Tafelkultur des Spätmittelalters

Und jetzt mal in der Praxis...
Wie würde ich persönlich so ein modernes (Spät)Mittelalter - "Ritteressen" anno 1325 konkret gestalten?

1). Die Gäste kommen rein, setzen sich hin und finden vor sich, von links nach rechts; eine große rechteckig gefaltete Serviette, Trinkglas, Essmesser, Holzlöffel, und überall am Tisch viele runde Brötchen sowie ein Paar Krüge mit Getränken. Zwischen Glas und Messer genug Platz zum Schneiden von Brötchen lassen. Im Raum wären etliche Töpfe mit Basilikum als "Lufterfrischer" vorhanden.

2). Zuerst werden individuelle Schalen mit "Mus" aufgetragen, und zwar mit seiner bekanntesten modernen Entsprechung - der klassischen Hühnerfrikassee! Auch als Blamensir ( Wilt du machen einen blamensir ) in dem "Buch von Guter Speise" erkennbar. Die Leute kennen es, schmeckt lecker. Der bekannte moderne Erbsen-Eintopf aus der Konserve schlägt in die selbe Bresche.

3). Sofort danach den Rest auftragen; Lachsstücke im Teigmantel (~ "Diz ist ein guot spise von eime lahs"), eine Fleischpastete (~ "Von pasteden"), Hackfleisch-Pizza (~ "Einen fladen"), Nudel-Omelette ( ~ "Ein col ris"), und einfach einen modernen Braten, den ich als Gastgeber klein tranchieren und dabei was historisch Wissenswertes erzählen würde. Die Leute schneiden sich das Brötchen auf/durch, legen die Stücke vom Braten/Lachs/Omelette/usw. darauf und essen diese nach und nach mit der Hand auf, so wie wir es von den Frühstücks-Buffets kennen. Ich würde auf Mais, Tomate und Paprika in jeglicher Form verzichten, da gibt es aber je nach Geschmack Alternativen.

Ja, moderne Gerichte, aber mit klarem Quellenbezug! Man könnte sogar als eine Art "Tafel-Herold" die Originalrezepte vorlesen wenn die modernen Entsprechungen aufgetragen werden, damit die Gäste sich da so richtig rein versetzen können. Bessere Immersion, viel praktischer und lehrreicher als Unsinn wie "Medieval Chicken Wings" oder Gulasch-Kanonen-Romantik aus dem 1. Weltkrieg...

4). Als Getränk würde ich tatsächlich Bier servieren, aber nichts Untergäriges, sondern Lambics, mild gehopfte obergärige Ales oder andere Arten von Craft Beer welche auch andere Kräuter zur Würze verwenden und nicht nur Hopfen. Mein persönlicher Favorit wäre die Gose :):D

5). Zeitgemäße Live-Musik dazu wäre natürlich PERFEKT... :eek:

Das wäre jetzt so meine Herangehensweise...
 
Aus gegebenem Anlass....
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Es ist 2024 und wieder mal bedienen die Filmemacher das alte Klischee von einem Europäer, der im Gegensatz zu z.B. Japanern sein Essen mithilfe seiner Hände gierig herunterschlingt, ohne jegliche Tischmanier. Das Klischee ist aber tatsächlich viel älter als man denkt, siehe Vikings (1958) und Adventures of Robin Hood (1938), ob Wikinger, Gesetzlose, oder jede andere Art des "einfachen Mannes", die ergreifen das Essen munter mit den Händen an und mampfen einfach drauf los. Beim "Robin Hood", siehe verlinkte Szene, ist der Kontrast zwischen Tischmanieren des Edelmannes und des Outlaws sogar sehr deutlich hervorgehoben.

An dieser Vorstellung dürften spätmittelalterliche Tischzuchten einen großen Anteil genommen haben, wo aus didaktischen Gründen mit "grobianischen" Darstellungsweisen gearbeitet wurde. Die Gesellschaft der Moderne nahm diese grobianischen Memes viel zu oft für bare Münze, besonders in der Romantik des 19 Jh., so dass diese es auch in die Filme des 20 Jh. schafften und heute irgendwie als "normale mittelalterliche Tischsitten" angenommen werden. Selbst National Geographic zitiert de facto grobianische Tischzuchten und zeigt Pieter Brueghels ironisch-trollige "Bauernfreuden" des 16 Jh. als wäre das alles akkurate Wiedergabe der mittelalterlichen Realität. Als wäre St. Grobian ein echter Heiliger... :D:p

Interessant ist bei der verlinkten "Shogun" - Szene auch der "Rabbit Stew" um 2:40 wo der Protagonist ( John "William Adams" Blackthorne, der Mensch der 2. Hälfte des 16 Jh) einen modernen Fleischeintopf nach Gulasch-Art präsentiert, der sich erst im Verlaufe des 19 Jh. herausbildete. Ich glaube, die Szene dient in erster Linie zur Erzeugung eines kulturellen Kontrastes, denn der historische William Adams würde da nichts finden was er noch nicht kennt.

