Remake or not remake? - that’s the question!

Um das mal abzuschließen: Die für meine Begriffe übertriebene und oft kleinliche Kritik an dem Film “Im Westen nichts Neues” ist typisch deutsch: Hier, im eigenen Land gelten erfolgreiche Werke und Menschen weniger als im Ausland.
Ich kenne den Film nicht und daher kann ich mir kein Urteil erlauben. Wenn ein Film aber Im Westen nichts Neues heißt, dann erwartet man einen Film, der die Geschichte des Buches mit filmischen Mitteln erzählt. Filmische Mittel sind natürlich andere als novellistische, also wird ein Film nie ganz so sein, wie das Buch, das ist nicht automatisch schlechter. Innere Monologe kann er weniger gut erzählen, dafür kann er mit Bildern Dinge, die ein Buch anders lösen muss (ich will hier gar nicht das „innere Kino“ kleinreden).
Wenn der Film sich aber nur noch locker an das Buch hält, weil zwei oder drei zentrale Personen übernommen werden, dann hält er sein Versprechen nicht.
 
Solche Spleens sind also nicht genuin oder exklusiv britisch.
Wenn @muck von einem besonderen britischen Offiziersethos mit bestimmten Spleens spricht, bin ich in diesem Fall geneigt diese These im Großen und Ganzen für plausibel zu halten.
Und zwar mit dem Argument, dass in Großbritannien die Landstreitkräfte ja verhältnismäßig klein waren und immer im Schatten der Seestreitkräfte standen, dass britische Offizierskorps in seinem Habitus also vor allem von Seeoffizieren und deren Verhalten beeinflusst gewesen sein dürfte.

Nur machen auf See natürlich mitunter völlig andere Verhaltensweisen Sinn, als an Land.

Sich in einem Infanteriegefecht in Deckung zu werfen ist natürlich mitunter Sinnvoll, in einem Seegefecht, dass tendenziell auf Artilleriedistanz ausgetragen wird und bei dem ein Treffer, der das Pulvermagazin erwischt das ganze Schiff in die Luft sprengen kann, ist das mitunter vollkommen nutzlos und wahrscheilich eher irritierend.
Von Torpedos etc. nicht zu reden.


Auch im Zeitalter der Segelschiffe wäre das wahrscheinlich eher nicht unbedingt hilfreich gewesen, die Geschütze konnten die Bordwände der Schiffe ja durchschlagen, und die dabei abgelösten Splitter wie Geschosse über Deck oder durch den Rumpf fliegen und dort befindliche Seeleute/Seesoldaten verletzen.

Wenn da auf Grund des höheren Prestiges Ethos und Verhaltensweise der Seeoffiziere auf die Landsteitkräfte abfärbten, mag das durchaus teilweise die höheren Verlustraten unter den britischen Offizieren erklären oder zum Teil erklären können.
 
Sprengfallen, Scharfschützen, Minen, eine sehr weitreichende Artillerie machten Schlachtfelder gefährlicher, und ein Generalstabsoffizier, der an einen Regimentsbefehlsstand schriftliche Befehle überbrachte konnte auch weit im Hinterland noch das Pech haben, in gegnerisches Ari-Störfeuer zu geraten. Die Luftwaffe steckte noch in den Kinderschuhen, aber Schlachtfliegern, Bombern waren potenziell auch Generale gefährdet.

Bei Unternehmen Alberich z. B. legten die deutschen Sprengfallen mit Zeitzündung. 1917traf ein deutsches Eisenbahngeschütz ein Muni-Lager in der Champagne.
 
Solche Spleens sind also nicht genuin oder exklusiv britisch.
Barbara Tuchman weiß in "The Guns of August" zu berichten, dass französische Offiziere, die in der Akademie von St. Cyr ausgebildet wurden, weiße Handschuhe in der Schlacht trugen, weil es als "chic" galt, mit selbigen angetan zu sterben. Vielleicht stimmt es. Schließlich gab es arrogante und vor allem strunzdumme Offiziere auf allen Seiten.
 
