Ein Beispiel, wie sich Geschichtswahrnehmung über die Jahrzehnte verändert, etwas simplifiziert aber nichtsdestowenigertrotz korrekt:
In den ersten Jahrzehnten hat man die NS-Zeit und die vorangehenden Straßenkämpfe der Weimarer Republik allenfalls stiefmütterlich behandelt. Eine echte Auseinandersetzung mit der NS-Zeit fand allenfalls vor den Entnazifizierungekommissionen statt oder vor Gericht (Auschwitzprozesse, Einsatzgruppenprozesse), im Übrigen versuchte man jedoch, eine Auseinandersetzung möglichst zu umgehen.
Und man muss auch sagen, dass die Einstufung von der Kommission auch die wirtschaftlichen Interessen der Menschen berührte. Wer in der "falschen" Gruppe landete, hatte ein Anrecht auf ein öffentliches Amt, ein Unternehmen zu führen, Rente und die meisten Sozialleistungen verwirkt.
In Teilen hält das bis heute an, man denke etwa an die Empörung, die bei der Wehrmachtsausstellung geäußert wurde oder - insbesondere im ländlichen Raum, wo es weniger anonym ist, an die Schweigekartelle. Die Nazis, das waren immer die Führungsclique und ein paar Parteisoldaten bzw. SS und Gestapo. Also "die anderen". Aber "wir" doch nicht.
Was es natürlich gab in den ersten Jahren nach dem Krieg, waren Erinnerungsgemeinschaften, die sich untereinander versicherten. Wir können heute von Polizeieinheiten nachweisen, dass diese für den Fall einer Anklage richtiggehend Aussagen und Alibis organisierten, dass sich die einzelnen Mitglieder eines Batallions nicht verplapperten.
In der damaligen Wahrnehmung aber war Geschichte vor allem eines, nämlich Männersache.
Mitte der 60er Jahre kommt erstmal eine etwas breitere gesellschaftliceh Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Klassisch wird das mit der sogenannten 68er-Generation verbunden (die mehr Mythos und mittlerweile auch von vielen Feindbild ist). Im Zuge der zumindest öffentlichkeitswirksam verbreiteten linken Ideologeme dieser Zeit erinnerten sich die Frauen auch wieder der Emanzipation. Da alles unter dem Aspekt der Herrschaft wahrgenommen wurde, wurde auch in der damls eher noch nicht institutionalisierten Geschlechtergeschichte, die damals wie heute vorwiegend von Frauen betrieben wurde, alles unter dem Aspekt der Herrschaft wahrgenommen: Nämlich der Herrschaft des Mannes über die Frau. Frauen seien in erster Linie Opfer der Nazis gewesen.
Mittlerweile - und hier komme ich auch auf das eigentliche Threadthema der Straßen- und Saalschlachten in der WR zu sprechen - ist die Geschlechtergeschichte institutionalisiert und man sieht das mit der Rolle der Frau sehr viel differenzierter. Ja, sogar so, dass die Frauen nur als Opfer wahrzunehmen auch eine Form des Sexismus ist.
Dass die Nazis eine gewisse Rollenverteilung wünschten und, einmal an die Macht gekommen, viele der Freiheiten, welche sich die Frauen erkämpft hatten wieder einschränkten, Frauen aus dem Berufsleben an den Herd verbannten und in ihnen in erster Linie Gebärmaschinen sahen (man denke nur an das bronzene, silberne und goldene Mutterkreuz, eine Art Militarisierung der Mutterschaft), steht dabei außer Frage. Nichtsdestotrotz waren Frauen eben nicht nur unterdrückte Opfer der Nazis, nein, sie waren auch Täterinnen. Dabei muss man gar nicht an Frauen des SS-Helferinnen-Korps denken, etwa Ruth Neudeck, sondern kann viel früher, eben bereits in der WR ansetzen. Die Republik hatte den Frauen das Wahlrecht gebracht, aber Untersuchungen zufolge wählten gerade Frauen überdurchschnittlich häufig antirepublikanisch (meist wohl eher monarchistisch als völkisch, nämlich DNVP).*
Nach den ersten Erfahrungen mit Straßenschlachten in der Weimarer Republik wurden Teilnehmer von Demonstrationszügen dann von der Polizei verstärkt nach Waffen durchsucht (Messer, Pistolen, Schlagstöcke bzw. -ringe). Hier kamen dann die Frauen ins Spiel, welche unter das schaulustige Publikum gemischt die Waffen mit sich führten, die dann im späteren Verlauf des Tages bei Straßen- und Saalschlachten Verwendung fanden. Nebenbei führten sie auch gut organisiert Näh- und Verbandszeug mit sich, um Wunden und Risse an der Kleidung schnell versorgen zu können.
*Die KPD als antirepublikanische linke Partei scheint bei Frauen dagegen nicht sehr einflussreich gewesen zu sein, von Thälmann ist der Spruch überliefert - und offenbar war er sich der Doppeldeutigkeit nicht einmal bewusst -, dass man die Frauen mit den unteren Organen bearbeiten solle.
