Telegraphie, wieso so spät?

Das WAR in Bad Windsheim (Franken) im dortigen Freilandmuseum.
Bad Windsheim läge gar nicht ungünstig. Womöglich sind die Kollegen da ja mal wieder zu Besuch. Sieht auf den Bildern ja hochinteressant aus. Insbesondere auf die kompilierte Code-Tabelle, auf einem Foto halbwegs gut zu sehen, würde ich gern einen Blick werfen :)
Die Darsteller, die das initiierten hatten die Telegraphen in Heimarbeit zuhause gebaut und entsprechend selber hin transportiert, dann wieder mitgenommen.
Falls Du zu den Leuten Kontakt hast, reg' doch vielleicht mal an, sich die mobilen Chappe-Konstruktionen anzugucken. Im Krimkrieg z.B. verwendeten die französischen Truppen transportable Chappe-Telegrafen, die in 20 Minuten auf- oder abgebaut waren:
crimea.gif
 
Ich habe da gerade eine interessante Seite vom griechischen Museum für antike Technologie gesehen, die ein Modell des Polybios-Systems gebaut haben. Das Deutsch ist etwas merkwürdig, ich verstehe das Englisch besser: http://kotsanas.com/de/exh.php?exhibit=1201001 http://kotsanas.com/gb/exh.php?exhibit=1201001
Ich bin aber skeptisch, ob das -- wie die Dampfmaschine des Heron -- mehr als nur eine Spielerei war und wirklich eingesetzt wurde.
Außerdem kann so etwas ohne Fernglas nicht weiter als 5 km funktioniert haben. Ohne jetzt zu tief in die Physik einzusteigen, beträgt das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges 2'; man kann also in 1 km Entfernung Punkte trennen, die mindestens 0,6 m getrennt sind. Wenn man annimmt, dass die Anlage mit 2*5 Fackeln 30 m breit war, kommt man 5 km weit. Bestenfalls (eigentlich glaube ich nicht, dass ich überhaupt eine Fackel in 5 km Entfernung sehen kann).
Das Polybios-System ist direkt befremdlich. Mit insgesamt 10 Fackeln in zwei Gruppen, die klar unterschieden werden müssen, bringt man gerade mal 25 Zeichen zusammen.
Ordnet man nur 5 binäre Fackeln einer Gruppe an, dann hat man schon 32 Zeichen und zudem über die gleiche Entfernung eine wesentlich sicherere Verbindung, weil man ja mehr als zweimal so breit aufstellen kann.
Wurde das verwirklicht, oder hat man nur eine Beschreibung der Idee gefunden?
 
Darüber gab Polybios keine Auskunft.
In Hinblick auf das kürzere (24 Buchstaben umfassende) griechische Alphabet waren 25 Kombinationen vollkommen ausreichend.
 
Und die Frage ist ob man Klartext verschickt, oder kodiert, damit Zeichen und damit Zeit gespart werden kann. Auch wenn man in der Antike ein anderes Verhältnis zur Zeit hatte als wir es heute haben.
 
Also zumindest auf See gab es seit dem späten Mittelalter diverse Versuche optischer Kommunikation. Siehe z. B. auf (und vor und ab S. 158)https://books.google.de/books?id=mt...ajAM#v=onepage&q=early signals at sea&f=false
In den maltesischer Galeerenflotte gab es eine Vielzahl von Flaggen-Rauch-Licht -und Lautsignalen, welche meist einen geheimen, erst vor Ausfahrt der Flotte ausgegebenen Code entsprachen. Der sogenannte Olgiati-Code, in italienischer Sprache vom Cavaliere Antonio Olgiati aus dem Jahr 1719 ist in den Ordensarchiven erhalten geblieben. Signalcodes verwendeten die Ordensflotten aber auch schon in den vorherigen Jahrhunderten.
SIGNALS ON MALTESE GALLEYS
 
Wurde das verwirklicht, oder hat man nur eine Beschreibung der Idee gefunden?
Nur kurz, weil derzeit im Krankenbett: Ich bin kürzlich über die Erwähnung einer Erwähnung gestolpert, leider ohne genaue Quellenangabe und nur mit sinngemäßer Übersetzung. Julius Africanus soll in den Kestoi berichten, die Römer würden mit einem Polybius- ähnlichen System mit drei Fackeln kommunizieren. Das Alphabet sei dabei einfach in drei Gruppen zu je acht Buchstaben eingeteilt. Um nun z.B. ein "C" zu signalisieren, würde die erste Fackel dreimal geschwenkt, für ein "S" die dritte Fackel zweimal. Wie dabei die erste von der zweiten und dritten Fackel unterscheidbar war für die Gegenstelle, sei dahingestellt.
 
Nur kurz, weil derzeit im Krankenbett: Ich bin kürzlich über die Erwähnung einer Erwähnung gestolpert, leider ohne genaue Quellenangabe und nur mit sinngemäßer Übersetzung. Julius Africanus soll in den Kestoi berichten, die Römer würden mit einem Polybius- ähnlichen System mit drei Fackeln kommunizieren.

Diese Erwähnung geht offensichtlich nicht auf die Kestoi des Julius Africanus zurück:

"The final part of chapter 76 describes a fire-signal system devised by Leo the Mathematician beweeen 829 and 832, but wich then fell out of use in the first half of the 10th century; this part of the work should therefore be dated between the 840s an the early 900s."

Cesti
 
Diese Erwähnung geht offensichtlich nicht auf die Kestoi des Julius Africanus zurück
Danke für's Nachlesen - der oben erwähnte Volker Aschoff hatte die Passage in Griechisch zitiert und Julius Africanus zugeschrieben, ohne weitere Angaben. Es gibt noch eine ähnlich "gut" nachvollziehbare Erwähnung bei Woolliscroft, der sich auf eine schon recht betagte Übersetzung der Kestoi ins Englische beruft.

Gut, laßt sich also guten Gewissens verwerfen.
 
Zurück
Oben