Dennoch wird dieser Film hier als ein Meisterwerk gefeiert, das er zweifellos ist, obwohl er auch voller Klischees ist – siehe z.B. den gezeigten Zynismus der Generale und die Differenz zwischen der Welt der Offiziere und dem der Mannschaften.
Es war die künstlerische Freiheit des Regisseurs (Kubrick) und des Produzenten und Hauptdarstellers (Douglas) den Film genau so zu erzählen, wie sie es taten, denn worum geht es? Darum, dass einfache Soldaten vielen kommandierenden Generalen nichts galten. So erklären sich zumindest teilweise die unfassbar hohen Verluste in so vielen Schlachten des I. Weltkrieges, Schlachten, die zu nichts führten und trotzdem weitergeschlagen wurden, manchmal über Monate hinweg. Und wenn jetzt die üblichen Verdächtigen mit endlosen Auflistungen daherkommen, weshalb die Schlachten an der Somme und Verdun aus diesen und jenen strategischen und taktischen Gründen mehr waren als eine gigantische Blutpumpe und Knochenmühle, also eine höhere Bedeutung gehabt hätten - denn sollen sie ins Beinhaus von Verdun gehen und es den Toten dort erklären.

"Paths of Glory" ist einer besten und eindringlichsten Filme gegen den Krieg. Wenn Kubrick manches "falsch" dargestellt hat, ist das absolut nebensächlich, denn der Punkt ist, dass der Zuseher von der Vorstellung des Krieges absolut angewidert ist.
 
Barbara Tuchman weiß in "The Guns of August" zu berichten, dass französische Offiziere, die in der Akademie von St. Cyr ausgebildet wurden, weiße Handschuhe in der Schlacht trugen, weil es als "chic" galt, mit selbigen angetan zu sterben. Vielleicht stimmt es. Schließlich gab es arrogante und vor allem strunzdumme Offiziere auf allen Seiten.
In der französischen Armee tat man ich am Anfang generell etwas schwer was das Ablegen von Traditionen in Sachen kleidung betrifft.
Die Franzosen zogen was Uniformen angeht, 1914 auch noch in ihren traditionellen Farben in den Ersten Weltkrieg, während man auf deutscher Seite längst auf "feldgrau" umgestellt und damit erste Schritte in Richtung moderner Geländetarnung unternommen hatte.

Man sollte aber was in den ersten Wochen des Krieges geschah nicht überbewerten, was solche Dinge angeht.
Es hatte ja in Europa über vierzig Jahre lang keinen großen Krieg mehr gegeben und entsprechend dem, dass sich alle an den Erfahrungen der letzten großen Kriege orientierten, ging man eben in den Ersten Wochen bei vielen Dingen davon aus, dass das noch irgendwie so ablaufen würde, wie es im 19. Jahrhundert mal gewesen war.
Binnen der ersten 1-2 Monate zeigte sich dann, dass bestimmte Dinge aus der Zeit gefallen waren und dann wurde meistens umgestellt.

Das am Anfang Dinge getan wurden, die man im Nachhinein für etwas schräg hält, sollte nicht wunder nehmen, dass war der mangelnden Erfahrung/Praxis mit wirklich großen, modernen Auseinandersetzungen geschuldet.
Ein wenig seltsam, wird es an dem Punkt, wenn aus den Erfahrungen der ersten Kriegswochen nicht gelernt und das Ziehen von Schlüssen aus Traditions- oder Ideologiegründen verweigert wurde.
 
Und wenn jetzt die üblichen Verdächtigen mit endlosen Auflistungen daherkommen, weshalb die Schlachten an der Somme und Verdun aus diesen und jenen strategischen und taktischen Gründen mehr waren als eine gigantische Blutpumpe und Knochenmühle, also eine höhere Bedeutung gehabt hätten - denn sollen sie ins Beinhaus von Verdun gehen und es den Toten dort erklären.
Die "Blutpumpe", darf man allerdings, zumindest wenn man einigen Stimmen wie Herrn Krumeich glauben darf, allerdings als widerlegt betrachten, jedenfalls in deer Form, wie das später Postuliert wurde.
Es war wohl durchaus nicht strategisch von vorn herein angedacht, den Gegner da "weißbluten" zu lassen, sondern eher eine Konsequenz einer gescheiterten Offensive, die Falkenhayn aber nicht abbrechen wollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Barbara Tuchman weiß in "The Guns of August" zu berichten, dass französische Offiziere, die in der Akademie von St. Cyr ausgebildet wurden, weiße Handschuhe in der Schlacht trugen, weil es als "chic" galt, mit selbigen angetan zu sterben. Vielleicht stimmt es. Schließlich gab es arrogante und vor allem strunzdumme Offiziere auf allen Seiten.

