Soldaten als Sündenböcke

Die Sache betraf einen Arbeitskollegen meines Vaters und muss Anfang der 70er passiert sein. Der Mann hat übrigens (damals) nicht behauptet, absichtlich daneben gehalten zu haben. Er sagte, er wäre so überrascht und aufgeregt gewesen, die Hände hätten gezittert...
Gezielt wurde in solchen Fällen auf die Beine, wie halt bei der Polizei.
Ich weiß nicht, wie die konkrete Situation war (Lichtverhältnisse, Abstand).
Jedenfalls kam er mit seiner Argumentation nicht durch,
er galt wohl als sehr guter Schütze.

Einleuchten tut es mir keineswegs.
Aber wer kennt schon die Vorgeschichte und alle Details.
 
"Soldaten als Sündenböcke"

Ich will euch mal vorschlagen, alles noch mal zu lesen, was da geschrieben wurde.
Was ist denn ein Soldat? Ein Mensch oder ein Werkzeug?
Diese Frage solltet ihr mal beantworten.

Wenn ein Soldat absoluten Gehorsam befolgt, dann ist er klar, ein Werkzeug. Kann man ihn dann für Verbrechen verurteilen?
 
@Repo: Einleuchten tut es mir keineswegs.
Aber wer kennt schon die Vorgeschichte und alle Details.

Kenne ich auch nicht. Vielleicht sollte einfach ein Exempel statuiert werden, damit keiner auf die Idee kommt, "vorbei zu schießen".
Die 4 Monate Bau sind aber wahr, wobei das für DDR-Verhältnisse eigentlich milde ist. Die musste er natürlich "nachdienen".
 
SS und Wehrmacht sind unterschiedlich, ist jedem hier wohl bekannt. Aber man darf auch nicht die Augen davor verschliessen, dass die Wehrmacht auch Verbrechen in Polen und vor allem in der Sowjetunion begannen hat, nicht nur die SS.

Das auch die Wehrmacht Verbrechen begangen hat, ist wohl seit der Dokureihe bei ZDF jedem klar. Dennoch ist hier - wie auch von Repo genannt - zu unterscheiden, schließlich ist die SS in den Nürnberger Prozeßen als verbrecherische Organisation, und die Wehrmacht nicht. Und eine Zugehörigkeit zur SS alleine stellt auch kein Verbrechen dar, schließlich haben viele ehemalige Soldaten der Waffen-SS auch Dienst in der Bundeswehr geleistet... Kriegsverbrechern hätte man das wohl nicht (Danke an balticbirdy;)) ermöglicht. Alleine die Taten einer Person können die Grundlage für Verurteilung sein, deshalb keine Pauschalisierungen bitte.

Wenn ein Soldat absoluten Gehorsam befolgt, dann ist er klar, ein Werkzeug. Kann man ihn dann für Verbrechen verurteilen?

Das ist aus den vor mir eingefügten Vorschriften gut ersichtlich, heutzutage muss ein Soldat den Befehl vor dem Ausführen prüfen. Verstößt dieser gegen geltendes Recht, darf er nicht ausgeführt werden, sonst macht man sich selbst strafbar (Eigenverantwortlichkeit - nach bestem Wissen und Gewissen), der Vorgesetzte ohnehin.
In der Wehrmacht hat man scheinbar während des Krieges die Prioritäten innerhalb der Vorschriften so gesetzt, daß gewissermaßen Verbrechen ermöglicht wurden... verweigere ich den (moralisch und völkerrechtlich unhaltbaren) Befehl zur Liquidierung von zB Zivilisten, so mache ich mich selbst strafbar und werde Opfer (womöglich auch die eigene und unbeteiligte Familie, Stichwort Sippenhaft) des Naziterrors... schwierige Situation. Wie will man hier ein einwandfreies Urteil fällen?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
In der Wehrmacht hat man scheinbar während des Krieges die Prioritäten innerhalb der Vorschriften so gesetzt, daß gewissermaßen Verbrechen ermöglicht wurden... verweigere ich den (moralisch und völkerrechtlich unhaltbaren) Befehl zur Liquidierung von zB Zivilisten, so mache ich mich selbst strafbar und werde Opfer (womöglich auch die eigene und unbeteiligte Familie, Stichwort Sippenhaft) des Naziterrors... schwierige Situation. Wie will man hier ein einwandfreies Urteil fällen?

Ich wiederhole mich: dafür gibt es keinen einzigen Nachweis. Im Ggt.: es gibt in den Befehlen an die Einsatzgruppen die Möglichkeit, Soldaten von Mordaktionen freizustellen.
 
