Slawisierung und das Byzantinische Reich

Warum sollte nur für Serbien eine Zahl von 2-3% realistisch sein und für Griechenland so eine große Zahl. Er hat es auch nicht speziell auf Serbien bezogen. Er hat sogar immer wieder klargemacht, dass es bei den Kroaten nicht anders war.

Entweder stimmt Zivkovic Einschätzung für ganz südosteuropäischen Raum oder für nichts.
 
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Entweder stimmt Zivkovic Einschätzung [2-3 %] für ganz südosteuropäischen Raum oder für nichts.
Auch gut. Um im Zahlenbeispiel zu bleiben: Bei einer Gesamtbevölkerung Südosteuropas von etwa 3 Mio hätte der slawische Anteil dann aus 60-90.000 Menschen bestanden, Frauen und Kinder eingerechnet.

Wäre es Dir möglich, Zivkovic etwas ausführlicher zu zitieren?
 
Für mich wäre die Annahme plausibel, dass tatsächlich mehrere 100.000 Slawen ins heutige Griechenland kamen, ...

Wie errechnet sich diese Zahl allein für Griechenland und aus welchen Gründen hältst du sie für plausibel? Woher soll diese große Anzahl von Menschen gekommen sein? Das heutige Rumänien, für das nach deinem Zitat lediglich 0,5 Mio Einwohner geschätzt werden, liegt ja größtenteils direkt nördlich der Donaugrenze.
 
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Auch gut. Um im Zahlenbeispiel zu bleiben: Bei einer Gesamtbevölkerung Südosteuropas von etwa 3 Mio hätte der slawische Anteil dann aus 60-90.000 Menschen bestanden, Frauen und Kinder eingerechnet.

Wäre es Dir möglich, Zivkovic etwas ausführlicher zu zitieren?

Ich bin derzeit im Urlaub in Montenegro, ich werde versuchen wenn ich dann in Serbien oder in Wien bin sein Buch zu bekommen (die Südslawen unter byzantinischer Herrschaft). Die 2-3 % Aussage gibt es auch im Netz.

Werde auch Versuchen zu erfahren was Van Antwerp schreibt, mit Curta eigentlich der Südosteuropa Historiker schlechthin.
 
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Wie errechnet sich diese Zahl [mehrere 100.000] allein für Griechenland und aus welchen Gründen hältst du sie für plausibel?
Indem ich Dieters Hinweise in eine Modellrechnung umsetze.
... 100 000 (?) Slawen in Hellas ... lernten Krieg zu führen ... ständige Raubzüge. ... [1]
Ohne dafür einen Beweis zu haben, könnte ich mir jedoch denken, dass das [spätere?] Verhältnis bei 50 : 50 liegen könnte.
Fest steht: Spätestens ab 577/8 stellten die Slawen und die mit ihnen zeitweise verbündeten Awaren eine ständige Bedrohung für Byzanz dar. Die Souveränität über den balkanischen Reichsteil ging verloren, und es entwickelte sich ein langjähriger Krieg.

Wenn ich die erwähnten 2-3 % auf Griechenland anwende, hieße das, es hielten sich um das Jahr 600 dort 16-24.000 Slawen auf (Männer, Frauen, Kinder). Selbst wenn man den Anteil kampffähiger Männer hoch ansetzt: Wäre das nicht ein bißchen wenig gewesen, um die Herrschaft über den größten Teil des Landes zu sichern und darüber hinaus all die bezeugten kriegerischen Aktivitäten zu entfalten? Eine deutlich höhere Zahl scheint mir plausibler, und dass sich die "Okkupanten" in den folgenden Jahrzehnten vermehrten, steht wohl auch außer Frage.


[1] Wie Dieters ? andeutet, ist die genannte Zahl wahrscheinlich übertrieben. Andererseits kann man davon ausgehen, dass es in den Folgejahren weiteren Zustrom gab, weil Byzanz die Grenze nicht kontinuierlich sichern konnte.
 
Wie begründet denn dieser Historiker seine Einschätzung? Zumindest für Griechenland hat Dieter in einem seiner vorherigen Beiträge die Anteile der neuen slawischen Bevölkerung und der ursprünglichen griechischen Bevölkerung auf jeweils 50 % eingeschätzt.

Ich habe derzeit das Buch nicht vorliegen, aber wenn ich es richtg in Erinnerung habe, wurde gesagt, dass für die Slawische Migrationsbewegung das Gebiet in Serbien nur Durchzugsgebiet war und ihr primäres Ziel Griechenland. Aber ohne Gewähr.
 