In einem anderen Thread habe ich schon mal auf das Schicksal eines französischen Soldaten verwiesen, der von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt wurde, weil er sich weigerte, eine viel zu kleine, völlig zerfetzte rote Uniformhose zu tragen, die man zuvor einem Toten abgenommen hatte.

Der Mann war ein Landwirt aus der Provinz mit Frau und Kind. Es war auf Kammer keine passende (rote) Hose vorhanden, weshalb er sich mit einer weißen Hose, eigentlich einer Unterhose behelfen musste. Ein Vorgesetzter stellte ihn zur Rede, worauf der Soldat sich verteidigte, ihn über die Umstände aufklärte. Seine Kameraden bestätigten, dass alles so war wie der Soldat sagte. Der Vorgesetzte ließ ihm eine Hose geben, die man zuvor einem Toten abgenommen hatte. Sie war zerrissen, viel zu klein und mit Blutflecken übersät. Der Soldat weigerte sich, sie zu tragen. Darauf machte der Vorgesetzte, als schon niemand mehr an den Vorfall dachte, Meldung wegen Befehlsverweigerung. Der Vorfall ereignete sich im Hinterland, in der Etappe, der Soldat wurde aber angeklagt wegen Insubordination vor dem Feind.

Der Verteidiger betonte, dass die Tat nicht im unmittelbaren Frontbereich geschah, setzte sich stark für den Mandanten ein, intervenierte bis zum Kriegsminister, und es gelang ihm Aufschub der Exekution zu erwirken. Doch beide, Verteidiger und Verurteilter hatten Pech. Der Verteidiger, der von Stab zu Stab unterwegs war, geriet mit der Notiz des Kriegsministers in der Tasche mit seinem Fahrzeug in deutsches Störfeuer, und so kam der Aufschub nicht bei seiner Einheit an, der Soldat wurde exekutiert, allerdings später rehabilitiert.
 
Wenn ein Film aber Im Westen nichts Neues heißt, dann erwartet man einen Film, der die Geschichte des Buches mit filmischen Mitteln erzählt.
Das ist klar, aber Kubrick hat sich bei seinem “Paths of Glory” auch nicht ganz an die gleichnamige Novelle gehalten – und schaffte ein Meisterwerk. Allerdings kannte die Novelle zuvor kaum jemand - die wurde erst nach dem Film mehr gelesen. Und dann kommt man wahrscheinlich zu dem Urteil: Der Film ist besser als die Vorlage - weil man den Film zuerst gesehen hat!

Inzwischen denke ich, es ist vielleicht die große Bekanntheit des Buches “Im Westen nichts Neues” in Deutschland, die diese heftige Reaktionen hierzulande hervorruft und man deswegen nicht erkennen kann, dass der gleichnamige Film auch ein Meisterwerk ist; diese Kritik stellt Vergleiche Buch - Film und findet, dass der Film vieles im Buch Enthaltenes nicht enthält - und umgekehrt.

Man sollte ein Film aber für sich beurteilen und nicht mit der schriftlichen Vorlage vergleichen, bei der beim Lesen ein eigener Film im Kopf läuft, der zudem bei jedem Leser anders ist. Dann kommt es bei der Kritik zu Urteilen wie, die Figur ist blass, die andere überpointiert, und die dritte nimmt zu viel Raum ein, schließlich wurde sie im Buch nur am Rande erwähnt - etc.

Vielleicht einigen wir uns auf ein Kompromiss: Der Film ist keine Literaturverfilmung, aber trotzdem – oder gerade deswegen? – sehr gut.
 
Inzwischen denke ich, es ist vielleicht die große Bekanntheit des Buches “Im Westen nichts Neues” in Deutschland, die diese heftige Reaktionen hierzulande hervorruft und man deswegen nicht erkennen kann, dass der gleichnamige Film auch ein Meisterwerk ist; diese Kritik stellt Vergleiche Buch - Film und findet, dass der Film vieles im Buch Enthaltenes nicht enthält - und umgekehrt.
Ob der Film das Attribut Meisterwerk verdient oder nicht, kann ich nach wie vor nicht beurteilen. Die Meinungen derer, die ihn hier im Forum rezensiert haben, gehen auseinander. Einige meinen, dass er nicht schlecht sei, aber eben nicht Im Westen nichts Neues.
Manche der Kritiken befassten sich mit der Plausibilität der Darstellung.
Wo hast du die "heftigen Reaktionen" wahrgenommen und wer ist "man", der/die nicht erkennen könne, dass der Film ein Meisterwerk sei?
Was qualifiziert den Film deiner Meinung nach zum Meisterwerk? Gibt es da auch eine Skala von Dr. J. Evans Pritchard?
 
