Römische Besatzungspolitik in Germanien

Kurzer Einschub zur Frage nach den keltischen Oppida: Waldgirmes wurde neben dem ehemaligen Oppidum auf dem Dünsberg angelegt, ähnlich wie neben Bibracte im Tal Autun (15.v.Chr. Augustodunum) entstand. Allerdings war das Oppidum zu diesem Zeitpunkt zumindestens zum größten Teil von der politischen Gemeinschaft Ubiern verlassen, ähnlich wie benachbarte Oppida (z.B. Amöneburg, Alteburg /Niedenstein, Milseburg, noch früher Heidetränke /Taunus).
Der Wirtschaftsraum ist in einer gewissen Weise zusammengebrochen - primitivere Landwirtschaft (siehe z.B. archäologische Forschung zu Mardorf / Hessen), Wechsel bei der Keramikproduktion. Die römische Besatzung war daher auch ökonomisch mit einer ganz anderen Situation als in Gallien konfrontiert: eine wahrscheinlich wesentlich weniger leistungsfähige Landwirtschaft, weniger Produktionsstätten, weniger ausgebildete Arbeitskräfte, kleiner einheimischer Markt.
 
Die Annahme, daß zumindest die rechtsrheinischen Germanen, von Ausnahmen abgesehen, meist auf Subsistenzniveau gewirtschaftet haben, ist ja weit verbreitet. Erst durch die Ankunft der Römer begannen sie die Produktion langsam zu steigern, da die Römer ihnen einen größeren Markt für ihre Produkte eröffneten. Was dann auch nach 9 AD anhielt und Germanien mehr oder weniger ungewollt entwickelte.

Das nennt man ein nicht besteuerbares Bruttosozialprodukt. Wenn dem wirklich so war, dann war es in der Tat eine krasse Fehlentscheidung, nach den pannonischen Kriegen Tribute einzuführen. Nicht wegen des folgenden Aufstandes, sondern weil es vollkommen sinnlos ist. Jetzt hatten die Römer zwar keine Volkswirte, aber vollkommen verblödet waren sie gemeinhin auch nicht. Ich bin daher in Sachen germanische Volkswirtschaft und die historische Einschätzung immer noch etwas ratlos.
 
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ich lese immer wieder:"weniger produktive Landwirtschaft der Germanen".
Kann mir mal einer den Unterschied zwischen Ackern mit Hakenpflug , säen mit der Hand und Schneiden der Ähren mit der Sichel erklären, wenn vor dem Pflug 2 germanische Ochsen und dahinter ein Germane geht bzw es sich um gallische oder römischen Ochsen und Menschen handelt? Und den zwischen germanischen Plaggen zur Bodenverbesserung statt römischen Plaggen? Jetzt beim Getreideanbau fällt mir kein Grund ein, warum die Gerste/der Dinkel/das Einkorn o.ä. jetzt in der Börde schlechter wachsen sollte als auf den schlechteren Böden der Römer/Gallier.

Und in der Viehzucht dürfte wegen der Waldweide die Fleischproduktion auf jedenfall effektiver gewesen sein. Das würde mich mal interessieren. Denn die Effektivität einer Landwirtschaft ergibt sich aus dem Hektarertrag[dt]/Saatgut[dt] und nicht aus der Menge des verhandelten Getreides
 
Selbst wenn man das weglässt, -obwohl ich meine , hier was gelesen zu haben, das wohl einige Wesergermanen mit Plaggen gedüngt hätten-,

Die Gallier und Römer düngten doch auch nicht, oder?
 
Die Plaggendüngung ist typisch für Norddeutschland (auch weil man ja irgendwie an die Plaggen herankommen musste) und, wie gesagt, erst ab dem Mittelalter gebräuchlich.
In Italien haben wir seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert Latifundienwirtschaft, in Deutschland Gärtchen. Die Römer und Gallier kannten bereits den Räderpflug.
 
Ich hatte mal gelesen, daß die Germanen die 2-Felder-Wirtschaft noch nicht kannten, die bei den Römern üblich war. Von 3-Felder-Wirtschaft ganz zu schweigen, die es wohl erst im Mittelalter gab. Obwohl diskutiert wird, daß die Römer auch diese bereits betrieben haben sollen.

