Unterschied Erster-Zweiter Weltkrieg

Das ist korrekt. Aber der geübten, humanitären Grundsätzen entsprechenden, Praxis entsprach die "unmenschliche, mörderische" Behandlung sowjetischer Kriegsgefangene nun wirklich nicht.

Dazu ist noch folgende hinzuzufügen:
Im März 1941 wurden ca. 100 000 sowjetische Kriegsgefangene nach Auschwitz gebracht

Und zwischen September und Oktober 1941 wurden rund 900 sowjetische Kriegsgefangene in Auschwitz als "Probe" mit Zyklom B vergast. Was mit den restlichen Kriegsgefangenen in Auschwitz geschah, ist nicht bekannt, aber ich denke wir können uns vorstellen, dass sie nicht als Kriegsgefangene behandelt wurden sondern als minderwertige Rasse. Und was das in der Nazisprache hiess, muss man wohl niemanden mehr erklären.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und umgekehrt. Dazu waren beide Staaten völkerrechtlich auch nicht verpflichtet, da die UdSSR das Abkommen über Kriegsgefangene nicht ratifiziert hatte.

So einfach ist das nicht:

Zunächst einmal ist es für den Ratifizierenden (Deutsches Reich) imho unerheblich, ob der Kontrahent ratifiziert hat. Der Ratifizierende ist daran gebunden.

Weiterhin gab es das Angebot der UdSSR auf Anerkennung der Regeln zur Behandlung Gefangener von Anfang Juli 1941 (1 Woche nach Kriegsausbruch), conditio sine qua non war die ausdrückliche Zusage des Deutschen Reiches, russische Kriegsgefangene entsprechend zu behandeln (wozu man formal bereits verpflichtet war). Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings deutsche Durchbrechungen bis hin zum Kommissarbefehl etc. bereits in der Welt, von den "Zuständen" im Bialystocker und Minsker Kessel ganz zu schweigen, die Bedingung war also nicht mehr einhaltbar.

Es hat rund 4 Wochen gedauert, bis diese Anfrage über das Außenministerium an die Heeresgruppen im Osten gelangt ist (Anfang August 1941), so das diese über das russische Angebot informiert wurden. Die Anfrage wurde deutscherseits dann mW nicht/nie beantwortet, zumal man im September 1941 die Niederlage der UdSSR für unmittelbar bevorstehend ansah.
 
Für dein persönliches Moralverständnis mag dies zutreffen, rechtlich sieht es allerdings anders aus.
Nein, rein rechtlich gesehen eben nicht! Zur Einhaltung war man nur gegenüber Vertragsparteien verpflichtet.

Könntest Du mir das einmal näher erklären, das verstehe ich nicht? :winke:
Ich kenne diese Argumentation durchaus, sie wird häufig vertreten, dadurch wird sie aber nicht richtiger. Und das hat nichts mit moralischen Kategorien zu tun.

Jedenfalls nach dem, was höchstrichterlich in der BRD geklärt ist, entsprachen sowohl die Basisregelungen in der HKLO zu den Kriegsgefangenen als auch die Kriegsgefangenenkonvention von 1929 - auch ohne Signatur der SU! - bereits 1941 dem unantastbaren Kernbereich des Rechts, mindestens dem Völkergewohnheitsrecht (BGH in Strafsachen Bd. 1, S. 391, vom 6. November 1951
und BGH in Strafsachen Bd. 2, S. 333, vom 6. Mai 1952).

"Wie im förmlichen Geltungsbereich der HLKO für die in ihr nicht geregelten Fälle, so gilt auch außerhalb dieses
Bereichs allgemein, daß das Fehlen einer ausdrücklichen schriftlichen Abrede nicht etwa die Bedeutung hat, daß keine völkerrechtlichen Grundsätze bestehen und daß die Willkür der militärischen Befehlshaber darüber befinden könne, was Recht und Unrecht sei."

