Strandbesuche

V

VamosALaPlaya

Gast
Ab wann wurde Baden am Meer in Form eines entspannten Aufenthalts am Sandstrand eine Freizeitbeschäftigung? Ich kann mich an Photos und Malereien in Museen erinnern, die zeigen, wie Berliner Frauen im späten 19. Jahrhundert in voller Kleidermontur in das Wasser am Wannsee gehen. Viel älter scheint diese Beschäftigung aber nicht zu sein. Die römische Oberschicht hatte ab der spätrepublikanischen Zeit zwar schon Villen am Meer, etwa in Baia, aber haben die Aristokraten sich auch an den Strand gelegt?
 
Jedenfalls ist der „Sommerhit“ von 1983, auf den du dich beziehst, italienische Band, spanischer Text, in höchstem Maß ironisch. Lasst uns zum Strand gehen, die (Atom)Bombe ist explodiert. Trag nen Sonnenhut, denn aufgrund der Strahlung und der ganzen ins Meer eingeleiteten Chemie fallen dir die Haare aus...

Zum Thema Sonnenbaden: Ich weiß nicht, ob das für die Römer auch schon galt, aber man spricht nicht von ungefähr vom Blauen Blut. Adelige waren Leute, die nicht arbeiten mussten, was auch heißt, dass sie sich nicht der Sonne aussetzen mussten (wie etwa bei Feldarbeit, Fischerei). Blässe (und die Sichtbarkeit von Venen) war lange ein Zeichen von Vornehmheit.

Für Tourismus muss eine Infrastruktur bestehen.

Wenn ich das mal an den spanischen Monarchen festmache: im Mittelalter kannte man das Reisekönigtum, die Monarchen mussten, um a) ihre Herrschaft zu sichern, sich einigermaßen regelmäßig an verschiedenen Orten zeigen und b) sorgten mit ihren Reisen dafür, dass ihr Hofstaat eine Region nicht völlig leerfraß.

In Spanien wurde dann im 16. Jhdt. Madrid gegründet (das stimmt nicht ganz, Madrid gab es schon, war aber völlig unbedeutend). Aus dem Alcázar wurde ein Königspalast gebaut und Philipp II. baute sich einen Sommerpalast/Kloster in San Lorenzo del Escorial. Der mag sowohl seinem Bedürfnis nach religiöser Weltabgeschiedenheit als auch der Flucht aus dem heißen Madrid gedient haben. Denn er lag 400 Meter höher als Madrid. 600 m NN vs. 1000 m NN.

Als 1715 Philipp V. aus dem Haus Bourbon nach Spanien kam, ließ er neue Paläste errichten. Den von La Granja de San Ildefonso z.B., der liegt auf 1.200 m NN.

Der Palast von Madrid brannte ab (es gab Gerüchte, dass da nachgeholfen wurde, da Phillip V. den alten Habsburger-Palast nicht besonders schätzte, dagegen spricht aber, dass viele wertvolle Kunstwerke und auch einige Aktenbestände in dem Feuer verloren gingen) und wurde neu errichtet.

Aranjuez hingegen liegt auf 500 m NN. Hier ging man nicht im Sommer, sondern im Frühjahr hin.

Auf Philipps II. letzter Reise brauchte man sechs Tage von Madrid nach San Lorenzo, das lag allerdings auch an dem schlechten Gesundheitszustand Philipps, der in einer Sänfte getragen wurde. Mit dem Auto braucht man heute gut 40 Minuten.

Diese ganzen Paläste rund um Madrid (vor allem eben der Palast in Madrid, Aranjuez und La Granja) wurden bis ins 19. Jhdt. genutzt. Die Navigatorenschule in Sevilla wurde für die Schwester der Königin Isabel II. zum Palast ausgebaut (vor allem, um deren ehrgeizigen, nach der Krone schielenden Ehemann vom Geschehen fernzuhalten). Erst im ausgehenden 19. Jhdt. mit der späten Industrialisierung Spaniens und dem infrastrukturellen Ausbau wurde an der Concha von San Sebastián ein im englischen Tudor-Stil gehaltener „Palast“ errichtet, der Sommerfrische am Meer erlaubte.

Es fand damals ein Paradigmenwechsel statt: immer weniger Leute arbeiteten auf Feldern und Fischerbooten, immer mehr in Bergwerken und Fabriken, vornehme Blässe war kein Distinktionsmerkmal mehr und (weniger in Spanien als in Mittel- und Nordeuropa) Sonnenbräune wurde zum Merkmal, dass man sich Reisen bzw. Zeit an der Sonne leisten konnte.
 
