Verdient Peter I den Beinamen „der Große“?

Themistokles schrieb:
Mir ging es nicht (oder zumindest nicht bewusst) um Moral, sndern darum, dass er ein modernes Russland schaffen wollte und die Basis der Bevölkerung völlig vernachlässigte.

ich glaube in einem gespräch mit alexander kluge hat heiner müller einmal folgende anekdote über peter den großen erzählt:
bei einer englandreise zeigte peter besonderes interesse an der erungenschaft des kielholens und ob man ihm dies nicht vorführen könnte. leider verneinten die engländer dies. sie bedauerten, aber in ihren kerkern befände sich kein delinquent der diese strafe verdienen würde. darauf bemerkte peter, dies sei egal, man könne doch einen von seinen leuten nehmen.

ob wahr oder unwahr ist hier nebensächlich. es ist aber eine anekdote, die zeigt dass rußland zwar technisch einen sprung nach vorne tat, aber bestimmte entwicklungen, die sich mit dem römischen recht und der renaissance herausgebildet hatten, mit dem übrigen europa nicht teilte.
 
arch-angelsk schrieb:
(...) es ist aber eine anekdote, die zeigt dass rußland zwar technisch einen sprung nach vorne tat, aber bestimmte entwicklungen, die sich mit dem römischen recht und der renaissance herausgebildet hatten, mit dem übrigen europa nicht teilte.

Peter I. war ja auch nie an der Kunst oder Kultur Europas interessiert, sondern hauptsächlich an seinen technischen Fertigkeiten. Er soll auch ständig einen Knüppel mit sich geführt haben, den er auch benuzte, wenn er meinte jemand hätte etwas Prügel verdient.

Ich denke für Peter I. ist der Spruch "der Krieg ist der Vater aller Dinge" recht passend. Man kann wohl viel von dem was er gemacht und erreicht hat aus seiner Person erschließen. Das folgte weniger einem kühl überlegten Planen als Peters Persönlichkeit. Auch die Reformen, die er verwirklichte waren zum Großteil Zweck zur Kriegsfühung.

Insgesamt hat er die Kräfte seines Landes völlig überanstrengt, der Aufbau einer Flotte und einer schlagkräftigen Armee hat einen ungeheuren Menschenschwund verursacht. Allein das ihm diese ganzen Menschenleben nicht wirklich von seinem Vorhaben nach Ruhm und territorialer Vergrößerung störten, macht es heutzutage mMn. schwierig jemanden einen Großen zu nennen.
Themistokles schrieb:
Mir ging es nicht (oder zumindest nicht bewusst) um Moral, sndern darum, dass er ein modernes Russland schaffen wollte und die Basis der Bevölkerung völlig vernachlässigte.

Ich glaube er wollte mehr ein Großreich erschaffen und Ruhm ernten. Ein "modernes Rußland" war so weit Ziel, wie es Mittel zur Kriegsführung freisetzte. Man darf auch nicht vergessen, daß Rußland schon vor Peter eine Europäisierung erfuhr. Er hat diesen "Zeitgeist" nicht erfunden, sondern ist in ihm großgeworden.
 
Aber stand er nicht mehr oder weniger unter Sachzwang? Ein starkes Russland, dass neben den europäischen Weltmächten bestehen u. überleben kann, war das nicht eines seiner Ziele? Die Leibeigenschaft mal ganz außen vor gelassen, sie von einem Tag zum anderen abzuschaffen oder in Ansätzen den Versuch zu machen, wäre aus wirtschaftlich-ökonomischer Sicht für Russland tödlich gewesen.
Ein Herrscher sollte zumindest über eine Fähigkeit verfügen, in die Zukunft zu schauen u. die Möglichkeiten des Überlebens für sein Land auszuloten. Wenn er das getan hat, dann war es nur folgerichtig, in allererster Linie die Armee, stark zu machen. Die Macht der Strelitzen zu brechen u. den russischen Adel sich zu unterwerfen.
Schweden, die Osmanen, Frankreich mit seinem Napoleon, sind sie nicht alle an Rußland gescheitert? Wäre das ohne Peter den Großen möglich gewesen? Oder wäre das chaotische desolate Reich, was er bei seiner Thronbesteigung übernommen hatte, klaglos untergegangen, zerstückelt von den Feinden?
 
Zuletzt bearbeitet:
wird peters einzelbeitrag zur modernisierung russlands nicht etwas überschätzt?
Modernisierungsbestrebungen gab es doch auch unter den vorgängerzaren.