Was qualifiziert den Film deiner Meinung nach zum Meisterwerk?
Aus der Wikipedia: Der Film ist der bisher erfolgreichste deutsche Beitrag bei den Oscars. Für die Oscarverleihung 2023 wurde Im Westen nichts Neues in neun Kategorien nominiert, darunter auch als bester Film (zum ersten Mal überhaupt wurde ein deutscher Film für diese Kategorie nominiert). Ausgezeichnet wurde das Kriegsdrama schließlich mit vier Oscars in den Kategorien bester internationaler Film, beste Kamera (James Friend), beste Filmmusik (Volker Bertelmann alias Hauschka) und bestes Szenenbild (Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper).

Auf die anderen Fragen werde ich morgen antworten.
 
Inzwischen denke ich, es ist vielleicht die große Bekanntheit des Buches “Im Westen nichts Neues” in Deutschland, die diese heftige Reaktionen hierzulande hervorruft und man deswegen nicht erkennen kann, dass der gleichnamige Film auch ein Meisterwerk ist; diese Kritik stellt Vergleiche Buch - Film und findet, dass der Film vieles im Buch Enthaltenes nicht enthält - und umgekehrt.

Man sollte ein Film aber für sich beurteilen und nicht mit der schriftlichen Vorlage vergleichen, bei der beim Lesen ein eigener Film im Kopf läuft, der zudem bei jedem Leser anders ist. Dann kommt es bei der Kritik zu Urteilen wie, die Figur ist blass, die andere überpointiert, und die dritte nimmt zu viel Raum ein, schließlich wurde sie im Buch nur am Rande erwähnt - etc.

Vielleicht einigen wir uns auf ein Kompromiss: Der Film ist keine Literaturverfilmung, aber trotzdem – oder gerade deswegen? – sehr gut.
Das mag alles richtig sein (ich habe den Film noch nicht gesehen, kann ihn also nicht beurteilen), aber dann hätte man den Film eben anders nennen sollen. Wenn der Eindruck erweckt wird, es handle sich bei einem Film um die Verfilmung eines Romans, muss er sich natürlich Vergleiche mit dem Roman gefallen lassen. Wenn der Film dann kaum etwas mit dem Roman zu tun hat, ist der Titel irreführend, und es ist dann nicht die Schuld der Rezensenten und Zuschauer, wenn sie Kritik üben, sondern die der Macher, die Kritik und Publikum anscheinend eine Mogelpackung vorsetzten. Niemand hat sie gezwungen, einen aufmerksamkeitsheischenden klingenden Titel zu verwenden und sich zumindest einiger Figuren aus dem Roman zu bedienen. (Mit einem anderen Titel - und ohne Bezüge zum Roman - wäre der Film für sich selbst bewertet worden, hätte aber vermutlich weniger Aufmerksamkeit erhalten. Man kann eben nicht alles haben.)
 
Das ist klar, aber Kubrick hat sich bei seinem “Paths of Glory” auch nicht ganz an die gleichnamige Novelle gehalten – und schaffte ein Meisterwerk. Allerdings kannte die Novelle zuvor kaum jemand - die wurde erst nach dem Film mehr gelesen. Und dann kommt man wahrscheinlich zu dem Urteil: Der Film ist besser als die Vorlage - weil man den Film zuerst gesehen hat!
Dazwischen sich nicht ganz an die Romanvorlage zu halten und sich mit der Romanvorlage auf deutsch gesagt gepflegt den Allerwertesten abzuwischen, aber den Namen für Werbezwecke zu kapern besteht allerdings ein gewisser Unterschied.

Ein Vorwurf, den man jemanden, der eine weniger bekannte Vorlage verfilmt, mit der sich kein Etikettenschwindel betreiben lässt, so kaum machen kann. Auch wenn ich nach wie vor von "Paths of Glory" nicht besonders angetan bin, über diesen Anwurf, ist der Film erhaben.
Im Gegensatz zum sogenannten "Remake" von "Im Westen nichts Neues"

Bei dem wiederrum kann man nur sagen: "That's neither Remarque nor remake, that's just mislabeling" um den Fadentitel etwas auf die Schippe zu nehmen.

und man deswegen nicht erkennen kann, dass der gleichnamige Film auch ein Meisterwerk ist
Ich frage mich ja immer noch, worin dieses Meisterwerk bestehen soll.

