Revolution? (Nationalsozialismus)

Ich möchte auf folgende Parallele hinweisen :
In der Französischen Revolution glaubte man, dass man das alte System durch Hinrichtung von dessen Trägern, den Adligen, überwinden könnte.
Aus demselben Grund glaubten die Bolschewiki, die Kulaken umbringen zu müssen, um dem Fortschritt den Weg zu bahnen.
Selbst die RAF meinte, das von ihnen abgelehnte System durch Attentate auf die es repräsentierende Personen zu Fall bringen zu können.

In den 1930er Jahren glaubten manche Leute - so abwegig dies auch in der Realität ist - dass die Juden die Träger des kapitalistischen System seien und dass sie die Weltwirtschaftkrise zum Zwecke der effektiveren Unterdrückung herbeigeführt hätten. Daher war mancher Zeitgenosse der Meinung, dass Antisemitismus eine geeignete revolutionionäre Strategie zur Überwindung des Kapitalismus sei.
 
Zu erwähnen wäre wenigstens noch, daß George L. Mosse den Faschismus als durchaus revolutionäre Bewegung anspricht. Der deutsche Titel eines übersetzten Buches lautet: "Die völkische Revolution" (engl. Original: The Crisis of German Ideology). Der Historiker geht mit seinen Thesen natürlich über die Geschichte des Nationalismus weit zurück ins 19. Jh. Leider habe ich selbst im Buch nicht sehr viel gelesen.
 
Zu erwähnen wäre wenigstens noch, daß George L. Mosse den Faschismus als durchaus revolutionäre Bewegung anspricht. Der deutsche Titel eines übersetzten Buches lautet: "Die völkische Revolution" (engl. Original: The Crisis of German Ideology). Der Historiker geht mit seinen Thesen natürlich über die Geschichte des Nationalismus weit zurück ins 19. Jh. Leider habe ich selbst im Buch nicht sehr viel gelesen.
Es ist vielleicht wichtig zu bemerken, dass die Begriffe "Revolution" bzw. "revolutionär" von Mosse - bzw. von den Denkern, über die er schreibt - in einem metaphysischen Sinne gebraucht werden. [1] Mosse sagt nicht explizit, die Machtübernahme 1933 oder die Herrschaftspraxis danach wären "revolutionär" gewesen.

Wie Du bereits andeutest, greift Mosse bis zur deutschen Romantik (S. 21 ff.) aus, um die "Grundlagen völkischen Denkens" zu skizzieren, ja sogar bis zu Luther: "Wenn sie [die völkische Bewegung vor Ersten Weltkrieg] von den drei großen Revolutionen der Geschichte sprach - Luthers Reformation, die Revolution der Romantiker und die zukünftige völkische Revolution - bezog sie sich auf den Typus der vom rassischen Denken getragenen völkischen Revolution" (S. 109).

Mosse sieht "die deutsche Revolution" (S. 295 ff.), so wie sie vom "völkischen Lager" gesehen wurde, als Variante jenes "dritten Weges" zwischen Kapitalismus und Marxismus, nach welchem in vielen europäischen Ländern gesucht wurde. Wie das konkret aussehen sollte, blieb weitgehend verschwommen. Das galt auch für seine "sozialistische" Komponente; typisch etwa Moeller van den Bruck [2]: "Wir verstehen unter deutschem Sozialismus eine körperschaftliche Auffassung von Staat und Wirtschaft, die vielleicht revolutionär durchgesetzt werden muss, die alsdann konservativ gebunden sein wird." [3]

Nach Mosse (S. 309 ff.) wurde durch Hitler "die deutsche Revolution zu einer anti-jüdischen Revolution", in dem er den vorhandenen, z. T. jahrtausendalten Judenhass aufnahm und zum Dreh- und Angelpunkt seiner Weltanschauung und zum beherrschenden Ziel seiner Politik machte.


[1] Zitate nach: Ein Volk, ein Reich, ein Führer, Königstein/Ts. 1979 - das ist die erste deutsche Ausgabe des Mosse-Buches; zur zweiten von 1991 siehe oben.
[2] Das Dritte Reich, hg. v. H. Schwarz, Hamburg 3/1931
[3] Ökonomisch gesehen, läuft das auf Korporatismus ? Wikipedia hinaus.
 
In den 1930er Jahren glaubten manche Leute - so abwegig dies auch in der Realität ist - dass die Juden die Träger des kapitalistischen System seien und dass sie die Weltwirtschaftkrise zum Zwecke der effektiveren Unterdrückung herbeigeführt hätten. Daher war mancher Zeitgenosse der Meinung, dass Antisemitismus eine geeignete revolutionionäre Strategie zur Überwindung des Kapitalismus sei.

Vielleicht haben das ja wirklich mache geglaubt, jedoch war bei den Nazi`s nie die Rede von der Abschaffung des Kapitalismus.
Es gab zwar sicherlich auch reichere Juden, aber Krupp, Thyssen usw., die die Wirtschaftselite stellten, sollten nicht abgeschafft werden.
 
Vielleicht haben das ja wirklich mache geglaubt, jedoch war bei den Nazi`s nie die Rede von der Abschaffung des Kapitalismus.

Auch die NSdAP hatte ihren antikapitalistischen Flügel, und auch das "...-sozialistisch" im Parteinamen kommt ja nicht von ungefähr.