Wortlaut (und Wikipedia) ist das eine, teleologische Reduktion und Rechtsprechung das andere.:winke:
 
Rechtsprechung das andere.


Richtig, deshalb zieht dein Argument auch nicht. Zum einen haben wir kein Richterrecht (wobei du beim zitieren eines Urteils schon den konkreten zugrunde liegenden Fall mit darstellen solltest), zum anderen kann, selbst wenn man die Rechtsprechung als Rechtsquelle einbezieht, das Urteil für die davor liegenden Zeiten kaum für eine historische Betrachtung herangezogen werden.

Edit: Meine diesbezügliche Kenntnis und Rechtsauffassung gab es schon vor Wikipedia. ;)
 
So einfach ist das nicht:

Zunächst einmal ist es für den Ratifizierenden (Deutsches Reich) imho unerheblich, ob der Kontrahent ratifiziert hat. Der Ratifizierende ist daran gebunden.

Weiterhin gab es das Angebot der UdSSR auf Anerkennung der Regeln zur Behandlung Gefangener von Anfang Juli 1941 (1 Woche nach Kriegsausbruch), conditio sine qua non war die ausdrückliche Zusage des Deutschen Reiches, russische Kriegsgefangene entsprechend zu behandeln (wozu man formal bereits verpflichtet war). Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings deutsche Durchbrechungen bis hin zum Kommissarbefehl etc. bereits in der Welt, von den "Zuständen" im Bialystocker und Minsker Kessel ganz zu schweigen, die Bedingung war also nicht mehr einhaltbar.

Es hat rund 4 Wochen gedauert, bis diese Anfrage über das Außenministerium an die Heeresgruppen im Osten gelangt ist (Anfang August 1941), so das diese über das russische Angebot informiert wurden. Die Anfrage wurde deutscherseits dann mW nicht/nie beantwortet, zumal man im September 1941 die Niederlage der UdSSR für unmittelbar bevorstehend ansah.


Hallo Silesia,

das habe ich noch gar nicht gewußt:), man lernt halt nie aus. Danke schön für die Info.
 
Und umgekehrt. Dazu waren beide Staaten völkerrechtlich auch nicht verpflichtet, da die UdSSR das Abkommen über Kriegsgefangene nicht ratifiziert hatte.

Es muss aber von der Sowjetunion gleich zu Anfang das Angebot gegeben haben, sich gegenseitig an die Abkommen zu halten. Von Nazi-Seite gar nicht beantwortet.

Es wurden nicht von irgendeiner untergeordneten Stelle Verbrechen fabriziert. Nein, von der obersten Führung her, bewußt absichtlich, von vornherein geplant!. Und KEINER! hat Zeder und Mordio geschrien!


Dieser ganze Komplex ist zutiefst unmenschlich. Eine Schande!
 
Richtig, deshalb zieht dein Argument auch nicht. Zum einen haben wir kein Richterrecht (wobei du beim zitieren eines Urteils schon den konkreten zugrunde liegenden Fall mit darstellen solltest), zum anderen kann, selbst wenn man die Rechtsprechung als Rechtsquelle einbezieht, das Urteil für die davor liegenden Zeiten kaum für eine historische Betrachtung herangezogen werden.

Edit: Meine diesbezügliche Kenntnis und Rechtsauffassung gab es schon vor Wikipedia. ;)
Die Haager Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges enthielten zwar sogenannte Allbeteiligungsklauseln. Diese Klauseln zufolge waren die Regelungen der HLKO nur dann verbindlich, wenn auch alle Kriegsparteien die Haager Abkommen ratifiziert hatten.

ABER bereits im Ersten WK hatte sich die allgemeine Rechtsüberzeugung herausgebildet, dass die HLKO auch in einem Krieg mit einer Nichtvertragspartei galt. Der eine Teil der Völkerrechtler begründete dies damit, dass die Allbeteiligungsklauseln gewohnheitsrechtlich beseitigt wurden; die überwiegende Mehrheit damit, dass die HLKO als Völkergewohnheitsrecht Geltung erlangte.