Ich sehe da um ehrlich zu sein nicht einmal eine wirklich konsequente Handlung oder besonders tief Charaktäre. Ich sehe da vor allem graphisch aufgehübschtes Giga-Gemetzel die 27.

Es mag sein, dass es was damit zu tun hat, dass ich zur jüngeren Gerneration gehöre und jedenfalls bis vor ein paar Jahren auch die Entwicklung bei Videospielen recht aktiv verfolgt habe, aber um ehrlich zu sein, die hochgelobte Darstellung haut mich nicht so vom Hocker.

Das bekommt man in ähnlicher Form im Bereich der Videospiele heute auch als handelsüblichen Shooter kredenzt.
Ist viellicht in Sachen Kino nicht unbedingt das Gewöhnliche, aber wenn man den Blick auf andere Bereiche weitet, durchaus kein Novum.


diese Kritik stellt Vergleiche Buch - Film und findet, dass der Film vieles im Buch Enthaltenes nicht enthält - und umgekehrt.
Den Vergleich haben die Filmemacher doch selbst durch die Wahl des Arbeitstitels veranlasst.

Man sollte ein Film aber für sich beurteilen und nicht mit der schriftlichen Vorlage vergleichen, bei der beim Lesen ein eigener Film im Kopf läuft, der zudem bei jedem Leser anders ist.
Das kommt auf die Art des Films an.
Bei Literaturverfilmungen oder Historienfilmen ist dem zu widersprechen.

Wenn man nicht versucht hätte mit dem Ettikett Kasse zu machen, sondern das Ding einfach "Giga-Grabenkampf-Gemetzel-in-Frankreich" genannt und das von Anfang an als rein fiktive Produktion ohne Vorlage ausgewiesen hätte, wäre das was anderes.
Aber wenn man sich den Titel eines Stoffs aneignet, muss man auch den Vergleich damit aushalten.

Dann kommt es bei der Kritik zu Urteilen wie, die Figur ist blass, die andere überpointiert, und die dritte nimmt zu viel Raum ein, schließlich wurde sie im Buch nur am Rande erwähnt - etc.
Na, das wäre ja zu verschmerzen, aber mal eben die Hälfte der Buchcharaktär aus dem Film rauszuwerfen und dafür neue, wenig glaubhafte Figuren, wie den bekloppten General reinzunehmen, die die ganze Handlung ins Grottske ziehen oder sich an der Grenze zur Geschichtsfälschung bewegen (Erzberger-Strang und Rolle der Heeresleitung beim Thema Waffenstillstandsverhandlungen), dann ist das offen gesagt schwer erträglich.

Vielleicht einigen wir uns auf ein Kompromiss: Der Film ist keine Literaturverfilmung, aber trotzdem – oder gerade deswegen? – sehr gut.
Abgelehnt.

Er ist keine Literaturverfilmung.

Davon abgesehen hat er im wesentlichen keine stringente Handlung, nur ziemlich flache Charaktäre und lebt mehr davon, dass er eine Demonstration filmtechnischer und animationstechnischer Möglichkeiten ist (die man aus anderen Bereichen allerdings breits kennen kann, siehe Videospiele).

In meinen Augen maximal ein durchschnittliches Werk.
Als technische Demonstration ganz nett, ansonsten in meinen Augen ohne vernünftiges Konzept.
Eher eine verschenkte Chance als eein groß Leistung, wenn man mich fragt.
 
Die "Blutpumpe", darf man allerdings, zumindest wenn man einigen Stimmen wie Herrn Krumeich glauben darf, allerdings als widerlegt betrachten, jedenfalls in deer Form, wie das später Postuliert wurde.
Es war wohl durchaus nicht strategisch von vorn herein angedacht, den Gegner da "weißbluten" zu lassen, sondern eher eine Konsequenz einer gescheiterten Offensive, die Falkenhayn aber nicht abbrechen wollte.
Widerlegt oder nicht, das Wort spiegelt die Gleichgültigkeit oder Verantwortungslosigkeit wieder, mit der Falkenhayn, Pètain und so viele andere ihre Soldaten wieder und wieder in Attacken schickten, von denen sie genau wussten, dass sie keinen tatktischen oder gar strategischen Erfolg haben würden. Bestenfalls konnten die Generäle hoffen, dass vielleicht irgendein militärisches Wunder geschehen würde. Wenn Ehrgeiz über die Vernunft siegt, dann sterben halt mal ein paar Hunderttausend.
 
