Also den Film "Girl Interrupted" kenne ich nicht, aber ähnlich wie du (im folgen zitiert) meinte ich das auch:
Hmm... aber zu Zeiten von Jim Morisson war Drogenkonsum doch eigentlich Gang und Gäbe, es war geradezu normal. Die Menschen waren sich denke ich, nicht wirklich bewusst, dass Drogen ihnen Schaden zufügen, während ein heutiger Borderliner doch eher die Drogen nimmt OBWOHL er weiß, dass sie nicht gut sind?
[...]
Ich dachte eigentlich, dass Borderliner sich selbst Schmerz oder Schaden zufügen, was bei heutigen Drogenkonsum logisch wäre, bei Drogenkonsum in den 60er Jahren aber weniger. Oder hab ich jetzt einen logischen Knoten in meinem Kopf?
Den hast du sicherlich nicht! Ich habe es mir im Nachhinein denn auch schon gedacht, daß ich mich bezüglich des Borderline-Hinweises mißverständlich ausgedrückt hatte, ich hätte genauso gut "narzißtische Störung" schreiben können, aber vor allem hätte ich mich präziser ausdrücken sollen, denn ich dachte eigentlich an die Diskussion
um das Borderline-Syndrom respektive die narzißtische Störung hauptsächlich natürlich in der Psychoanalyse, weniger an das, was heute als Klassifikationen im DSM oder ICD vorliegt. Man sprach mindestens seit den 1960er Jahren in psychoanalytischen Diskursen von strukturellen Defekten, narzißtischen Neurosen oder borderline Fällen*, die man nicht mit klassischer Psychoanalyse behandeln konnte und sah in zunehmendem Maße einen Symptomwandel von den klassischen Neurosen (Hysterie, Zwangsneurose), die man (d. h. PAs nach S. Freud) bekanntlich mit Sexualverdrängung erklärt. Otto Kernberg und Heinz Kohut mögen sich in den 70er Jahren um theoretische Synthesen und psychotechnische Neuerungen verdient gemacht haben - ersterer in bezug aufs sog. Borderline-Syndrom (in Deutschland rezipierte vor allem Ch. Rhode-Dachser den Ansatz), letzterer bezüglich sog. narzißtischen Störungen. Daß die "Grenzen" nicht nur hier, sondern in dem ganzen Bereich dessen, was die heutige Psychiatrie "Persönlichkeitsstörungen" nennt, fließend sind, zeigt folgendes Zitat von Stavros Mentzos (Borderline-Störungen: Führt die inflationäre Ausweitung des Konzepts zu seiner Auflösung"), als "Anzeichen einer herannahenden Krise" des Borderline-Konzeptes u. a. bemerkt:
Man stellt fest, aber liest und hört auch von anderen Borderline-Forschern und Therapeuten, daß es eine Menge von Überschneidungen gibt, daß zum Beispiel über 50 Prozent von Borderline-Patienten auch histrionische Züge auffweisen und daß viele Fälle auch paranoide oder schizoide oder wiederum depressive Merkmale bieten.
S. Mantzos in: ders. & Alois Münch (Hg.), Borderline-Störung und Psychose. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2001, S.52
Daß hier etwas mit der psychiatrischen Diagnostik insgesamt nicht stimmen kann, springt ins Auge, und es ist bedauerlich, daß die moderne PA dabei auch noch mitmischt. Und worum es mir vor allem in diesem Kontext geht: psychiatrische Klassifikationen sind mit Vorsicht zu genießen oder um noch einmal Mentzos (1001, S.51) zu zitieren:
Sehr oft übersieht man die Tatsache, daß diagnostische Kategorien und die mit ihrer Hilfe gestellten Diagnosen in Wirklichkeit nur Theorien oder zumindest Arbeitshypothesen sind. [...]
Worum es aber eigentlich hier geht, gewiß ist die historische Zeit ebenso zu berücksichtigen wie ein Verständnis des historischen Individuums. Leider weiß ich sowohl über das eine hier genauso wenig wie über das andere. Weswegen ich mich hier ja nur eingemischt habe, war vor allem, daß man (also
Gil-galad) im Thread vom "nächsten schizophrenen Genie: Jim Morrison der Sänger der Doors" sprach und dann von einer "dissoziativen Persönlichkeitsstörung". Wenn ich bei bei Wikipedia das letzte Stichwort bekomme ich Infos über die dissoziative Identitätsstörung (auch als
multiple Persönlichkeit bekannt), aber wo soll da Mister Morrison zupassen? Dasselbe Problem sehe ich aber auch bezüglich des Begriffs "Dissoziation", wie bereits bemerkt: wo wird dissoziatives Erleben in Jim beschrieben?
* Aufzählung gewiß nicht vollständig