Als zum Beispiel Prof. Dr. Böhmert am 2. Mai 1941 (!) vor dem Ausschuss für Völkerrecht der Akademie für Deutsches Recht über die Freischärlerei referierte, führte er in die Problematik mit Ausführungen zu den hierbei zu beachtenden Rechtsquellen wie folgt ein:

"Die Haager Landkriegsordnung von 1899 ist direkt als Vertragsrecht anwendbar, da alle gegenwärtig noch am Kriege beteiligten Staaten des Haager Abkommen von 1899 über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges ratifiziert haben. Man darf aber auch die Haager Landkriegsordnung von 1907, die mangels der Ratifikation Serbiens und Griechenlands in diesem Krieg keine direkte Anwendung findet, als Ausdruck des allgemein anerkannten völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts bezeichnen" (Victor Böhmert auf der IV. Sitzung am 2. Mai 1941. Protokoll in: Werner Schubert [Hrsg.], Ausschüsse für Völkerrecht und Nationalitätenrecht [1934-1942], S. 157).

Derartige Beispiele gibt es viele. Bekanntlich versuchte ja auch das Auswärtige Amt die Regierung dazu zu bewegen, die HLKO gegenüber der SU anzuwenden.

Der von Silesia zitierte Bundesgerichtshof hat also kein eigenes Recht gesetzt, sondern bei seiner Entscheidung die seit dem Ersten WK bestehende allgemein verbreitete Rechtsüberzeugung berücksichtigt, dass die HLKO 1941 als Gewohnheitsrecht zu beachten war.
 
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Richtig, deshalb zieht dein Argument auch nicht. Zum einen haben wir kein Richterrecht (wobei du beim zitieren eines Urteils schon den konkreten zugrunde liegenden Fall mit darstellen solltest), zum anderen kann, selbst wenn man die Rechtsprechung als Rechtsquelle einbezieht, das Urteil für die davor liegenden Zeiten kaum für eine historische Betrachtung herangezogen werden.
Edit: Meine diesbezügliche Kenntnis und Rechtsauffassung gab es schon vor Wikipedia. ;)

"konkreten Fall angeben"?
Die Frage/der Hinweis geht ins Leere: es handelt sich hier um einen abstrakten Rechtsatz eines Gerichts, der die jedenfalls in diesem Land geltende Auslegung völkerrechtlicher Bestimmungen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges betrifft. Mit der Angabe von Sachverhalten oder dem Einwand kasuistischer Rechtsprechung (oder Richterrecht) hat das nichts zu tun.

Man kann sich nun gerne auf die Ebene des Historikers und evt. auch von einer juristisch begründeten Basis zurückziehen, das hilft hier aber nicht weiter: der BGH hat Auslegungskompetenz in Strafsachen des Völkerrechts für Deutsche, geschehen hier noch dazu in einem engen zeitlichen Zusammenhang (1951 und 1952). Eine beliebig davon abweichende historische Meinung zu juristischen Fragen kann sich nicht im luftleeren Raum bewegen, abgesehen davon hätte sie keine höhere fachliche Kompetenz. Es geht es um die Bestimmung des geltenden Völkerrechts (nicht um eine x-beliebige Interpretationsfrage, wer wen aus welchen Gründen angegriffen hat), und da ist der BGH nicht nur für Angeklagte, sondern auch für die historische Beurteilung eine beachtenswerte (fachliche) Instanz.

"deshalb" ... zieht es nicht?
Allerdings kann man in diesem Lande zu fast allem eine andere Meinung äußern. Das kann man auch vor Gericht, ob man gehört wird, ist eine Frage der Begründung. Da wiederhole ich gerne meine Frage: aus welchen juristischen Gründen soll denn der schon über 50 Jahre alte Rechtsatz des BGH zur Anwendbarkeit der HLKO etc. eine falsche Auslegung des Völker(straf-)rechts 1941ff. darstellen? Wer sich als Historiker gegen eine richterliche Auslegung des Völkerrechts wendet, sollte einmal seine Gründe dartun.