In einem anderen Thread habe ich schon mal auf das Schicksal eines französischen Soldaten verwiesen, der von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt wurde, weil er sich weigerte, eine viel zu kleine, völlig zerfetzte rote Uniformhose zu tragen, die man zuvor einem Toten abgenommen hatte.
Ja, ich kannte die Geschichte. Ich denke so etwas geschieht, wenn jemand mit Macht, in diesem Fall der Vorgesetzte, offenbar, oder zumindest möglicherweise, von einem völlig irrationalen und übersteigerten Disziplinwahn geleitet wird.
 
Wo hast du die "heftigen Reaktionen" wahrgenommen und wer ist "man", der/die nicht erkennen könne, dass der Film ein Meisterwerk sei?
Einige kann man z.B. in Wikipedia nachlesen – Zitat:

In Deutschland erhielt der Film mehrere schlechte Kritiken, so schrieb die Süddeutsche Zeitung unter anderem: „Kein Buch ist so gut, dass man daraus nicht einen schlechten Film machen könnte“.[43] Weiter kritisierte Hubert Wetzel, dass der Film mit der Romanvorlage wenig gemein habe. Berger habe nach Belieben Figuren hinzugefügt, zentrale Charaktere und Szenen dagegen weggelassen und den Schluss so verändert, dass Titel und Inhalt keine Verbindung zueinander mehr hätten.[44]

Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hält den Film für „fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“. ...


Und bei uns im Forum haben manche vielleicht von diesen Kritiken abgeschrieben – dies vor allem, wenn sie gleichzeitig vorgaben, den Film nicht gesehen zu haben. Ich verzichte aber darauf, sie zu zitieren – wer will kann den Faden durchlesen, wie ich es soeben getan habe; da wird er an mehreren Stellen fündig.

Außerdem ist der Film “Im Westen nichts Neues” aus dem Jahr 2022 eine Neuverfilmung und kein Remake der Filme aus den Jahren 1976 und 1930. Eine Neuverfilmung eines Romans hat alle Freiheiten, eigene Akzente zu setzen, Szenen und Figuren wegzulassen oder sie zu erfinden, den Stoff zu straffen und andererseits bestimmte Szenen in epischer Länge darzustellen, obwohl sie im Buch kaum erwähnt werden.

Ein Beispiel für diese Vorgehensweise ist der Film “Doktor Schiwago” aus dem Jahr 1965, verfilmt nach einer Romanvorlage von Boris Pasternak. Wikipedia schreibt dazu:

Während bei Pasternak das persönliche Erleben der gesellschaftlichen Umwälzungen im Vordergrund steht, rückt im Film die Liebeshandlung in den Vordergrund. Das sehr umfangreiche Personal des Romans wird auf wenige Figuren reduziert und viele Situationen des Romans erscheinen im Film in ganz anderen Zusammenhängen.

Und auch da gab es Kritik an der Umsetzung – 2 Zitate:

Aber die großen Ereignisse des Romans gehen, ebenso wie seine Hauptthemen vom Schicksal und der überragenden Bedeutung des Individuums innerhalb der Gesellschaft, in einem Wust von Einzelepisoden verloren. Ebenso verheerend wirkt die formlose Kitschmusik von Maurice Jarre.

Und:

„Aufwendige, monumentale Verfilmung des Bestsellers von Boris Pasternak, die leider nicht mehr als ein spektakulärer historischer Bilderbogen ist, der mit der Vorlage nur noch wenig gemein hat.“

Wenn man will, kann man an jedem Kunstwerk etwas Negatives finden, selbst wenn dieses nur durch den eigenen Musikgeschmack bedingt ist. Und das wohl beliebteste Einwand ist: ... hat mit der Vorlage wenig gemein.

Ein Film arbeitet mit Bildern, die Sprache spielt da gewöhnlich nur die zweite Geige, es sei denn, sie ist essenziell für den Film wie z.B. in “Zwölf Geschworene” von 1957.