Die Germanen wären also "nomadisierende Bauern" gewesen. Waren die Felder erschöpft, zogen sie ein Stück weiter, zur Not mit dem gesamten Dorf. Das konnte dann auch oft zu Ärger mit den Nachbarn führen.

Ich weiß aber nicht, ob diese Theorie jemals allgemeine Forschungsmeinung war. Anerkannt ist wohl nur, daß die Germanen bis zum Untergang des römischen Reiches insgesamt von einem laufenden Technologie- und Finanztransfer aus dem römischen Reich profitierten, der zu einem Bevölkerungswachstum und technologischen Angleich führte. Alleine die Zeit der Besatzung war natürlich zu kurz, um entscheidende Wirkung zu zeigen.
 
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Ich weiß aber nicht, ob diese Theorie jemals allgemeine Forschungsmeinung war. Anerkannt ist wohl nur, daß die Germanen bis zum Untergang des römischen Reiches insgesamt von einem laufenden Technologie- und Finanztransfer aus dem römischen Reich profitierten, der zu einem Bevölkerungswachstum und technologischen Angleich führte. Alleine die Zeit der Besatzung war natürlich zu kurz, um entscheidende Wirkung zu zeigen.

Man muß doch dabei unterscheiden, ob von welchen Germanen wir reden: zum einen haben wir die unterworfenen Germanenstämme links des Rheins, zum anderen die nicht unterworfenen rechts des Rheins. Zusammen mit der Immigration von Römern (bzw. romanisierte Kelten aus Gallien, aber auch aus anderen Teilen des Reiches) setzte sich dort die römische Zivilisation, Kultur und Sprache durch. Ich bezweifele, dass rechtsrheinisch in der Antike ein großer Technologietransfer stattfand. Germanische Städte gab es nicht. Sämtliche Stadtgründungen im freien Germanien stammen erst aus dem frühen Mittelalter.
 
Überlegungen zur Urbanisierung in Germanien unter Einfluss römischen Militärs

Ich scheine mich unklar in meinem Beitrag # 6 ausgedrückt zu haben

@germanische Funde in großen Militärstandorten:
…sind m.E. deshalb weniger wahrscheinlich, weil gerade östlich des Rheines die Standorte kaum lange genug existierten um auch freie, germanische Profiteure in ausreichender Zahl in die cannabae zu locken, um im Fundkontext sehr deutlich zu werden. Truppenverschiebungen der Einheiten spielen eine weitere Rolle.
…war gerade das Umfeld von Militärstandorten ein bedeutender Katalysator für die Übernahme eines römischen Kontextes für die gesamte neue, barbarische Provinz. Die „kulturelle Prägung“ der Truppen – also deren spezielle Sicht auf das, was „römisch“ war – setzte auch Standards für ihre Umgebung und die Ausprägung der „Romanitas“ für die neuen Provinzen. Entsprechend gering dürfte daher indigener Einfluss einen archäologischen Niederschlag finden können. Vereinfacht: Indigen = Primitiv – als Erwartungshaltung der zahlungskräftigen Kundschaft.
…Leistungen von Verbrauchsware (Lebensmitteln) hinterlassen wenige, archäologisch eindeutige Spuren, denen man ihre „Erzeuger“ ansehen kann.

@zivile Neugründungen als Städte:
…können m.E. von der Nähe zu Militärstandorten und Militärstraßen deutlich profitieren, wenn sie zu deren regelmäßigen Versorgung beitragen. Besonders für die Winterlager. Ich denke, dass Köln gewiss vom Militär profitiert hat. Auch zu Zeiten, in denen Köln kein Legionsstandort war.

