Das Zitat ist etwas aus dem Zusammenhang gerissen und zudem anders widergegeben. Es stammt aus einem Aufsatz Talleyrands zu Louis Philippe, Herzog von Orleans 1747-1793, der in seine Memoiren eingefügt wurde.
Er geht in diesem Aufsatz auch darauf ein, ob dem Herzog eine Urheberschaft an der Revolution zukommt:
"Was soll man aber vollends zu denen sagen, die laut versichern, der Herzog von Orleans sei der eigentliche Urheber der Revolution, und sein Name sei die Losung für eine zahlreiche Menge von Bürgern gewesen. Andere sagen, er habe in seinem Ehrgeiz sogar die Blicke auf den Thron gerichtet. Alle diese Behauptungen zerfallen in nichts. ..." [1]
und dann weiter unten:
"Wenn also die Geschichtschreiber nach den Männern ausschauen, denen sie, je nach ihrem Standpunkt, die Ehre oder das Brandmal zuerkennen, die französische Revolution hervorgerufen, geleitet und verbreitet zu haben, so geben sie sich eine überflüssige Mühe. Sie war nichts anderes, als die aufgegangene Saat, welche die Schriftsteller in einem nach Licht und Wahrheit ringenden Jahrhundert ausgestreut hatten, eine Saat, welche die Vorurteile und Mißbräuche der Machthaber ausrottete, die aber auch zugleich die religiösen und sozialen Grundfesten der menschlichen Gesellschaft zerstörte; erst in zweiter Reihe können dann eine schwache Regierung, unfähige Minister, schlechte Finanzverwaltung und die Unzufriedenheit des Volkes in Betracht kommen." [2]
Damit relativiert sich das Zitat bei Bernard erheblich.
Was die Minister angeht, stellt Bernard fest:
"All diese Ereignisse hatte Talleyrand in den Jahren nach seiner Weihe mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Er kannte die Minister, die einer nach dem anderen zurücktreten mussten, da ihre Vorschläge bei den Ständen, denen er selbst angehörte - dem Klerus und dem Adel - auf Widerstand gestoßen war. "Man erkannte einfach nicht", erklärte er, "dass einige wenige unumstößliche Prinzipien der Wirtschaftspolitik in Verbindung mit einem vernünftigen öffentlichen Kredit die ganze Wahrheit der Finanzpolitik ausmachten."" [3]
2 Minister hatten eine große Bedeutung für Talleyrand: Choiseul und Vergennes. Vom Herzog lernte er das "Minister sein", vom Grafen die Außenpolitik:
"In meiner Amtszeit als Minister ließ ich andere immer mehr arbeiten, als ich mir selbst auferlegte. Man soll es nie so weit kommen lassen, dass man in Verwaltungsarbeit erstickt; statt dessen engagiere man sich Leute, die diese Art von Arbeit beherrschen. Der Idealfall ist, eine Situation durch eine bloße Geste oder einen Wink zu beherrschen. Ein Minister, der sich in der Gesellschaft bewegt, kann die Zeichen der Zeit sogar bei Festivitäten erkennen; einer, der sich in seinem Arbeitszimmer verkriecht, lernt nichts dazu." [4]
Den Rat Choiseuls wird Talleyrand sein Leben lang beherzigen.
"Frankreich muss in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung eine Vergrößerung seines Gebietes eher fürchten als wünschen. Würden seine Grenzen erweitert, so würde sein Schwerpunkt an die Grenzen verlegt und es würde im Innern geschwächt werden. Es vereinigt in sich alle Bedingungen einer wirklichen Größe: es hat fruchtbare Boden, erzeugt wertvolle Waren, seine Untertanen sind seinem Herrscher ergeben und lieben ihr Vaterland ... Frankreichs Lage im Herzen Europas gibt ihm das Recht, bei allen Fragen der großen Politik seinen Einfluss in die Waagschale zu werfen ... Wenn Ew. Majestät es sich zu gleicher Zeit angelegen läßt, die Ordnung im Innern herzustellen, dann führt Sie die Politik so, dass Sie das Volk dahin beeinflusst, dass es nicht den geringsten Ehrgeiz noch Lust zu einer Invasionspolitik hat; dann wird ihr Vorbild größere Wirkung haben als die Macht der Waffen." [5]
Diese Worte von Vergennes am Ludwig XVI. finden sich später bei Tallyrand wieder.
Und so nutzte Talleyrand die Zeit vor der Revolution nicht nur zu skandalösem Müßiggang sondern auch zu wichtigen Studien.
Grüße
excideuil
[1] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd. 1 Seite 168
[2] [1] Seite 169
[3] Bernard, Jack F.: „Talleyrand – Diplomat, Staatsmann, Opportunist“, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1989, Seite 64
[4] [3] Seite 45
[5] Dard, Émile: „Napoleon und Talleyrand“, Verlag Emil Roth, Gießen, Berlin, 1938, Seite 502