Zum Schluss noch ein Zitat:
Das ist bei Theater- oder Operaufführungen ganz ähnlich. Da gibt es dieselbe Vorlage, die wird ganz unterschiedlich interpretiert, ...
Eben. Und es gibt nichts dagegen zu sagen, es sei denn, die Aufführung selbst ist nicht gut. Aber wenn sie gut ist, dann wird sie gelobt, alles andere wird unwichtig. Was nicht heißt, dass es auch da nicht welche finden, da fehlte eine Szene oder da ist ein Stück Musik, die in den Originalnoten nicht so steht; Joachim Kaiser, der legendäre Theater- und Musikkritiker der Süddeutschen, war berühmt dafür: Er konnte Noten lesen und besorgte sich die Noten zu dem Stück und brachte dann gelegentlich solche Anwürfe. Aber er war auch souverän genug, um diese nicht überzubewerten - wenn das Stück in sich stimmig war, sah er darüber hinweg.

Wie sagte @dekumatland ganz richtig: Neuinszenierungen gibt es an allen Opernbühnen, und alle werben damit.

Und niemand sprich dabei vom Etikettenschwindel.
 
Wie sagte @dekumatland ganz richtig: Neuinszenierungen gibt es an allen Opernbühnen, und alle werben damit.
Was du nicht erwähnst: die Neuinszenierungen an den Opernbühnen erhalten stets Kritiken, positive wie negative. Manche taugen was, manche nicht. (Und sie kürzen meistens keine Rollen - stell dir eine Zauberflöte ohne Königin der Nacht vor... egal wie inszeniert, die fällt durch)
Und eine Neuverfilmung eines literarischen Textes wird automatisch an der Textvorlage und an der Vorgänger-Verfilmung gemessen. Und ersteres um so mehr, wenn die Neuverfilmung sich sehr bekannter Weltliteratur widmet.
 
Mir ist die Neuverfilmung von Im Westen nichts neues zehnmal lieber als das Remake von "die Brücke"

Die Schauspieler sind klasse, die Szenen in den Gräben sind richtig eindrucksvoll und die Ausstattung ist hervorragend.

Authentisch natürlich nicht, eher wie ein Comicstrip. Dadurch aber sicher erfolgreicher ;)
 
Eine Neuverfilmung eines Romans hat alle Freiheiten, eigene Akzente zu setzen, Szenen und Figuren wegzulassen oder sie zu erfinden, den Stoff zu straffen und andererseits bestimmte Szenen in epischer Länge darzustellen, obwohl sie im Buch kaum erwähnt werden.
Nein.
Diese Totalfreiheiten hat sie nicht. Nimmt sie sich diese, kann sie bestenfalls beanspruchen, ein paar Motive der Vorlage verwendet zu haben - und das genügt nicht für den Anspruch Literatur- oder Romanverfilmung.

Kubricks A Clockwork Orange ist ein toller Film - Dennoch gab es Streit zwischen dem Regisseur und dem Autor des Romans (Burgess) wegen sinnentstellender Änderungen.
 
Das ist klar, aber Kubrick hat sich bei seinem “Paths of Glory” auch nicht ganz an die gleichnamige Novelle gehalten – und schaffte ein Meisterwerk. Allerdings kannte die Novelle zuvor kaum jemand - die wurde erst nach dem Film mehr gelesen. Und dann kommt man wahrscheinlich zu dem Urteil: Der Film ist besser als die Vorlage - weil man den Film zuerst gesehen hat!

Inzwischen denke ich, es ist vielleicht die große Bekanntheit des Buches “Im Westen nichts Neues” in Deutschland, die diese heftige Reaktionen hierzulande hervorruft und man deswegen nicht erkennen kann, dass der gleichnamige Film auch ein Meisterwerk ist; diese Kritik stellt Vergleiche Buch - Film und findet, dass der Film vieles im Buch Enthaltenes nicht enthält - und umgekehrt.

Man sollte ein Film aber für sich beurteilen und nicht mit der schriftlichen Vorlage vergleichen, bei der beim Lesen ein eigener Film im Kopf läuft, der zudem bei jedem Leser anders ist. Dann kommt es bei der Kritik zu Urteilen wie, die Figur ist blass, die andere überpointiert, und die dritte nimmt zu viel Raum ein, schließlich wurde sie im Buch nur am Rande erwähnt - etc.