Ich wiederhole mich: dafür gibt es keinen einzigen Nachweis. Im Ggt.: es gibt in den Befehlen an die Einsatzgruppen die Möglichkeit, Soldaten von Mordaktionen freizustellen.

Also wenn ich das richtig verstehe, meinst Du, bei einer Erschiessung hätte man sich freistellen können?.....Du meinst wirklich die Zeit des 2.WK, oder?
 
1) Wer den Gehorsam durch Wort oder Tat verweigert oder auf wiederholt erhaltenen Befehl in Dienstsachen im Ungehorsam verharrt, wird mit geschärftem Arrest nicht unter vierzehn Tagen oder mit Gefängnis oder Festungshaft bestraft.
2. Wird die Tat im Felde begangen, oder liegt ein besonders schwerer Fall vor, so kann auf Todesstrafe oder auf lebenslanges oder zeitiges Zuchthaus erkannt werden.

Das war die Vorschriftenlage. Ich sehe auch in dem zitierten Bereich hab ich was vergessen und werde womöglich Opfer [...] des Naziterrors... :scheinheilig: Ernsthaft: Mit dem heutigen Wissen wären sicher mehr Befehle mißachtet worden, aber diese Gewissheit hatte damals niemand.
 
Für alle Zweifler verweise ich noch einmal auf Post 65 (Daniel Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker). Die Polizeibataillone, die Massenmorde begingen, waren ganz normale Bürger und Familienväter, keine unbedarften 18/19jährige und auch keine fanatischen Nazis.
Es bestand die Möglichkeit, von der eigentlichen Henkersarbeit sich freistellen zu lassen. In Anspruch genommen wurde dies nur
in der Ausnahme, diese Leute hatten nachweislich dadurch keinerlei Nachteile gehabt. Ob die Mehrzahl der Mörder wirklich von ihrem Tun überzeugt war oder sich dem Kollektivdruck beugte, ist eine andere
Geschichte. Wenn noch nicht getan, lesen!
 
Bevor wir hier noch weiter aneinander vorbei schreiben... der Zweite Weltkrieg bestand sicher nicht nur aus der Besetzung und dem Wirken der angesprochenen Polizeibataillone. Zudem greift das Thema Soldaten als Sündenböcke auch erheblich weiter, zu Goldhagen (und seinen hier unbestrittenen Ausführungen, für die Zweifler) selbst gibt es sicher ein eigenes Thema im Forum.
 
@Weirich
Nur um das juristisch noch einmal klarzustellen:
Die Beispiele Dresden und Hiroshima sind eindeutig Kriegsverbrechen.
Das wurde jedoch im Forum bereits erörtert. Daher gehe ich an dieser Stelle nicht weiter darauf ein. Nur zur Atombombe noch: es gab wenigstens zwei bedingungslose Kapitulationen Japans VOR dem Wurf, die über Stalin die USA erreichen sollten (sogar mitsamt Abdankung des Kaisers!).
 
Wenn ich Mod wäre, der ich, Gott seis gedankt, nicht bin, wäre das hier schon zu.
Ich habe noch immer nicht herausgefunden, um was es hier geht.
 
In den 60er Jahren, als mit den Auschwitz und Maidanek Prozessen einige der kleinen Tötungsarbeiter vor Gericht standen, die sich nicht auf Befehl und Gehorsam berufen konnten, weil sie mit eigenen Händen, Revolvern und Stiefeln gemordet hatten, war die Standardausrede, sie hätten gehorchen müssen, sonst wären sie selbst ins KZ gekommen oder erschossen worden. Tatsächlich ist kein einziger Fall dokumentiert, dass ein Soldat, der sich geweigert hätte, an Erschießungen teilzunehmen, dafür erschossen worden wäre. Es gab Offiziere, die den Kommisarbefehl nicht weitergegeben haben, die aktiven oder passiven Widerstand geleistet haben, ohne das ihnen etwas passiert ist. Spektakulär war die Tat von Oberleutnant Albert Battel, der von seinen Wehrmachtsvorgesetzten gedeckt, die Juden von Przemysl rettete. Es gab offenbar immer genügend Freiwillige, und Insassen berichteten, dass SS- Männer wegen ihrer Brutalität befördert wurden, und in den KZs und bei Einsatzgruppen sich ein unglaubliches Drohnendasein und Drückebergertum entwickelt hatte. In Buchenwald oder Auschwitz war "Jubel Trubel, Heiterkeit" wie ein SS- Mann in der Auschwitz online Dokumentation Auschwitz "Verbrechen und Korruption" erzählt. Es war jedenfalls bedeutend bequemer und ungefährlicher, als an der Ostfront, und viele SS- Männer trauerten "den starken Erlebnissen" und nicht zuletzt der reichhaltigen Versorgung mit Alkoholika durchaus nach. Da gab es dann nicht selten 18- 19 jährige, die plötzlich Macht und Gewalt über das Leben von Hunderten von menschen hatten, wie der Darmstädter Schüler Hans Stark oder Irma Grese, die "Hyäne von Auschwitz", die als jüngste delinquentin von den Briten exekutiert wurde.