Baden im Meer...
M.W. ging das wohl für Europa in England los.
Auf Anraten der Hofärzte badeten so ab 1751 Fürsten im Meer.

In Deutschland ging das wohl 1793 los.
Friedrich Franz I., Herzog von Mecklenburg-Schwerin, stieg mit seinem Gefolge auf Anraten seines Leibarztes Professor Samuel Gottlieb Vogel in die Fluten.

Das 1. Seebad war in Doberan & Heiligendamm.
Hier dann zur Chronologie der ersten deutschen Seebäder:

https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Die-Entstehung-der-deutschen-Seebaeder,badekultur110.html

Und hier etwas zur Deutschen Historie:

https://www.ndr.de/geschichte/chron...ekultur-in-Norddeutschland,badekultur100.html
 
https://www.handelsblatt.com/arts_u...n über 80 Prozent,noch Ende der 1980er Jahre.

Zu Beginn des 20. Jhdt. konnten laut diesem Artikel nur 3% der Deutschen schwimmen! Doch das scheint eher einen Tiefpunkt in der Geschichte der Verbreitung darzustellen. Ich meine, dass Baden als weit verbreitete Freizeit- oder Kuranwendung voraussetzt, dass die Menschen schwimmen können. Sonst wird es absurd.

Dieser Artikel mit vielen Abbildungen erzählt die Geschichte des Schwimmens und auch des Badens.
https://www.gruberei.ch/web/P_Schwimmen/GeschichteSchwimmen.htm

In der Antike mussten römische Legionäre schwimmen können.

Lustig finde ich die Badekarren des 18. und 19. Jhdt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Badekarre

Badekarre.JPG
 
Karl Maria von Weber fiel im ersten Drittel des 19. Jhs. abgesehen von seinen Kompositionen dadurch auf, dass er in der Elbe (Anfang sächsische Schweiz) badete und einmal von einem Fischer gerettet werden musste (sonst hätten wir keinen Freischütz) - das Baden in Flüssen in D (Rhein, Elbe, Weser) in geschützten Bereichen (geringe Strömung, abseits der Schiffahrt) kam Ende des 19. Jhs. als Folge der schon länger etablierten und prosperierenden Seebäder an Nord- und Ostsee (vornehmlich auf den Inseln) auf.

Ähnlich in England, wo das Baden im Meer (Seebäder) auch im 19. Jh. Mode wurde. Auf der Kanalinsel Jersey baute man Ende 19. Jh. einen Mauerring in den Gezeitenstrand, um unabhängig von Ebbe und Flut jederzeit baden/schwimmen zu können. Interessanterweise etablierte sich das Baden gehen an den oberitalienischen Seen und auf Madeira im Gefolge der britischen upper class Villen im 19. Jh.

Die enorm geringe Prozentzahl an Schwimmern, die enorm hohe an Nichtschwimmern im 19. Jh. könnte fälschlich aufgefasst werden: die vielen wohlbestallten Nichtschwimmer/innen des gehobenen Bürgertums planschten mit Badewagen & Co. im flachen Wasser der Strände der See- und Kaiserbäder. Die See- und Kaiserbäder mit ihrem upper class Tourismus florierten seit Beginn des 19. Jhs.
 
Bis zum 22.08.2023 gibt es auf arte eine Doku "Mythos Côte d'Azur". Dort wird dargestellt, dass die ersten Gäste im 19.Jahrhundert - vor allem russische Aristokraten - im Winterhalbjahr anreisten und monatelang blieben, um zu überwintern. Man badete jedoch nicht am Strand - allenfalls in hoteleigenen Pools.
Echtes Strandleben mit Baden und Strandkörben scheint sich dort, erst nach dem 1.Weltkrieg mit reichen Amerikanern etabilliert zu haben, die dann auch die Sommermonate als Reisezeit nicht mieden.
Mythos Côte d'Azur - Liebe, Luxus, Leidenschaft - Die ganze Doku | ARTE
Gut möglich, dass die Côte d'Azur damit nicht zu den Vorreitern des Strandurlaubs im heutigen Sinn gehört.

Das Baden im Berliner Wannsee wurde 1906 erlaubt und zog viele Berliner an, die sich eine "Sommerfrische" an Nord- oder Ostsee nicht leisten konnten. Da das Baden für die damalige Zeit relativ freizügig praktiziert wurde, erichtete man 1909 Umkleidekabinen.
 
