Spielfilme angesiedelt im 16.Jhd.

Ich habe mich an besonders hartes Brot gewagt. 2010 kam ein Film in die Kinos, der kolossal floppte und nach der ersten Sichtung ist mir klar warum. Diese als Verfilmung einer Vorlage von Mann beworbene Produktion ist einfach enorm langweilig. Wenn ich nicht zwischendrin weggenickt bin, dann war es mir bei der schlechten Ausleuchtung der Szenen schwer gefallen überhaupt festzustellen, wo die Handlung in dem Moment überhaupt spielen soll.

Henri IV
(D, F, E 2010, Regie: Jo Baier)


Handlung: Henri IV wird entgegen der langläufigen Annahmen nicht in der Renaissance geboren sondern im Mittelalter, was ganz klar an dem im ganzen Streifen herrschenden Mittelalterfilter zu erkennen ist, der freilich kaschieren soll, was das für ulkige Bauten sind, die vorkommen - aber der Reihe nach. Man erlebt den jungen Prinzen wie er sich in Mittelalterschlamm mit anderen Kindern in einer Art Kiesgrube suhlt, die, weil der Regisseur scheinbar als Kind Kiesgruben liebte (oder diese sehr billig zu bekommen sind als Drehort), immer wieder vorkommen werden. Die schwarz und grau gekleidete Bettler - äh Königsfamilie wird gleich in der nächsten Szene in die "Schlacht" ziehen. Nach dieser "Schlacht" wird der Spross des Hauses Navarre für einen Trossbuben gehalten. Kein Wunder, hat er doch die mieseste Pikenier(?)rüstung ever und auch seine schlamm-grau-schwarze Kleidung verrät keineswegs seinen Stand. Dankbarerweise bietet ihm ein anderer Schlammkämpfer (Joachim Król) ne erbeutete Buxe an - wahrscheinlich weil seine ganze Familie und sein Generalstab vergessen hat, dass er der Thronerbe ist (?). Dann springt die Handlung um ein paar Jahre. Henri wird erwachsen, aber das Wetter bleibt in Navarre gleich schlecht. Die immer übel gelaunte Mutti (Marta Calvó), die nur etwa einen Satz hat, den sie aufsagen kann, dass sie nämlich Protestantin durch und durch sei, verhandelt mit Catherine de Médicis (Hannelore Hoger), die als eine Art Grufti-Omma aus einem Märchenfilm daher kommt, über die Vermählung ihres Sohnes mit der Immer-Geilen Margot (Armelle Deutsch). Als Henri (Julien Bosselier) in Paris (?) eintrifft, begegnet er Margot im Garten von einem Schloss aus dem 18. Jahrhundert, wo sie ihn als Flegel bezeichnet, während er ihr seine Zunge ins Ohr zu stecken gedenkt. Nach der Vermählung, wobei der irre und meistens nur mit einem Mittelaltermarkt-Hemd bekleidete König Charles IX (Ulrich Noethen) seine Schwester in die Ehe schubbst (kein Witz!), überschlagen sich die Ereignisse. Henri hatte ja akzeptiert, dass seine Mutti wahrscheinlich von de Guise (Wotan Wilke Möring) oder wem sonst vergiftet wurde - nun aber wird der alte, schrullige Admiral Coligny (Karl Markovics) auf offener Straße niedergeschossen und warnt schwer verwundet Henri vor einer Verschwörung. Charles IX lehnt jede Beteiligung an einem Massaker ab, da er seine Schwester und Henri, den er ja gerade erst kennen gelernt hatte (?) liebe, während die bösartige Königin-Mutter die Fäden spinnt und in D'Anjou (Devid Striesow) einen willigen Schergen hat, und los geht's in die Batholomäusnacht ...

Dieser Film wurde 2010 von der Filmkritik verrissen - zu Recht offensichtlich. Nicht nur, dass die Rollen teilweise haarsträubend schlecht besetzt sind. Auch die gewaltige Vorbereitungszeit und das Budget von sage und schreibe 20 Millionen ist einfach nicht erkennbar. So spielen sich zahlreiche Szenen in fast vollständiger Dunkelheit ab. Die königlichen Gemächer sind in einer Art Zwischenstockwerk von einem Gutshaus von 1900 gedreht, was man teilweise an den für das 16. Jh. viel zu modernen Fenstern erkennen kann. Die Schlachten zeigen Hochadelige in Rüstungen, die aussehen wie aus einem Spielzeugladen. Wenn man einmal eine Rüstung eines zeitgenössischen Herrschers gesehen hat oder Porträts von Renaissance-Herrschern, dann kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es diese hässlichen Rüstungen halt einfach irgendwo billig gab und man zugriff - vielleicht hoffte man, dass eine ordentliche Portion Schlamm, was nicht passt schon überkleben würde. Ich hab selten solch ein erbärmliches Setdesign gesehen - selbst eine kleine Fernsehdoku kriegt bessere Bilder hin (siehe die alten Folgen zu der Epoche mit "Spielszenen" der Reihe Sécrets d'histoire). Die wirklich mies geschriebenen Dialoge tun ihr übriges, während die Darsteller am sich abkämpfen an eindimensionalen bis dummen Charakterzeichnungen ihrer Figuren sind. Nicht zuletzt kann man das Aussehen von "La reine Margot" (1994) mit einer fantastischen Besetzung einfach daneben halten - und dieser Film hatte nicht 40.000 Zuschauer in deutschen Kinos. Ich fragte mich nach Konsumierung dieses Films hier, wer im Entferntesten der Meinung war, dass es eine gute Idee sei das in die Lichtspielhäuser zu bringen?

2 von 10 Spritzer Schlamm und das auch nur mit viel Wohlwollen.
 
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