Experten fürs 16 Jahrhundert in da chat?
 
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Ich befürchte, Hollywood brauchte da keinen Blick auf historische Quellen, um solche Klischees zu entwickeln. Letzten Endes ist die amerikanische Kultur der wohl heute wirkmächtigste Ausgangspunkt des Klischees vom finsteren, barbarischen Mittelalter. Das Land ist stark protestantisch geprägt, Anti-Katholizismus war noch zu Zeiten verbreitet, als er selbst in England, das ihn dorthin exportiert hatte, schon zurückgedrängt war. Sein Gründungsmythos beruht auf der Erzählung der neuen Welt, die das repressive, in Finsternis verhaftete Europa hinter sich lässt.

Bedenken sollte man bei aller berechtigten Kritik aber auch: Überzeichnung ist ein gängiges Stilmittel. In der obigen Szene soll ein Kulturschock gezeigt werden, irgendwie muss man das transportieren.
 
[…] einen modernen Fleischeintopf nach Gulasch-Art präsentiert, der sich erst im Verlaufe des 19 Jh. herausbildete. […]
Was Du hier »nach Gulasch-Art« bezeichnest, d.h. Fleischstücke kurz anzubraten und dann im eigenen Saft schmoren zu lassen, wird uralt sein. Ist heute weltweit gang und gäbe bei traditionellen Fleischgerichten unter div. Namen, bspw. unter fricassée, ragoût, brasato, etc., etc.
Dass die Österreicher ihren »Gulasch« erst im 19. Jh. von den Ungarn übernommen (und vor lauter Magyarisierem falsch bezeichnet) haben, hat damit nichts zu tun. Das einzig Spezielle daran ist die exzessive Verwendung von Paprikapulver (Chilipulver), was im europäischen MA natürlich noch nicht vorhanden war.
 
Was Du hier »nach Gulasch-Art« bezeichnest, d.h. Fleischstücke kurz anzubraten und dann im eigenen Saft schmoren zu lassen, wird uralt sein. Ist heute weltweit gang und gäbe bei traditionellen Fleischgerichten unter div. Namen, bspw. unter fricassée, ragoût, brasato, etc., etc.
Dass die Österreicher ihren »Gulasch« erst im 19. Jh. von den Ungarn übernommen (und vor lauter Magyarisierem falsch bezeichnet) haben, hat damit nichts zu tun. Das einzig Spezielle daran ist die exzessive Verwendung von Paprikapulver (Chilipulver), was im europäischen MA natürlich noch nicht vorhanden war.
Das ist absolut korrekt.

Es gibt bei den o.g. historischen Fleisch-im-eigenen-Saft - Varianten jedoch einen wichtigen Faktor, und das ist die Getreidebasis. Soweit meine Quellenkenntnis reicht, wurde (zumindest im Spätmittelalter) solches Fleisch i.d.R. immer mit geriebenem Brot, Getreide, Teigwaren, Reis, usw. kombiniert, so dass diese Gerichte eher als Mus / Pottage / Stew bezeichnet werden müssen. Das Ganze war also in der Konsistenz eher homogen und mehr "brei" als moderner "gulasch". Zugegeben, ich habe von der englischen Küche um 1600 nicht wirklich eine Ahnung, aber Gerichte nur mit Fleisch und Gemüse ohne "Füller" in Form von Getreide, Teigwaren, Hülsefrüchte, Brot oder Reis sind mir aus dem Spätmittelalter nicht bekannt.

