Aber waren unzuverlässige Söldner wirklich der einzige Ausweg für das damals noch wirtschaftlich starke oströmische Reich ?
Schließlich besaß es vor der arabischen Expansion die enorm wichtigen Orientprovinzen und blieb vom Wirrwarr der Völkerwanderung einigermaßen verschont.
Irgendwie will mir nicht einleuchten, warum sich ein solches Reich auf Söldner stützen sollte.
Oder ist meine Geringschätzung von Söldnerheeren unangebracht ?
Das ist ein kompliziertes Thema, das sich nicht in ein paar Sätzen abhandeln lässt. Das oströmische Reich existierte ca. ein Jahrtausend lang, in dem sich sein Heerwesen und seine Finanz-, Wirtschafts- und Sozialstruktur immer wieder veränderten. Auch die Rolle von Söldnern veränderte sich.
Grundsätzlich möchte ich aber einmal anmerken, dass man sich das mit den Bürgerheeren oft etwas zu einfach vorstellt. Es reicht nicht, wenn man einem Bürger einfach Waffen in die Hand drückt und ihn zum Kriegsdienst zu zwingen versucht, so erhält man nicht unbedingt einen tauglichen Soldaten. Nötig sind dafür auch eine entsprechende Mentalität und nach Möglichkeit eine gewisse kriegerische Tradition. Söldner wurden oft von kriegerischen Völkerschaften angeworben, in denen die Jungen von Kleinauf für den Krieg vorbereitet wurden und oft auch spezielle Techniken, die jahrelanges Training erforderten, wie z. B. das Bogenschießen im Reiten, lernten, und verfügten meist auch schon über Kampferfahrung. Somit waren sie unwilligen Bürgersoldaten militärisch überlegen. Aber schon im römischen Reich hatten sich die Rekrutierungsreservoirs verändert: In der Republik setzten sich die römischen Armeen noch aus Italikern zusammen, von denen viele (wie auch die Römer selbst) damals noch einen ausgesprochen kriegerischen Charakter hatten. In der Kaiserzeit musste man dann zunehmend auf Völkerschaften in den Provinzen zurückgreifen, z. B. im 3. Jhdt. auf die Illyrer. Ein weiterer Punkt ist noch die Sozialstruktur: Wenn viele Menschen auf den Gütern von einflussreichen Großgrundbesitzern leben und arbeiten, gehen sie dem Staat oft schon deshalb als potentielle Rekruten verloren, weil ihre Herren natürlich zu unterbinden versuchen, dass ihnen ihre Arbeitskräfte entzogen werden.
Im oströmischen Reich vor der arabischen Eroberung gab es noch ein großes theoretisches Rekrutierungsreservoir, aber das gab es auch später noch, bis zum Verlust von Anatolien im späten 11. Jhdt., insofern war die arabische Expansion gar nicht das Hauptproblem. Um zu verstehen, wieso die Oströmer z. B. unter Iustinian hauptsächlich auf Söldner zurückgriffen, muss man die spezielle Struktur der damaligen oströmischen Kriegsführung verstehen: Die Feldherren dieser Zeit waren meist weder Politiker-Feldherren wie in der römischen Republik noch Generäle im modernen Sinn, sondern eher Kriegsunternehmer, vergleichbar etwa mit Wallenstein. Sie bekamen vom Kaiser einen Auftrag und führten ihn weitgehend eigenständig durch, wobei sie das benötigte Geld teilweise vom Kaiser erhielten, teilweise ihren Feldzug aber auch aus der eigenen Tasche oder durch Kredite finanzierten. Mit diesen Mitteln stellten sie dann ihre Truppen zusammen, und da versuchten sie dann das Beste zu bekommen, was für Geld zu haben war. Feldherren wie Belisar verfügten ohnehin über starke Privatarmeen, die sie für Feldzüge durch weitere Söldner ergänzten. Sie hatten dann oft auch schon entsprechende Kontakte zu kriegerischen Völkern, über die sie die benötigten Truppen anheuern konnten. Das ausgegebene Geld versuchten sie dann durch Beute und (unregelmäßige, mitunter eher erpresste) kaiserliche Zahlungen wieder hereinzubekommen.
Daneben gab es aber auch zu Iustinians Zeiten noch zahlenmäßig starke reguläre Truppen, doch wurden sie eher als Garnisonen eingesetzt.