Schuld der 68er?

Marcia

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„Krawall an der Schule, Pisa-Pleite, marodes Bildungssystem, Werteverfall sind letzten Endes Metastasen des 68er Krebsgeschwürs...“
Dieser Ausschnitt aus einem Leserbrief steht im „Stern“ der letzten Woche. Das erste Mal, dass ich so was hörte, liegt schon eine Weile zurück: Bei einer Diskussion im Familienkreis hieß es, die 68er seien am Werteverfall in der heutigen Zeit und besonders an der Nichtachtung älterer Menschen schuld. Mein erster Gedanke (den ich so drastisch nicht formuliert habe) war: Humbug. Mittlerweile aber häufen sich solche Darstellungen, in den Medien und sogar in der Literatur: Michel Houellebecq betreibt in seinem Roman „Elementarteilchen“ eine brillante Schuldzuweisung an diese Generation. Ich hatte in der DDR von dieser Bewegung nicht viel mitbekommen und mich mit der Geschichte der Bundesrepublik bisher kaum beschäftigt. Habe mich inzwischen schon ein wenig über Google informiert und auch den Ordner hier zu den 68ern mit Interesse gelesen. Mein Standpunkt bleibt eigentlich bestehen: meiner Meinung nach sind historische, gesellschaftliche Entwicklungen viel zu komplex und erfolgen gerade in der Neuzeit so rasant, dass einseitige Schuldzuweisungen zum einen unzulässigerweise versimpeln und zum anderen auch nichts nützen. Ich schreibe keine Schularbeit oder dergleichen, die Frage interessiert mich allgemein. Und ich will eigentlich auch keine Vorträge von Politikern oder Soziologen zum Thema hören oder lesen, weil sich darin höchstwahrscheinlich nur das heutige politische Spektrum spiegelt. Lieber frage ich Leute, die es gewohnt sind, über die eigene Zeit hinauszublicken. Was meint ihr? Ist an diesen Vorwürfen, die 68er betreffend, etwas dran? Kann man ihnen heutige Missstände (zumindest teilweise) anlasten? Meine Frage wäre allerdings zunächst: Wenn die 68er wirklich am heutigen Werteverfall schuld sind, wer ist eigentlich an den 68ern schuld?
 
Marciadie schrieb:
die 68er seien am Werteverfall in der heutigen Zeit und besonders an der Nichtachtung älterer Menschen schuld.

Die 68er waren - in Deutschland - die Generation, die ihren Eltern die Frage stellten, warum sie bei den Nazis mitgemacht haben.

Dann wäre die heutige Desintegration der Gesellschaft eine Spätfolge der Nazis und des - vielleicht übertriebenen - Versuchs der nachfolgenden Generation, es besser zu machen.
 
Marcia schrieb:
„Krawall an der Schule, Pisa-Pleite, marodes Bildungssystem, Werteverfall sind letzten Endes Metastasen des 68er Krebsgeschwürs...“
Dieser Ausschnitt aus einem Leserbrief steht im „Stern“ der letzten Woche.

Kinder haben Sternchen gern, Sternchen ist das Kind vom STERN.
Wer liest heute noch Stern?
Marcia schrieb:
Meine Frage wäre allerdings zunächst: Wenn die 68er wirklich am heutigen Werteverfall schuld sind, wer ist eigentlich an den 68ern schuld?

Frag mal Joschka Fischer und Genossen.
Die waren da intimer verstrickt als ich.
 
Diese Schuldzuweisung ist blanker Unsinn.

Schon bei den alten Griechen und bei den Römern war der "Werteverfall" ein beliebtes Thema. Und dass, obwohl sie keine 68.er hatten.

