Tirpitzhafen

Zitat schrieb:
Tirpitz ist eine belangloser, unauffälliger Admiral in der aktiven Flottenführung gewesen, keiner Aufregung wert. Seine Denkschriften (auch die "IX") strotzen vor Fehleinschätzungen und Langatmigkeiten; Kriegsplanungen wie Venezuela, USA oder Japan waren dem Zeitgeist entsprechend und wurden von jeder Seite vorgenommen, wurden jedoch nicht ernst genommen und blieben auch ohne berichtenswerte Folgen. Seine Dispositionen in der Flottenrüstung war mittelmäßig, seine Durchsetzungskraft gegenüber versponnenen Ideen des Kaisers war begrenzt. Seine Phantasie - zum Beispiel während des aktiven Dienstes in Fernost - war dagegen überdurchschnittlich. Wählte er doch den "idealen" Flottenstützpunkt zwischen Rußland, Japan und Großbritannien als zu besetzende Kolonie, den er kurz zuvor ausgeschlossen hatte. Damit setzte er sich erfolgreich zwischen alle Stühle. Die Kolonie wurde dann ein Millionengrab für den Reichshaushalt, ebenso wie seine Flottenrüstung, die der Armee erfolgreich für 15 Jahre das finanzielle Wasser für ihre ambitionöse Feldzugplanung für den gedachten Ernstfall abgegraben hat. Im Juli 1914 und zuvor bei der Haldane Mission 1912 erwies sich seine Vision - Flottenrüstung zwingt Großbritannien an die Seite des Reichs - als totaler Flop, obwohl er sie in Art einer tibetanischen Gebetsmühle 20 Jahre vorgetragen hatte. 1914, 1915 und 1916 versagten dann seine Hoplitenschiffe gegen die Seemacht Nr. 1, und zogen sich bei Kontakt jeweils in den Hafen zurück.
Von wem ist das Zitat?

Interessant ist, dass es einen sehr subjektiven Charakter hat. Sicherlich war die Flottenpolitik durch Tirpitz zum scheitern verurteilt. Doch nicht weil Tirpitz ein belangloser Offizier war, sondern weil die weltpolitische Situation und die Stellung des Deutschen Reiches auch auf den deutschen Navalismus einwirkte.
Aber wollen wir hier über die Biographie von Tirpitz diskutieren oder silesia?

Das passt doch besser:
http://www.geschichtsforum.de/f58/tirpitz-biographie-26180/
 
Von wem ist das Zitat?
Interessant ist, dass es einen sehr subjektiven Charakter hat.

Das ist von mir, :O habe mal so resümmiert, was mir an Tirpitz bemerkenswert erschien.

Erstaunlich ist doch, dass von dem Mann im Detail wenig bekannt ist, jedenfalls kaum genug, um die "Ehrung" durch Namenstradition zu werten.

Gleichwohl scheint er bei der Marine - bedingt durch die Kontinuität 1918-45 - ex post weiterhin ein hohes Ansehen genossen zu haben (siehe auch das bewusste Schlachtschiff) und zu genießen, im Renomee vergleichbar den üblichen Verdächtigen Bismarck, Blücher, Moltke usw ... ME haben wir hier eine Mogelpackung vor uns, und ich wiederhole mich zum x-ten Mal: streicht man den "Rüstungspolitiker" Tirpitz, bleibt nichts übrig (außer dem Republikfeind und Revanchisten Tirpitz 1919ff. - aber das wollte ich außen vor lassen).

Damit ein Schritt zurück zur Diskussion. Randweise mochte ich erwähnen, dass ich zahlreiche Botschaften auf "Ernsthaftigkeit" erhalten habe, und eben so viele auf "Lächerlich/nicht ernsthaft". So etwas ist mir bei einem Thema bislang nicht aufgefallen, und zeigt nur die Kontroverse. Oben schrieb jemand etwas von einer "erbitterten" Diskussion, und offenbar scheint es hier ums Prinzip zu gehen.