Vielleicht einigen wir uns auf ein Kompromiss: Der Film ist keine Literaturverfilmung, aber trotzdem – oder gerade deswegen? – sehr gut.

Den Kompromiss gehe ich nicht mit!

Was war denn meisterhaft?

Die Charaktere? Welche Charaktere haben wir denn:

-Den sympathischen deutschen Oberschüler, Paul Bäumer der sich in der Vorhölle wiederfindet. Wie ist e
-Den sympathischen, väterlichen Freund, den findigen Organisierer
-Den "guten Deutschen", den verantwortungsvollen Zivilisten, der Zitat: nun die Suppe auslöffeln muss, die "die Militärs" angerichtet haben
-Den "bösen Deutschen", den beschränkten Militär".

Von Remarque sind nur noch Versatzstücke übrig, und die Charaktere sind auch nicht fein gezeichnet, sondern mit der Axt gemeißelt.

"Die Story"?
Eine Gruppe von Gymnasiasten, eine Lost Generation hält den Krieg für einen Abenteuerspielplatz. Der ist aber ein Dantesches Inferno. Der Krieg ist verloren, die Militärs haben ihn angerichtet, sie und sie allein sind Subjekt der Geschichte- alle anderen, das gute, einfache Volk ist Objekt, sie können es nur über sich ergehen lassen, und sie erkennen: Krieg ist die Hölle.
Mehr als Momentaufnahmen aus einem Danteschen Inferno bietet der Film nicht

Die Darsteller? Ja, da gehe ich mit, sie liefern solide Arbeit. Paul Bäumer und auch Kat können durchaus überzeugen. Aber haben sie diesen Wiedererkennungswert wie Louis Wolheim (Kat), Lew Ayres (Paul Bäumer) Slim Summerville (Tjaden) oder auch John Wray als "Schleifer Himmelstoß. Bei manchen Filmen geht es dem Zuschauer oft so, dass man sich noch nach Jahren, nach Jahrzehnten daran erinnert, dass einem Szenen im Gedächtnis bleiben. Dass man wissen will, wie dieser eine Darsteller hieß- der nicht zu den ganz großen Namen und "Stars" gehört, die jedes Kind kennt- der einem aber auf immer ins Gedächtnis gebrannt ist. Da haben es die Darsteller auch schwer, nur bei wenigen Dialogen und Szenen erfährt man überhaupt, wer Kat und Paul eigentlich sind.

Was nun wirklich sehr eindrucksvoll ist- das sind die Szenen von der Front. Da war tatsächlich vieles, was man so noch nie auf der Leinwand gesehen hat, und wenn man auch lange micht mehr in einem Großkino war, ist das umso mehr beeindruckend.

Das muss man sagen, dass der Film starke Bilder liefert. Das ist aber ein bisschen dürftig. Ein Meisterwerk?

Da gehe ich nicht mit. Es ist einer der besseren deutschen Filme, mehr aber auch nicht. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von sehr schlechten deutschen Filmen, die aber fast alle teilweise sehr wohlwollende Kritiken bekommen haben und von der Filmförderung mit Geld zugekleistert wurden, die das Prädikat "besonders wertvoll" bekamen, die an der Kinokasse erfolgreich waren.

Aus all den Till Schweiger-Streifen, aus all den nicht lustigen, aber politisch korrekten Komödien und aus all dem Bullshit und Klamauk aus deutschen Landen, den man seit Jahren zu sehen bekommt und nicht mehr sehen kann- da ragt ein solcher Film natürlich heraus.
Da mag man versucht sein, einen halbwegs guten Film für ein Meisterwerk zu halten, nicht weil diese Filme wirklich so überragend sind, sondern weil man seit Jahren beobachten kann, dass Bullshit produziert wird, dass Bullshit kommerziell enorm erfolgreich ist, dass Bullshit mit Filmförderung bis zum Abwinken zugeballert wird, was wiederum dazu führt, dass noch mehr Bullshit produziert, zugeballert und gefördert wird.

Man ist soviel Müll und Schrott und Bullshit gewöhnt, dass man es kaum fassen kann, wenn mal ein halbwegs guter Film präsentiert wird.

Das macht aber einen handwerklich gut gemachten Film noch lange nicht zum "Meisterwerk".

Es hat schon Karl Krauss gewusst: "Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, dann werfen auch Zwerge lange Schatten"
 
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