…mussten mit unvorhersehbaren Eingriffen des Militärs klarkommen, wenn sie nicht im sicheren Hinterland (idr. westlich des Rheines) lagen, sondern an den Achsen von ständigen, unregelmäßigen Militärbewegungen. Im Sinne eines „rückwärtigen Heeresgebietes“. Etwa an Einfallachsen in das freie Germanien hinein. Wenn nicht als Teil einer ständig gesicherten militärischer Versorgung konzipiert (dann sollten militärische Zwischenlager diese Rolle ausfüllen), sondern unregelmäßig von militärischen Operationen tangiert werden konnten. Dann sind m.E. eher Requirierungen zu befürchten, die den wirtschaftlichem Aufbau einer neuen Stadt stören könnten, da das Militär bei Bedarf (der wahrscheinlich ist) auf zivile Bestände einfach zurückgreifen würde… Der Zugriff des Militärs ist in einem solchen Falle dann unvorhersehbar in Zeitpunkt und Umfang und nicht unbedingt in Form eines geregelten Geschäftsgebarens. Ob dann der rechtliche Status der Siedlung eine zusätzliche Rolle gespielt haben könnte?…

Als Indiz für letztere Aussagen sehe ich die eindeutige, recht dichte militärische Versorgungsinfrastruktur entlang der Lippe-Linie und ihre (immer noch zahlreich zu nennende) Entsprechung von Mainz kommend über die Wetterau. Man verließ sich hier nicht auf Städte als Rückgrat einer Versorgung (wie das die Oppida in Gallien hatten leisten können). Waldgirmes, als bislang einzige bekannte zivile, römische „Stadt“ östlich des Rheines lag leicht im Windschatten der bekanntesten Militärachsen. Dennoch verkehrsgünstig gelegen (Lahn) und in vielleicht schon länger bekanntem Gebiet? Letztlich wurden ja zwei ehemalige römische Marschlager bei Limburg gefunden, die in der Zeit des Gallischen Krieges von Caesar datiert wurden…

Kurz: Ich wollte nur auch denkbare negative Effekte römischer Truppenaktionen in Germanien auf die Urbanisierung der Provinz herausstreichen, solange die Provinz nicht endgültig gesichert war und das Militär dauernd in Bewegung bleiben musste. Zu einer wirklich gesicherten Provinzialisierung Germaniens rechts des Rheins konnte es nach der clades variana mit dem Untergang des Varus nicht mehr kommen. Der vorher erreichte Zustand erwies sich als prekär.
 
"Imperialer" Zwang, die Subsistenzwirtschaft umzuwandeln

...Und in der Viehzucht dürfte wegen der Waldweide die Fleischproduktion auf jedenfall effektiver gewesen sein. Das würde mich mal interessieren. Denn die Effektivität einer Landwirtschaft ergibt sich aus dem Hektarertrag[dt]/Saatgut[dt] und nicht aus der Menge des verhandelten Getreides

[FONT=&quot]Das ist nicht der Punkt, den Rom interessierte. Wie die Germanen sich selbst ernährten und ob das für sie mit viel oder wenig Aufwand, Geld oder wie auch immer erfolgte - das war für Rom letztlich egal! Man wollte Profit aus den Eroberungen schlagen. Zumindest wollte man die lokale Versorgung des Okkupationsheeres so bald als möglich sicher stellen. Antike Kriege hatten vor allem den Sinn "Beute zu machen". Davon mag alles so modern Wirkende an antiken Großreichen zu leicht ablenken. (Auch die USA hat die Grenzen „nichtwirtschaftlicher Siege“ kürzlich erkennen müssen). Rom interessierte sich dafür, wie es das wirtschaftliche Potential Germaniens für sich dienstbar machen konnte. Die Richtung dahin konnten nur Tribute und Abgaben weisen. Die Frage war nicht ob, sondern wie man die Einwohner dazu bringen konnte, Leistungen zu erbringen, welche die kaiserliche Schatulle füllen sollten. [/FONT]Dazu mussten künftig Überschüsse generiert werden.


Die Annahme, daß zumindest die rechtsrheinischen Germanen, von Ausnahmen abgesehen, meist auf Subsistenzniveau gewirtschaftet haben, ist ja weit verbreitet. Erst durch die Ankunft der Römer begannen sie die Produktion langsam zu steigern, da die Römer ihnen einen größeren Markt für ihre Produkte eröffneten. Was dann auch nach 9 AD anhielt und Germanien mehr oder weniger ungewollt entwickelte.