"für die davor liegenden Zeiten kaum für eine historische Betrachtung ... "?
Noch ein klarstellender Hinweis auf die „Nachträglichkeit“ des Urteils: die Rechtsprechung beurteilt anhand des seinerzeit geltenden Rechts (hier Begutachtung der Völkerrechtslage im Krieg, wie übrigens auch jeder Historiker „nachträglich“ beurteilt, ob mit gleicher Kompetenz wie ein zuständiges Gericht, vermag ich allerdings nicht zu sagen).

EDIT: Gandolf hat dankenswerter Weise Böhmert zitiert. Auch hier könnte man nun einwenden, dass sei "nur" eine Meinung. Es lassen sich aber eine Vielzahl von solchen Meinungen anführen, wie Gandolf ebenfalls richtig angeführt hat, für die Gegenmeinung jedenfalls keine von fachlicher Kompetenz (oder ich kenne sie bislang nicht, dann aber bitte Aufklärung).
 
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"konkreten Fall angeben"?


Ja sicher, es muß doch irgendein "Impuls" vorgelegen haben, der dieser Entscheidung vorausging. Oder haben sich die werten Herren aus Langeweile zusammengesetzt, um eine "in diesem Land geltende Auslegung völkerrechtlicher Bestimmungen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges" aus der Taufe zu heben?

Zum anderen ist in euren Posts von der Haager Landkriegsordnung die Rede, die Kriegsgefangenenfrage ist allerdings im Abkommen II der 3. Genfer Konvention von 1929 geregelt. Ist diese anologe Anwendung auch so stichhaltig gedeckt?

Ich werd nochmal nachschauen, kann etwas dauern. Vielleicht sollten wir die Diskussion um anzuwendendes Völkerrecht auch in einem eigenen Thread behandeln?!
 
Ja sicher, es muß doch irgendein "Impuls" vorgelegen haben, der dieser Entscheidung vorausging. Oder haben sich die werten Herren aus Langeweile zusammengesetzt, um eine "in diesem Land geltende Auslegung völkerrechtlicher Bestimmungen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges" aus der Taufe zu heben?

Zum anderen ist in euren Posts von der Haager Landkriegsordnung die Rede, die Kriegsgefangenenfrage ist allerdings im Abkommen II der 3. Genfer Konvention von 1929 geregelt. Ist diese anologe Anwendung auch so stichhaltig gedeckt?

Ich werd nochmal nachschauen, kann etwas dauern. Vielleicht sollten wir die Diskussion um anzuwendendes Völkerrecht auch in einem eigenen Thread behandeln?!

Der eigene thread ist eine gute Idee.

Für die Kriegsgefangenen-Regeln nach der Genfer Konvention gilt, dass diese Ergänzungen und Neuerungen zur HLKO brachte, allerdings in einer Kontinuität der Entwicklung des Völkerrechts zum Kriege stand. An der Grundsatzfrage der humanitär einwandfreien Behandlung der Kriegsgefangenen wurde nichts geändert: Strebel, ZAÖRV 1950/51, S. 118 ff.

Die "werten Herren" repräsentieren einen Strafrechtssenat des BGH. Anlaß war ein Revisionsverfahren, Verstöße gegen Kriegsrecht (Völkerrecht), "aus der Taufe" mußte allerdings - wie Gandolf schon vorgebracht hat, nichts gehoben werden. :winke:
 
Da haben wir doch den "konkreten Fall", nach dem ich mir erlaubte zu fragen. ;)
Aus dem Zusammenhang gerissen, bringen Urteilszitate oft nix. :nono:

Vielleicht unterliegst Du hier einem Mißverständnis: Der Rechtsatz ist die generell-abstrakte Norm. Er ist allgemein gültig in Bezug auf die Auslegung von Verträgen und Gesetzen (hier: völkerrechtlichen Regelungen).