Die Migration war nach Meinung der meisten Wissenschaftler sehr klein. Der bedeutendste verstorbene Historiker des serbischen Frühmittelalters Tibor Zivkovic geht von nicht mehr als 2-3 % Bevölkerung aus, welche dem Rest ihre Herrschaft und Sprache aufzwangen.

Bei Peter Heather lese ich das Gegenteil und auch die Quellen aus dem Byzantinischen Rech - z.B. die Chronik von Monemvasia - sprechen von einer großen Zahl slawischer Einwanderer - Ich halte es im übrigen für ausgeschlossen, dass ein slawischer Migrantenanteil von nur 2-3% die altansässige Bevölkerung romanisierter Illyrer und Thraker überwältigt und ihr ihre Sprache aufgezwungen haben soll. Eine durchgreifende Slawisierung, wie sie auf dem Balkan erfolgt ist, erforderte mit Sicherheit einen beträchtlichen Zustrom slawischer Siedler.

Peter Heather sagt:

"Die Katastrophen von 614 markieren den endgüktigen Zusammenbruch der Donaugrenze des Oströmischen Reichs und ebneten der slawischen Besiedlung weiter Teile Südeuropas den Weg, von der Dobrudscha im Nordosten bis zur Peloponnes im Südwesten ... Als um 680 nördlich des Balkangebirges das erste builgarische Reich entstand, waren dort bereits sieben slawische Stämme ansässig.
Inzwischen steht fest, dass ... der endgültige Zusammenbruch der Donaugrenze im Jahr 614 ... den Beginn einer groß angelegten slawischen Besiedlung des Balkans markiert. ... Bis Mitte des 7. Jh. war der gesamte Balkan mehr oder weniger von Slawen besiedelt."
(Peter Heather, Invasion der Barbaren. Die Slawisierung Europas, London 2009/Stuttgart 2011, S. 301 ff.)

Bei Wiki lese ich dazu:
"Ab etwa 620 belegen archäologische Funde die Ansiedlung der Slawen in den entvölkerten Regionen des Balkans. Dies betraf bis auf Südthrakien und den Westen der Peloponnes die gesamte Balkanhalbinsel."
 
Nagelt mich nicht auf 2-3% fest. Ich bin der letzte der an den Lippen bekannter Historiker hängt und ihnen gottähnlichen Status verleiht (ich bin der erste der diese Kritisiert siehe mein letzten Blogeintrag). Wo ich Zivkovic aber zustimme und deswegen zitiere ich in auch ist, dass ich der Meinung bin das die Slawen in der Minderheit waren ob es jetzt 2 % oder 20 % waren ist eine andere Frage. Die Türken sind doch auch ein gutes Beispiel für eine wahrscheinlich kleine Gruppe welche einer großen die Sprache und Identität aufgezwungen hat.
 
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Wo ich Zivkovic aber zustimme und deswegen zitiere ich in auch ist, dass ich der Meinung bin das die Slawen in der Minderheit waren ob es jetzt 2 % oder 20 % waren ist eine andere Frage. Die Türken sind doch auch ein gutes Beispiel für eine wahrscheinlich kleine Gruppe welche einer großen die Sprache und Identität aufgezwungen hat.

Es lässt sich heute nicht mehr präzise entscheiden, wir hoch der Anteil slawischer Einwanderer im Verhälznis zur altansässigen Bevölkerung war. Die byzantinischen Quellen sprechen von einer großen Zahl und immer wiederkehrenden Belagerungen sowie Raub- und Plünderzügen mit nachfolgender Ansiedlung. Danach soll die Peloponnes nahezu komplett von Slawen besiedelt gewesen sein.

Um eine so große autochthone, kulturell hochstehende romanisierte Balkanbevölkerung zu assimilieren und einen Sprachwechsel herbeizuführen, ist eine nicht gerade kleine Zahl von Eroberern erforderlich. Andernfalls hätten die Slawen einen Sprachwechsel zu balkanromanischen Sprachen vollzogen. Ob wir es nun mit 40 oder 50% slawischen Migranten zu tun haben (oder etwas mehr oder weniger), kann niemand mehr rxakt beurteilen. Fachleute wie Peter Heahther gehen jedenfalls von großen Einwanderungswellen aus, die sich immerhin über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren hinzogen. Warum sollte man ihnen nicht glauben?
 
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Weil es eine große Menge von Völkern gibt wo eine kleine Elite ihre Sprache oder Identität auf eine große Bevölkerungsgruppe übertragen hat. Seien es nun die Türken, Ungarn, Angelsachsen, Römer, Griechen in Anatolien e.t.c.

40-50 % halte ich für zu Hoch gegriffen.
 