Was aber im Verlaufe des 19 Jh bis zum 1. Weltkrieg passierte ist die Entwicklung des Eintopfes, wo Fleisch und Gemüse als alleinstehende Mahlzeit bei Soldaten Im Feld immer populärer wurde. Die Kartoffel machte es möglich auf diese alten Getreide- und Brotanteile zu verzichten. Fleischbrocken in dicker gemüse- und kartoffelhaltiger Brühe, in der "gulasch-artigen" Konsistenz so wie wir es heute kennen - eben das ist es was der John "William Adams" Blackthorne uns in diesem Videoausschnitt präsentiert! Große Fleischbrocken in dicker Brühe, wo mit ziemlicher Sicherheit moderne Speisestärke aus Mais oder Kartoffeln die Finger im Spiel hatte.

Selbst das Rezept To boile pie meate. (1596) verlangt "to mince it very fine", eben ein ragoût. Meine Durchsicht des eben verlinkten "The Good Huswifes Jewell" hat zumindest in meinem Fall kein Gericht ausfindig machen können welches uns der gute Gaijin Blackthorne hier präsentiert haben könnte.
 
Was aber im Verlaufe des 19 Jh bis zum 1. Weltkrieg passierte ist die Entwicklung des Eintopfes, wo Fleisch und Gemüse als alleinstehende Mahlzeit bei Soldaten Im Feld immer populärer wurde.
Dass der Eintopf erst im 19. Jh. eine weite Verbreitung gefunden haben soll, halte ich für übertrieben. Anstatt nur Soldaten ins Feld zu führen, sollte auch die Industrialisierung samt den Arbeitern, die ihr Mittagessen in die Fabrik mitnahmen, erwähnt werden. Wie wär’s aber mit der Verpflegung bei der Feldarbeit, als es den Henkelmann noch nicht gab und das Mittagessen vor Ort zubereitet wurde? Da wären wir wieder beim gulyás, eigentlich eine reichhaltige Suppe (wie bspw. Irish stew), die traditionell in einem Kessel gekocht wurde. Oder beim cassoulet (Eintopf mit Fleisch und Bohnen, siehe @ fr. Wikipedia), der im SMA entstanden sein soll (dann aber mit Ackerbohnen). Auch die unzähligen Kochgeräte für derartige Speisen, die im Fachbuch für Köche von Bartolomeo Scappi (?–1577) gezeigt werden, deuten auf die Popularität des Ragouts bereits im SMA.

[…] in der "gulasch-artigen" Konsistenz so wie wir es heute kennen - eben das ist es was der John "William Adams" Blackthorne uns in diesem Videoausschnitt präsentiert! Große Fleischbrocken in dicker Brühe, wo mit ziemlicher Sicherheit moderne Speisestärke aus Mais oder Kartoffeln die Finger im Spiel hatte.
Speisestärke hat übrigens im Gulasch (auf Deutsch das Ragout gemeint) nichts verloren. Die Konsistenz wird durch das mehr oder weniger verkochte Paprikagemüse dick genug. Außerdem reduziert das Paprikapulver die Flüssigkeit, weshalb bereits am Anfang den glasierten Zwiebeln und dem noch rohen Fleisch etwas vom Pulver zugefügt wird, damit kein Saft das scharfe Anrösten hindert.(Erst danach wird das Fleisch gesalzen und zugedeckt, um es auf kleiner Flamme zu schmoren, wobei auch das Gemüse nach und nach hinzukommt.)
 
Es gibt immer wieder zu lesen, den Besteck im heutigen Sinn (Gabel, Messer, Löffel) gab es ziemlich spät, eine weite Verbreitung fand erst im 19. Jahrhundert statt. Was es aber quasi immer gab, waren Löffel: Jeder (auch jede?) besaß einen eigenen. Meist waren sie aus Holz, es gab aber auch welche aus Metall (Silber?).

Dazu habe ich 3 praktische Fragen:

1. Ob im Hochmittelalter (9.-12./13. Jahrhundert) auch Mitglieder höherer Kreise (ab Ritter aufwärts) den Löffel selbst bei sich trugen oder das dem Diener bzw. dem Knappen überließen?

2. Wird ein Ritter irgendwo zur Tafel eingeladen, bringt er seinen Löffel mit oder konnte er davon ausgehen, dass er ihm vom Gastgeber gestellt wird? Oder anders gefragt: Konnte der Gastgeber davon ausgehen, dass Gäste ihre Löffel schon mitbringen werden und er nur für Notfälle welche vorrätig hielt?