Geht es also "ums Prinzip" in der Diskussion: Beibehaltung des Namens, da er eben mal da ist, und man ja neben einigen Ehrenmalen auch irgendetwas von der Kaiserlichen Marine braucht. Immerhin wusste das schon die Kriegsmarine: wenn Tirpitz überhaupt für etwas steht, dann für die stärkste deutsche Flotte, die 2.größte ihrer Zeit (und fragt man die Kollegen von der Heeresfraktion: ein gigantischer strategischer Fehlschlag, dazu eine Geldvernichtungsmaschinerie erster Klasse. Ihre grosse Leistung ist immerhin der ungeplante Beitrag zur Revolution).

Aber es geht ja ums Prinzip: prima vista scheint nichts für eine zwingende Streichung wegen ausreichender Unzumutbarkeit zu sprechen. Wer da eigentlich geehrt wird, ist im Zweifel nur oberflächlich bekannt. Deckel zu - abgegessen. Tirpitzhafen oder Lindenstraße - kein Unterschied.
 
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Die Diskussion regte mich immerhin dazu an, mal nachzugucken, ob es am Ende gar eine "Franz-von-Papen"-Straße gibt.

Und tatsächlich, die gibts, in seinem ehemaligen Wohnort Wallerfangen. Hätte nie gedacht, dass irgendjemand auf der Welt dessen politisches Wirken für gedenkwürdig hält.

Eine Albert-Speer-Straße hat man sich wenigstens gespart, obwohl der nach seiner selbst erteilten Absolution sicher auch nicht die schlechtesten Chancen gehabt hätte.
 
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Immerhin wusste das schon die Kriegsmarine: wenn Tirpitz überhaupt für etwas steht, dann für die stärkste deutsche Flotte, die 2.größte ihrer Zeit (und fragt man die Kollegen von der Heeresfraktion: ein gigantischer strategischer Fehlschlag, dazu eine Geldvernichtungsmaschinerie erster Klasse. Ihre grosse Leistung ist immerhin der ungeplante Beitrag zur Revolution).
Kann ich daraus nun lernen, dass die kaiserliche Marine einen untauglichen Trottel immense Karriere bis 1916 machen ließ? 1916 ging der Tirpitz ja quasi von Bord.

Hätte man z.B. 1890 oder noch früher schon wissen können, dass man da einem Trottel Entscheidungen erlaubt, die seinen Horizont weit übersteigen?
 
Wer da eigentlich geehrt wird, ist im Zweifel nur oberflächlich bekannt. Deckel zu - abgegessen. Tirpitzhafen oder Lindenstraße - kein Unterschied.

Auch ein guter Hinweis. Das ist tatsächlich so. Erlebt im Februar in einer hessischen Kleinstadt. Wir hatten uns in einer Pension in der "Von Dalberg Str." eingemietet. Ich habe die Wirtin dann gefragt, ob denn die Benennung auf den Fürstprimus Carl Theodor oder seinen Neffen Emmerich zurückgeht. Die Folge war ein staunendes Gesicht und die Antwort, dass die Strasse schon immer so hieß ...

Im Grunde ein Beleg dafür, dass sich die meisten Bürgern für die Namen ihrer Strassen herzlich wenig interessieren, viel eher Sicherheit im Sinne von Kontinuität im Vordergrund steht. Ich habe es selbst erlebt, dass ich nach einer massiven Umbenennung in einem bekannten Gebiet eben nicht mehr wusste, wo welche Strasse ist und sich die alten Bezeichnungen noch lange im Gedächtnis und bei Beschreibungen gehalten haben. Aber nicht nur das. Der Landkreis hat damals müde gelächelt: "Was geht uns die Umbenennerei der Stadt an" und hat kräftig kassiert für die Korrektur der KFZ-Papiere ...

Tja, und beim Geld hört viel Verständnis dann auf. Für das geschichtliche sowieso.

Grüße
excideuil
 
IM Nesis hat ein Buch geschrieben, was ich vor Jahrzehnten mal zur Hand hatte: Die Kunst der Vereinfachung. OT: Darin wird eine Position durch Materialreduktion in das Endspiel überführt.

