Anscheinend hat Spanien in der Zeit der Industrialisierung nicht so eine große Rolle gespielt, wie man aufgrund der vorherigen Kolonialgeschichte vermuten könnte.
Spanien hat zwar jede Menge Gold und Silber aus Amerika nach Europa gebracht, aber im Grunde hat es sich ruiniert. Inflationen im 17. Jhdt. waren die Folge der Geldschwemme. Mit Merkantilismus und Entrechtung (weniger der indigenen Bevölkerung und der importierten Sklaven als vielmehr) der Kreolen (ethnische Spanier, die in Amerika geboren wurden und allein aus diesem Grund rechtlich eine Stufe unter den Europaspaniern standen) führten zu den Unabhängigkeitskriegen, die im Prinzip - wie auch der in den USA - Bürgerkriege waren. Mit der Politik des 16. - 18. Jhdts. war im Prinzip die Wirtschaft in Spanien nachhaltig beeinträchtigt. Die Vertreibung der Morisken durch die Habsburger ließ ganze (Land)wirtschaftszweige veröden (das bei der durch die Edelmetallschwemme verursachten Inflation, dem 80jährigen Krieg, Konflikten mit Frankreich, in Italien, Nordafrika und mit England), die merkantilistische Politik der Bourbonen, die regelrecht absurde Züge annahm, wurde zunehmend zum Problem. Man stelle sich vor, ein Siedler in Kalifornien wollte ein Produkt kaufen, dass aus Perú kam. Man könnte jetzt meinen, dass nichts einfacher war, als das Produkt in Callao auf ein Schiff zu laden und damit nach Kalifornien zu fahren. Aber nein - offiziell ging das natürlich nicht. Das Produkt musste nach Acapulco (mex. Pazifikkhafen) gebracht werden, von dort nach Veracruz (Golf von Mexiko), dort wieder auf ein Schiff geladen, nach Sevilla bzw. Cádiz gebracht und dort registriert werden und konnte dann den Weg wieder zurück über Veracruz und Acapulco nach Kalifornien gebracht werden.
Das eine solche Politik vor allem dem Schwarzhandel förderlich war, ist logisch. Produkte, die legal zwischen den Kolonien gehandelt wurden, wurden einfach viel teurer, als sie hätten sein müssen, das Verlustrisiko (Piraterie und Freibeuterei, Sturm) wurde höher. Das traf bei deren gleichzeitiger rechtlichen Ungleichstellung mit den Europaspaniern vor allem die amerikaspanischen Eliten. Die Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien wurde daher auch in erster Linie nicht von afrikanischen Sklaven oder der indigenen Bevölkerung getragen, sondern war ein Projekt der kreolischen Eliten - letztlich nicht viel anders als in den USA (wenn uns Filme wie
Der Patriot auch ein etwas anderes Bild zeigen, fast unamerikanisch ein Bild vom Klassenkampf), wobei der Unterschied hier der ist, dass es in den dreizehn Kolonien ja kaum mehr indigene Bevölkerung gab und im Vergleich zu Hispanoamerika nur wenige Mestizen.
Die Unabhängigwerdung der meisten Kolonien - im Rahmen der napoleonischen Besetzung Spaniens (1808 - 1814) - zeitweise war nur Cádiz als Hort des Widerstands übrig (
Día de la Pepa - 200 Jahre ) - bzw. der harten Restauration Ferdinands VII. - vollzog sich zwischen 1811 und 1824. Und manchmal schlugen sich die Truppen, die in den Kolonien landeten nach einigen Schlachten auf der Seiten der Aufständischen, etwa Agustín de Iturbide, der sich napoleonlike zum mexikanischen Kaiser krönte, oder der spätere mexikanische Präsident Antonio López de Santa Anna (Kreole), der zunächst Anhänger (mit diesem von der spanischen Seite auf die der Unabhängigkeit wechselte), dann Gegner Iturbides war. De Santa Anna ist hierzulande wahrscheinlich am besten durch John Waynes - einen amerikanischen Urmythos aufgreifenden - Film
Alamo bekannt.
Und in Spanien selbst? Da tobten die Bürgerkriege. Im
Trienio Liberal (dem liberalen Jahrdritt), als liberale Militärs Ferdinand VII. zwangen, die Verfassung von 1812 wieder in Kraft zu setzen, holte dieser, der früher sechs Jahre lang Napoleons Gefangener war, die Franzosen ins Land. Das liberale Jahrdritt ging in einem Bürgerkrieg unter. Nach Ferdinands Tod, als Isabel II. regierte, musste die sich den ambitionierten Ehemann ihrer Schwester vom Hals halten, der gerne König Spaniens geworden wäre (sie schob die beiden nach Sevilla ab), hatte vor allem aber mit den Carlistas zu kämpfen, eine absolutistische Strömung, welche gerne Isabels Onkel bzw. dessen Nachkommen auf dem Thron gesehen hätte (die Familie gibt es bis heute und bis heute erhebt sie mehr oder weniger offen Anspruch auf den Thron, drei der Bürgerkriege des 19. Jhdts. werden daher auch als Guerras Carlistas bezeichnet und im Bürgerkrieg von 1936 - 39 waren sie bis 1937 eine Untergruppe der Monarchisten, wurden dann aber bereits 1937mit der faschistischen Partei zwangsvereinigt).
Es gibt eine spanische Beschreibung von der Rolle Spaniens ins Europa gegen Ende des 19./Anfang des 20. Jhdts., leider weiß ich nicht mehr von wem und den genauen Wortlaut. Jedenfalls verglich der Urheber Europa mit einem Mietshaus, in dem all die europäischen Völker lebten. Und Spanien lebe eben - ich weiß nicht mehr genau - im Keller oder einem Verschlag im Dachboden.