Das nennt man ein nicht besteuerbares Bruttosozialprodukt. Wenn dem wirklich so war, dann war es in der Tat eine krasse Fehlentscheidung, nach den pannonischen Kriegen Tribute einzuführen. Nicht wegen des folgenden Aufstandes, sondern weil es vollkommen sinnlos ist. Jetzt hatten die Römer zwar keine Volkswirte, aber vollkommen verblödet waren sie gemeinhin auch nicht. Ich bin daher in Sachen germanische Volkswirtschaft und die historische Einschätzung immer noch etwas ratlos.

Nach diesen schön zusammengefassten Grundlagen erlaube ich mir (wieder) eine interessante Parallele in der Kolonialpolitik vor gut 100 Jahren anzureißen.
Wie im Falle Roms in Germanien stieß wieder ein expandierendes Reich in ein Gebiet vor, das offensichtlich keine Geldwirtschaft kannte und im Wesentlichen nur eine Subsistenzwirtschaft betrieb. Um die Eroberung rentabel zu machen waren Steuern notwendig. Direkte, oder auch indirekte – wobei Letztere nur über einen nennenswerten Handel erwirtschaftet werden kann. Idealerweise floriert ein Steuersystem besonders, wenn es in eine Geldwirtschaft eingebunden ist. Vor diesem Problem stand die Kolonialverwaltung des kaiserlichen Deutschland in seinen ostafrikanischen Kolonien und sie versuchte durch gezielte, aber letztlich ungeschickte Eingriffe das dortige Wirtschaftsleben zu zwingen Überschüsse zu generieren….


Ich verlinke als Anregung hierzu die Vorgeschichte zum Maji-Maji-Aufstand aus der Wikipedia (Unterkapitel „Verwaltung“, sowie „Wirtschaft und Handel“)
Maji-Maji-Aufstand ? Wikipedia
 
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Kann mir mal einer den Unterschied zwischen Ackern mit Hakenpflug , säen mit der Hand und Schneiden der Ähren mit der Sichel erklären, wenn vor dem Pflug 2 germanische Ochsen und dahinter ein Germane geht bzw es sich um gallische oder römischen Ochsen und Menschen handelt?
(...)
Und in der Viehzucht dürfte wegen der Waldweide die Fleischproduktion auf jedenfall effektiver gewesen sein.

Ein paar Ideen, größtenteils aber nur Vermutungen:

Zur Viehzucht ist zu sagen, dass mWn die Schweine, Rinder und Pferde in Germanien kleiner waren als die in Italien gehaltenen. So dass stimmt, späche das eher für eine geringere Produktivität in diesem Bereich. Die Gründe können vielfältig sein: Längere Kälteperioden, größere Schwierigkeit mit der Vorratshaltung und damit der Fütterung im Winter, größere Probleme, im wald- und sumpfreichen Germanien Weiden zu finden oder anzulegen, geringere Kenntnisse oder Möglichkeiten im Bereich der Zucht, bspw bedingt durch die größere räumliche Distanz, da Germanien vermutlich sehr viel dünner besiedelt war, oder auch durch das Fehlen bzw (im Vergleich) Seltenheit von großen Herden in einer Hand, in denen eine gezielte Zucht besonders erfolgversprechend ist.

Die niedrigeren Erträge des Ackerbaus, von denen man vermutlich auch ausgehen kann (im statistischen Schnitt Germanien - Italien, aber vermutlich auch Germanien - Gallien), lassen sich auch durch die von antiken Autoren bestätigte "Wildheit" des Landes erklären. Es war ein größerer Aufwand nötig, neue Felder anzulegen. Sümpfe verhinderten auch einen erfolgversprechenden Ackerbau. In Italien wurden Sümpfe trockengelegt, um neues Ackerland zu erschließen. Waren die Germanen dazu in der Lage? Auch die "Betriebsgröße" könnte eine wichtige Rolle spielen, und Landgüter im großen Stil kannte die römische Landwirtschaft (in zunehmendem Maße), die germanische nicht. Für einen weiteren, sehr wichtigen Punkt erlaube ich mir, mich selbst zu zitieren; da ging's zwar um Mittelamerika, aber der Effekt ist universell:

Einen weiteren Punkt könnte man ansprechen, auch wenn der nichts mit Mais oder Amerika zu tun hat, sondern in allen Gesellschaften auftaucht bzw auftauchen kann. Ich meine die Frage der Effizienz, besonders in Verbindung mit einer großen Stückelung der Felder auf der einen Seite, gegenüber großen, zusammenhängenden Flächen auf der anderen Seite.