Und faktisch gesehen ist es auch unzutreffend. Die Vorwürfe basieren weitgehend auf subjektiven Empfindungen die keinerlei faktischer oder statistischer Realität entsprechen.
Man muss nur die Kriminalstatistik Deutschlands in den letzten 100 Jahren betrachten um zu sehen, dass die Gesellschaft sich nicht verschlechtert hat. Im Gegenteil, die schweren Verbrechen haben seit 50 Jahren stets abgenommen. Besonders die Sparte "Jugendkriminalität" der Nachkriegszeit ist sehr aufschlussreich!

Bei der Bildung mag sein, dass das Niveau der Eliten abgenommen hat. Die Masse war jedoch nie in der Geschichte so gut ausgebildet und informiert wie heute.
 
Bdaian schrieb:
Man muss nur die Kriminalstatistik Deutschlands in den letzten 100 Jahren betrachten um zu sehen, dass die Gesellschaft sich nicht verschlechtert hat. Im Gegenteil, die schweren Verbrechen haben seit 50 Jahren stets abgenommen.

Ob man die letzten 100 Jahre so über einen Kamm scheren darf?
Und auch die fuffzisch scheinen mir da etwas obsolet.
 
Mercy schrieb:
Ob man die letzten 100 Jahre so über einen Kamm scheren darf?
Und auch die fuffzisch scheinen mir da etwas obsolet.

Nicht die kompletten letzten 100 Jahre. Mann muss schon die Kriegszeiten herausrechnen. Die Friedenszeiten waren jedoch nicht unbedingt besser als die vermeintlich so schlimme Gegenwart.

Und Kriminalität war zwar in den 50.ern besonders hoch, sie hat jedoch seit dem ziemlich konstant abgenommen, ausgenommen ein Hoch in den frühen 90.ern.

Finde ich schon relevant, gegenüber dem Vorwurf, dass alles Schlimme von den 68.ern stammt.
 
Klaus schrieb:
...Dann wäre die heutige Desintegration der Gesellschaft eine Spätfolge der Nazis und des - vielleicht übertriebenen - Versuchs der nachfolgenden Generation, es besser zu machen.

Gibt es denn wirklich eine "Desintegration" der Gesellschaft?
 
Die 68er, ein allzu beliebtes Feindbild der Konservativen in diesem Land.
Die meisten Träume der 68er von der Revolution haben sich zwar als Blase erwiesen, doch haben sie unsere Gesellschaft viel reicher, offener und toleranter gemacht.

Der Mief der Adenauer-Ära wurde abgeworfen, über die NS-Vergangenheit wurde offen gesprochen.
Die 68er befreiten die Gesellschaft von einer überkommenden Sexualmoral. Homosexualität, Abtreibungen und Verhütung konnten endlich auch öffentlich angesprochen werden. Die heuchlerische Moral der 50er war vorbei.

Die Emanzipation setzte ein, Frauen werten sich nun gegen das Dasein am Herd, als Putzfrau, Köchin und Dienstmädchen ihres gnädigen Ernährers ud Ehemannes. Nun stellen Mädchen unter Abiturienten die Mehrheit. Die Ausführungen dieser ARD-Moderatorin sind auch einfach nur falsch. In Ländern wie Dänemark, Island, Schweden und Norwegen arbeiten mehr Frauen als hier und die menschen haben mehr Kinder als hier.

In der heutigen Krisenzeit stellen sich diverse konservativ-bürgerliche Moralapostel gerne hin und schieben alles auf die 68er. Dabei wird allzu gern noch dieser wunderbar inhaltslose Begriff "Werte" gebraucht, den man füllen kann wie man will, hier will ich mal Peter Hahne nennen
Das interessante an der Geschichte ist, das gerade diese Konservativen in der Politik, die Zustände wie in der Rütlischule, die allgemeine Situation der Jugend etc. anprangern auch die sind, die gerne in den Haushalten im Bereich Jugend sparen, die Maßnahmen zur Integration jahrzehntelang verhindert haben mit der lapidaren Begründung "Deutschland ist kein Einwanderungsland".

