Das ist klar, aber Kubrick hat sich bei seinem “Paths of Glory” auch nicht ganz an die gleichnamige Novelle gehalten – und schaffte ein Meisterwerk. Allerdings kannte die Novelle zuvor kaum jemand - die wurde erst nach dem Film mehr gelesen. Und dann kommt man wahrscheinlich zu dem Urteil: Der Film ist besser als die Vorlage - weil man den Film zuerst gesehen hat!
Inzwischen denke ich, es ist vielleicht die große Bekanntheit des Buches “Im Westen nichts Neues” in Deutschland, die diese heftige Reaktionen hierzulande hervorruft und man deswegen nicht erkennen kann, dass der gleichnamige Film auch ein Meisterwerk ist; diese Kritik stellt Vergleiche Buch - Film und findet, dass der Film vieles im Buch Enthaltenes nicht enthält - und umgekehrt.
Man sollte ein Film aber für sich beurteilen und nicht mit der schriftlichen Vorlage vergleichen, bei der beim Lesen ein eigener Film im Kopf läuft, der zudem bei jedem Leser anders ist. Dann kommt es bei der Kritik zu Urteilen wie, die Figur ist blass, die andere überpointiert, und die dritte nimmt zu viel Raum ein, schließlich wurde sie im Buch nur am Rande erwähnt - etc.
Vielleicht einigen wir uns auf ein Kompromiss: Der Film ist keine Literaturverfilmung, aber trotzdem – oder gerade deswegen? – sehr gut.
Den Kompromiss gehe ich nicht mit!
Was war denn meisterhaft?
Die Charaktere? Welche Charaktere haben wir denn:
-Den sympathischen deutschen Oberschüler, Paul Bäumer der sich in der Vorhölle wiederfindet. Wie ist e
-Den sympathischen, väterlichen Freund, den findigen Organisierer
-Den "guten Deutschen", den verantwortungsvollen Zivilisten, der Zitat: nun die Suppe auslöffeln muss, die "die Militärs" angerichtet haben
-Den "bösen Deutschen", den beschränkten Militär".
Von Remarque sind nur noch Versatzstücke übrig, und die Charaktere sind auch nicht fein gezeichnet, sondern mit der Axt gemeißelt.
"Die Story"?
Eine Gruppe von Gymnasiasten, eine Lost Generation hält den Krieg für einen Abenteuerspielplatz. Der ist aber ein Dantesches Inferno. Der Krieg ist verloren, die Militärs haben ihn angerichtet, sie und sie allein sind Subjekt der Geschichte- alle anderen, das gute, einfache Volk ist Objekt, sie können es nur über sich ergehen lassen, und sie erkennen: Krieg ist die Hölle.
Mehr als Momentaufnahmen aus einem Danteschen Inferno bietet der Film nicht
Die Darsteller? Ja, da gehe ich mit, sie liefern solide Arbeit. Paul Bäumer und auch Kat können durchaus überzeugen. Aber haben sie diesen Wiedererkennungswert wie Louis Wolheim (Kat), Lew Ayres (Paul Bäumer) Slim Summerville (Tjaden) oder auch John Wray als "Schleifer Himmelstoß. Bei manchen Filmen geht es dem Zuschauer oft so, dass man sich noch nach Jahren, nach Jahrzehnten daran erinnert, dass einem Szenen im Gedächtnis bleiben. Dass man wissen will, wie dieser eine Darsteller hieß- der nicht zu den ganz großen Namen und "Stars" gehört, die jedes Kind kennt- der einem aber auf immer ins Gedächtnis gebrannt ist. Da haben es die Darsteller auch schwer, nur bei wenigen Dialogen und Szenen erfährt man überhaupt, wer Kat und Paul eigentlich sind.
Was nun wirklich sehr eindrucksvoll ist- das sind die Szenen von der Front. Da war tatsächlich vieles, was man so noch nie auf der Leinwand gesehen hat, und wenn man auch lange micht mehr in einem Großkino war, ist das umso mehr beeindruckend.
Das muss man sagen, dass der Film starke Bilder liefert. Das ist aber ein bisschen dürftig. Ein Meisterwerk?
Da gehe ich nicht mit. Es ist einer der besseren deutschen Filme, mehr aber auch nicht. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von sehr schlechten deutschen Filmen, die aber fast alle teilweise sehr wohlwollende Kritiken bekommen haben und von der Filmförderung mit Geld zugekleistert wurden, die das Prädikat "besonders wertvoll" bekamen, die an der Kinokasse erfolgreich waren.
Aus all den Till Schweiger-Streifen, aus all den nicht lustigen, aber politisch korrekten Komödien und aus all dem Bullshit und Klamauk aus deutschen Landen, den man seit Jahren zu sehen bekommt und nicht mehr sehen kann- da ragt ein solcher Film natürlich heraus.
Da mag man versucht sein, einen halbwegs guten Film für ein Meisterwerk zu halten, nicht weil diese Filme wirklich so überragend sind, sondern weil man seit Jahren beobachten kann, dass Bullshit produziert wird, dass Bullshit kommerziell enorm erfolgreich ist, dass Bullshit mit Filmförderung bis zum Abwinken zugeballert wird, was wiederum dazu führt, dass noch mehr Bullshit produziert, zugeballert und gefördert wird.
Man ist soviel Müll und Schrott und Bullshit gewöhnt, dass man es kaum fassen kann, wenn mal ein halbwegs guter Film präsentiert wird.
Das macht aber einen handwerklich gut gemachten Film noch lange nicht zum "Meisterwerk".
Es hat schon Karl Krauss gewusst: "Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, dann werfen auch Zwerge lange Schatten"