3. Wie wurde das in den Gasthäusern gehandhabt?
 
1. Ob im Hochmittelalter (9.-12./13. Jahrhundert) auch Mitglieder höherer Kreise (ab Ritter aufwärts) den Löffel selbst bei sich trugen oder das dem Diener bzw. dem Knappen überließen?
Im Hochmittelalter waren bereits Reisebestecke in Mode, ähnlich denen, die in @Sepiola's Link gezeigt werden, freilich ohne Gabel. In Nordwesteuropa nannte sich das Etui 'Nef', nach dem Schiffstyp, weil es oft einem Schiff nachempfunden war. Meistens waren ein Tischmesser und ein Löffel enthalten, oft auch Zahnstocher. Die Verzierungen konnten sehr filigran sein. Ich würde annehmen, dass man sich mit den teureren Exemplaren nicht selbst belastete, damit sie nicht kaputtgingen, sondern Verwahrung und Transport einem Bediensteten überließ.
2. Wird ein Ritter irgendwo zur Tafel eingeladen, bringt er seinen Löffel mit oder konnte er davon ausgehen, dass er ihm vom Gastgeber gestellt wird? Oder anders gefragt: Konnte der Gastgeber davon ausgehen, dass Gäste ihre Löffel schon mitbringen werden und er nur für Notfälle welche vorrätig hielt?
Interessante Frage.

Ich würde schon davon ausgehen, dass zumindest wohlhabendere Haushalte über eigenes Besteck verfügten, das sie Gästen zur Not ausleihen konnten, damit diese nicht bloßgestellt würden, wenn sie (aus welchen Gründen auch immer) keines besaßen oder mitführten.

Allerdings gehe ich davon aus, dass so ziemlich jeder, der ein Reisebesteck besaß, es möglichst immer in Reichweite hatte. Das Tischmesser konnte auch zur Selbstverteidigung dienen, und anders als Waffen wie Schwert und Dolch überallhin mitgenommen werden.
3. Wie wurde das in den Gasthäusern gehandhabt?
Es dürfte darauf ankommen, an wen sich das Angebot des Gasthauses richtete. Im typischen Dorfkrug etwa war es üblich, dass die Kundschaft Löffel, Teller und so weiter selbst mitbrachte. Dieser Brauch hat sich bis ins 20. Jahrhundert erhalten und wird gerade manchenorts wiederbelebt.

War es eine Gaststätte für die bessere Gesellschaft, dürfte auch der Service dahingehend besser gewesen sein, dass man auf unvorbereitete Kunden eingestellt war, und ihnen auf vielerlei Weise aushelfen konnte.
 
Im typischen Dorfkrug etwa war es üblich, dass die Kundschaft Löffel, Teller und so weiter selbst mitbrachte. Dieser Brauch hat sich bis ins 20. Jahrhundert erhalten und wird gerade manchenorts wiederbelebt.
Darf ich leise Zweifel daran anmelden, das zu generalisieren?
Johannes Brahms ging regelmäßig im "roten Igel" essen, oft gemeinsam mit Gottfried Keller - keine Brahms Biografie erwähnt, dass er Besteck mit sich trug. 19. Jh. Nicht anders sieht es in zahlreichen Biografien der literar., musikal. und bildnerischen Prominenz des 19. Jhs. aus. Ebenso fehlen Aufzeichnungen zu "Mitbring"-Besteck in den Kurkliniken und Kurhotels der Bäder im 19. Jh.
Gaststubenszenen finden sich bei Wilhelm Busch, auch diese scheinen nicht auf "Mitbring"-Besteck zu deuten.
Du magst eventuell einwenden, dass die Bäder des 19. Jhs. nur ab der gutbürgerlichen Upperclass frequentiert wurden und dass die künstlerische Prominenz zu dieser zählte -- aber das Reisen kreuz und quer durch Europa im 19. Jh. ging nicht so rasch vonstatten wie heute! Man musste mehrmals Station machen, wenn man von Paris nach Heringsdorf, von Berlin nach Karlsbad etc fuhr - die Quellen zu den Reisen der besagten Prominenz erwähnen kein privates Essbesteck.
Allerlei Alltagskrempel ist im Bayreuther Lisztmuseum ausgestellt (sogar des Meisters Sandalen ... :D ...folget der Flasche, nein folget der Sandale) aber selbst ein Reisenecessaire enthält kein Besteck.

Ich halte für wahrscheinlich, dass in den Restaurationen des 19. Jhs. Besteck vorhanden war. Vielleicht im Dorfkrug von Hintertupfingen nicht immer oder nicht für jeden, ABER ein Indiz gegen die Bestecklosigkeit der einfachen Provinzgaststuben: Richard Wagner war mehrmals in den 50er und 60er Jahren des 19. Jhs. tage/wochenlang in den Alpen wandern: keine der Quellen zu diesen Touren vermerkt die Notwendigkeit, in dieser beschwerlichen Provinz Besteck wie auf einer heutigen Survivaltour mitzutragen.