Wir sind deshalb, genau gesprochen, nicht nur ‚nationale Sozialisten', sondern auch ‚Antisemiten’, mit einem Wort: ’Nationalsozialisten’!“

So Georg Strasser, Quelle: Gregor Strasser ? Wikipedia

Dass sich das nach der Machtergreifung als minder nette Propagandalüge entpuppte steht in einer anderen Akte...

Wirklich abwegig wird die Nazi-Ideologie aber an dem Punkt, wo sie sowohl den finster-bösen Kapitalismus als auch den verwerflichen Sowjet-Bolschewismus der imaginierten jüdischen Weltverschwörung andichten wollten; hat irgendwie was von 1984, da muss der Große Bruder auch seine eigene Opposition auf die Beine stellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch die NSdAP hatte ihren antikapitalistischen Flügel, und auch das "...-sozialistisch" im Parteinamen kommt ja nicht von ungefähr.
So Georg Strasser, Quelle: Gregor Strasser ? Wikipedia
Bei Wiki folgen dann zwei Absätze später die Kontakte und die Änderung der Programatik (1932).

Dass sich das nach der Machtergreifung als minder nette Propagandalüge entpuppte steht in einer anderen Akte...

Wirklich abwegig wird die Nazi-Ideologie aber an dem Punkt, wo sie sowohl den finster-bösen Kapitalismus als auch den verwerflichen Sowjet-Bolschewismus der imaginierten jüdischen Weltverschwörung andichten wollten; hat irgendwie was von 1984, da muss der Große Bruder auch seine eigene Opposition auf die Beine stellen.
Auch nicht schlecht. Eine detailierter Ausarbeitung was die Nazis in Sachen Wirtschaft veranstalten wollen, habe ich auch nicht gefunden, nur ein 25-Punkte-Programm. Soweit ich weiß, wurden die Nazis bei den Arbeitern auch unterproportional gewählt.
 
Eine detailierter Ausarbeitung was die Nazis in Sachen Wirtschaft veranstalten wollen, habe ich auch nicht gefunden, nur ein 25-Punkte-Programm.

Das 25-Punkte Programm stammt ja aus dem Jahr 1920. Bis zur "Machtergreifung" und darüberhinaus nahmen die wirtschaftlichen Vorstellungen der Nazis dann - durchaus auch parteintern - doch noch recht unterschiedliche, auch recht ambivalente Bahnen, die ich an dieser Stelle nicht nachzeichnen möchte. Vielleicht nur eins: Zwischenzeitlich gab es die Inflation, die Weltwirtschaftskrise und vieles mehr, was die - immer auch durch propagandistische Absichten motivierten - Stellungnahmen der NS-Größen in Punkto Volkswirtschaft beeinflusst haben sollten.

Interessiert man sich für die wirtschaftspolitischen Prämissen der Zeit nach dem Machtantritt Hitlers, so könnte man zunächst auf den "Vierjahresplan" verweisen, dessen Umsetzungen aber auch "tagespolitischen" Erfordernissen (wenn man das so flapsig ausdrücken will) unterworfen war.

Einen groben Überblick bietet wie oft Wikipedia: Vierjahresplan ? Wikipedia

Ein zeitgenössisches Dokument findet sich hier, ist allerdings von mir ohne nähere Prüfung verlinkt:

Berndt, Alfred-Ingemar: Gebt mir vier Jahre Zeit!Dokumente zum ersten Vierjahresplan des Führers, Zentralverlag der NSDAP. F. Eher Nachf. (München) 1937.


http://ia341202.us.archive.org/2/it...enteZumVierjahresplanDesFuehrers1938202S..pdf

EDIT: Spannend hier vielleicht besonders die Passagen ab S. 176, in denen Hitler unter der Überschrift "Die Revolution der Revolutionen" wiedergegeben wird.
 
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Das 25-Punkte Programm stammt ja aus dem Jahr 1920. Bis zur "Machtergreifung" und darüberhinaus nahmen die wirtschaftlichen Vorstellungen der Nazis dann - durchaus auch parteintern - doch noch recht unterschiedliche, auch recht ambivalente Bahnen, die ich an dieser Stelle nicht nachzeichnen möchte. Vielleicht nur eins: Zwischenzeitlich gab es die Inflation, die Weltwirtschaftskrise und vieles mehr, was die - immer auch durch propagandistische Absichten motivierten - Stellungnahmen der NS-Größen in Punkto Volkswirtschaft beeinflusst haben sollten.

Interessiert man sich für die wirtschaftspolitischen Prämissen der Zeit nach dem Machtantritt Hitlers, so könnte man zunächst auf den "Vierjahresplan" verweisen, dessen Umsetzungen aber auch "tagespolitischen" Erfordernissen (wenn man das so flapsig ausdrücken will) unterworfen war.

Einen groben Überblick bietet wie oft Wikipedia: Vierjahresplan ? Wikipedia

Ein zeitgenössisches Dokument findet sich hier, ist allerdings von mir ohne nähere Prüfung verlinkt:

Berndt, Alfred-Ingemar: Gebt mir vier Jahre Zeit!Dokumente zum ersten Vierjahresplan des Führers, Zentralverlag der NSDAP. F. Eher Nachf. (München) 1937.


http://ia341202.us.archive.org/2/it...enteZumVierjahresplanDesFuehrers1938202S..pdf

EDIT: Spannend hier vielleicht besonders die Passagen ab S. 176, in denen Hitler unter der Überschrift "Die Revolution der Revolutionen" wiedergegeben wird.

Super - viele Dank! :yes:
Das werd` ich mir mal anschauen.
 
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