Streitwagen und ihre Bedeutung für die Kriegskunst

Danke für deinen ausführlichen Beitrag, Biturigos. Für mich stellen Streitwagen immer wieder ein Rätsel da. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass wir es mit einem relativ brüchigen Gespann zu tun haben, das mutmaßlich mit einer relativ hohen Geschwindigkeit über das Schlachtfeld brauste (so zumindest interpretiere ich die vorgeschichtlichen Darstellungen und alles andere wäre ja auch irgendwie witzlos, da teuer und keinen militärischen Vorteil bringend), das eben nicht einer modernen Teer- (oder Beton-)Straße mit plattgewalzter Oberfläche entsprach. Nun gibt es beispielsweise in der syrischen Wüste freilich Gebiete, die an die norddeutsche Tiefebene erinnern, dennoch, in einer Schlacht war natürlich Multitasking gefragt. Ansonsten ging es der Besatzung so, wie im Lied von Wizo: "Ein Stein lag mitten auf dem Weg und du hast ihn zu spät gesehen, er war nicht groß, doch hat gereicht, dein ganzes Leben umzudrehen..."
 
Wenn beide Seiten Streitwagen einsetzen, wird ein Gefecht eben fast zwangsläufig auf geeignetem Gelände ausgetragen :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das wäre doch eine wesentlich einfachere Erklärung. Das lange Beibehalten von Streitwagen in einigen Kulturen muss natürlich anders erklärt werden. Zur Zeit Cäsars war das Reiten ja keine Geheimwissenschaft mehr.
Auch wenn in allen Historienschinken Streiwagen, bei den Römern herumfahren, wurden diese zu deren Zeiten eher als Sportgeräte für Rennfahrten im Circus und als Gefährte für den siegreichen Feldherren im Triumphzug eingesetzt als für Schlachten.
 
Und, wie wir von Sueton wissen, durch einige Verkehrsrowdies aus der Oberschicht, gewissermaßen die antike Tuning-Szene.

Wenn beide Seiten Streitwagen einsetzen, wird ein Gefecht eben fast zwangsläufig auf geeignetem Gelände ausgetragen ;)
Ich übersehe jetzt mal den Smilie: Vorher hat man friedlich gemeinsam alle Steine vom Schlachtfeld entfernt?
 
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Vorher hat man friedlich gemeinsam alle Steine vom Schlachtfeld entfernt?
(Smiley korrigiert)
Das glaub ich weniger.
Aber die mangelnde Geländegängigkeit wurde durch die beiderseits notwendige Geländeauswahl sicher teilweise kompensiert. Dass das Fahren mit den Dingern, gerade wenn es schnell gehen musste, allein für sich schon abenteuerlich gewesen sein dürfte steht außer Frage.
 
Aber die mangelnde Geländegängigkeit wurde durch die beiderseits notwendige Geländeauswahl sicher teilweise kompensiert.
Auf der britischen Insel müssen sie wohl doch geländegängig gewesen sein, denn laut Caesar benutzten die Kelten diese Gefährte mit ziemlichem Geschick und ein wüstenartiges Gelände war sicher nicht vorhanden.
Zitat Wikipedia, Essedum: " Schon allein das laute Getöse der Räder sorgt für eine erste Verwirrung. Dann fahren die Wagenkämpfer auf dem gesamten Schlachtfeld in alle Richtungen und schleudern ihre Wurfgeschosse. Danach springt der Krieger auf die Erde und kämpft zu Fuß weiter, währenddessen der Wagenlenker etwas aus dem Kampfgeschehen herausfährt und sich so aufstellt, dass er von dort jederzeit wieder zurückkehren kann, um den Kämpfer abzuholen und aus der Gefahrenzone herauszuholen. In dieser Weise kann der Wagenlenker auch Ersatz in die Schlacht bringen. Dabei sind die Fahrer so geschickt, dass sie auch auf abschüssigem Gelände den Wagen manövrieren können. Außerdem berichtet Caesar, dass die Besatzungen, wenn erforderlich, über die Deichsel bis zum Joch vor- und wieder zurücklaufen konnten."
 
Südengland ist recht hügelig (aber meist sanft). In den Marschen würde ein solcher Wagen nicht vorwärts kommen.
 
Südengland ist recht hügelig (aber meist sanft). In den Marschen würde ein solcher Wagen nicht vorwärts kommen.
Leicht hügelig ist sicher günstiger als Gebirge oder Sümpfe aber es gab keine Straßen und das Gelände war mit Vegetation, wie Bäumen ,Sträuchern bewachsen , was geländegängige Wagen erforderlich machte.
 
