus, während andere Kleriker und Laien ab dem 13. Jh. keine Mitwirkungsmöglichkeit mehr hatten. Grundsätzlich erhöhte sich der Einfluß des Papstes, während der des Königs zurückging. Bereits im Jahre 1213 verzichtete Friedrich II. auf die Mitwirkung bei den Bischofswahlen.
EDIT (Nachtrag): Genauer nachzulesen auch in diesem Thread
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=14264
Soviel muß an der Stelle erst einmal reichen; um tiefer in die Materie einzudringen, ist eingehende Konsultation von Fachliteratur notwendig...
König hieß doch, man regierte ein Königreich - wie viele gab es etwa im Frankenreich? Was hat es dann mit einem "fränkischen König" auf sich? Ich dachte, das Frankenreich selbst war in Königreiche unterteilt. War das Frankenreich selbst ein Königreich?
Zu den fränkischen Reichsteilungen - es gab ja deren mehrere - fallen mir spontan folgene Threads ein:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=11140
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=7330