Vor dem 19. Jh. (Mozarts Reisen, Karl Philipp Moritz etc) weiß ich nicht, wie es mit den Reiseutensilien war.
 
Meinen wir beide mit "Dorfkrug" vielleicht Einrichtungen verschiedener Art?

Aber stimmt, was ich schrieb, war nicht so zu verstehen, dass dies auf jeden einzelnen Dorfkrug zutraf, und man dort nicht auch Besteck gestellt bekommen konnte.
 
aber das Reisen kreuz und quer durch Europa im 19. Jh. ging nicht so rasch vonstatten wie heute! Man musste mehrmals Station machen, wenn man von Paris nach Heringsdorf, von Berlin nach Karlsbad etc fuhr - die Quellen zu den Reisen der besagten Prominenz erwähnen kein privates Essbesteck.
Das Nichterwähnen von etwas, sagt nichts darüber, dass es dieses Etwas dennoch gab, weil ev. vorausgesetzt wurde, dass jeder dieses Etwas (also sein Essbesteck) mitführte?

Außerdem ist das 19. Jahrhundert, in dem das Reisen für Künstler und Vermögende mondän wurde, kein gutes Beispiel für das Reisen im (Hoch)Mittelalter.
 
Außerdem ist das 19. Jahrhundert, in dem das Reisen für Künstler und Vermögende mondän wurde, kein gutes Beispiel für das Reisen im (Hoch)Mittelalter.
Das ist mir klar - hättest du erkannt, dass ich mich nicht auf (spät)mittelalterliche Gepflogenheiten, sondern kommentierend auf einen Beitrag von @muck zum 19. und frühen 20. Jh. bezogen hatte, hättest du dir diese Anmerkung sparen können... ;)
 
@Dion
Leider sind meine Kenntnisse der Bildquellen des Früh- und Hochmittelalters sehr dürftig, aber die Tafelszenen des z.B. Teppich von Bayeux und der Maciejowski-Bibel zeigen die komplette Abwesenheit der Esschalen und dazugehöriger Löffel. Der erste bildliche Beleg, welchen ich kenne, für das Darreichen einer Speise in einer Schale mit Löffel wäre ein bereits verlinktes Altarbild um 1308-1311 - deutlich sichtbar sind die Löffel, die bereits im Teller in der Speise drin sind. Ob die genauso serviert wurden, oder jeder da seinen eigenen Löffel rein steckte sobald der Teller da stand, ist eben nicht zu ermitteln...
 
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... und es gibt ihn doch, den englischen "Hasen im Pfeffer" um 1600!
To dresse a hare.
Wash her iu faire water, perboyle her, then lay her in colde water, then larde her and rost her, and for sauce take red wine, salt, vineger, ginger, pepper, cloues and mace, put these together, then mince onions and apples and frye them in a panne, then put your sauve to them wih a
little suger, and let them boyle together and then serue it. (Quelle: https://www.medievalcookery.com/notes/ghj1596.txt )
Der Hase wird als Ganzes mit Schmalz eingerieben, gebraten, am Ende mit Äpfeln und Zwiebeln fertig gegart, und die Weinsoße dazu enthält Ingwer, Pfeffer, Nelken und Muskat. Das Rezept ist jetzt nicht so viel anders als Ähnliche aus dem Spätmittelalter.
 
Da wir jetzt beim Löffel sind...

Das Mus

Mhd. Muos, quasi das Hauptgericht des Mittelalters, ähnlich der Miso-Suppe der Japaner, welches regelmäßig wenn nicht täglich bei allen Bevölkerungsschichten des Spätmittelalters aufgetischt wurde. Weit verbreitet ist die Vorstellung vom Mus als einfachen Getreidebrei, welcher außer Getreideschrot und Wasser nichts enthalten haben soll.

