Feindschaft hat selten objektive Gründe, speziell Feindschaften mit so langer Tradition wie die Deutsch-Französische.
Freilich haben Nachbarn fast immer diverse Animositäten, von der Schrebergartenkolonie bis zu Staaten. Aber der D.-F. Gegensatz nimmt schon in der -speziell jüngeren- Geschichte eine gewisse Sonderrolle ein. Er kulminierte ab der späten Zeit Napoleons, nachdem es vorher über lange Zeiten ruhig geblieben war. Was aber nicht unbedingt ein Beweis für gegenseitige Zuneigung sein muss. Man könnte es durchaus auch so sehen, dass sich beide Staaten erst einmal in ihrem Hinterhof absichern wollten, bevor man sich mit dem mächtigen Nachbarn anlegte.
An objektiven Gründen mag man z.B. hernehmen, dass Frankreich und "Deutschland" seit jeher die größten Machtblöcke im zentralen Festlandseuropa waren und daher naturgemäß um den Hegemonialanspruch in Europa konkurrierten.
Das sind aber politische "Feindschaften", die sich in der Sicht des gemeinen Volkes in der Regel nicht niederschlagen. Derartige Gründe gibt es, wie schon erwähnt, auch nicht wirklich signifikant mehr als bei anderen Nachbarschaften. Eine objektive, akademische Beantwortung der Frage kommt daher immer irgendwie zu dem zwar politisch korrekten, aber nach realer Erfahrung unzutreffenden Schluss, dass sich Deutsche und Franzosen über die Jahrhunderte genauso gut vertragen hätten wie alle anderen Völkchen auch.
Ich denke, die Suche muss nach möglichen subjektiven Gründen fahnden, weshalb sich die eine Nation (nicht das politische Gebilde "Staat") von der jeweils anderen Nation bedroht, übervorteilt, gekränkt oder was auch immer fühlte. Auch kulturell-sprachliche Grenzen (indogermanisch/galloromanisch) mögen schon früh ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Animositäten stärker waren als bei enger verwandten Nachbarn, bei denen die "Feindschaft" sich eher neckend äußern kann (Österreicherwitze...)
Schließlich mag tatsächlich auch einfach die Tradition eine Rolle spielen. So war etwa der Streit um Elsaß-Lothringen jahrhundertelang so selbstverständlich, dass eigentlich keiner mehr (objektiv schlüssig) sagen kann, wem dieses Gebiet nun tatsächlich "zusteht". Folge: egal, wer es an sich nimmt, der jeweils andere fühlt sich bestohlen. Auf die Idee, das strittige Gebiet einfach fair zu teilen, kam seltsamerweise niemand. (Wenn man sich in der Folge der Erbstreitigkeiten um das Reich Karls des Großen die später erfolgte Aufteilung des Mittelreiches Lothringen ansieht, dann kann man erkennen, dass das wohl nicht unbedingt eine gleichmäßge fifty-fifty-Einigung war. Daher mag das sehr wohl ein Keim der jeweiligen Unzufriedenheit sein)
Ich denke nicht, dass diese Frage wirklich mit Anspruch auf historische Wahrhaftigkeit zu beantworten ist. Wirkliche objektive "Beweise" wird man wohl nicht allzu viele finden, jedenfalls kaum mehr als bei anderen Nachbarn. Und subjektive Gründe schließlich sind zwar interessant als Denkansatz und als Kristallisationskeim für gegenseitiges Verständnis (daher m.E. sehr wichtig, um diese unselige Feindschaft zu überwinden, denn endgültig überwunden ist sie beileibe noch nicht. Auch Adenauer und de Gaulle taten das nicht, wie man schön an dem Zitat de Gaulles erkennen kann, er liebe Deutschland so sehr, dass er glücklich sei, dass es zwei davon gibt), aber eben schlussendlich nicht beweisbar. Die Diskussion über und die Auseinandersetzung mit dieser Frage wird also weniger akademisch, als vielmehr menschlich, "aus dem Bauch raus", zu führen sein.
Gruß,
Panzerreiter