Otto Springer nimmt im Etym.WB des AHD auch zur Entlehnung aus dem Germanischen (nach P.Kretzschmer) Stellung und meint, dass dessen Annahme, aus lat. burgus sei ein (viel späteres) Lehnwort aus dem Germanischen etwas mehr Zustimmung fände, jedoch sei auch diese These fraglich, da die ältesten Belege des lat. Wortes, genau wie griech. pyrgos, alle maskuline o-Stämme seien und auch semantisch dem griech. Wort näher ständen.
Warum sie dem griechischen Wort semantisch näher stehen sollen, will sich mir nicht ganz erschließen, schließlich handelt es sich beim lateinischen
burgus um eine kleine Befestigungsanlage, beim griechischen
pýrgos kann es sich um einen Turm handeln, u.U. sogar um einen Belagerungsturm, also ein bewegliches Gerät. Dass Genus und o-Stamm sich entsprechen bzw. mit dem femininen deutschen
Burg sich nicht entsprechen, halte ich für vernachlässigbar. Es kommt nicht ganz selten vor, dass in einem Entlehnungsprozess ein Wort sein Genus wechselt bzw. auch dass ein Wort im Laufe seiner Geschichte das Genus wechselt.
Nehmen wir mal
lax,
lactis, das lateinische, feminine Wort für 'Milch'. In den romanischen Sprachen taucht es wieder auf als frz.
le lait, span.
la leche, cat.
la llet, ital.
il latte, gal.-port.
o leite, rum.
laptele (ich hab hier im Rumänischen den postponierten Artikel mal fett markiert, damit er als solcher erkannt wird).
Was stellen wir fest? Das im Lateinischen feminine Wort für 'Milch',
lax, lactis ist in den überlebenden Tochtersprachen plötzlich mehrheitlich maskulin. Nicht einmal die iberoromanischen Sprachen sind sich einig, nur Spanisch und Katalanisch sind konservativ.
Bei manchen Worten ist sich aber auch eine Sprache nicht sicher, ob es männlich oder weiblich ist. Im Spanischen gibt es z.B. regionale Unterschiede, ob es
el oder
la mar heißt. (Das lateinische Etymon
mare ist Neutrum). Die Tendenz geht dahin, dass man im Inland von
el an der Küste aber von
la mar spricht. Es gibt Leute, die dafür psycholinguistische Gründe anführen, das Meer als Braut der Seefahrer.
Ein weiteres Beispiel ist
hostis, 'der Feind'. Im Spanischen wird aus dem maskulinen Wort das feminine
la hueste, 'das Heer'.
Was nun, und das ist das gewichtigere Argument, die o-Deklination angeht, so ist diese die Standarddeklination im Lateinisch für Maskulina und Neutra - was nicht heißt, dass es nicht andere Deklinationsformen gibt. Bei der Integration eines Fremdwortes im Lateinischen, wenn es nicht eine dem morphologischen Inventar des Lateinischen ähnliche Deklinationsendung aufweist, ist also die o-Deklination diejenige Deklination, die am ehesten zu erwarten wäre, weil sie für den Lateinsprecher die natürlichste ist. Vorausgesetzt er identifiziert das Wort als Maskulinum oder Neutrum; die a-Deklination, wenn er es als Femininum identifiziert. Sprich: Die Wahl der o-Deklination kann nicht hinreichend als Hinweis auf ein griechisches Lehnwort akzeptiert werden.
Die Pluralform burgi werde schon in der zweiten Hälfte des 2.Jh nach Chr. in lateinischen Inschriften bezeugt...
In der Tat, ich finde in der CIL mehrere Inschriften des Commodus (Kaiser 180 - 192) an der Rhein- und Donaugrenze, eine in Nordafrika und mehrere des Antoninus (Kaiser 138 - 161) Pius ebenfalls an der Donaugrenze.
...bereits in dessen erster Hälfte das Wort burgarii – die Burginsassen.
Da finde ich in der CIL nur ein
burgarius in der Mosesia Inferior: D(is) M(anibus) / PIASPI qu(i) / burgarius / an(nos) L
Grob datiert auf das zweite Jahrhundert:
Epigraphische Datenbank Heidelberg
Aber was bedeutet das für die Frage, ob es sich um ein germanisches oder ein griechisches Lehnwort handelt?
Nach Alfred Heubecks Auffassung (in „Praegraeca: Sprachliche Untersuchungen zum vorgriechisch – indogermanischen Substrat. Erlangen 1961) handelt es sich hier trotz Verstoßes gegen die Lautgesetze um eine echt sprachliche Entsprechung von idg. *b(h)rg(h)-o- (die „h“ hochgesetzt – Ostfale), die ein sehr altes Schwanken in der Lautvertretung bezeuge.
Der Hinweis darauf, dass es sich trotz des Verstoßes gegen die Lautgesetze um eine sprl. Entsprechung handelte, spricht deutliche Bände in die Richtung, dass Heubeck hier offenbar Widerspruch von Seiten der Kollegen erwartete. (Was allerdings nicht bedeutet, dass er automatisch Unrecht hatte, er selbst wird davon überzeugt gewesen sein, dass er Recht hatte).
Hierbei bezieht er sich auf H.Rix (in „Historische Grammatik des Griechischen. Laut- und Formenlehre. Darmstadt 1976) S. 84 – die idg. Mediae aspiratae werden im griech. zu Tenues aspiratae; (und S.97: - welche gegebenenfalls der Hauchdissimilation unterlägen, die auf den ersten der beiden Laute zurückwirke.
Das mag so sein, aber warum wird deshalb aus dem griechischen /p/ ein lateinisches /b/ was sonst weder im klassischen Latein noch im Vulgärlatein zu passieren scheint (siehe Wortliste oben)? Das will mir noch nicht in den Kopf.
Sind denn die Erkenntnisse dieser Leute, sämtlich anerkannte Linguisten, bzw. Sprachhistoriker, nun derart an den Haaren herbeigezogen?
Das ist, ohne die Argumente en detail zu kennen, schwerlich zu beurteilen. Es ist auch immer eine Frage, wo etwas publiziert wurde. In einem Lexikon z.B. wird normalerweise publiziert, was gemeinhin als Forschungsstand gilt. Insofern könnte man sagen, dass der Beitrag von Neumann im
Reallexikon der germanischen Altertumskunde durchaus dafür sprechen könnte, dass das allgemein akzeptiert wäre. In Festschriften werden dagegen häufiger auch mal Artikel veröffentlicht, die mehr als Diskussionsanreize gelesen werden sollten.