So einfach ist es hier nicht. Seine Hypothese einer bestimmten Verhaltensweise Großbritanniens beruhte im Wesentlichen auf Unkenntnis bzw. Anmaßung von nicht vorhandenen politisch-ökonomischen Kenntnissen.

Das Werturteil "Trottel" ist auch in gewisser Weise - wie hier verwendet - ahistorisch. Es setzt allerdings wie die "Ehrung" ein Ergebnis und ein Motiv voraus. Das Ergebnis ist hier recht präzise beschrieben:
Die trügerische "First Line of ... - Eva Besteck - Google Bücher

Zum Motiv:
Bzgl. der Ehrungen von Tirpitz empfehle ich Hitlers Rede vom 1.4.1939 anläßlich des Stapellaufes der "Tirpitz", in Verbindung mit mit Raeders Ernennung zum Großadmiral. Tirpitz' Lebensleistung wird darin mit der Schöpfung der ersten Deutschen Hochseeflotte beschrieben (die Wortwahl erfolgte absichtlich, denn die zweite unter dem neuen Großadmiral Raeder war gerade in Projektion und Bau).

1890 verstehe ich nicht: die grundlegende Denkschrift IX ist von 1894.

Ist denn irgendetwas an den beschriebenen Fakten/Ergebnissen zu Tirpitz unklar?:confused:
 
Ist denn irgendetwas an den beschriebenen Fakten/Ergebnissen zu Tirpitz unklar?:confused:
ja, mir schon: wenn selbst innerhalb der Marine Tirpitz salopp gesagt fachlich nicht viel taugte, wie konnte er dann derart Karriere machen? War die Marine insgesamt quasi blind?
das ist keine rhetorische und auch keine Scherzfrage!
 
Mal ein paar Gedanken die mir eingefallen sind:

Ist Scheer- und Tirpitzhafen nach dem Panzerschiff "Admiral Scheer" beziehungsweise dem Schlachtschiff "Tirpitz" benannt, weil diese dort häufig lagen? Das kann man sicher verneinen. Ich wüsste nicht mal, dass "Tirpitz" überhaupt jemals in Kiel gewesen wäre. Üblicherweise lagen in Kiel die Dickschiffe an Bojen inmitten der Förde und nicht an der Scheermole geschweige an der Tirpitzmole mit ihrer geringeren Wassertiefe. An dem größten Schiff, an welchem ich mich an der Tirpitzmole erinnern kann, das war die HMS "Bristol" (also das britische Schulschiff aus den 60ern von der Marineschule Dartmouth ). Die dürfte etwas größer gewesen sein als das Schulschiff "Deutschland". Die großen Schiffe unserer Verbündeten (z. B. USS "Iowa" 1986) lagen in Kiel auf der Förde vor Anker wie ehedem die deutschen Dickschiffe. Ich könnte mich nicht erinnern, dass der Tanker "Spessart" mal an der Tirpitzmole gelegen hat.

Galt Tirpitz nicht als Schöpfer der deutschen Torpedowaffe? Vielleicht hat man die für Torpedoboote und Zerstörer gut geeignete Anlage deshalb nach Tirpitz benannt.
:pfeif:

Bevor wir uns um Tirpitz kümmern sollten, wären erstmal die wirklich schlimmen Finger abzuhandeln. Wie kann es sein, dass zum Beispiel in Mainz eine Straße nach dem Germanenschlächter Drusus benannt wurde und noch ist. Gegen Drusus waren doch Figuren wie Nachtigall oder Peters Waisenknaben. Ohne jegliches UN-Mandat hat er ein Nachbarland überfallen und Zivilisten niedermetzeln lassen. Hat so jemand eine Straße verdient?

Und wenn ich in Baden-Baden an der Caracalla-Therme vorbeikomme, bin ich jedesmal empört. Da schwitzen irgendwelche Leute in dem Gebäude, ohne sich zu echauffieren, dass dieser Bau nach einem perfiden Brudermörder benannt ist.