Vladimir Nabokov berichtet in seiner Autobiographie "Erinnerung sprich" von einem Urlaub in Biarritz 1907. Im Vorwort schreibt er, dass dies einer von sieben Badeurlaube seiner Familie war. Er erwähnt auch einen Aufenthalt in Biarritz 1905 sowie eine Reise seiner Eltern 1897 nach Stresa.

Die Badeprozedur spielte sich an einem anderen Teil des Strandes ab. Berufsmäßige Bademeister, stämmige Basken in schwarzen Badenanzügen, waren zur Stelle um die Damen und Kindern behilflich zu sein, sich der Schrecken der Brandung zu erfreuen. Ein solcher baigneur stellte den client mit dem Rücken zur heranrollenden Welle und hielt ihn an der Hand, wenn der steigende, wirbelnde Schwall schäumenden grünes Wasser von hinten auf einen niederging und den Füßen mit einem mächtigen Schlag den Halt nahm. Nach einerm Dutzend derartiger Stürze führte der baigneur, selber glänzend wie ein Seehund, seinen keuchenden, fröstelnden feucht schnüffelnden Schützling landwärts zum flachen Strand ...

Hamburg 1995
 
Seit wann sollten eigentlich Schulen nach Möglichkeit das Schwimmen vermitteln? Mir wurde von schulischem Schwimmunterricht aus den 30ern berichtet, ich kann aber nicht sagen, ob das eine Ausnahme war.
 
@flavius-sterius schön, dass du Nabokov erwähnst: beim Autor der skandalumwitterten Lolita wird manchmal seine russische Herkunft übersehen. Bzgl. russ. Autoren:
Anton Chechov lebte zeitweilig in einem Badeort, nämlich Taganrok am schwarzen Meer, und beschreibt en passent das Badeleben in einem solchen in seiner Erzählung die Dame mit dem Hündchen.
Maxim Gorki wurde das Kur/Badeleben ärztlich angeraten, er lebte längere Zeiträume im Kaiserbad Heringsdorf auf Usedom.
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zweimal Seebad-Badeleben bei Thomas Mann:
Buddenbrooks (1901) spielt 1835-77, das Badeleben im Seebad Travemünde (ab 1802 Seebad) wird im Roman zweimal als Kulisse der Handlung beschrieben, schwimmen zu gehen erscheint hier noch als abenteuerlich/wagemutig/sportlich - das baden/schwimmen am Lido von Venedig ist dann 1911/13 schon selbstverständlich in der Novelle Tod in Venedig
 
Die römische Oberschicht hatte ab der spätrepublikanischen Zeit zwar schon Villen am Meer, etwa in Baia, aber haben die Aristokraten sich auch an den Strand gelegt?

(Hervorhebung durch mich.)

Gelegt sicher nicht, dass zerstört nur den edlen blassen Teint...

Die Beliebtheit von Stränden hängt mit der Entwicklung des Tourismus zusammen, und der entstand letztlich im Laufe des 19. Jh.; Beispiele sind Seebäder wie Bath in England oder der Timmendorfer Strand an der Ostsee.

Ich würd davon ausgehen, dass nette, sichere Badestellen schon immer von Menschen zum Schwimmen & Baden genutzt wurden, aber davon hatten lange Zeit nur die Menschen in nächster Umgebung was, und prestigeträchtig wars auch nicht.

Seit wann sollten eigentlich Schulen nach Möglichkeit das Schwimmen vermitteln? Mir wurde von schulischem Schwimmunterricht aus den 30ern berichtet, ich kann aber nicht sagen, ob das eine Ausnahme war.

Das dürfte va eine praktische Frage gewesen sein. Die Idee, durch Schwimmunterricht Unfälle zu verhindern, gab es schon vor den 30ern, aber um das in den Schulen umzusezuen muss es genug Schwimmbäder in hinreichender Nähe geben. Im privaten, nicht-schulischen Bereich mag da die geschichte der DLRG Aufschluss geben.
 
Zum Thema Schwimmen in der griechischen Antike s. Tonio Hölscher, Der Taucher von Paestum. Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland. Stuttgart, Klett-Cotta 2021; ein auch ansonsten sehr lesenswertes Buch.
 
