Schuld der 68er?

@Martin:

ich sehe schon, ich habe dir viel Arbeit gemacht. Ein großes Dankeschön für die ausführliche Erklärung. Das war für mich sehr schlüssig – keine weiteren Fragen zum Inhalt.
Mag sein, dass ich in sprachlichen Fragen etwas pedantisch erscheine , das liegt daran, dass ich auf das Verstehen durch Lesen angewiesen bin sowie an meinen persönlichen Prioritäten – ich kann einfach nur um Nachsicht bitten. (Ein paar neuere Wörterbücher müssen, zugegeben, auch her.)

Allerdings ufert mir die Argumentation zu einer grundsätzlichen Ideenkritik an der Moderne an sich aus.

Den Eindruck habe ich auch.
Ich bin – im Gegensatz zu meiner geäußerten Absicht – schon gewaltig vom Thema abgekommen, deshalb versuche ich, mich jetzt wieder zurückzuhalten.
Und: ja, ich sehe wirklich Parallelen, und die Unterschiede, die ich wahrnehme, beruhen wohl auf unterschiedlichen Voraussetzungen sowie unterschiedlicher Prägung. Angefüttert mit allerlei Bedenkenswertem, das mich noch lange beschäftigen wird, bin ich ja nun.:)
 
Begriff "die 68er"

Hallo Zusammen,

ich bin immer noch auf der Suche mir "die 68er" klarer zu erschließen.
Ich frage mich zum Beispiel, wer prägte den Begriff "die 68er"?
Und wer versteht was/wen unter dem Begriff "die 68er"?
Mercy hatte einen hilfreichen Link gesetzt, auch wenn die Aussagen ein wenig in die Verwirrung führen:

Mercy schrieb:
Interessant dagegen fand ich, wie Rolf Rendtorff, 1970 bis 1972 Rektor der Universität Heidelberg, und Michael Buselmeier, 1959 bis 1967 Student und ab 1973 bis 1975 Lehrbeauftragter in Heidelberg heute dazu äußern:
http://hsozkult.geschichte.hu-berli...no=20&sort=beitraeger&order=up&geschichte=124

Ich zitiere aus der oben genannten Quelle:
Die anschließende Diskussion des Ansatzes von Gilcher-Holtey ... zeigten, daß die methodischen Konfliktlinien nicht nur zwischen den Disziplinen sondern auch innerhalb derselben verlaufen – am schärfsten vielleicht bei den Historikern. Während die Literaturwissenschaftler und Linguisten ... unbeschadet der Differenzen in Detailfragen Positionen vertraten, die unter dem Einfluß der kulturellen Wende und des Postrukturalismus ... stehen, und sich für eine durch theoretische Überlegungen straff regulierte Vorgehensweise bei der Untersuchung der Chiffre ’68 als Partikel des texte général aussprachen, verfochten die Historiker auf der Heidelberger Tagung diverse, teils konträre Ansätze. (...)

...die das Themenfeld ’68 vorrangig aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive untersuchten. Unter dem Titel "Ein, zwei, viele Achtundsechzig – Vielschichtigkeit des Ereignisses und die Schwierigkeit der analytischen Zusammenschau" ...


Hm.
Chiffre ’68 als Partikel des texte général.
Themenfeld ’68
Ein, zwei, viele Achtundsechzig

Hm.
Schwammiger geht`s ja wohl nicht mehr...


Das LeMO (Lebendiges virtuelles Museum Online) packt die fragliche Zeit in ein historisch-politisches Umfeld und titelt mit "Kontinuität und Wandel". Bei der research ergeben sich lediglich Verweise auf die Jahre 1968 und 1969, Zitate von zwei Zeitzeugen und ein kurzer Artikel zur Studentenbewegung. Hier scheint der Begriff "die 68er" an sich gemieden zu werden:

http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/KontinuitaetUndWandel/index.html
http://www.dhm.de/lemo/html/DasGete.../UnruhigeJahre/wegMitAltenVorbildernBody.html


Es scheint als ob alle "die 68er" kennen, aber niemand mit dem Begriff etwas klares benennen kann.
"Die 68er" als Studentenbewegung mit Protagonisten und damit in unmittelbarer Verbindung stehenden Ereignissen einzugrenzen, könnte ich nachvollziehen.
Aber darüber hinaus?
Der alltägliche Begriffsgebrauch packt jedoch viel mehr hinein (all around Generationenaufarbeitung WK2 und Drittes Reich, Notstandsgesetze, sexuelle Emanzipation, ...)?!
Und wie bauen aktuelle Historiker "die 68er" in ihre Interpretationen ein?
Oder ist/sind "die 68er" schlichtweg keine historisch relevante Eingrenzung (jenseits der Studentenbewegung)?
Und wenn "die 68er" nicht historisch/politisch relevanter Epochenbegriff ist welcher wäre es dann? (Weltpolitisch kann man ja auch den "kalten Krieg" als relevanten Epochenbegriff zücken.)

