Schloss-Wiederaufbau - ein deutscher Trendsport?

Zu diesem Thema passt ja perfekt dieser TV-Tipp von El Quijote!
Träume in Beton: Der Wiederaufbau der Städte 1945 - 1960
Ein guter Anlass die spannende Diskussion hier wieder aufleben zu lassen. Wann gehts jetzt eigentlich los mit dem Berliner Schlossbau?

Danke, dass du noch mal auf die Doku aufmerksam gemacht hast.
Da geht es zwar mehr um den Wiederaufbau der Städte und nicht um einzelne historische Gebäude.
Vielleicht wird die andere Sicht der Städteplaner der Nachkriegszeit deutlich, mit deren Ergebnissen wir heute leben.
 
Ich denke dass die Art und Weise des Wiederaufbaus die derzeitige Lust an der Rekonstruktion histoirscher Gebäude bedingt.
Wir sollten die Diskussion nach der Doku fortsetzen - die Ankündigung zeigt ja die unterschiedlichen Modelle. Zweimal radikaler Neubau, einmal Rekonstruktion. Bin schon gespannt!
 
Den Meisterpokal im Wiederaufbau haben allerdings unsere polnischen Nachbarn verdient. Zwar wird hier Münster gepriesen, aber in Münster ist der historisierende Wiederaufbau bei den meisten Gebäuden eher angedeutet, in Warschau dagegen hat man die gesamte von der Wehrmacht gesprengte Altstadt so gut wie originalgetreu wieder aufgebaut. Auch andere polnische (oder im Nachgang des Zweiten Weltkriegs polnisch gewordene Städte) wurden weitgehend wieder hergestellt.
 
Ich habe gerade diese sehr interessante Doku gesehen - und bin nun noch ratloser!
Das Beispiel Münsters fand ich spannend und erinnerte mich an die Art und Weise des Wiederaufbaus in Polen (vor allem Danzigs). Warum ist Münster diesen Sonderweg gegangen? Münster soll ja eine sehr schöne Stadt sein bzw. hat diesen Ruf, war aber genauso kaputt wie die beiden andern vorgestellten Städte Hannover und Düsseldorf.

Die Interviews mit Rudorf Hillebrecht fand ich stark! Der ist so richtig über alles damals "drübergefahren", hat seine "Vision" einer neuen Stadt durchgezogen und null Einsicht über etwaige Fehler.
 
Interessanter Film, 50 Jahre nachher sieht man vieles anders als gutgemeinte Planungen es damals voraussahen.
Für mich stellen sich einige Fragen, die keinesfalls als Vorwurf an die Architekten und Städteplaner gemeint sind, "hinterher ist man eben immer schlauer".

- Gab es in der Phase der Planungseuphorie der 40er/50er Jahre keine kritischen Stimmen bes. zur Priorisierung des Autoverkehrs in der Stadtplanung?

Hillebrecht sagt heute, dass er damals den Durchgangsverkehr aus Hannover heraushalten wollte und die Schnellwege als Autoring um die Stadt plante, gleichzeitig wurden aber überdimensionierte "Boulevards" auch für den Autoverkehr durch die Städte gebaut.
Es sind heute diese Straßen, die die Stadtteile zerschneiden und die einen negativen Einfluß auf die Wohn- und Einkaufsqualität der Stadtteile abseits der Fußgängerzonen haben.

- Durch die Idee der Funktionsentflechtung Arbeiten, Wohnen und Einkaufen schuf man zusätzlichen Verkehr, konnte man das damals wirklich nicht voraussehen?

- Mietwohnungsbau in lockeren Zeilen vs. geschlossene Häuserblock mit Innenhöfen....
Beide Modelle haben Vor- und Nachteile, die man an anderer Stelle diskutieren könnte.

- Und da wir beim Wiederaufbau von historischen Gebäuden sind, die Innenstadt von Münster ist ein gelungenes Beispiel für eine lebendige City, dass sie im modernen Historismus neu gebaut wurde, stört den Stadtbewohner nicht wirklich.
 
