Fragen
Na, dem Frager kann geholfen werden:
1. Form des Panzers
Ich selbst bin 2 Meter groß, die Rüstung hat Schöße (vorne und hinten geschlitzt), welche die Oberschenkel bedecken. Geschlossen wird sie überhaupt nicht, sie ist zum Hineinschlüpfen gebaut (wie ein Pullover). Das hat sich allerdings nicht unbedingt bewährt, die nächste wird daher (seitlich, links, weil da der Schild schützt) über Schnallen (wahrscheinlichere Lösung) oder Schnürungen verschließbar sein.
Die Schulterpartie ist ein Problem: Der ursprüngliche Versuch, sie so zu bauen, wie auf so ziemlich allen Psalterabbildungen gezeigt (Mit integrierten Kurzärmeln), ist nicht praktikabel. (Nähere Begründung gern auf Anfrage, wird aber ein bisschen länger) Mittlerweile wurde die Rüstung überarbeitet und hat nun extra Elemente, welche die Außenseite des Oberarms schützen und am Hauptpanzer mittels Schnallen befestigt werden können. Das Prinzip ist ähnlich dem Niederstotzinger Lamellenpanzer. Der Rest der Schulterpartie ist kreisförmig ausgearbeitet; in diesem Umfang ist der Übergang der Ausrichtung der Schuppen von gerade zu kreisförmig noch machbar. Da aber auch diese Lösung nicht die optimale ist, wird der nächste Versuch wohl ein extra Rüstungsteil für die Schulter beinhalten, ähnlich einem Mönchskragen.
2. Datierung
Die Rüstung basiert auf karolingischen Quellen, insbesondere Goldener Psalter von Sankt Gallen und Stuttgarter Psalter. (etwa 820 bis 850)
Hier ist eine sorgfältige Quellenkritik angebracht, die ich an dieser Stelle nicht führen möchte (würde zu lang), zu der ich mich aber prinzipiell schon an anderem Orte geäußert habe:
http://www.geschichtsforum.de/f37/fraenkische-panzerreiter-3157/
3. Schuppenstärke
Eins vorweg: Der heutige Einsatzzweck war für mich nicht relevant. Es sollte ja eine experimentelle Annäherung an das mögliche Original werden. (Auch mein Helm hielte einen Axthieb locker aus, obwohl ich mich geschwungenen Äxten für gewöhnlich nicht auszusetzen pflege)
Da es keine Schuppenfunde aus der Karolingerzeit gibt, musste ich willkürlich eine Stärke annehmen. 1mm erschien mir vernünftig, da eine derartige (Eisen)Blechdicke mir sowohl historisch machbar erschien als auch einen halbwegs vernünftigen Schutz zu bieten versprach. Allerdings wurde die komplette Rüstung, wie erwähnt, dadurch dermaßen schwer (etwa 24 kg), dass es so einfach nicht gewesen sein
konnte. Es ist anzumerken, dass die Schuppen am Torso seitlich nicht überlappen; diese Verbesserung wurde erst an den Armteilen realisiert. (Nach ernüchternden Beschussversuchen). Eine Überlappung auf nahezu der gesamten Fläche würde den Panzer nochmals deutlich schwerer machen.
Daher mein Schluss, dass die Schuppen - um ein halbwegs vernünftiges Gewicht zu erreichen - dünner gewesen sein mussten.
Aus der Römerzeit sind nun wiederum zahlreiche Schuppen überliefert, die
deutlich dünner (schätze 0,5mm, müsste mal eine messen) sind, allerdings aus Bronze. (Deine Vermutung bezüglich der antiken Völker ist also durchaus korrekt) Sie sind zudem deutlich kleiner (etwa daumennagelgroß). Allerdings sind sie dermaßen fragil, dass sie mit zwei Fingern verbogen werden können! Daraus schloss ich, dass sie wohl vornehmlich repräsentativen/dekorativen Zwecken dienten und keine wirklichen Schutzgegenstände waren und habe mich gegen ihre Verwendung entschieden. Die Größe meiner Schuppen liegt zwischen den römischen und denen, die aufgrund der Psalterbilder anzunehmen wäre, allerdings den Panzer zu unbeweglich machen würde.
Gekielte Schuppen wiederum klingen zwar aus technischer Sicht sehr sinnvoll, ich merke aber an, dass die Psalterabbildungen darauf kaum schließen lassen. Mir fällt gerade keine ein, die nicht auf flache Schuppen schließen ließe. (Das muss allerdings nicht viel sagen, da auch andere , diese Art von Rüstung betreffende Details in den Bildern offenbar nicht korrekt sind. Wäre also eventuell trotzdem möglich.)
Ebenso sieht es mit gewölbten Schuppen aus: Die Bilder lassen nicht darauf schließen, auch würde es leichte Abzüge beim Komfort geben, aber es brächte ebenso ein leichtes Plus bei der Stabilität.
4. Trägermaterial.
Stoffe aus Nesselfasern sind belegt, zumindest für uns Karolinger.
Außerdem weisen einige Schriftquellen darauf hin, dass die Schuppen auf einem "leinenen Gewand" befestigt wurden. (Also genäht, da ein Aufnieten sich bei gewebtem Stoff verbietet)
Meine sind mit (Kunst-)Sehne vernäht.
5. Wissenschaftliche Beweiskraft
Das Panzerprojekt ist eher zur experimentellen Archäologie zu rechnen
Es stellt
keinen Beweis für die tatsächliche Form eines karolingischen Schuppenpanzers dar - diese bleibt weiterhin unklar - bietet aber eine Reihe interessanter Erkenntnisse bezüglich der Frage, wie es
nicht gewesen sein kann.:weinen:
Sozusagen ein recht finales Mittel der Quellenkritik...
Gruß,
Panzerreiter.
PS
Wer beim nächsten Versuch mitmachen will, ist herzlich eingeladen.