Weil es eine große Menge von Völkern gibt wo eine kleine Elite ihre Sprache oder Identität auf eine große Bevölkerungsgruppe übertragen hat. Seien es nun die Türken, Ungarn, Angelsachsen, Römer, Griechen in Anatolien e.t.c.

Ich kann eine einigermaßen verlässliche Aussage nur auf Angaben von Historikern stützen, die dazu etwas publiziert haben. Danach gab es mehrere große Wellen slawischer Migranten. Peter Heather habe ich dazu zitiert. Wenn du anderes gelesen hast, solltest du das hier zitieren.
 
Die Aussage habe ich teilweise von seinem Buch Južni Sloveni pod vizantijskom vlašću : (600 - 1025), 2002 Slawen unter Byzantinnischer Herrschaft, anderseits von einer Fernsehsendung mit ihm cirilica Tibor Zivkovic.

Das einzige Problem ist, dass ich mein Studium heuer abgeschlossen habe und das Buch hatte ich aus der Universitätbibliothek Osteuropäische Geschichte.
 
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Ich kenne mich zwar mit der Geschichte des Balkans überhaupt nicht aus, muß aber zugestehen, dass mich die Geschichte der Slawisierung an die ehemals römischen Gebiete erinnert, die an die Germanen gefallen sind.

Insbesondere in England (als es noch nicht England war) gab es eine Einwanderung im Süden (Kent, Sussex, Essex, Wessex). Im Laufe der Zeit expandierten diese und anglisierten die romano-britische Urbevölkerung.

Es gibt zu England eine interessante Arbeit von Härke (s. http://www.geschichtsforum.de/729607-post125.html). Möglicherweise ließen sich die Ergebnisse auch auf den Balkan übertragen.
 
Ich habe mal aus Spaß den Begriff "spontaneously ethnic shift" erfunden. Wir wissen nicht, wieviele Slawen ins Römische Reich einfielen, einsickerten, übersiedelten. Wir wissen nicht einmal, wer diese Slawen genau sind. Zwar gibt es Kulturen, die wir den Slawen zuweisen, sicher ist das nicht und gerade die Anten werden auch als iranisch-sarmatische gruppe betrachtet. Auch bei Horvaten, selbst bei Serboi wird ein iranischer Ursprung derweilen als Hypothese vorgebracht. Fielen die Slawen also schon als solche ein, fielen auch andere Ethnien mit ein oder spielt ein Großteil der slawischen Ethnogenese gar erst im RR statt?

Wir sollten auch etwas anderes beachten. Kroaten und Serben nahmen im Nordwesten Herrschaftsfunktionen für Byzanz war. Die Moraver errichtete im 8. bzw sicher im 9. Jahrhundert ein Großreich. Zuvor hatten schon die Bulgaren in ihrem Reich Slawisch als lingua franca benutzt, vielleicht nutzten sogar die Awaren Slawisch? Wie wirkte sich das auf die Slawisierung des Landes aus?

Ich komme zurück zum spontaneously ethnic shift. Wir haben auf dem balkan anscheinend das Phänomen, daß nichtslawische Gruppen sich assimilierten bzw. sich die Sprache der slawischen Herren bzw. deren lingua franca zu eigen machten und dies in einem relativ kurzen Zeitraum. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, daß es noch lange romanische Siedlungskammern gab.
 
Die Bevölkerung auf dem Balkan ist ein extrem schwieriges Thema mit sehr vielen Unbekannten.
Teilweise erfolgte der Sprachwechsel zum Slawischen erst in der in der Neuzeit, z.B. Maurowalachen/Morlaken.
Neben den Balkan-Romanen und Griechen spielen Awaren, Proto-Bulgaren und Albaner irgendeine Rolle.
 
Woher stammen denn die 50%, die hier durch den Thread schwirren, und worauf beziehen sie sich genau?
 
Zu Beorna

Naja es gibt zur serbischen und kroatischen Urgeschichte genau 2 Quellen De Administrando Imperio und Chronik des Priesters von Duklja. Zivkovic war bis zu seinem viel zu frühen Tod 2013 eigentlich der einzige mir bekannte Historiker welche sich vor allem mit diesen zwei Quellen beschäftigte. Dabei meinte er das Administrando Imperio mit der Intention der Wahrheit nahe zu kommen geschrieben wurde, während die Duklja Schrift von Anfang an mit dem Ziel einer Lüge geschrieben wurde. Dabei meinte er die Geschichte wie die Serben und Kroaten zum Balkan kamen kann nicht stimmen, da es in Dalmatien keine Awaren gab. Er geht allerdings davon aus das sich beide Stämme bis zur Zeit vom Administrando Imperio massiv ausgeweitet haben und ursprünglich bei den Kroaten ein Gebiet zwischen Glina und Knin und die Serben ein kleines Gebiet rund um Trebinje bevölkerten.