Ich habe gerade diese sehr interessante Doku gesehen - und bin nun noch ratloser!
Das Beispiel Münsters fand ich spannend und erinnerte mich an die Art und Weise des Wiederaufbaus in Polen (vor allem Danzigs). Warum ist Münster diesen Sonderweg gegangen? Münster soll ja eine sehr schöne Stadt sein bzw. hat diesen Ruf, war aber genauso kaputt wie die beiden andern vorgestellten Städte Hannover und Düsseldorf.

Die Interviews mit Rudorf Hillebrecht fand ich stark! Der ist so richtig über alles damals "drübergefahren", hat seine "Vision" einer neuen Stadt durchgezogen und null Einsicht über etwaige Fehler.

Ach, so uneinsichtig habe ich ihn nicht wahrgenommen, er hat doch seine Idee der Schnellwege hervorgehoben, die ihre Funktion noch heute erfüllen und möglichst abseits der Wohnquartiere verlaufen.
Und die überbreiten Straßen wurden überall gebaut, die gibt es sogar in Münster gegenüber dem Schloß ( meine ich??).
 
Im Schlosshof haben die Berliner 1848 die Gefallenen der Kämpfe vom 18./19.März 1848 aufgebahrt, und ihren König herausgerufen, sollte ja sehen usw.


Wetten, dass beim Schlossneubau allen möglichen FW´s usw. ein Eckchen reserviert wird, diesem Eckpunkt unserer Demokratiegeschichte aber kein Hauch eingeräumt wird?
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Schlosshof haben die Berliner 1848 die Gefallenen der Kämpfe vom 18./19.März 1848 aufgebahrt, und ihren König herausgerufen, sollte ja sehen usw.


Wetten, dass beim Schlossneubau allen möglichen FW´s usw. ein Eckchen reserviert wird, diesem Eckpunkt unserer Demokratiegeschichte aber kein Hauch eingeräumt wird?
Glaub ich nicht. Wann warst Du zuletzt in Berlin? Als ich zuletzt dort war, sah ich unweit auch eine Tafel an einer Hauswand mit dem Vermerk, dass dort eine Barrikade von 1848 gestanden hätte.

FW's sind anderswo präsenter. Ich würde auch rotieren, wenn ich ein FW wäre und in einem modernen Nutzbau mit einer äußerlichen historischen Note ausgestellt würde.
 
Ah - Kurzform für preussische Pseudokönige?


sure!

alles Könige in Preußen.

Noch der letzte gekrönte hat dieselbe in Königsberg vornehmen lassen.

OT: Briso, warst Du eigentlich schon mal beim Dortu-Grabmal? Ist bei Dir nur 2 Straßenbahnhaltestellen weg. Der hat ihm den Titel Kartätschenprinz verliehen. Quittung: Erschießungskommando
Soviel zum "ollen Kaiser Willem", dem mitm Bart.
 
OT: Briso, warst Du eigentlich schon mal beim Dortu-Grabmal? Ist bei Dir nur 2 Straßenbahnhaltestellen weg. Der hat ihm den Titel Kartätschenprinz verliehen. Quittung: Erschießungskommando
Soviel zum "ollen Kaiser Willem", dem mitm Bart.
Ich war mehrfach am Jägerbrunnen bei Günterstal, lag noch näher an einer Wirkungsstätte von mir.:winke: Sagt Dir dann wahrscheinlich auch was. Jetzt aber genug dazu!:still:
 
Nb. die vorhin in Bezug genommenen Gedenkplaketten für die Aufstände von 1848/1849 stammen aus der DDR-Zeit und liegen auf ehem. DDR-Gebiet.