Nöh, das können wir doch so nicht akzeptieren. Mainz hat noch keinen Bussardweg, weshalb ein Umtaufen der Drususstraße doch vollkommen problemlos sein sollte. Und auch für Baden-Baden könnte man simpel aus Caracalla- eine Carrara-Therme machen. Der Phantasie sind auf jedem Fall keine Grenzen gesetzt.
:ironie:
 
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Mahlzeit! Vielleicht müssten wir als gute Hobbyhistoriker die "Problematik" Tirpitzhafen auch im Gesamtzusammenhang betrachten.
Eins: Auch wenn wir bislang noch nicht herausgefunden haben, wann genau denn nun der Tirpitzhafen zum "Tirpitzhafen" geworden ist, steht doch fest, dass die Bundeswehr an der Benennung nie ernsthaft gerüttelt hat. Das steht zunächst in der selben Tradition wie die Beibehaltung z. B. einer "Karl-von-Müller-Kaserne" in Emden ("Kriegsheld, ritterlicher der Kaiserlichen Marine"), aber auch der Beibehaltung anderer Namen wie "Kübler-Kaserne" (Gewalttäter, krimineller des WK II). In den ersten beiden Jahrzehnten konnten sich in Kaiserlicher, Reichs- und schließlich Kriegsmarine sozialisierte hochrangige Offiziere mit ihrem praktisch unveränderten Weltbild erst mal an die Spitze und durch setzen. Prominentester Vertreter ist Admiral Ruge Friedrich Ruge ? Wikipedia denn man je nach gusto als Patrioten oder auch als Wendehals bezeichnen kann. Pragmatischerweise musste man eben auf die erfahrenen Offiziere zurückgreifen, da, nach Adenauer, die NATO ihm keine 18-jährigen Generale abnehmen würde. Welchen Geist diese Führungsschicht atmete, gibt die schon damals durchaus skandalöse Zenker-Rede wieder:
[...]Zenker versuchte, eine ungebrochene Marinetradition von der Reichsflotte 1848 bis zur Bundesmarine 1956 darzustellen und verteidigte ausdrücklich die als Kriegsverbrecher verurteilten Großadmirale Raeder und Dönitz, die in den Nürnberger Prozessen wegen ihrer politischen Handlungen, nicht aber als Oberbefehlshaber der Marine verurteilt worden seien.[...]
Karl-Adolf Zenker ? Wikipedia
Im Geiste solcher Männer ist es nicht verwunderlich, das "Traditionsnamen" ebenso beibehalten wurden, wie sie neuen Schiffen (die Schulfregatten Brommy, von Spee etc.) gewährt wurden. Und im selben Geiste stand die schon damals fragwürdige Neuaufnahme von WK II-Helden wie Lütjens, Mölders und Rommel in den Namenskanon. Die Debatte über diese Namen flammte immer wieder auf. Da Schiffe im Gegensatz zu Stützpunkten eine begrenzte (wenn auch lange) Lebensdauer haben, dürfte die neuere Marineführung froh gewesen sein, die leidige Debatte mitsamt der Schiffe anfang des letzten Jahrzehnts ad acta gelegt haben zu können. Derzeit herrscht in der politischen wie in der militärischen Führung weitgehender Konsens, dass es für zukünftige Neuerwerbungen keine Personennamen mehr geben wird. (Der m. E. richtigen und wichtigen Präferenz von Bundesländern, Kommunen und Flüssen für die Bezeichnung von Schiffen sind leider auch schöne Traditionsnamen nach Tieren, Sternbildern und Schmuckstücke wie "Gefion", "Frauenlob" und "Loreley" zum Opfer gefallen :weinen:.)

Zum zweiten finde ich ebenfalls, dass man umstrittene Namen nicht einfach auslöschen sollte. Tirpitz war meines Wissens zwar ein "Aufrüster", ein Rechtskonservativer und Monarchist - das alles aber im Geiste seiner Zeit und m. E. kann man ihn weder aus damaliger noch aus heutiger Warte als Kriminellen bezeichnen. In dem Sinne, historische Namensgebungen auch als Denkanstoß zumindest für den interessierten Teil der trägen Masse zu gebrauchen, finde ich die Konstellation ganz gut, so wie sie heute herrscht. Neben allen Aufregereien, dass ein "schlechter Mensch" Namenspatron des Kieler Stützpunktes ist, wird weder thematisiert, dass die Stadt Kiel quasi als Ausgleichsgewicht den Bahnhofsplatz als "Platz der Kieler Matrosen" (von 1918) benannt hat, noch dass der "Nachbarstützpunkt" der Marine in Eckernförde "Kranzfelder Hafen" heißt. Alfred Kranzfelder ? Wikipedia
Darüber hinaus haben die meisten Marinestützpunkte auch einfach ihre unaufgeregten Ortsnamen wie "Hohe Düne" oder "Olpenichts"... :still:
 
