Quintus Fabius schrieb:
Vielen Dank für die Hervorragenden Guten Informationen !!
Nicht zu danken - gern geschehen...
Quintus Fabius schrieb:
Zum Alltagsleben stellt sich mir auch die Frage des Kampftrainings und des militärischen Drills.
Vom Deutschen Orden weiß ich z.B., daß eine strenge Lagerordnung galt, Kriegszüge meist im Winter durchgeführt wurden und jeder stets in Rufweite seines Komtur oder Befehlshabers bleiben mußte und sich nie weiter weg entfernen durfte.
Ebenso habe ich gelesen, daß die Ordenskämpfer in Formation und gleichzeitig agierten und im Angriff die Formation hielten. All das setzt militärischen Drill und Übungen voraus, man liest aber über eine solche Ausbildung innerhalb des Ordens nirgends etwas, z.B. was wie geübt wurde und welchen Zeitanteil vor allem das einnahm.
Neben den Gebeten und Gottesdiensten, gab es dann auch bestimmte Zeiten für Kriegsübungen ?
Tja, das zu beantworten, führt leicht zum Verzetteln vom 100sten ins 1000ste - ich versuche es trotzdem... :grübel:
Erst einmal zum Deutschen Orden: das mit den Kriegszügen im Winter war eine Besonderheit, denn gewöhnlich war dies im (Hoch-)Mittelalter eher die Zeit, in welcher nicht gekämpft wurde. Der Deutsche Orden tat dies zu seiner "baltischen" Zeit - wie auch die anderen im Baltikum (Schwertbrüder, Dobriner) schon zuvor - aus praktischen Gründen aufgrund der klimatischen Gegebenheiten in der dortigen Wildnis: im Sommer waren in den sumpfigen Gebieten einfach keine Kämpfe möglich bzw. zu gefährlich (man kämpfte da mehr gegen die Natur als gegen den Feind), im Winter hingegen waren diese Sumpfflächen logischerweise gefroren und damit relativ normal zu begehen.
(Steht - wenn ich mich richtig erinnere - u.a. auch in
Fleckenstein/Hellmann - Die geistlichen Ritterorden Europas)
Zum zweiten: das mit der Formation und dem Aushalten in derselben stimmt, und die Autoren diverser Werke (Riley-Smith, Kugler, Bauer etc.) sind sich darüber recht einig. Abgeleitet wird dies (das Standhalten der Ordenskontigente innerhalb der christlichen Heere) aus der expliziten Erwähnung in den Quellen, da deren Anteil gemessen am sonstigen Heeresverband zahlenmäßig eher gering war. Daß dies natürlich Disziplin - und als Voraussetzung dafür militärischen Drill - voraussetzt, liegt auf der Hand.
Für Waffenübungen stehen die Historiker - auch das habe ich schon wiederholt in mehreren Büchern so wiedergefunden - zunächst vor einem scheinbaren Widerspruch. Die weltliche Ritterschaft nutzte zur Kampfesertüchtigung nämlich zwei Arten ihrer "Freizeitbeschäftigungen": Jagd und Turnier. Genau diese beiden Dinge waren jedoch nach den Regularien den Ordensbrüdern verboten, denn sie galten als "weltliche Hoffahrt" (heute würde man sagen "dem lieben Gott unnütz die Zeit stehlen" oder drastischer "dekadente Zeitverschwendung")!
Damit also zum Tagesablauf...
M. Bauer
Die Tempelritter - Mythos und Wahrheit behandelt dies in einem eigenen Kapitel. Danach gliedert sich dieser in den Teil
Mönchischer Alltag und
Ritterlicher Alltag; an dieser Stelle sei hinzugefügt, daß dies aus anderer Literatur (z.B.
Vasallen Christi - Kulturgeschichte des Johanniterordens) für die anderen Ritterorden quasi analog übertragbar ist. Feine Unterschiede bestehen v.a. im Bezug zum Mönchischen (z.B. zu den Zisterziensern bei Templern und Deutschherren, zu Benediktinern und Augustinern bei den Johannitern), was aber auf den grundsätzlichen Tagesablauf so gut wie keinen Einfluß hat.