Ich will die 68er nicht idealisieren, auch sie hatten ihre Fehler, waren doch auch vor allem Traumtänzer, doch profitieren wir heute noch von den Veränderungen, die sie erreicht haben. Wir dürfen heute in einer offeneren Gesellschaft leben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Solidarnosc schrieb:
Die 68er, ein allzu beliebtes Feindbild der Konservativen in diesem Land.

Meinst du mich?

Solidarnosc schrieb:
Die meisten Träume der 68er von der Revolution haben sich zwar als Blase erwiesen, doch haben sie unsere Gesellschaft viel reicher, offener und toleranter gemacht.

Seifenblasen bereichern die Gesellschaft?

Solidarnosc schrieb:
Der Mief der Adenauer-Ära wurde abgeworfen, über die NS-Vergangenheit wurde offen gesprochen.

Hast du diesen Mief noch gerochen?

Solidarnosc schrieb:
Die 68er befreiten die Gesellschaft von einer überkommenden Sexualmoral. Homosexualität, Abtreibungen und Verhütung konnten endlich auch öffentlich angesprochen werden. Die heuchlerische Moral der 50er war vorbei.

Idealisierung, Heroisierung und Mythenbildung scheine bei dir Hand in hand zugehen.
Über die Sexualmoral der 68er kannst du dich mal bei Rainer Langhans erkundigen. Die war so verlogen, wie die zuvor.

Solidarnosc schrieb:
Die Emanzipation setzte ein, Frauen werten sich nun gegen das Dasein am Herd, als Putzfrau, Köchin und Dienstmädchen ihres gnädigen Ernährers ud Ehemannes.

Der Prozess wär längst im Gang, dass die 68er hilfreich dabei waren, bezweifelt kaum jemand.

Solidarnosc schrieb:
Ich will die 68er nicht idealisieren, auch sie hatten ihre Fehler, waren doch auch vor allem Traumtänzer, doch profitieren wir heute noch von den Veränderungen, die sie erreicht haben. Wir dürfen heute in einer offeneren Gesellschaft leben.

Dass Utopien notwendig sind, ist eines; dass Traumtänzer das nicht leisten können, ein anderes.

Dein Erinnerungsvermögen möchte ich haben.
Ich lebte glücklich und froh
wie der...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mercy schrieb:

Nein, das war wirklich nicht auf dich bezogen.

Mercy schrieb:
Seifenblasen bereichern die Gesellschaft?

Ja, mit Blasen habe ich ihre Vorstellungen von Revolution etc. gemeint. Die Bereicheurng bestand in der Liberalisierung der Gesellschaft.

Mercy schrieb:
Hast du diesen Mief noch gerochen?

OK, ich wirke natürlich unglaubwürdig was das angeht, die Adenauer-Ära, vor allem die 50er, waren aber doch von einem deutlichen Konservatismus geprägt.

Mercy schrieb:
Idealisierung, Heroisierung und Mythenbildung scheine bei dir Hand in hand zugehen.
Über die Sexualmoral der 68er kannst du dich mal bei Rainer Langhans erkundigen. Die war so verlogen, wie die zuvor.

Also die Zeit davor war wohl wirklich konservativer war, natürlich ob die 68er ihren Eltern moralisch überlegen waren ist Ansichtssache. Doch die Schwulen und Lesben Bewegung startete in dieser Zeit richtig durch. Homosexualität ist heute fast in der gesamten Gesellschaft akzeptiert.
Außerdem möchte ich nicht dass mir Mythenbildung oder Idealisierung unterstellt wird, ich bin doch ein durchaus realistischer Mensch.

Mercy schrieb:
Der Prozess wär längst im Gang, dass die 68er hilfreich dabei waren, bezweifelt kaum jemand.

Stimmt.
Mercy schrieb:
Dass Utopien notwendig sind, ist eines; dass Traumtänzer das nicht leisten können, ein anderes.

Mercy schrieb:
Dein Erinnerungsvermögen möchte ich haben.
Ich lebte glücklich und froh
wie der...