Wo diese Idee überhaupt herkommt, habe ich noch nicht herausgefunden, aber wir haben zahlreiche Quellen. |64:1| Ein muos mit lauche. besteht z.B. aus "weißem" Lauch mit Mandelmilch und Reismehl, zusammengemischt und gut gekocht. Aus derselben Quelle wären ein Mus mit Nüssen - |80:1| Wilt du machen ein nuezzemuos. - und - |82:1| Ein wissel muos. - mit Semmelbröseln eingedickt, geriebenes Brot als "Füller" a.k.a. "thickening agent" - |52:1| Ein guot fuelle. - wird hier ebenfalls mehrere Male erwähnt ( |43:1| Ein cluoge spise. [... ] mach daz dicke mit schoenem brote [...] ). Da ab dem 13 Jh. Brot als ein Hauptnahrungsmittel sich durchgesetzt hat, wäre den Quellen nach geriebenes Brot bzw. grobes Getreidemehl (bzw. Reismehl, wenn man sich das leisten könnte) die übliche Grundzutat für den Mus. Schmalz als Geschmacksverstärker ist, zumindest in der zitierten Quelle, sehr präsent.

Und es gibt tatsächlich eine Art moderner Nachfahre dieser Praxis, die wir heute Semmelknödel nennen. Sehr ähnliche Zutaten wie Semmeln, Zwiebel oder Lauch, Petersilie, Milch, Salz, so ungefähr könnte man sich das spätmittelalterliche Pendant in echt vorstellen, nur etwas flüssiger. Oder was man heute als Mehlsuppe bezeichnet, aber breiartig und weniger als "Suppe" wie wir sie heute verstehen.

Warum diese Art von Gericht den Ruf hat "Arme-Leute-Essen" zu sein, weiß ich nicht, aber ich habe da den Verdacht dass es wieder mal etwas mit der Massenverköstigung im 19. und 20. Jh. zu tun hat...
 
die Tafelszenen des z.B. Teppich von Bayeux und der Maciejowski-Bibel zeigen die komplette Abwesenheit der Esschalen und dazugehöriger Löffel.
Man muss sich die Tafelszene auf dem Teppich von Bayeux zwischen der Landung in England bei Hastings und der Schlacht von Hastings wohl als eine Art Lager im Feld vorstellen. Dennoch sehe ich dort Schalen und auch zumindest so etwas wie eine Grillzange und Grillspieße.
 
In der Maciejowski-Bibel sieht man an der Stelle, wo wohl Samson den Philistertempel einreißt (oder es ist ein Erdbeben dargestellt) eine Schale mit Eiern(?) und einem Messer (15 v), auch auf 16 r, 31 v, 34 v, 37 v, 42 r sieht man Schalen und Messer. Auf 20 r sieht man einen Greifhaken, womit Fleisch aus dem Kessel geholt wird.
 
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Löffel gab es schon in der Eisenzeit – siehe z.B. Ritschert –, wenn nicht schon früher, z.B. seitdem man in der Lage war, in Tontöpfen zu kochen und das Gekochte darin oder in einem anderen Tongefäß zu "servieren".
 
@El Quijote
Ja, aber das sind fast alle Servierschalen. Aus manchen wird gar getrunken, siehe z.B. MS M.638, fol. 16r. Ich habe bisher aber nichts auf dem Schirm wo eine Schale eben als individuelle Ess-Schale mit Löffel nachzuweisen wäre.

Noch was zusätzlich zum Muos als nackter Haferschleim...
Auffällig ist dass die Gerichte des englischsprachigen Raumes wie "porridge", "pottage", als auch der antike "Puls", südeuropäische "Polenta" usw. alle entweder als Beilage dien(t)en oder direkt mit Geschmacksverstärkern wie Butter, Gemüse und Proteinen (Eiger, Geflügel, Fleisch) verfeinert wurden. Selbst zu Beginn des 19 Jh. war "Gruel", das was wir auch als "Brei" kennen, immer noch weit mehr als nur Wasser & Getreide.

Mein Verdacht ist, dass mal wieder die Küche der Arbeiterklasse der 2. Hälfte 19., des frühen 20 Jh. und die der beiden Weltkriege der gesamten vorindustriellen Zeit zugeschrieben wird, denn diese sehr moderne Vorstellung dass die 70 bis 90% der Bevölkerung die auf dem Land lebten und Landwirtschaft & Tierhaltung betrieben haben sich aber Produkte wie Eier, Käse, Fisch, Gartenkräuter und Schmalz nicht leisten konnten... ist schon irgendwie eindeutig. Haben nackten ungesalzenen Haferschleim gegessen, aber dann verdorbenes Fleisch mit Gewürzen "nachgebessert" die pro Unze um Größenordnungen teurer waren als ein Paar Pfund frisches Fleisch... ;)
 
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