Mit dem Zusammenhang (also dem konkreten, zu entscheidenden Sachverhalt) hat das nichts zu tun. Insofern ist auch das Zitat des Rechtsatzes des BGH bei der Auslegung der völkerrechtlichen Grundlagen für die Behandlung von Kriegsgefangenen einschlägig.

Mit den aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten aus Urteilen hast Du ansonsten natürlich Recht, soweit sie sich (nur!) auf den konkreten Sachverhalt beziehen.
 
Der Rechtsatz ist die generell-abstrakte Norm. Er ist allgemein gültig in Bezug auf die Auslegung von Verträgen und Gesetzen


Nur um Mißverständnisse zu vermeiden. Hier handelt es sich ersteinmal um ein Urteil. Inwiefern bzw. warum ist dieser Auszug (Zitat) nun ein Rechtssatz?

Die "Norm" ist gemeinhin das Gesetz. Gesetzeskraft können, soweit ich informiert bin, nur bestimmte Urteile des Bundesverfassungsgerichts erlangen. Sollte das auch auf andere Gerichte zutreffen, sag mir bitte, woher du das hast.
 
Nur um Mißverständnisse zu vermeiden. Hier handelt es sich ersteinmal um ein Urteil. Inwiefern bzw. warum ist dieser Auszug (Zitat) nun ein Rechtssatz?
Indem "er" abstrakt formuliert ist.

Die "Norm" ist gemeinhin das Gesetz. Gesetzeskraft können, soweit ich informiert bin, nur bestimmte Urteile des Bundesverfassungsgerichts erlangen. Sollte das auch auf andere Gerichte zutreffen, sag mir bitte, woher du das hast.
Es bedarf hier keiner Gesetzeskraft, sondern der Auslegung von Rechtsbegriffen bzw. -zuständen (Völkerrecht) durch das höchste deutsche Strafgericht.

Die in Rede stehende Norm betrifft Völkerrecht bzw. Völkergewohnheitsrecht, kristallisiert in Verträgen (von 1907 bzw. 1929). Somit geht es hier um die Interpretation von Normen, mit Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG) hat das nichts zu tun. Da die übrigens über 50 Jahre fortgeführte Entscheidung des BGH keine Aufhebung des BVerfG wegen Verstoßes gegen die Grundrechte erfahren hat, kannst Du auch von ihrer Verfassungsmäßigkeit ausgehen. Alles andere ist nur spekulativ und wurde mit Sicherheit auf Erfolgschancen durch eine professionelle Verteidigung ausgelotet.
 
Indem "er" abstrakt formuliert ist.


Mmh, das finde ich jetzt etwas unbefriedigend. Das Gesamturteil wäre schon hilfreich, um dieses "abstrakt formulierte" Zitat richtig einordnen zu können. Alternativ könntest du mir ja auch sagen, woher du die Weisheit hast, genau dieser Auszug wäre ein Rechtssatz.

Es bedarf hier keiner Gesetzeskraft, sondern der Auslegung von Rechtsbegriffen
Eine Auslegung ist rechtlich gesehen nicht bindend, daß ist nur die Norm. Daß sich in der Rechtspraxis daran orientiert wird, ist natürlich klar, aber das ist etwas anderes.

Und im übrigen, haben wir es jetzt mit einer "Auslegung" oder einem "Rechtssatz" zu tun?

keine Aufhebung des BVerfG wegen Verstoßes gegen die Grundrechte erfahren hat, kannst Du auch von ihrer Verfassungsmäßigkeit ausgehen.
Ja sicher ist die Entscheidung grundrechtskonform. Nur - während des 2. WK gab es dies noch nicht. Weiter oben sagtest du, der BGH wäre von der (Rechts-)Situation während des Krieges ausgegangen, das trifft aber nur insoweit zu, als das der BGH bei seiner Entscheidung das GG berücksichtigt.
Bei einer historisch-rechtlichen Betrachtung - um die es hier doch geht - sind wir frei von dieser Einschränkung.