Außer vielleicht dem Beeindrucken auf den ersten Blick kann ich mir keine Vorteile von Streitwagen vorstellen. Die Geschwindigkeit der Streitwagen muss jedenfalls langsamer gewesen sein, als die der Reiter; sie steigt nicht mit der Anzahl der Pferde, mag ein Streitwagen mit vier Pferden noch so toll aussehen. Und in nassen Gegenden muss der Einsatz von Streitwagen im Kampf beinahe idiotisch gewesen sein, wäre der Mensch nicht so leicht zu beeindrucken.
So vermute ich, dass die Vorliebe für Streitwagen von Machtanspruch und einer gehörigen Portion Imponiergehabe getragen wurde (schaut doch, wie ich mich auf diesem wackelnden Ding halten kann). Da der Potentere aggressiver und gefährlicher ist, ist die Nutzlosigkeit des Streitwagens zweitrangig; er war per se nicht erfolgbringend, wurde aber von den Erfolgreicheren verwendet.
 
Wer ist denn hier der Reiterei kundig und kann uns etwas über das Reiten ohne Steigbügel sagen ? Das war vermutlich auch eine recht sportliche Angelegenheit.
Wikipedia:
Reiterdarstellungen im indischen Mathura, aus der Zeit um 50 v. Chr., gelten als ältester Beleg für die Benutzung von Steigbügeln, noch in Form von Schlaufen oder Haken. Hölzerne und metallene Ausführungen wurden dann im 4.-5. Jh. n. Chr. in China erfunden und verbreiteten sich im 5. Jh. nach Japan und Korea. Nach Europa gelangte der Steigbügel mit dem Vordringen der Awaren.[2]

Die früheste bekannte Erwähnung von Steigbügeln in einer abendländischen Quelle findet sich im Strategikon des Maurikios, das um 600 entstand, als sich Oströmer und Awaren heftige Kämpfe lieferten.

Da ist ein Wagen mit einem spezialisierten Fahrer und einem ebenso professionellen Schützen wohl nicht zwangsläufig hoffnungslos im Nachteil.
 
Da ist ein Wagen mit einem spezialisierten Fahrer und einem ebenso professionellen Schützen wohl nicht zwangsläufig hoffnungslos im Nachteil.
Da zu Caesars Zeit die römischen Legionen zum nicht unwesentlichen Teil zu Fuß kämpften, konnte ein Gegner auf einem Wagen durchaus im Vorteil sein.
 
Außer vielleicht dem Beeindrucken auf den ersten Blick kann ich mir keine Vorteile von Streitwagen vorstellen. Die Geschwindigkeit der Streitwagen muss jedenfalls langsamer gewesen sein, als die der Reiter; sie steigt nicht mit der Anzahl der Pferde, mag ein Streitwagen mit vier Pferden noch so toll aussehen.
und weil die Wagen so langsam waren, waren die Römer ganz verrückt auf Wagenrennen :) Es gab auch Rennen mit Reitern, was aber offenbar nicht den gleichen Nervenkitzel bot wie diese mit Wagen.
 
Wer ist denn hier der Reiterei kundig und kann uns etwas über das Reiten ohne Steigbügel sagen ? Das war vermutlich auch eine recht sportliche Angelegenheit.
Wikipedia:

Sehr zum Thema zu empfehlen ist der im Forum schon mehrfach zitierte Drews, Early Riders (nur randweise Anthony, Horse, Wheel and Language), dann zur Antike Sidnells Standardwerk Warhorse, und zu den Streitwagen in unterschiedlichen Zeiträumen, Kulturen und Regionen gibt es ebenfalls gute Darstellungen.
 
@ Galeotto: Wenn ich von Caesar schreibe, meine ich welche Streitwagen? Ein Tipp: Im Thread sind Bilder von Rekonstruktionen, die sowohl aufgrund von Funden, als auch nach Bildquellen wie Münzen gemacht angefertigt wurden. Früher nahm man noch Irische Sagen dazu, insbesondere, um die Farbgebung zu rechtfertigen, ob das letztere heute immer noch der Fall ist, kann ich nicht sagen.

Da gab es diese Leute auf dieser Insel, die nach der berühmten Asterix-Quelle jeden Nachmittag heißes Wasser tranken und deren Adel Streitwagen fuhr, wie Caesar nicht nur ausdrücklich erwähnt, sondern auch beschreibt. Er sagt auch, dass die Streitwagen äußerst geländegängig waren.