Zum Thema passt auch m.E.:
„ ...
Und sieh! aus dem finster flutenden Schoss,
Da hebet sich's schwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ist's, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.
... “
 
Zum Thema Schwimmen in der griechischen Antike s. Tonio Hölscher, Der Taucher von Paestum. Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland. Stuttgart, Klett-Cotta 2021; ein auch ansonsten sehr lesenswertes Buch.
Schwimmen an sich kommt auch in der Vita des Hl. Columban vor. Als Columban an den „Fluss Ness“ kommt, schreibt Andomnan, war ein Mann von e8nem Flussmonster angegriffen worden. Er lag, umringt von anderen „Heiden“ tot am Ufer und sein Boot war noch auf dem Fluss. Columban befahl einem seiner Begleiter, einem jungen Mönch (Lugne Mocumin), das Boot zu holen. Der sprang ins Wasser, und schwamm los. Das Monster, dass seinen Leckerbissen verloren hatte, schnappte nach diesem jungen Mönch, aber Columban schlug das Kreuz und das Monster verschwand (bis 1931) und die Heiden waren begeistert von der Macht des Christengottes.

ALIO quoque in tempore, cum vir beatus in Pictorum provincia per aliquot moraretur dies, necesse habuit fluvium transire Nesam: ad cujus cum accessisset ripam, alios ex accolis aspicit misellum humantes homunculum; quem, ut ipsi sepultores ferebant, quaedam paulo ante nantem aquatilis praeripiens bestia morsu momordit saevissimo: cujus miserum cadaver, sero licet, quidam in alno subvenientes porrectis praeripuere uncinis. Vir e contra beatus, haec audiens, praecipit ut aliquis ex comitibus enatans, caupallum, in altera stantem ripa, ad se navigando reducat. Quo sancti audito praedicabilis viri praecepto, Lugneus Mocumin, nihil moratus, obsecundans, depositis excepta vestimentis tunica, immittit se in aquas. Sed bellua, quae prius non tam satiata, quam in praedam accensa, in profundo fluminis latitabat, sentiens eo nante turbatam supra aquam, subito emergens, natatilis ad hominem in medio natantem alveo, cum ingenti fremitu, aperto cucurrit ore. Vir tum beautus videns, omnibus qui inerant, tam barbaris quam etiam fratribus, nimio terrore perculsis, cum salutare, sancta elevata manu, in vacuo aere crucis pinxisset signum, invocato Dei nomine, feroci imperavit bestiae dicens, ‘Noles ultra progredi, nec hominem tangas; retro citius revertere.’ Tum vero bestia, hac Sancti audita voce, retrorsum, ac si funibus retraheretur, velociori recursu fugit tremefacta: quae prius Lugneo nanti eo usque appropinquavit, ut hominem inter et bestiam non amplius esset quam unius contuli longitudo. Fratres tum, recessisse videntes bestiam, Lugneumque commilitonem ad eos intactum et incolumem in navicula reversum, cum ingenti admiratione glorificaverunt Deum in beato viro. Sed et gentiles barbari, qui ad praesens inerant, ejusdem miraculi magnitudine, quod et ipsi viderant, compulsi, Deum magnificaverunt Christianorum.​
 
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Zum Thema Schwimmen in der griechischen Antike s. Tonio Hölscher, Der Taucher von Paestum. Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland. Stuttgart, Klett-Cotta 2021; ein auch ansonsten sehr lesenswertes Buch.
Schwimmen an sich kommt auch in der Vita des Hl. Columban vor. Als Columban an den „Fluss Ness“ kommt, schreibt Andomnan, war ein Mann von e8nem Flussmonster angegriffen worden. Er lag, umringt von anderen „Heiden“ tot am Ufer und sein Boot war noch auf dem Fluss. Columban befahl einem seiner Begleiter, einem jungen Mönch (Lugne Mocumin), das Boot zu holen. Der sprang ins Wasser, und schwamm los. Das Monster, dass seinen Leckerbissen verloren hatte, schnappte nach diesem jungen Mönch, aber Columban schlug das Kreuz und das Monster verschwand (bis 1931) und die Heiden waren begeistert von der Macht des Christengottes.
 
Potztausend! Wenn der fromme Mann tatsächlich das Ungeheuer von Loch Ness allein mit einem schlichten Kreuzzeichen vertrieben hat, dann konnte auf dieses Wunder nur die Heiligsprechung folgen.
Leicht Off topic, aber ich kann euch diese Legende nicht vorenthalten.
Die Heilige Margareta hat Kraft ihres Glaubens ein ähnliches Wunder vollbracht wie der Hl. Columban, und auch in ihrem Fall war die Heiligsprechung völlig logische Konsequenz. In ihrer Zelle erschien ihr der Teufel in Gestalt eines Drachens, der sie zu verschlingen drohte! Als sie ihm ihr Kreuz entgegenhielt, zersprang er in tausend Stücke.
 
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