Mach dir bitte keine Sorgen um mein Erinnerungsvermögen.
 
Solidarnosc schrieb:
Also die Zeit davor war wohl wirklich konservativer war, natürlich ob die 68er ihren Eltern moralisch überlegen waren ist Ansichtssache. Doch die Schwulen und Lesben Bewegung startete in dieser Zeit richtig durch. Homosexualität ist heute fast in der gesamten Gesellschaft akzeptiert..

Ob die Zeit vor den 68ern konservativer war, hängt von Begrifflichkeiten ab.
Die Moral bewerte ich nicht.
Die Schwulen und Lesben Bewegung, was immer das ist, startete, wenn mein alterndes Gedächtnis mich da nicht im Stich lässt, mit den Kindern der 68er.
Da verteilst du Vorschusslorbeeren.
 
Die 68er, ein allzu beliebtes Feindbild der Konservativen in diesem Land.

Das ist richtig. Wobei bei vielen Konservativen die 68er als nebulöse Kraft erscheinen, die alles tut, um deutsche Identität zu zerstören - etwa in der Hohmann-Rede. Dieses Bild ist zu kurz gegriffen, weil es nie die "68er" gab. Stattdessen ereignete sich schon in den ersten Jahren auf politischer Ebene ein starker Spaltungsprozess, der vielleicht die heutige Individualisierung in der Gesellschaft vorwegnahm. Auch in den individuellen Karrieren ergaben sich enorme Unterschiede - ich erinnere mich da an einen - in diesem Fall wirklich hervorragenden - Spiegel-Artikel, der die Karrieren von Horst Mahler, Otto Schily und Christian Ströbele verglich, die alle als linke Anwälte anfingen, alle dabei (Mahler als Terrorist, Schily und Ströbele als Verteidiger) mit der RAF zu tun hatten.

Die 68er werden wohl eines der kommenden zeitgeschichtlichen Themen werden. Zurzeit erregt ja Bettina Röhl ziemlich Aufsehen mit ihrem Buch über ihre Eltern, Ulrike Meinhof und Klaus Röhl. Das Buch selbst habe ich nicht gelesen, aber von den Rezensionen her erinnert mich die offenbar darin vertretenen Grundhaltung an ein anderes, schon länger erschienenes Buch von Gerd Koenen, "Das rote Jahrzehnt - unsere kleine Kulturrevolution." Beide Autoren nehmen eine sehr kritische Haltung gegenüber den damals vertretenen Ideologien, wobei Koenen sich anders als Röhl sehr für die rot-grüne Bundesregierung ausspricht. Das ist aber nur eine Nebensächlichkeit.