ja, mir schon: wenn selbst innerhalb der Marine Tirpitz salopp gesagt fachlich nicht viel taugte, wie konnte er dann derart Karriere machen? War die Marine insgesamt quasi blind?
das ist keine rhetorische und auch keine Scherzfrage!

Ich habe ja auch keine scherzhafte Antwort gegeben.

Dass er fachlich nichts taugte, habe ich auch nicht gesagt. Die Darstellung oben hob auf die Folgen ab, nicht darauf, ob er erstklassige Schiffe bauen ließ oder analog zu anderen Marinen den Torpedo forcierte. Aber:

1. die Folgen war finanziell, politisch und militärstrategisch desaströs
2. Seine Kommandos waren unauffällig

Als Aufrüster der Marine (zu Lasten des Heeres) war er allerdings herausragend. Interessanterweise führte genau dieser Aspekt - siehe oben - zu seiner Rekultivierung im Dritten Reich und zur Namensverwendung.

Widerspricht denn wirklich keiner dieser Beurteilung der Person von Tirpitz, und gewinnt dem Militär für die Traditionspflege Bundesmarine (wenigstens!) in dieser engen, nur-militärischen Sicht etwas Positives ab?

Das wäre allerdings für mich ein positives Ergebnis dieser Debatte um die Hafenbenennung. Wenn der Beurteilung nicht widersprochen wird, wäre natürlich noch seine Aktivität in der Weimarer Republik aufzusatteln.

Das führt zu der Frage: sind eigentlich Tirpitz-Reden aus dem Reichstag 1924-1928 irgendwo in der Protokollierung verfügbar? Da würde ich gerne mal nachlesen.


P.S. und OT: "Tirpitzhafen" befindet sich erstaunlicherweise schon auf der ersten Google-Seite. Yahoo ignoriert uns leider aus unerfindlichen Gründen.:cry:
 
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Das führt zu der Frage: sind eigentlich Tirpitz-Reden aus dem Reichstag 1924-1928 irgendwo in der Protokollierung verfügbar? Da würde ich gerne mal nachlesen.

Ich habe jetzt nicht nachgesehen ob die Tirpitz-Reden dabei sind. Nach Datum sollten sie aber:

Verhandlungen des Deutschen Reichstags

Ich habe irgendwo in meiner Sammlung noch einen andern Link. Den finde ich aber gerade nicht :cry:
 
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Ich habe ja auch keine scherzhafte Antwort gegeben.

Dass er fachlich nichts taugte, habe ich auch nicht gesagt. Die Darstellung oben hob auf die Folgen ab, nicht darauf, ob er erstklassige Schiffe bauen ließ oder analog zu anderen Marinen den Torpedo forcierte. Aber:

1. die Folgen war finanziell, politisch und militärstrategisch desaströs
2. Seine Kommandos waren unauffällig
dazu eine weitere Frage: waren diese Folgen während seiner aktiven Karriere, also bis 1916, für Militärspezialisten seinerzeit voraussehbar, oder ist das ein Standpunkt aus viel späterer Sicht (und wieviel später)?
 
Wenn man aus der Messe kommt, ist man immer schlauer als man dort hin gegangen ist. So gesehen stellt sich die Frage, ob Tirpitz das Scheitern seiner Marinestrategie schon vor 1914 hätte voraussehen können.