In den ersten Jahrzehnten hat man die NS-Zeit und die vorangehenden Straßenkämpfe der Weimarer Republik allenfalls stiefmütterlich behandelt. Eine echte Auseinandersetzung mit der NS-Zeit fand allenfalls vor den Entnazifizierungekommissionen statt oder vor Gericht (Auschwitzprozesse, Einsatzgruppenprozesse), im Übrigen versuchte man jedoch, eine Auseinandersetzung möglichst zu umgehen.
Und man muss auch sagen, dass die Einstufung von der Kommission auch die wirtschaftlichen Interessen der Menschen berührte. Wer in der "falschen" Gruppe landete, hatte ein Anrecht auf ein öffentliches Amt, ein Unternehmen zu führen, Rente und die meisten Sozialleistungen verwirkt.
In Teilen hält das bis heute an, man denke etwa an die Empörung, die bei der Wehrmachtsausstellung geäußert wurde oder - insbesondere im ländlichen Raum, wo es weniger anonym ist, an die Schweigekartelle. Die Nazis, das waren immer die Führungsclique und ein paar Parteisoldaten bzw. SS und Gestapo. Also "die anderen". Aber "wir" doch nicht.
Was es natürlich gab in den ersten Jahren nach dem Krieg, waren Erinnerungsgemeinschaften, die sich untereinander versicherten. Wir können heute von Polizeieinheiten nachweisen, dass diese für den Fall einer Anklage richtiggehend Aussagen und Alibis organisierten, dass sich die einzelnen Mitglieder eines Batallions nicht verplapperten.
In der damaligen Wahrnehmung aber war Geschichte vor allem eines, nämlich Männersache.
Mitte der 60er Jahre kommt erstmal eine etwas breitere gesellschaftliceh Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Klassisch wird das mit der sogenannten 68er-Generation verbunden (die mehr Mythos und mittlerweile auch von vielen Feindbild ist). Im Zuge der zumindest öffentlichkeitswirksam verbreiteten linken Ideologeme dieser Zeit erinnerten sich die Frauen auch wieder der Emanzipation. Da alles unter dem Aspekt der Herrschaft wahrgenommen wurde, wurde auch in der damls eher noch nicht institutionalisierten Geschlechtergeschichte, die damals wie heute vorwiegend von Frauen betrieben wurde, alles unter dem Aspekt der Herrschaft wahrgenommen: Nämlich der Herrschaft des Mannes über die Frau. Frauen seien in erster Linie Opfer der Nazis gewesen.
Mittlerweile - und hier komme ich auch auf das eigentliche Threadthema der Straßen- und Saalschlachten in der WR zu sprechen - ist die Geschlechtergeschichte institutionalisiert und man sieht das mit der Rolle der Frau sehr viel differenzierter. Ja, sogar so, dass die Frauen nur als Opfer wahrzunehmen auch eine Form des Sexismus ist.
Dass die Nazis eine gewisse Rollenverteilung wünschten und, einmal an die Macht gekommen, viele der Freiheiten, welche sich die Frauen erkämpft hatten wieder einschränkten, Frauen aus dem Berufsleben an den Herd verbannten und in ihnen in erster Linie Gebärmaschinen sahen (man denke nur an das bronzene, silberne und goldene Mutterkreuz, eine Art Militarisierung der Mutterschaft), steht dabei außer Frage. Nichtsdestotrotz waren Frauen eben nicht nur unterdrückte Opfer der Nazis, nein, sie waren auch Täterinnen. Dabei muss man gar nicht an Frauen des SS-Helferinnen-Korps denken, etwa Ruth Neudeck, sondern kann viel früher, eben bereits in der WR ansetzen. Die Republik hatte den Frauen das Wahlrecht gebracht, aber Untersuchungen zufolge wählten gerade Frauen überdurchschnittlich häufig antirepublikanisch (meist wohl eher monarchistisch als völkisch, nämlich DNVP).*
Nach den ersten Erfahrungen mit Straßenschlachten in der Weimarer Republik wurden Teilnehmer von Demonstrationszügen dann von der Polizei verstärkt nach Waffen durchsucht (Messer, Pistolen, Schlagstöcke bzw. -ringe). Hier kamen dann die Frauen ins Spiel, welche unter das schaulustige Publikum gemischt die Waffen mit sich führten, die dann im späteren Verlauf des Tages bei Straßen- und Saalschlachten Verwendung fanden. Nebenbei führten sie auch gut organisiert Näh- und Verbandszeug mit sich, um Wunden und Risse an der Kleidung schnell versorgen zu können.
*Die KPD als antirepublikanische linke Partei scheint bei Frauen dagegen nicht sehr einflussreich gewesen zu sein, von Thälmann ist der Spruch überliefert - und offenbar war er sich der Doppeldeutigkeit nicht einmal bewusst -, dass man die Frauen mit den unteren Organen bearbeiten solle.