Beide Bücher vertreten jedoch im Grunde die Tendenz, dass die Vordenker der 68er-Revolution - darunter auch Dutschke - ideologisch zu weit gingen. Für viele von ihnen stand es 1967 (das war eigentlich das entscheidende Jahr, mit Ohnesorg und dem Kaufhausanschlag von Baader/Ensslin in Frankfurt, man müsste eigentlich von den "67ern" sprechen) fest, dass das System beseitigt werden müsse - notfalls auch mit gewaltsamen Mitteln.
Der zweite Kritikpunkt war die letztendlich absurden Auswüchse, die diese Bewegung brachte, aufgrund der nachgradigen "Pflicht zur Revolution", die besonders im Buch von Koenen auf köstlichste Weise deutlich würde. Unter anderem schildert er, wie zahlreiche Reisebusse kommunistischer Gruppierungen nach Albanien (!) ausrückten, um sich dort über die bessere Gesellschaft zu informieren. Oder wie der KBW seine Demos mit einer eigens kreierten, merkwürdig kakophomischen Musik beschallen ließ,wie um zu verdeutlichen, dass auch auf diesem Gebiet die Gesellschaftsutopien verdeutlicht würden.
Das Paradoxe an all diesen Revolutionären war vielleicht ihr Elite-Denken - nicht durch Zufall landeten viele von ihnen in hohen Positionen in Politik und Wissenschaft, also eigentlich herkömmlichen Posten, die viele abschaffen wollten. Dies wird an einem weiteren interessanten Kulturprodukt deutlich, dem Dokumentarfilm "Starbuck" über den RAF-Terroristen Holge Meins. Er war Filmstudent, und im Film tauchten viele bekannte Persönlichkeiten auf - Otto Schily, der in einem von Meins Filmprojekten mitgespielt hat, Wolfgang Petersen als Kommilitone, der Kommunarde Rainer Langhans, der mit Meins zusammen gewohnt hat.
Ebenso zielten viele der unzähligen Projekte und Gruppierungen darauf, einen neuen Menschen zu schaffen, und viele scheiterten dabei - wo gibt es etwa heute noch Kinderläden? Dies konnte auch sehr tragische Seiten annehmen - so produzierte die Gedankenwelt der 68er ja auch manche Sekte, wie etwa jene des Otto Mühl in Österreich.
Trotz dieser Fehlentwicklungen entwickelte die 68er-Bewegung auch enorme positive gesellschaftliche Impulse. Gerade die Starrheit der bundesdeutschen Gesellschaft im privaten Bereich wurde aufgebrochen, etwas, dass man heute angesichts der heutigen Normalitität von Alleinerziehenden, Wohngemeinschaften, offener Homosexualität leicht vergisst. Auch das heutige kulturelle Leben mit Diskos etc. wäre ohne die damalige Zeit nicht denkbar. Und schließlich sei auch daran erinnert, dass letztendlich auch die gründliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus darin ihre Wurzeln hat - auch wenn z.B. der enorme Boom der Erforschung der Repression auf kommunaler Ebene erst in den 80ern zum tragen kam.
Vergessen wird dabei häufig nur eines: ich denke, dass es auch die Regierung unter Willy Brandt war (den man häufig nur an den Berufsverboten fest macht), die diese Entwicklungen begünstigte und ihnen sich nicht in den Weg stellte. Es ist schwer für mich, dass zu belegen. Doch symbolisierte Brandts Kniefall in Warschau nicht ebenso den Weg in eine neue Zeit wie all die Demonstrationen?
Na ja, ich könnte mich noch sehr lange über dieses Thema auslassen, mit dem ich mich immer mal wieder intensiv beschäftigt habe. Fürs erste solls genügen.
 
Das Thema hat viel Ähnlichkeit mit einer tagesgesellschaftspolitischen Diskussion. Also passt bitte auf, bleibt höflich, werdet nicht emotional (auch nicht schnippisch), dann können wir das Thema - unter Beobachtung - offen lassen.
 
Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich so ein „Grenzthema“ eröffnet habe, aber ich meinte schon, dass es historischen Bezug hat. Und ich bedanke mich schon mal für die interessanten Meinungen :) (für den Fall, dass das Thema geschlossen wird – was ich bedauern würde – und dann nicht mehr posten kann). Muss all das noch in Ruhe lesen und habe heute leider wenig Zeit.
 
Zitat:"Ob man die letzten 100 Jahre so über einen Kamm scheren darf?"

Ich meine entschieden: JA!
Schließlich tragen wir alle das kulturelle Erbe unserer Vorfahren in unserer Gesellschaft weiter. Menschen bleiben Menschen, sie machen immer dieselben Fehler.
Viele Argumente, die manche Konservative in die Gegend werfen, wurde schon lange vor den 68ern an unserer Gesellschaft bemängelt. z.B. zu lasche Strafen für Jugendlich, wenn sie eine schlechte Kindheit hatten. Das kommt oft bei dem Thema aufs Tapet. Selbst zur NS-Zeit war dies schon ein Milderungsgrund bei der Strafzumessung.
 
Psychologie

Hallo Zusammen,

(heute habe ich wohl meinen Thesen-Tag. Also bitte wiederlegt mich, denn wissenschaftlich "beweisen" kann ich meine These als Laie nicht so recht...)