Tirpitz ging es ja darum eine Abschreckung der Briten vor einem Krieg mit Deutschland zu erreichen. Sein Grundgedanke war, dass nach einem zu erwartenden britischen Seekriegssieg jedoch die britische Flotte so geschwächt wäre, dass diese ihre unbestrittene Spitzenposition als Seemacht einbüßen würde. Dabei sind zumindest zwei Punkte von Tirpitz vorausgesetzt worden, welche dann nicht eingetreten sind:

Eine enge britische Blockade der deutschen Nordseeküste, welches es den leichten deutschen Seestreitkräften ermöglicht hätten, die britische Flotte mittels U-Boote, Torpedoboote und Minensperren zu schädigen. Die Briten wählten jedoch eine Fernblockade weitab der deutschen Bucht und verletzten dabei die Rechte der neutralen skandinavischen Länder massiv. Die rechtliche Frage, ob diese Blockade effektiv war, ist bis heute umstritten. Denn nur eine effektive Blockade wäre rechtlich zulässig gewesen.

Die von Tirpitz gewählte Risikostrategie setzte natürlich voraus, dass sich die deutsche Flotte in ihrer Rolle fügte. Will heißen, es kommt zur großen Schlacht in welchem die deutschen Großkampfschiffe vernichtet werden - aber im Gegenzug die Briten selbst so viele Einheiten verlieren, dass zum Beispiel die USA die Herrschaft über die Ozeane übernimmt. Der Kaiser ließ seine Flotte aber diese große Seeschlacht nicht aktiv suchen. Als es dann am 31.05.1916 zu dieser Schlacht kam, strebten die Deutschen lediglich ein möglichst unbeschadetes Heimkehren an. Nach der Risikostrategie hätte man die Nachtschlacht suchen müssen und dabei den Briten die Rechnung für ihren Kriegseintritt präsentieren können.

Kurzum am 03.08.1914 war Tirpitz für jedermann ersichtlich gescheitert. Sein Plan, dass Großbritannien durch den Bau seiner Flotte den Krieg mit Deutschland vermeiden würde, hatte sich nicht erfüllt. Jedoch war dies keine Überraschung mehr, denn zuvor war die Fernblockade bei den Briten diskutiert worden. Nicht für die Öffentlichkeit, doch für die Fachwelt musste der Fehlschlag schon vor Kriegsausbruch klar gewesen sein.

Nur würde ich jetzt nicht so einfach den Stab über Tirpitz brechen. Meines Erachtens hätte es noch in der Zeit vor dem Kriegsausbruch die Möglichkeit gegeben, aus der Situation etwas positives zu machen. Dabei reden wir nicht von Tagen oder Wochen. Sondern die letzten Jahre vor 1914. Die Gespräche von Ballin mit den Briten hatte entsprechendes Potenzial.

Und letztendlich war Tirpitz auch nur ein Untergebener des Kaisers sowie des Reichskanzlers. Diese haben die Gesamtsituation von August 1914 verursacht. Tirpitz hat nicht die Neutralitätsverletzung Belgiens durch Deutschland zu verantworten. Der Schlieffenplan stammt nicht von ihn.

Zudem ist Tirpitz 1930 gestorben. Ihm in die Nähe der Nazis zu rücken, ist deshalb nicht akzeptabel. Er stand wohl für ein militaristisch-autokratisches Deutschland. Ob er aber einen "Böhmischen Gefreiten" als geeigneten Reichskanzler gesehen hätte? Silesia hat da sicherlich die Quellen zum Beantworten dieser Frage.
 
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Widerspricht denn wirklich keiner dieser Beurteilung der Person von Tirpitz, und gewinnt dem Militär für die Traditionspflege Bundesmarine (wenigstens!) in dieser engen, nur-militärischen Sicht etwas Positives ab?

Das wäre allerdings für mich ein positives Ergebnis dieser Debatte um die Hafenbenennung. Wenn der Beurteilung nicht widersprochen wird, wäre natürlich noch seine Aktivität in der Weimarer Republik aufzusatteln.
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Ich möchte gern antworten, aber ich verstehe deine Frage auch nach 10maligen Durchlesen nicht. Kannst Du es für einen einspurig denkenden Matrosen genauer darstellen, bitte?

Was soll widersprochen werden, daß Tirpitz als Namensträger in maritimer Tradion nach heutigen Erkenntnissen nicht tragbar ist?
 
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