Viele Gesellschaften, die auf Subsistenzwirtschaft angewiesen sind, neigen zu einer sehr großen Aufteilung der Felder eines Bauern bzw einer Familie, die dann im einzelnen sehr klein sind und oft auch noch sehr weit außeinander liegen. Ein großer Teil der "Arbeitszeit" geht so dafür drauf, von einem Feld zum anderen zu laufen, bzw Werkzeug, Saatgut und Ernte zu transportieren. Auf den ersten Blick sehr ineffizient: Mit wenigen größeren, einheitlich bestellten Feldern könnte der Durchschnittsertrag erheblich gesteigert werden.

Der Grund liegt in der höheren Sicherheit durch diese Diversifizierung. Je mehr Felder in unterschiedlicher Lage mit verschiedenen Feldfrüchten bestellt werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass durch Missernten oä der Gesamtertrag zu klein wird, um die Familie ernähren zu können. Wer von der Ernte seiner Felder leben muss, dem ist wenig mit einem höheren Durchschnittsertrag in den sechs "guten Jahren" gedient, wenn er im siebten "schlechten Jahr" verhungert. Jared Diamond (wieder...) zitiert dazu in Vermächtnis eine Studie aus dem Andenraum, die diesen Zusammenhang recht eindrücklich darstellt. Er beschreibt ähnliches auch von Mittelamerika und Neuguniea und vermutet, die große Stückelung der Felder in früheren Zeiten in Europa habe ähnliche Gründe gehabt.

Eine Spekulation meinerseits: Gelingt es einer Gesellschaft, dieses für eine Subsistenzwirtschaft naheliegende Verhalten zu ändern, bspw durch zentrale Vorratshaltung oder Umverteilung, kann sie ihre Gesamtproduktivität enorm steigern. Wenn die einzelnen bäuerlichen Familien die Möglichkeit haben, ihre Erträge durch Zusammenlegung der Felder und eine entsprechend größere Effizienz zu steigern, ohne befürchten zu müssen, dadurch in einem unglücklich verlaufenden Jahr zu hungern, würde dass den Gesamtertrag erhöhen, und damit mehr Nahrungsmittel für nicht in der Landwirtschaft beschäftigte Personen zu Verfügung stellen.

Zentrale Institutionen, die eine Ausgleich unter den sich selbst versorgenden bäuerlichen Einheiten schaffen, könnten also die Grundlage für eine nach Effizienzkriterien geführten Landwirtschaft darstellen, die wiederum genügend Nahrung für eine weitere Differenzierung und Arbeitsteilung bildet. Aber auch anders herum: Wenn diese zentralen Institutionen an Mach tund Einfluss verlieren, müssen die Bauern wieder mehr an das eigene Überleben denken, was zu einem Sinken der Überschüsse und des gesellschaftlichen Gesamtertrages führt, was wiederum die zentralen Insitutionen schwächt, die von diesen Überschüssen leben. Ein Teufelskreis, der ein wichtiger Faktor beim Zusammenbrechen komplexer Gesellschaften sein könnte, bspw der Maya-Kulturen.

In Italien mit einem funktionierenden Getreidemarkt und Importen aus Übersee bestanden ganz andere Möglichkeiten (auch für Kleinbauern), die Erträge mit der Konzentration auf zusammenhängende Felder und ertragreiche, auch zum Verkauf bestimmte Sorten zu steigern, als das in Germanien der Fall war, wo jede Familie va auf die Erträge ihrer eigenen Felder angewiesen war, meist auf Gedeih und Verderb.
 