Mönchischer Alltag:
Er regelt sich nach dem Tagesablauf gemäß der sogenannten kanonischen Stunden, begann also mit der Morgenmesse (
Matutin), setzte sich fort über die Gottesdienste zur
Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und endete mit dem zur
Complet.
Die Zeiten dazu
Matutin beginnt im Sommer um 2 Uhr, im Winter um 4 Uhr
Nach der Matutin soll der Bruder in den Stallungen nach dem Rechten sehen und ggf. den Knappen Anweisungen geben, danch darf er nach einem Vaterunser weiterschlafen bis zur Prim.
Prim um 7 Uhr
Terz um 9 Uhr
Sext um 12 Uhr
Non um 15 Uhr
Vesper um 17 Uhr (?)
Complet um 19 Uhr
Nach der Complet ist allgemeine Nachtruhe, und im Schlafsaal (
Dormitorium) hat stets eine Kerze zu brennen, damit sich keiner der Brüder selbst "unsittlich berühre"
Jede der kanonischen Stunden schreibt 13 bzw. 18
Vaterunser sowie
Ave Maria vor.
Bei Versäumnis der Matutin müssen vom Betreffenden 13 Vaterunser gesprochen werden, für jede andere 7.
Weiterhin spielen Gebete, welche dem Schutzpatron des Tages gewidmet sind, eine entscheidende Rolle; das erste Tagesgebet ist aber stets ein Ave Maria...
Anm.: Der Deutsche Orden hat Maria zur Schutzherrin und deshalb den Anteil der Ave Maria nochmals erhöht!
Mahlzeiten:
Diese sollen natürlich wegen der Erhaltung der Kampfkraft nicht so asketisch-sparsam wie bei Mönchen ausfallen.
Die Hauptmahlzeit nehmen die Brüder mittags zu sich, das zweite Essen am Abend.
Während der Mahlzeiten herrscht Schweigen, nur ein Bruder (meist ein
frater capellani) liest aus der Heiligen Schrift vor.
Dreimal in der Woche gibt es Fleisch.
Das Mittagsmahl ist nach der Sext (also etwa 13 Uhr), das Abendmahl vor der Complet (etwa 18 Uhr).
Ritterlicher Alltag:
Ein wichtiger Bestandteil des ritterlichen Alltags war die Versorgung der Pferde und die Pflege der Waffen und Ausrüstung; eine besonders drakonische Strafe soll wohl darin bestanden haben, daß ein Ritterbruder bzw. ein dienender Bruder unter Waffen einige Tage seine Ausrüstung nicht instandhalten durfte.
Daß es Waffenübungen und Drill gegeben hat, wird heute aus praktischen Gründen grundsätzlich bejaht; dies macht vor dem Hintergrund, daß bspw. Templer und Johanniter im Hl. Land in ihren jeweiligen Verbänden als Einheit agierten, auch Sinn. Schließlich waren sie auch aufgrund dessen von ihren Gegnern gefürchtet, daß sie das volle Potential eines schweren Reiterangriffs nutzten. So etwas wäre ohne entsprechende Übung nur schwer möglich gewesen...
Ansonsten "übten" sie sich wohl noch auf eine andere Art in der Kampfesertüchtigung: im Hl. Land zogen sie als Patrouillen von einer Ordensniederlassung zur anderen und bekämpften "unterwegs" Wegelagerer und wilde Tiere (z.B. Löwen). Damit gewährleisteten sie zusätzlich - logischerweise - auch die Sicherheit der Pilgerwege...
Ich hoffe, diese leicht vereinfachten und auf das IMHO Wichtigste zusammangefaßten Ausführungen können Deine Fragen zumindest ansatzweise beantworten :winke:
In diesem Sinne
Timo
PS: Mir ist schon klar, daß die genannten Uhrzeiten damals nicht exakt gemessen und daher pünktlich eingehalten werden konnten, daher sind sie eher als Anhaltspunkt für uns heutige Neuzeitmenschen zu verstehen