"Alatriste" (2006)
So, nun habe ich den Film gesehen und bin selber groß. Also kann ich mal erzählen wie er mir gefallen hat.
Insgesamt ist der Film "Alatriste" eine
Romanverfilmung und das merkt man auch. Die Handlung erstreckt sich über 2 Jahrzehnte. Dabei wird im Leben des "Capitan" Alatriste (Viggo Mortensen, der sich scheinbar in der Rolle des Raufboldes recht gut gefällt und dem man sie auch gern abnimmt), der ein einfacher Musketier in "dem" Spanischen Regiment (also eines der spanischen Infanterieregimenter, die auf der ganzen Welt sich schlugen - typisch für einen Film wird allerdings es anfangs nur "das spanische Regiment" genannt) ist, eine um die andere Episode chronologisch erzählt.
Zweierlei Dinge sind gleich auffällig. Nicht nur, dass man durch die Aneinanderreihung von Episoden keinen Anhaltspunkt hat, wann denn nun der Film endet, nein auf der DVD prangen gleich zwei irreführende Hinweise. Zum einen werden auf den Illustrationen oder Fotos die Feldschlachten hervorgehoben (z.B. gleich vorne drauf die Piken gezeigt). Dabei findet im ganzen Film nur EINE Feld"schlacht" statt! Und das ganz am Ende (die Schlacht von Rocroi 1643). Zum anderen wird der Film als der teuerste spanische Film aller Zeiten bezeichnet. Aber dafür fällt selbst die letzte "Schlacht" sehr mickrig aus. Ich würde mal schätzen, dass man ein paar hundert Statisten, aber nicht mehr sieht. Hierin wie auch in der teilweise sehr unrealistischen Handlung (der einfache Musketier Alatriste schneit immer mal beim Grafen Olivares rein =) ) ähnelt der Film sehr den Folgen der "Scharfschützen"-Reihe von der BBC.
Jetzt aber zur Handlung! Ich will nur ein paar Höhepunkte nennen, die ganze Handlung ist zu wechselhaft und kompliziert. Am Anfang spielt der Film in den Niederlanden, wo ein recht hübscher nächtlicher Überfall auf eine Geschützstellung unternommen wird, um die Kanonen zu vernageln. Ein klasse Einfall und auch wie sich bemüht wird, dass die Lunten im Wasser, durch was die Soldaten waten nicht ausgehen, finde ich hübsch gemacht.:yes:
In der Szene und in den vielen
Fechtszenen wieder in Spanien, wohin Alatriste mit Kumpels scheinbar immer mal nach Belieben zurückkehrt, kommen schön oft und auch zumeist recht einleuchten Rapiere, Degen und Dolche zum Einsatz. In den Spaniensequenzen, die den Großteil des Films ausmachen fielen mir zwei Dinge auf, die ganz gegensätzlicher Natur sind:
1. Die
großen Figuren der spanischen Geschichte Olivares und König Philipps IV., aber auch der Dichter Quevedo (1580-1645) sind bemüht schön dargestellt. Sie haben ihre charakteristischen Bärte, Frisuren und Kleider an. Wobei der König besonders schön unnahbar und entrückt wirkt.:yes: Der Hof wurde nicht wirklich gezeigt, aber dafür das Gemach des Conde de Olivares mit Sekretären etc. (was mich an die dunklen Kämmerchen Mazarins in "D'Artagnans Tochter ein bissel erinnerte).
2. Die
Hauptfiguren (auch wenn es dafür einen "Goya" gab) fallen eher durch weniger liebevoll gestaltete Kleidung auf. Die Hemden v.a., die man auch ständig sieht, weil Alatriste selbst sein Doublet/Wams ständig offen trägt, sind das Schlechteste, was ich seit Jahren sah. Dabei gibt es aus der Zeit einige Originale in München, Stockholm usw.. Die hier gezeigten sind aber entweder Fantasiekonstrukte oder sehen nach welchen des 19.Jh. oder aus Omas Trödelladen aus. Bis auf die ganz gut gemachten Hosen wirken die Klamotten dann bei der einfacheren Bev. durchweg wunderlich.