Ich möchte nochmal zum Ausgangspunkt zurückkommen. Es ging doch um die Frage (welche leider noch nicht in einem eigenen Thread gelandet ist), ob das DR gegenüber der SU die Verträge der Genfer Konvention zur Behandlung der Kriegsgefangenen zu beachten hatte.

Ich sage nach wie vor nein. Das bedeutet ja nun keineswegs, daß sich die kämpfende Truppe in einem völlig (völker-)rechtsfreien Raum befand. Nur würde das Pochen auf Einhaltung aller Abkommen mit Hinweis darauf, sie alle wären Bestandteil des anzuwendenden Völkerrechts, die Nichtunterzeichnung eines Staates einzelner Abkommen ja vollkommen ad absurdum führen.

Nun ist das Zitat von Prof. Dr. Böhmert selbstverständlich ein Argument, weshalb es näherer Betrachtung verdient. Zur Erinnerung:
"Die Haager Landkriegsordnung von 1899 ist direkt als Vertragsrecht anwendbar, da alle gegenwärtig noch am Kriege beteiligten Staaten des Haager Abkommen von 1899 über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges ratifiziert haben. Man darf aber auch die Haager Landkriegsordnung von 1907, die mangels der Ratifikation Serbiens und Griechenlands in diesem Krieg keine direkte Anwendung findet, als Ausdruck des allgemein anerkannten völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts bezeichnen"
An dieser Stelle verzichte ich mal auf die Frage nach dem Gesamtzusammenhang. Der erste Satz ist unmißverständlich: "ist... anwendbar". Im zweiten Satz wird es schon etwas vager: "darf... bezeichnen". Ganz klar sagt aber auch Böhmert:"keine direkte Anwendung findet", womit von Kriegsgegnern nicht ratifizierte Abkommen gemeint sind.

Somit stelle ich also fest, daß - in Analogie - das Abkommen II der 3. Genfer Konvention gegenüber der SU nicht angewendet werden mußte, die Behandlung des Gegners deswegen aber auch nicht frei der völkerrechtlichen Grundsätze sein durfte.

Inwieweit ein Verhalten zwar nicht dem besagten, wohl aber den übrigen Abkommen entsprochen hat oder auch nicht, und ob dies überhaupt möglich erscheint, bliebe indes einer Einzelfallprüfung vorenthalten.
 
Ich hoffe mal, unsere separate Diskussion stört hier nicht den übrigen Themenfluß (bei weiteren Antworten solltest Du ein Extra-Thema aufmachen):

Mmh, das finde ich jetzt etwas unbefriedigend.
Die Rechtsregel als allgemein gültiger Rechtssatz lautet: Die Grundsätze der HLKO entsprechen dem unantastbaren Kernbereich des (Völker-)Rechts, denen sich kein Staat entziehen kann. Auch außerhalb des förmlichen Geltungsbereichs der HLKO bestehen völkerrechtliche Grundsätze, die materiell denen der HLKO entsprechen. Da dieses abstrakt (unabhängig vom Fall) formuliert ist, liegt ein Rechtssatz vor.

Eine Auslegung ist rechtlich gesehen nicht bindend, daß ist nur die Norm.
Zum BGH: :confused:

Und im übrigen, haben wir es jetzt mit einer "Auslegung" oder einem "Rechtssatz" zu tun?
Mit einer Rechtsregel als allgemein gültigem Rechtssatz. Der Hinweis auf Auslegungsbedarf betrifft den Geltungsbereich der HLKO.