:grübel:

Gruß, Martin
 
Hier eine sehr gute Quelle zum Begriff 68er

Aus Politik und Zeitgeschichte schrieb:
I. Zwischen Mythos und Kulturkampf

Auch demokratische Gesellschaften besitzen ihre Mythen, wenn man darunter Erzählungen versteht, die Zusammenhalt stiften und über gesellschaftliche Teilgruppen hinweg eine Art fraglose Geltung im kollektiven Gedächtnis erlangen. Einer dieser Mythen der alten Bundesrepublik Deutschland betrifft das Jahr 1968. Diese Jahreszahl als Chiffre für die Studentenbewegung hat sich erst gegen Ende der achtziger Jahre durchgesetzt, zuvor existierten andere Benennungen. Mit dem populär gewordenen Begriff der "68er" ist nicht zuletzt eine Analogie zu den demokratischen Revolutionären von 1848, den "48ern", hergestellt worden. Der Mythos 1968 erlaubt es, die Geschichte der alten Bundesrepublik plausibel in zwei fast exakt gleich lange Phasen einzuteilen: Zwischen 1949 und 1989 lag 1968. Das Datum fungiert als eine Art Scharnier oder als eine Art Klimascheide zwischen zwei Epochen, die sich über weite Phasen auch parteipolitisch trennen ließen. Die Erzählung über 1968 lautet: Hier ist es zu einer zweiten Gründung, zu einer zivilen Nachgründung der bundesdeutschen Demokratie gekommen; war die Bundesrepublik zuvor lediglich eine formale Demokratie - manche meinten, ein angepasstes, ja sogar restauratives Land -, so war jetzt ein Zugewinn an Partizipation hinzugetreten. In den Unruhen bestand die Demokratie ihre Feuertaufe, und es gab einen Schub hin zu einer langfristigen Verwestlichung. Eine andere Auslegung der Ereignisse von 1968 hebt auf die Lebensstile und kulturellen Umgangsformen ab. Diese Version hat den Vorteil, dass nahezu alle - Befürworter wie auch Kritiker - sich in diesem Mythos auf die eine oder andere Weise wiederfinden können. So oder so: Die Legende einer zweiten "Stunde null" umrankt diese Jahreszahl.

Link zum Rest des Artikels:
http://www.bpb.de/publikationen/27N...enw%E4rtigen_deutschen_Geschichtspolitik.html

Dann zu den Denkmodellen der 68er Bewegung

Dann zu den 68er im Osten: http://www.bpb.de/publikationen/G8KJWM,0,0,1968_im_Osten_was_ging_uns_die_Bundesrepublik_an.html

1968 ist Geschichte
 
Scharnier

Jo ursi,

Du lässt meine Wünsche wahr werden!
Prompt genau der richtige link - und das von Dir...:pfeif:

"Das Datum (1968) fungiert als eine Art Scharnier ..."

"Hier ist es zu einer zweiten Gründung, zu einer zivilen Nachgründung der bundesdeutschen Demokratie gekommen; war die Bundesrepublik zuvor lediglich eine formale Demokratie - ... -, so war jetzt ein Zugewinn an Partizipation hinzugetreten."


Da findet der Autor Edgar Wolfrum die Begriffe und Formulierungen, nach denen ich vergeblich gerungen hätte. Eben keine "Epoche", sondern ein "Scharnier" ... die weiteren Links muss ich mir erst mal in Ruhe zu Gemüte führen...

Herzlichen Dank! :)

Martin
 
Zuletzt bearbeitet:
Martin 69 schrieb:
Jo ursi,

Du lässt meine Wünsche wahr werden!
Prompt genau der richtige link - und das von Dir...:pfeif:

Was soll diese blöde Bemerkung den genau heissen? Antwort kann über PN erfolgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein großes Dankeschön auch von mir, ursi, für diese hochinteressanten Links, die (auch mir) einen guten Überblick geben.
 
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