Im Prinzip sagt er, dass die Wagen zum Plänkeln dienten, dann mit den Reitern vorgingen, bei deren Angriff die Adligen Krieger vom Streitwagen stiegen und zu Fuß kämpften, während die Wagenlenker in einer Position blieben, dass der Krieger sich leicht zurückziehen konnte. In den deutschen Übersetzungen wird meist interpretiert, dass die Streitwagen in die Reihen der gegnerischen Reiterei eindringen, wo der Krieger zum Kampf absteigt, nicht, dass sie mit der eigenen Reiterei vordringen. Es gibt aber auch die andere Ansicht. Dass ich die zuerst nenne, soll keine Wertung sein.

In IV, 24 des Gallischen Kriegs schildert Caesar, dass die Römer schon bei der Landung von Streitwagen, die die Vorhut bilden, angegriffen werden. In IV, 32 wird eine fouragierende Legion insbesondere auch von Wagenkästen und Reitern überfallen, worauf hin er IV, 33 die berühmte, oben grob skizzierte Schilderung des Streitwagengebrauchs gibt und IV, 34 sagt: "Unter diesen Umständen, da unsere Leute durch die nie gesehene Kampfart in Verwirrung waren, kam Cäsar gerade zur rechten Zeit zur Hilfe." (Nach der Übersetzung von Haus, neugefasst durch Hess.) Wie war das noch? Zauberer kommen nie zu spät? Nun, dennoch haben wir hier eine unzweideutige Quelle, die den Einsatz von Streitwagen nicht nur bestätigt, sondern auch -nicht ganz so unzweideutig- beschreibt.
 
Auf der britischen Insel müssen sie wohl doch geländegängig gewesen sein, denn laut Caesar benutzten die Kelten diese Gefährte mit ziemlichem Geschick und ein wüstenartiges Gelände war sicher nicht vorhanden.
Zitat Wikipedia, Essedum: " Schon allein das laute Getöse der Räder sorgt für eine erste Verwirrung. Dann fahren die Wagenkämpfer auf dem gesamten Schlachtfeld in alle Richtungen und schleudern ihre Wurfgeschosse. Danach springt der Krieger auf die Erde und kämpft zu Fuß weiter, währenddessen der Wagenlenker etwas aus dem Kampfgeschehen herausfährt und sich so aufstellt, dass er von dort jederzeit wieder zurückkehren kann, um den Kämpfer abzuholen und aus der Gefahrenzone herauszuholen. In dieser Weise kann der Wagenlenker auch Ersatz in die Schlacht bringen. Dabei sind die Fahrer so geschickt, dass sie auch auf abschüssigem Gelände den Wagen manövrieren können. Außerdem berichtet Caesar, dass die Besatzungen, wenn erforderlich, über die Deichsel bis zum Joch vor- und wieder zurücklaufen konnten."
Ich sehe erst jetzt, dass Du doch noch darauf gekommen bist. Das Wikipedia-Zitat ist eine ausschreibende Nacherzählung der Stellen bei Caesar, also mit Vorsicht zu genießen.

@ El Quijote: Caesar hat sich den Gefallen (Wäre es das gewesen?) nicht getan, die Kämpfe in die Marschen zu verlegen, wurde dafür noch im Wasser von Reiterei angegriffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Außer vielleicht dem Beeindrucken auf den ersten Blick kann ich mir keine Vorteile von Streitwagen vorstellen. Die Geschwindigkeit der Streitwagen muss jedenfalls langsamer gewesen sein, als die der Reiter; sie steigt nicht mit der Anzahl der Pferde, mag ein Streitwagen mit vier Pferden noch so toll aussehen. Und in nassen Gegenden muss der Einsatz von Streitwagen im Kampf beinahe idiotisch gewesen sein, wäre der Mensch nicht so leicht zu beeindrucken.
So vermute ich, dass die Vorliebe für Streitwagen von Machtanspruch und einer gehörigen Portion Imponiergehabe getragen wurde (schaut doch, wie ich mich auf diesem wackelnden Ding halten kann). Da der Potentere aggressiver und gefährlicher ist, ist die Nutzlosigkeit des Streitwagens zweitrangig; er war per se nicht erfolgbringend, wurde aber von den Erfolgreicheren verwendet.

Auf dem Streitwagen befindet sich nicht nur der Wagenlenker, was ein Vorteil ist. Dass es Situationen gibt, in denen eine Waffe nicht sinnvoll genutzt werden kann, ist kein Argument gegen ihre Brauchbarkeit an anderer Stelle. Antike Schlachten fanden eben nicht bevorzugt in Sümpfen und dergleichen statt.

Und die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass eine Elite fliehen kann, ist auf Dauer auch ein Vorteil. Dass es immer 4 Pferde waren, wage ich zu bezweifeln. Mit 4 losziehen, mit 2 zurückkommen klingt eher glaubhaft.
 