Heutzutage swingt die offizielle Erinnerungskultur eher auf dieser Welle:
Deutsches Eck ? Wikipedia

Hierbei sind folgende Entwicklungen interessant:
- Stiftung offizieller Denkmäler als Gedenkstätten (z. B. Berliner neue Wache)
- Stiftung von Rekonstruktionen als inoffizielle "sinnstiftende Elemente" (z. B. "Humboldt-Forum" und andere schlossähnliche Einkaufszentren)
 
Heutzutage swingt die offizielle Erinnerungskultur eher auf dieser Welle:
Deutsches Eck ? Wikipedia

Hierbei sind folgende Entwicklungen interessant:
- Stiftung offizieller Denkmäler als Gedenkstätten (z. B. Berliner neue Wache)
- Stiftung von Rekonstruktionen als inoffizielle "sinnstiftende Elemente" (z. B. "Humboldt-Forum" und andere schlossähnliche Einkaufszentren)


Siehe auch das Thema dieses Threads

Nb. die vorhin in Bezug genommenen Gedenkplaketten für die Aufstände von 1848/1849 stammen aus der DDR-Zeit und liegen auf ehem. DDR-Gebiet.

Muss man aber auch sehen:
Die damalige westliche Stadtgrenze deckt sich in der Innenstadt mit dem
Verlauf der Mauer.
Also viele Barrikaden können in West-Berlin nicht gestanden haben.
 
Danke für die Recherche, Repo. In der Tat war Berlin ungleich "geteilt" und das Stadtzentrum lag im Osten. Da kann man keine Gedenkstätten vom Zaun brechen.

Interessant in diesem Kontext ist jedoch, dass in Frankfurt a. M. – wo es ebenfalls zu Straßenschlachten kam – die Paulskirche nachgerade gepflastert ist mit Plaketten früh-bundesrepublikanischer Gedenkkultur; jede offizielle Nase hat dort irgendwas in Bronze oder Marmor hinterlassen, sodass die Mauer des ersten Sitzes eines deutschen Parlaments aussieht wie die Votivecke einer baierischen Wallfahrtskirche. An der Hauptwache, Symbol des dem Parlamentarismus zugrunde liegenden bürgerlichen Ungehorsams und der Auflehnung, sucht man lange nach einer Erläuterungstafel (dafür gibt es Eis im dort ansässigen Café, auch nicht schlecht).

Unsere Erinnerungskultur "kommt von oben" und orientiert sich immernoch an der Kultur der Erinnerung (das meine ich hier differenzierend zum ersten Begriff, das ganze deutsche Kaiserreich war ein einziges Schwelgen in historisierenden Versatzstücken, von der Architektur über die Zeremonie bis hin zur Verknüpfung von Kirche und Staat) der autoritären Herrschaftsformen. Erst in allerletzter Zeit gibt es hier eine als deutlich dissonant empfundene Gegenströmung: die "Stolpersteine" des Gunter Demnig z. B., die in manchen Städten regelrecht verboten sind, oder die Initiative zur Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße. Dissonant: denn die populäre Hauptströmung geht in Richtung Rekonstruktion. Dass diese nur unvollständig und unter Einbezug kommerzieller Nutzung möglich ist (siehe das Braunschweiger Einkaufszentrum) macht sie zur Parodie ihrer selbst, einem Konstrukt, das schleunigst ein paar Jahre auf dem Buckel braucht, bevor man es überhaupt ansehen kann – so wie die ganzen pseudogotischen und pseudoromanischen Bürgerhäuser von 1900 heute als "schöne Altbauwohnungen" durchgehen, zu ihrer Erbauungszeit aber peinliche Anachronismen waren (und heute wieder sein können, wenn sie renoviert werden …)
 
Hoi zäme

Aus der Ferne betrachtet wirkt es genau so, wie Mummius Picius schreibt; Rekonstruktionen als Parodie der Vergangenheit. Etwas eigenartig und unverständlich. Und immer der latente Vorwurf der Geschichtsfälschung...


Gruss Pelzer


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