Dann wäre wenigstens an der Kritik ersichtlich geworden, was die Kritik eigentlich kritisieren will. So bewegt sie sich im inhaltsleeren Raum ohne irgendwelche theoretischen Bezugspunkte oder gelaufene Diskussionen in den einzelnen Disziplinen.
Richtig. Umgekehrt ist eine Kritik konstruktiv, wenn sie an die theoretischen Bezugspunkte oder Diskussionen anknüpft. In dem Sinne kann auch die Rezeption der ökonomischen Axiome, Annahmen, Modelle etc. kritisch untersucht werden, sowohl die professionelle, als auch die laienhafte Rezeption (letztere weniger dem fachlichen Teil folgt, als vielmehr in ihrer eingeschränkten Rezeptionsmöglichkeit auf "griffige" und unterhaltsame Teile des Diskurses beschränkt bleiben muss).
zur professionellen Kritik siehe hier:
Ein entscheidendes Argument, jenseits von der Frage des grundsätzlichen methodischen Unterschieds der Analyse von Ökonomie und Politik, betrifft andererseits die Konzeptionalisierung von „Ökonomie“ und die Verwendung zentraler Konstrukte und Prämissen. Das betriff insgesamt die „unrealistischen Annahmen“ der Ökonomen, die im Vorwurf von Albert gipfelten, das es sich dabei um einen „Modellplatonismus“ handeln würde.
„Der Begriff Modellplatonismus wurde in kritischer Absicht von Hans Albert ("Marktsoziologie und Entscheidungslogik", (1967)) eingeführt. Indizien sind insbes. die Benutzung von unspezifizierten ceteris-paribus-Annahmen und die Verwendung von Verhaltensannahmen; oft mit nur geringem Realitätsbezug.
Albert war
Makroökonom, und das ist zunächst der Hintergrund für seine Kritik (vorwiegend makro)ökonomischer Modelle. Kontext war weiter der Trend in der Ökonomie, verstärkt mit Modellen "zu arbeiten", sozusagen "inflationär": zu konstruieren, empirisch zu testen (Robustheit), axiomatisch zu untersuchen. Debreus Ökonomie trennt strikt zwischen Theorie und Interpretation, was in der Anlehnung an Mathematik und empirischer Statistik die Nicht-Ökonomen ihrerseits - höflich gesagt - mit Skepsis betrachten.
Arrow-Debreu-Gleichgewichtsmodell ? Wikipedia
Die Kritik ist nachvollziehbar, und wurde wie dargestellt auch von Albert aufgegriffen, und in die "griffige" Formel vom Modellplatonismus gegossen. Verständlich, da die exponentiell steigenden datentechnischen Möglichkeiten zwischenzeitlich die Illusion (etwa in den 1980ern) erzeugt hatten, man könne mittels der Modelle und Annahmen ganze Volkswirtschaften "simulieren", wenn man "genug Wirkungsketten modelliert und dann programmiert".
Erkenntniskritisch ist das natürlich inzwischen tot und begraben, was nichts gegen die Sinnhaftigkeit von Prognosemodellen als solche sagt, die selbstverständlich allerorten angewendet werden (dann entweder empirisch versagen, oder auch ihre Robustheit erweisen). Soziologisch kann man das mit principal-agent-Problemen mixen: die Suche nach robusten Modellen dient auch der Rückversicherung der "agents", was dann teufelskreisartig wiederum Modellanwendungen in der Realität produziert, die ausschließlich der Rückversicherung dienen, obwohl ihre Robustheit gerade nicht erwiesen ist: platt gesagt, sie funktionieren dann (nur noch) wie Haftpflichtversicherungen. Dieser Effekt ist empirisch umso stärker zu beobachten, wie die Trennung zwischen Eigentum und Führung/Verantwortung vorgenommen wird.
Wir haben also heutzusage nicht mehr so die Situation, wie sie Albert kritisierte.
Ein plastisches Beispiel: jedes Mitglied eines Anlagenausschusses könnte auch gleich Harakiri begehen, wenn es Anlagenentscheidungen nicht durch Prognosemodelle, Risikostudien etc. absichert. Derartige Risiken sind ab einer gewissen Höhe nicht einmal versicherbar. Die "Modelle" entwickeln in der "arbeitsteiligen" Welt ein (unvorhergesehenes, unerwünschtes) Eigenleben. Das Verhalten kann man kritisieren, beklagen, versuchen zu beseitigen, aber man sollte es bis dahin als Realität wahrnehmen.
Ein Teil der Diskussion ist so inzwischen ritualisiert worden: Ökonomen kritisieren Soziologen, und umgekehrt. Ökonomen kritisieren allerdings auch Ökonomen, wenn ihnen die ökonometrische, empirische Basis der Modelle, Axiome und Prämissen fehlt, wie beim geflügelten Wort von Albert zum Modellplatonismus. Umgekehrt gab es hier einen Antrieb, aus den steigenden empirischen Möglichkeiten überhaupt erst Modelle anzustoßen, Axiome und Annahmen zu formulieren, um sie dann zu testen.
Ein anderer Teil der kontroversen Diskussion diente schon immer der irgendwie interessierten Öffentlichkeit oder der publizierten Öffentlichkeit als Trittbrett für Polemisierungen gegen die eine oder eben die andere Profession. In der Regel ist bei solchen "Interessierten" weder der fachliche Hintergrund vorhanden, noch die fachliche Diskussion, noch die darin zum Ausdruck kommende Problematik geläufig.
Falls es dazu ergänzend von Interesse ist:
Katzmair, Der Modellbegriff in den Sozialwissenschaften.
http://epub.wu.ac.at/968/1/document.pdf
und nach dem Vorbild der Sendung mit der Maus:
Faszinierende Mikroökonomie: Erlebnisorientierte Einführung - Gustav Vogt - Google Books