Ich denke mal, was den geringen "Ertrag" für die Römer anging, war nicht Schuld der "ineffektiven" Landwirtschaft, sondern die komplett andere Wirtschaftsweise der "Germanen". In den römischen und Keltischen Gebieten mit steilen Hierachien wird Überschuß erwirtschaftet, der an die Grundherrschaft geht und von dieser verhandelt und verteilt wird, im germanischen Gebiet gibts eine Art "Pachtsystem", zu mindest kann man das bei der Auflösung des röm. Reichs durch Germanen sehen, die dem Grundherrn einen Teil des Ertrags zum eigenen Verbrauch zugesteht und ansonsten verbleibt der Ertrag beim Erzeuger. Somit fallen nur kleine Mengen Überschuß an, die auch noch von den Steuereintreibern selbst hätten eingesammelt werden müssen.

1000 Sack Getreide, verteilt auf 1000 Höfe sind a leichter zu verstecken und b schwerer einzusammeln als 1000 Sack auf 5 Gutshöfen/Latifundien. Zumal Überschuß ja relativ ist. Denn was der Mensch zum Leben braucht, wenns der Gutsherr entscheidet ist das ganz sicher weniger als wenns der Pächter entscheidet.

Das ist ja heute ähnlich, oder habt ihr mal nen Unternehmer getroffen, der seinen Gewinn freiwillig mit Arbeitnehmern und Staat teilt?
 
In den römischen und Keltischen Gebieten mit steilen Hierachien wird Überschuß erwirtschaftet, der an die Grundherrschaft geht und von dieser verhandelt und verteilt wird, im germanischen Gebiet gibts eine Art "Pachtsystem", zu mindest kann man das bei der Auflösung des röm. Reichs durch Germanen sehen, die dem Grundherrn einen Teil des Ertrags zum eigenen Verbrauch zugesteht und ansonsten verbleibt der Ertrag beim Erzeuger. Somit fallen nur kleine Mengen Überschuß an, die auch noch von den Steuereintreibern selbst hätten eingesammelt werden müssen.

Gab es im linksrheinischen Germanien der damaligen Zeit schon irgendwelche "Grundherren" oder Großgrundbesitzer?

Das Problem ist die Besteuerung von Subsistenzwirtschftlern, die im Großen und Ganzen gar nicht am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen, weil sie alles notwendige selber auf eigenem Land produzieren. Jeden Überschuss, den die produzieren und verhandeln, weil sie ihn nicht selbst nutzen können, ist schon interessant, solange man "den Handel" (also Handelswege und -plätze) kontrollieren kann. Das wäre mE einer der interessantesten Punkte, den man im Zusammenhang mit der römischen Besatzungspolitik untersuchen könnte.

Das ist ja heute ähnlich, oder habt ihr mal nen Unternehmer getroffen, der seinen Gewinn freiwillig mit Arbeitnehmern und Staat teilt?

Nein, aber das interessante an der Geschichte ist ja vornehmlich, wie die Steuererhebung, -vermeidung und -hinterziehung im einzelnen funktioniert... ;)
 
Die Germanen wären also "nomadisierende Bauern" gewesen. Waren die Felder erschöpft, zogen sie ein Stück weiter, zur Not mit dem gesamten Dorf. Das konnte dann auch oft zu Ärger mit den Nachbarn führen.

Ich weiß aber nicht, ob diese Theorie jemals allgemeine Forschungsmeinung war.
So in etwa schildern das auch Caesar (BG 6,22) und Tacitus (Germania 26), wobei Caesar allerdings andere Ursachen dafür angibt.
 