Viele Überlebende des Warschauer Ghettos wie Marcel Reich Ranicki berichteten, dass sich viele Wehrmachtsangehörige damit vergnügten, den orthodoxen Juden gewaltsam die Bärte und Schläfenlocken abzuschneiden. An der Ostfront wurden viele Soldaten Zeugen wie Juden oder echte und vermeintliche Partisanen abgeknallt wurden. Dazu haben viele Wehrmachtsdienststellen aktive Hilfe am Holocaust geleistet, und die Gebiete, die der Wehrmachtsverwaltung unterstanden, unterschieden sich in punkto der entrechtung und ausbeutung der zivilisten nicht sonderlich von denen, die Rosenbergs Ostministerium unterstanden. Wenn staatlicherseits und von Seiten der Führung Verbrechen nicht nur geduldet werden, sondern dazu animiert wird, liegt es in der Natur der Sache, dass sich zahlreiche Individuen in dieser beziehung austoben.
 
Da hier mehr oder weniger alle einer Meinung zu sein scheinen... vielleicht hat der eine oder andere schon mal etwas von Theodor Groppe - Wikipedia vernommen. Oder von Erich Hoepner - Wikipedia. Diese sind (bekannte) Beispiele für Soldaten, die Befehle mißachteten bzw. nicht befolgt haben, und deswegen in Ungnade gefallen waren (ohne Bezug der Aburteilung zum Widerstand), mehr noch.
Deswegen die These, daß man sich eben nicht wirklich sicher sein konnte, trotz der Ablehnung an Greueltaten teilzunehmen unbehelligt zu bleiben, wie es von mehreren dargelegt wurde. Dies mag zwar für die jeweils dargelegten Fälle zutreffen (und sicher auch für weitere, sehr wahrscheinlich blieben viel mehr Verweigerungen ungestraft als das Strafmaßnahmen ausgesprochen wurden), aber eben nicht für den Krieg in seiner Gesamtheit.
Für das eigentliche Thema kommen solche Personen aber nur in der falschen Perspektive zutrage (Sündenböcke des Dritten Reiches), vielleicht sollten wir das Augenmerk eher auf andere Personenkreise der Militärgeschichte legen.
 
In beiden Fällen geht es nicht um die verweigerte Teilnahme an einem Kriegsverbrechen sondern sehr wohl schon um aktiven Widerstand.
 
Naja, das ist deine Meinung, ich sehe es etwas anders. Wie auch den Sinn dies weiter in die Diskussion einzubinden.
 
Wobei Leute wie Hoepner oder Stülpnagel, die am militärischen Widerstand beteiligt waren mitunter an der Ostfront selbst Terror- und Mordbefehle gegeben haben, in denen von der "harten aber gerechten Sühne am Judentum" gesprochen wird. Direkte Führerbefehle zu missachten, konnte tatsächlich lebensgefährlich sein, selbst wenn die militärische Lage sich dadurch sogar gebessert hatte. So gab Graf von Sponeck einen Rückzugsbefehl, der seine Division rettete. Er wurde inhaftiert und nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 erschossen.

In Polen hatten einige Generale wie Blaskowitz gegen die SS Einsatzgruppen protestiert und SS männer verhaften lassen. Im Russlandfeldzug glaubte Hitler seinen Generalen so etwas nicht mehr durchgehen lassen zu können. Die Terror- und Mordbefehle widersprachen allen Regeln des Kriegs- und Völkerrechts die seit Jahrhunderten in Europa gültig waren, und es gab durchaus Offiziere, die die völlige Verwilderung der Kriegsgesetze als mit ihrem Berufsethos unvereinbar hielten. Vergewaltigungen, Plünderungen, Gewaltaktionen gegen Zivilisten kommen in jedem Krieg und bei allen Armeen vor, es wird so etwas in der Regel aber durchaus hart sanktioniert, und es ist eben ein gewaltiger Unterschied, wenn dergleichen gebilligt oder sogar belohnt wird, wenn der Hungertod von Millionen Kriegsgefangenen und Zivilisten billigend in Kauf genommen wird oder "weltanschaulich" als notwendig gerechtfertigt wird.
 
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