Ein weiterer Text: Die Wagen der Bronzezeit in Mitteleuropa

Reflektiert die technische Entwicklung des Wagenbaus insbesondere in Europa: unsicher ist, so Pare, ob der Streitwagen in Mitteleuropa militärisch während der Bronzezeit auf dem Schlachtfeld verwendet wurde. Angenommen wird für den vierrädrigen Wagen neben der Repräsentation (Prunkwagen) eine religiöse Bedeutung und Symbolik (Radmotiv, Wasservögelsymbolik, Kultwagen), möglichweise waren sie jedoch auch ein Symbol für Herrschaft/Rechtsprechung - Pare schließt dies aus den rituellen Begräbnissen von "Eliten" mit Wagen, Waffen und Trinkgeschirr als immer wiederkehrender Beigabenkombination.
Neben den Beigaben, die auf die Aufgabe als Kriegsführer und Gastgeber hinweisen (Trinkgeschirr,Waffe),diente der Wagen vielleicht als Syrnbol bei richterlichen oder religiösen Funktionen. Dass Rad und Wagen allgemein in den religiösen bzv•.kosmologischen Vorstellungen der Bronzezeit eine große Rolle spielten, zeigt ihre häufige Kombination mit anderen Symbolen wie Wasservogel und Gefäß.
 
Ein Wagen mit vier Rädern ist sicher eher als (Prunk-)Wagen denn als Streitwagen zu werten. Denn die Geländegängigkeit eines Streitwagens hängt direkt mit der Möglichkeit einer Achse zum Ausgleich von Unebenheiten zusammen. Ohne größere Federwege würde ein vierrädriger Wagen immer wieder abheben und auf Bodenwellen aufsetzen. Ein Einachser schaukelt auch und hebt bei Bodenwellen ebenfalls ab, aber die "Einschläge" beim Aufsetzen sind flacher und damit weniger belastend für Mensch und Material.

Die Dynamik kann bei Kinderspielzeug verglichen werden.
 
Und die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass eine Elite fliehen kann, ist auf Dauer auch ein Vorteil. Dass es immer 4 Pferde waren, wage ich zu bezweifeln. Mit 4 losziehen, mit 2 zurückkommen klingt eher glaubhaft.
Höchstens glaubhaft in Situationen, wo man sich die Zeit nehmen konnte, die verletzten Pferde auszuspannen.

Habe mir nun ein enthusiastisches Dok’filmchen über ägyptische Streitwagen angeschaut, wo behauptet wird, der Streitwagen sei für den militärischen Erfolg der Ägypter verantwortlich gewesen. Obwohl mit Superlativen nicht gespart wurde, konnte kein einziger Vorteil des Wagens im Kampf dargelegt werden. Als Argument dienten lediglich paar Filmaufnahmen von heranbrausenden Streitwagen, die viel Staub aufwirbelten, das Ganze mit heroisierender Musik untermalt.

Auf dem Streitwagen befindet sich nicht nur der Wagenlenker, was ein Vorteil ist. Dass es Situationen gibt, in denen eine Waffe nicht sinnvoll genutzt werden kann, ist kein Argument gegen ihre Brauchbarkeit an anderer Stelle. Antike Schlachten fanden eben nicht bevorzugt in Sümpfen und dergleichen statt.
Der größte Nachteil des Streitwagens (nebst der geringeren Wendigkeit und der langsameren Geschwindigkeit gegenüber Reitern[1], was den Streitwagen sogar für die Flucht ungeeignet macht) war die Verletzlichkeit; wurde auch nur ein Pferd verletzt oder ins Stolpern gebracht, bedeutete dies im Kampf sehr wahrscheinlich den Tod des Bogenschützen. Die Angriffsfläche war um ein Vielfaches höher als bei einem Reiter oder einem Fußsoldaten; sie bestand aus Pferd/Pferden, Wagen, Fahrer und dem Schützen selbst. Es war leicht, den Bogenschützen auf dem Wagen mit einem einzigen Speerwurf oder Pfeil, oder gar mit einem handlichen Steinschleuder auszuschalten.

Experimente mit Kampffuhrwerken gab es ja auch in der Frühen Neuzeit, erwiesen sich aber allesamt als unbrauchbar. Warum soll also der Kampfwagen der Antike mehr Sinn gemacht haben? Der Kampfwagen war schlicht ein Statussymbol, mehr nicht.

1. (@ Galeotto) Dass die Römer Wagenrennen liebten, zeugt mehr von der Gefährlichkeit der Vehikel als von deren überlegenen Geschwindigkeit. :p
 
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