Kurzer Einschub zur Frage nach den keltischen Oppida: Waldgirmes wurde neben dem ehemaligen Oppidum auf dem Dünsberg angelegt, ähnlich wie neben Bibracte im Tal Autun (15.v.Chr. Augustodunum) entstand. Allerdings war das Oppidum zu diesem Zeitpunkt zumindestens zum größten Teil von der politischen Gemeinschaft Ubiern verlassen, ähnlich wie benachbarte Oppida (z.B. Amöneburg, Alteburg /Niedenstein, Milseburg, noch früher Heidetränke /Taunus).
Der Wirtschaftsraum ist in einer gewissen Weise zusammengebrochen - primitivere Landwirtschaft (siehe z.B. archäologische Forschung zu Mardorf / Hessen), Wechsel bei der Keramikproduktion. Die römische Besatzung war daher auch ökonomisch mit einer ganz anderen Situation als in Gallien konfrontiert: eine wahrscheinlich wesentlich weniger leistungsfähige Landwirtschaft, weniger Produktionsstätten, weniger ausgebildete Arbeitskräfte, kleiner einheimischer Markt.
So wirklich zusammengebrochen war da gar nichts:
https://www.uni-bamberg.de/fileadmi...ateien/Verhuettung_Artikel_Schaefer_klein.pdf
Die bei Wetzlar-Dalheim durchgeführten Untersuchungen haben in den letzten Jahren gerade aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende eine ungeahnte Fülle und Qualität von Funden und Befunden erbracht. An zwei nur 400 m voneinander entfernten Fundstellen (C32, C86) ließen sich spätlatènezeitliche Siedlungsplätze lokalisieren, die eine intensive Besiedlung der Lössterrassen anzeigen. Mit der Qualität und Quantität des Fundmaterials, Importfunden sowie spezialisiertem Handwerk tragen sie Merkmale wie sie von stark handwerklich oder am Handel
orientierten offenen Großsiedlungen der jüngeren Latènezeit etwa in Berching-Pollanten53, Basel-Gasfabrik54 oder auch Bad Nauheim55 bekannt sind. Dass wir mit mehreren Besiedlungskonzentrationen oder gar mit einer systematischen Aufsiedlung entlang der mittleren Lahn zu rechnen haben, kann der Fundplatz Waldgirmes verdeutlichen.​
Schön der Hinweis auf "das handtellergroße Fragment einer reliefierten vergoldeten Bronzeplastik" in der Nähe eines der diversen gefundenden Schmelzöfen. Offenbar betrieben die Jungs und Mädels fleißig Altmetallrecycling!
 
In der Tat, zumindest etwas ähnliches: Ubios gentium solos novimus, qui fertilissimum agrum colentes quacumque terra infra pedes tres effossa et pedali crassitudine iniecta laetificent. sed ea non diutius annis X prodest. Eine richtige Plaggenbewirtschaftung ist das noch nicht.
 
Leider wieder etwas wenig Zeit, ich hoffe ich finde am Wochenende mehr Muse um zu antworten. Dahr noch nicht zu Wilfrieds Frage, aber zu Augusto. Dein Zitat beschreibt konzentriert einen Aspekt des spätlatenezeitlichen Wirtschaftsraums - allerdings nicht die römische Eisenzeit: das untersuchte Dalheim als Eisenverhüttungsplatz zeigt eine kurzzeitige Weiternutzung in der Römischen Eisenzeit, parallel Zu Waldgirmes, wahrscheinlich von den römischen Besatzungstruppen selbst - soweit ich mich erinnere lässt sich der römische Rennofen unterscheiden. Es gibt auch weiterhin verhandelbare lokale Produkte, z.B. Keramik, aber keine eigene Geldwirtschaft mehr - die römischen Münze wird langsam zur Leitwährung. Soweit ich mich erinnere war z.B. die Nutzung von den Salzproduktion in Bad Nauheim wirklich abgebrochen, eine römische Nutzung setzte nachweisbar erst mit der Besatzung der Wetterau ein (ich überprüfe dies noch einmal). Die Siegerländer Eisenindustrie bricht größtenteils ab, in der augegrabenen Siedlung bei Fritzlar / Hofgeismar wechselt die Keramik grundlegend - es fehlt z.B. die "keltische"Exportkeramik / Töpferscheibenware in der römischen Eisenzeit. Nur kurz zur Landwirtschaft: Ausgrabung in Mardorf (Siedlungsplatz nördlich von Marburg):
die neuen "germanischen" Siedler bauten überraschenderweise kein Wintergetreide an, hatten also nur eine Getreidernte im Jahr. Dazu am Wochenende mehr mit Quellen.
 
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