Wie die Serben, Sorben und Serboi zusammenhängen weiß kein Mensch.
 
Ich komme zurück zum spontaneously ethnic shift. Wir haben auf dem balkan anscheinend das Phänomen, daß nichtslawische Gruppen sich assimilierten bzw. sich die Sprache der slawischen Herren bzw. deren lingua franca zu eigen machten und dies in einem relativ kurzen Zeitraum. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, daß es noch lange romanische Siedlungskammern gab.

Zu Beginn der slawischen Expansion besteht die Bevölkerung des Balkans aus romanisierten Illyrern und Thrakern. Ferner haben sich einige originäre thrakische Siedlungsreste in den Rhodopen gehalten. Da der Balkan aufgrund von Kriegs- und Plünderungszügen germanischer Stämme sowie Gegenstößen römischer Truppen und Pestepidemien partiell stark verwüstet war, konnten slawische Bevölkerungsgruppen nach dem Zusammenbruch der oströmischen Donaufront relativ ungehindert auf den Balkan einwandern. Edgar Hösch schreibt, dass die Slawen dauerhafte Niederlassungen in eigenen Siedlungskomplexen gründeten, den so genannten "Sklabiniai" in byzantinischen Quellen. An den Toponymen lässt sich die slawische Siedlungsausbreitung im griechischen Raum noch erkennen.

Die slawischen Bauern drängten die teilromanisierte Bevölkerung aus den ehemaligen Siedlungsräumen der illyrischen und thrakischen Stämme in Rückzugsgebiete ab, nicht wenige fanden Zuflucht in schwer zugänglichen Hochgebirgsregionen, die später als Vorfahren der Walachen, Aromunen und Rumänen auftauchen. [1]

[1] Edgar Hösch, Geschichte des Balkans, München 2004
 
Zu Beorna

Naja es gibt zur serbischen und kroatischen Urgeschichte genau 2 Quellen De Administrando Imperio und Chronik des Priesters von Duklja. Zivkovic war bis zu seinem viel zu frühen Tod 2013 eigentlich der einzige mir bekannte Historiker welche sich vor allem mit diesen zwei Quellen beschäftigte. Dabei meinte er das Administrando Imperio mit der Intention der Wahrheit nahe zu kommen geschrieben wurde, während die Duklja Schrift von Anfang an mit dem Ziel einer Lüge geschrieben wurde. Dabei meinte er die Geschichte wie die Serben und Kroaten zum Balkan kamen kann nicht stimmen, da es in Dalmatien keine Awaren gab. Er geht allerdings davon aus das sich beide Stämme bis zur Zeit vom Administrando Imperio massiv ausgeweitet haben und ursprünglich bei den Kroaten ein Gebiet zwischen Glina und Knin und die Serben ein kleines Gebiet rund um Trebinje bevölkerten.

Wie die Serben, Sorben und Serboi zusammenhängen weiß kein Mensch.
was an den Geschichten stimmt, ist eine andere Frage. Ich erwähnte es hauptsächlich darum, zu zeigen, daß wir unter den Antes, Sklavinai und Veneti keine homogene ethnische Gruppe hatten.
 
Zu Beginn der slawischen Expansion besteht die Bevölkerung des Balkans aus romanisierten Illyrern und Thrakern. Ferner haben sich einige originäre thrakische Siedlungsreste in den Rhodopen gehalten. Da der Balkan aufgrund von Kriegs- und Plünderungszügen germanischer Stämme sowie Gegenstößen römischer Truppen und Pestepidemien partiell stark verwüstet war, konnten slawische Bevölkerungsgruppen nach dem Zusammenbruch der oströmischen Donaufront relativ ungehindert auf den Balkan einwandern. Edgar Hösch schreibt, dass die Slawen dauerhafte Niederlassungen in eigenen Siedlungskomplexen gründeten, den so genannten "Sklabiniai" in byzantinischen Quellen. An den Toponymen lässt sich die slawische Siedlungsausbreitung im griechischen Raum noch erkennen.

Die slawischen Bauern drängten die teilromanisierte Bevölkerung aus den ehemaligen Siedlungsräumen der illyrischen und thrakischen Stämme in Rückzugsgebiete ab, nicht wenige fanden Zuflucht in schwer zugänglichen Hochgebirgsregionen, die später als Vorfahren der Walachen, Aromunen und Rumänen auftauchen. [1]

[1] Edgar Hösch, Geschichte des Balkans, München 2004
Es fragt sich nur, wo sind all die slawischen Bauern hergekommen?
 
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