Die Handlung in Spanien ist eine Aneinanderreihung von Räuberpistolen mit Hofintrigen (so ein bissel wie die "Drei Musketiere", wenn auch leider nicht so tiefsinnig und witzig), die allerdings durch das manchmal schon gezeigte elende Söldnerdasein, das immer mal kurz aufleuchtet, aufgewertet wird.
Total hübsch ist das Gerede der Spanier von den Ketzern, das immer wieder auftaucht. Ahja und die Abneigung, fast Angst, Alatristes gegenüber dem kalten, ungemütlichen Flandern mit der als ganz böse und gefährliche Gegner dargestellten Niederländer ist ganz nett gezeigt.
Eingeschoben ist eine Episode in Brabant - die
Belagerung von Breda. Ganz nett dabei sind die Szenen im Laufgraben. Bei dem Gang in eine Mine kommt mir der Stollen selbst zu klein und ein bisschen unmöglich vor, auch wenn die Idee, da in Filmen nie vorkommend, sehr schön ist.
Am Ende des Filmes steht die
Schlacht bei Rocroi (1643). Hier eine Karte dazu von Wikipedia:
Datei:Battle rocroi.png ? Wikipedia
Alatriste und sein Zögling Inigo Balboa stehen in der Schlacht im ersten Glied der Musketiere ihres Regiments(warum ohne Hut erfährt der Zuschauer nicht - ebensowenig, wird mir einleuchten, warum der eíne Offizier bei Breda wie bei Rocroi stets das Bandelier mit den abgefüllten Patronen wie ein Musketier neben seiner Offiziersschärpe mit sich rumträgt). Man sieht hübsch Artilleriefeuer, einen Kavallerieangriff und dann endlich den Kampf
Pikeniere gegen Pikeniere! Das ist auch wirklich wahrscheinlich als Höhepunkt des Films gedacht und der Nahkampf und das Aneinanderprallen der Piken sind gut gemacht und vermitteln, da wahrscheinlich eine Neuheit auf Zelluloid einen schönen Eindruck wie das aussah.
Jetzt kommt aber ein wesentliches Manko der Schlachtdarstellung: Während der Schlacht und dann während der Verhandlungen in einer Kampfpause sieht man ganz eindeutig, dass auf spanischer Seite, statt der 27.000 Mann, eigentlich nur das eine Regiment agiert. Wie schon in den "Scharfschützen"-Folgen der BBC hätte man mit einer geschickteren Kameraführung das sicher besser hinbekommen.
Scheinbar sollte das Regiment, in dem Alatriste diente, jenes sein, welches das Angebot Enghiens zu einer Kapitulation ablehnte (siehe den Wikipediaartikel zur Schlacht bei Rocroi!).
Insgesamt ein
netter Film, der aber über das Format der gewöhnlichen Abenteuerfilme nicht hinaus geht, was vor allem daran kränkelt, dass es an Humor oder nachvollziehbarer Handlung, das eine von beiden würde das andere wettmachen oder erklären, mangelt. Der Höhepunkt des Films ist das Ende mit dem, nennen wir es lieber Gefecht statt Schlacht, zwischen den Infanteristen(die Spanier tragen übrigens immer Morione statt Sturmhauben - war das so? Oder soll damit besser zwischen Spaniern und Franzosen/Niederländern unterschieden werden.). Die Ausstattung ist in Ordnung, aber nicht überirdisch gut gemacht - da ist man heute zu verwöhnt. Empfehlen würde ich den Film für militärhistorisch interessierte, einfach mal um feuernde Luntenschlossgewehre, hübsche Rapiere, Radschlosspistolen und halbwegs gut gemachte Rüstungen zu sehen, denn dann sieht man über die wenig plausible Handlung und manche fast groteske Szenen hinweg.
Ich hoffe der Beitrag ist trotz der vielen Klammern und Fragezeichen gut lesbar und nicht zu lang.:rotwerd: Ich war so gespannt auf den Film, dass ich mich dann auch mal ein bisschen dazu auslassen wollte.