Ja sicher ist die Entscheidung grundrechtskonform. Nur - während des 2. WK gab es dies noch nicht. Weiter oben sagtest du, der BGH wäre von der (Rechts-)Situation während des Krieges ausgegangen, das trifft aber nur insoweit zu, als das der BGH bei seiner Entscheidung das GG berücksichtigt. Bei einer historisch-rechtlichen Betrachtung - um die es hier doch geht - sind wir frei von dieser Einschränkung.
Das BVerfG hattest Du in die Diskussion eingeführt, wenn ich das richtig überblicke. Ich habe den Hinweis aufgegriffen, da es eine theoretische Möglichkeit der Aufhebung des BGH-Urteils gäbe (was praktisch nicht erfolgt ist), mehr musst Du da nicht hinein interpretieren. Der BGH hat während des WK II geltendes Kriegsrecht (Völkerrecht) beurteilt. Die Schlußfolgerung in Satz 2 (2. Hälfte) und 3 von Dir ist daher unverständlich.


Ich sage nach wie vor nein. Das bedeutet ja nun keineswegs, daß sich die kämpfende Truppe in einem völlig (völker-)rechtsfreien Raum befand. Nur würde das Pochen auf Einhaltung aller Abkommen mit Hinweis darauf, sie alle wären Bestandteil des anzuwendenden Völkerrechts, die Nichtunterzeichnung eines Staates einzelner Abkommen ja vollkommen ad absurdum führen.
Es wird nicht auf die "Einhaltung" der Abkommen gepocht, sondern festgestellt, dass diese Abkommen lediglich dem ohnehin geltenden Völkerrecht entsprochen haben. Du hast aber richtig erkannt, dass für den BGH damit letztlich keine Bedeutung hätte, ob das Deutsche Reich unterzeichnet hat. Die Unterzeichnung ließe sich allerdings (und zusätzlich) auch als Anerkennung der völkerrechtlichen Grundsätze durch das Deutsche Reich interpretieren, die darin formuliert worden sind. Aber wie gesagt: darauf kommt es nicht mehr an.

Nun ist das Zitat von Prof. Dr. Böhmert selbstverständlich ein Argument, weshalb es näherer Betrachtung verdient. Zur Erinnerung:
An dieser Stelle verzichte ich mal auf die Frage nach dem Gesamtzusammenhang. Der erste Satz ist unmißverständlich: "ist... anwendbar". Im zweiten Satz wird es schon etwas vager: "darf... bezeichnen". Ganz klar sagt aber auch Böhmert:"keine direkte Anwendung findet", womit von Kriegsgegnern nicht ratifizierte Abkommen gemeint sind.
Lies das nochmal genau (und nicht gegen den Strich) durch: Böhmert zielt hier auf die gleiche Problemstellung der förmlichen Anerkennung des Abkommens einerseits und seiner Bezeichnung als allgemein anerkanntem und damit bindendem Völkergewohnheitsrecht andererseits ab, wie es 10 Jahre später der BGH macht. Und er kommt zu der gleichen Lösung: auf die Unterschrift (dritter Staaten) kommt es für die Verbindlichkeit aus deutscher Sicht und aus besagtem Grund (Kernbereich des Rechts/Völkergewohnheitsrecht) nicht mehr an.

Es bleibt Dir natürlich in der historischen Wertung unbenommen, entgegen der Feststellungen des BGH zu urteilen. Gründe habe ich dafür allerdings noch keine gelesen, die müßten sich mit der Widerlegung des Rechtssatzes :D beschäftigen, nach dem die materiellen Regelungen der HLKO Völkergewohnheitsrecht darstellen.
 
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Bogenschlag zurück zum Thema: Unterschiede zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg: Die Anwendung der HLKO von 1907?

Hier gibt es keine Unterschiede zwischen WK I und II nach Völkerrecht.

Zitat nach von Waldkirch, Das Völkerrecht, Vierter Teil: Die zwischenstaatlichen Streitigkeiten: Die HLKO enthielt eine Allbeteiligungsklausel, was im Fall von Serbien und Montenegro im Weltkrieg sofort von Bedeutung war. Da die Landkriegsordnung zum größten Teil aber den Ausdruck von Gewohnheitsrecht darstellt, war sie im Weltkrieg und ist sie heute in ihrem Hauptinhalt allgemein maßgeblich.
(Basel 1926, S. 347) Der BGH stellt 1951 und 1952 nichts anderes fest.