Seit den 70er Jahren hat sich der Individualismus als gesellschaftliches Leitbild durchgesetzt. Eng damit verknüpft ist die damals einsetzende breite Akzeptanz der Psychologie als Erklärungsmodell. Damit ist die Moderne in ihrer Verwissenschaftlichung in einer völlig neuen Dimension in der Westdeutschen Gesellschaft zum tragen gekommen.

Den 68ern wird vieles angeheftet. Sie dürften jedoch nicht Erklärung und Kern der Auseinandersetzung sein, und auch nur zum Teil die wesentlichen Protagonisten stellen. Sie sind wohl vielmehr griffiges "Feindbild" (oder andersherum griffiges "Leitbild"). Die erwähnten Angriffe auf die 68er dürften in ihrer Tiefe wohl vielmehr einer psychologisch argumentierenden Gesellschaft gelten. Und insofern dürfte manch konservative Kritik von einer Rückkehr-Sehnsucht in einfache vorpsychologische Erklärungsmuster getrieben sein.

Hm. Gruß Martin :grübel:
 
Es ging mir ja darum, mir hier Verschiedenes anzuhören und nicht zu diskutieren, da ich selbst auf diesem Gebiet noch unbedarft bin. Was ich im DDR-Geschichtsunterricht bzw. im Staatsbürgerkundeunterricht über die Bundesrepublik erfahren habe, war, wenn überhaupt, sehr schematisch und einseitig, und nachdem ich das hier gelesen habe, wird mir auch klar, warum. Nun habe ich ein paar Denkanstöße bekommen und kann mich auch noch via Literatur weiter über diese komplexe und interessante Problematik informieren. Zu einigen angesprochenen Dingen melde ich mich bei den entsprechenden Leuten per pn, damit wir hier nicht weiter ausufern. Nochmals Danke, vor allem auch für die historischen Bezugnahmen in den Beiträgen.
@ Martin: Zu deinem Beitrag werde ich noch einiges „nachgoogeln“ müssen.
 
Ein Bildkommentar zum Thema, keine Ahnung, wo ich es mal aufgegabelt habe:
 

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Folgende Seite fand ich beim Googlen nach Seiten über Studentische Verbindungen. Interessant fand ich dabei auch den Abschnitt über die Fünfziger und Sechziger. (Bis zu 30% aller männlichen Studierenden in Verbindungen organisiert, bis zu 60 % in der AstA aktiv- kann man sich das heute noch vorstellen? War da eine Studenten- Revolte nicht vorprogrammiert?)http://www.uni-stuttgart.de/hilaritas/NETZ/1996/asta-giessen.html

P.S.: Für Interessierte: ein recht vernünftiger Artikel über die Studentenverbindungen steht bei Wikipedia (Stichwort: "Studentenverbindungen").
 
Zuletzt bearbeitet:
Rüdiger schrieb:
War da eine Studenten- Revolte nicht vorprogrammiert
Diese Studentenverbindungen brachen, als sich ein Lüftlein an den Unis regte, bei den studentischen Selbstverwaltungsorganen, Studentenparlament und ASTA sofort ein. Mit dem Beginn der Poltisierung, Tod von Benno Ohnesorge 1967, hatten die Alten Herren schon verloren.
Rüdiger schrieb:
P.S.: Für Interessierte: ein recht vernünftiger Artikel über die Studentenverbindungen steht bei Wikipedia (Stichwort: "Studentenverbindungen").

Allerdings für die 68er-Bewegung wenig ergiebig.

Interessant dagegen fand ich, wie Rolf Rendtorff, 1970 bis 1972 Rektor der Universität Heidelberg, und Michael Buselmeier, 1959 bis 1967 Student und ab 1973 bis 1975 Lehrbeauftragter in Heidelberg heute dazu äußern:

http://hsozkult.geschichte.hu-berli...no=20&sort=beitraeger&order=up&geschichte=124
 
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