Zu den Hauptinhalten zählen völkerrechtlich unstreitig die humane Behandlung der Gefangenen, dort S. 351 mit den einzelnen Regelungen sowie die Pflichten der Kriegsparteien gegenüber Verwundeten und Kranken, nach der Genfer Konvention in der Fassung vom 5.7.1906 (gleichfalls mit - unmaßgeblicher - Allbeteiligungsklausel). Vgl. ebenda, S. 353.

In gleicher Weise:
Schmid, die völkerrechtliche Stellung der Partisanen im Kriege, Zürich 1956, S. 80 ff. hinsichtlich des geltenden materiellen Rechtes und der Einschränkung der clausula si omnes, mit Verweis auf Laun, Waltzog und Fenwick.
Eingehende Begründung: IMT Band XXII, S. 467 im Urteil
ebenso nach Schmid in IMT Far East XV, S. 13
 
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Hier gibt es keine Unterschiede zwischen WK I und II nach Völkerrecht.
Das möchte ich so nicht sagen, gerade in Bezug auf die von uns diskutierte Allbeteiligungsklausel.

Diese ist ja nicht ohne Absicht in den Abkommen zu finden; die dadurch entstehende Problematik zeigte sich ja gerade anhand des 1. WK. Ob nun die Abkommen während des Zweiten Weltkrieges als Völkergewohnheitsrecht allgemein zu beachten waren, können wir durchaus diskutieren, dieses aber schon für den Ersten als gültig anzusehen, bezweifle ich doch sehr. Denn die Rechtsauffassung der Nichtanwendbarkeit dieser Allbeteiligungsklausel kristallisierte sich doch erst aufgrund der Erfahrungen bzw. des Verhaltens der beteiligten Mächte im Ersten Weltkrieg heraus.

Daß der Hauptinhalt der Abkommen lediglich Ausdruck von bereits bestehendem Völkergewohnheitsrecht war, bestreite ich keineswegs. Indem man sich im 1. WK - trotz Gültigkeit der Allbeteiligungsklausel - zumindest weitestgehend (?) daran hielt, wird das ja auch deutlich. Nun aber die Rechtsauffassung der Gültigkeit jeglicher Abkommen dort schon sehen zu wollen, würde der Zeit aber doch etwas vorausgreifen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das möchte ich so nicht sagen, gerade in Bezug auf die von uns diskutierte Allbeteiligungsklausel.

Diese ist ja nicht ohne Absicht in den Abkommen zu finden; die dadurch entstehende Problematik zeigte sich ja gerade anhand des 1. WK. Ob nun die Abkommen während des Zweiten Weltkrieges als Völkergewohnheitsrecht allgemein zu beachten waren, können wir durchaus diskutieren, dieses aber schon für den Ersten als gültig anzusehen, bezweifle ich doch sehr. Denn die Rechtsauffassung der Nichtanwendbarkeit dieser Allbeteiligungsklausel kristallisierte sich doch erst aufgrund der Erfahrungen bzw. des Verhaltens der beteiligten Mächte im Ersten Weltkrieg heraus.
Nein. Aufgrund der Kriegsbeteiligung von Nichtunterzeichnerstaaten der HLKO 1907 war diese im 1. WK nicht anwendbar. Dennoch wurde diese von allen Kriegsbeteiligten weitgehend beachtet. Mithin ist im 1. WK die von der Rechtsüberzeugung getragene Gewohnheit der Staaten entstanden, die Regelungen der HLKO zu beachten. Im 1. WK entstand das allgemeine Gewohnheitsrecht, die HLKO 1907 zu beachten.

Im Genfer Abkommen (1929) findet sich freilich keine Allbeseitigungsklausel mehr.
 
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