Im prinzip hat Peter doch nichts anderes getan als Iwan IV.- nur anderthalb jahrhunderte später. Peter hatte das glück, dass polen und schweden nicht mehr fähig waren, so hegemonial aufzutreten wie noch 100 jahre zuvor (Polen versinkt im Chaos der Adelsrepublik, Schweden hat sich für seine Bevölkerung und Wirtschaft deutlich überdehnt)
 
Irene schrieb:
Wenn er das getan hat, dann war es nur folgerichtig, in allererster Linie die Armee, stark zu machen. Die Macht der Strelitzen zu brechen u. den russischen Adel sich zu unterwerfen.
Der Adel allein hätte das Reich nicht stützen können. Peter unternahm auch versuche das Bürgertum zu stärken um Handel und Handwerk zu fördern. Das Leibeigenensystem ist mE. nach für eine landwirtschaftlich ausgerichtete Gesellschaft brauchbar. Im restlichen Europa begann teilweise schon das Manufakturwesen, städte erstarkten und brauchten Arbeitskräfte. All dies wäre mit freien Bauern, die nicht ein leben lang an einen Hof gefesselt sind leichter zu erreichen. Natürlich war die Bedrohung durch Schweden und der Ostseehafen dringender. Aber statt Alexander nachzueifern und Krieg im Süden zu beginnen, hätte Peter die relativ ruhige Periode auch nutzen können umd das Land weiterzumodernisieren. Einen Teil der Leibeigenen hätte man in der Abhängigkeit lassen können um weitehin Rekrutierungsmöglichkeiten zu erhalten. Trotzdem frage ich mich, wie stark ein Staat mit (vergleichsweise) rückschrittlicher Bevölkerungsstruktur wirklich sein kann.
 
Themistokles schrieb:
Der Adel allein hätte das Reich nicht stützen können. Peter unternahm auch versuche das Bürgertum zu stärken um Handel und Handwerk zu fördern. Das Leibeigenensystem ist mE. nach für eine landwirtschaftlich ausgerichtete Gesellschaft brauchbar. Im restlichen Europa begann teilweise schon das Manufakturwesen, städte erstarkten und brauchten Arbeitskräfte. All dies wäre mit freien Bauern, die nicht ein leben lang an einen Hof gefesselt sind leichter zu erreichen. Natürlich war die Bedrohung durch Schweden und der Ostseehafen dringender. Aber statt Alexander nachzueifern und Krieg im Süden zu beginnen, hätte Peter die relativ ruhige Periode auch nutzen können umd das Land weiterzumodernisieren. Einen Teil der Leibeigenen hätte man in der Abhängigkeit lassen können um weitehin Rekrutierungsmöglichkeiten zu erhalten. Trotzdem frage ich mich, wie stark ein Staat mit (vergleichsweise) rückschrittlicher Bevölkerungsstruktur wirklich sein kann.

Als Peter die Regierung übernahm, stand er mit dem Rücken zur Wand. Er
hatte den Adel, die Kirche, die Strelitzen u. die eigene Familie zu Gegnern. Nur ein Narr hätte da mit inneren Reformen begonnen. Das allerwichtigste für Rußland und seine eigene Sicherheit war eine starke, schlagkräftige Armee, die hinter ihm stand.

Um das Problem der Leibeigenschaft auch nur andenken zu können, war erst einmal nötig, die zu Beginn von Peters Regierung herrschende Macht des russischen Adels zu brechen. Sie waren in erster Linie die Besitzer der Leibeigenen u. natürlich auch Besitzer großer Ländereien. Das gilt auch für die russisch-orthodoxe Kirche. Sicher hätte er die ruhige Periode nutzen können, die Wirtschaft aufzubauen u. das Land weiter zu modernisieren. Dann wäre aber Grundvoraussetzung gewesen, dass auch die Nachbarstaaten eine friedliche Politik betreiben, was nützt ein moderner Staat, wenn er dann, militärisch schwach, den Feinden in die Hände fällt.
Der Krieg gegen Schweden und der Sieg, sicherten Russland den Zugang zur Ostsee, Handel ist die wichtigste Voraussetzung für eine floriende Wirtschaft.
Die Akademie der Wissenschaften wurde gegründet, Bildung u. Wissenschaft sind lebensnotwendig für die Modernisierung u. für die weitere wirtschaftlich-ökonomische Entwicklung eines Staates. Es ist sicher falsch anzunehmen, dass ein Herrscher alle Dinge auf einmal tun kann, mehr als jeder andere unterliegen Herrscher wie Peter der Erste Zug- u. Sachzwängen. Und wie überall spielt Geld die wichtigste Rolle, die Staatskasse Russlands war fast immer leer, Geld kann man nur einmal ausgeben u. ein Mann wie Peter hat die Prioritäten eingeschätzt, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Militärische Stärke, um Russland zu schützen u. schrittweise Reformierung.
Dass er aber den dringenden Wunsch hatte, alles so schnell wie möglich zu erledigen, zeigt sich nach meiner Ansicht darin, dass dabei ein gravierender Fehler gemacht wurde. Peter hat versucht - was nicht möglich ist - geschichtliche Epochen zu überspringen, Rußland, was gegenüber Europa noch im Mittelalter verharrte, in allerkürzester Zeit in die Neuzeit zu katapultieren. Die ganz normale zeitliche Entwicklung eines Staates u. seiner Menschen von einer Epoche zur anderen wurde hier künstlich forciert u. führte letztendlich nicht zu dem Ergebnis, was Peter sich erhofft hatte. Nach meiner Meinung hat sich dieser Fehler auch in der Türkei wiederholt, wo Atatürk vor dem gleichen Problem wie Peter stand.
Aber deshalb daran zu zweifeln, dass Peter ein starker und für Rußland großer Herrscher war, halte ich persönlich für falsch.
 
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Liljana schrieb:
Natürlich rührt das vom byzantinschen Erbe her, schließlich wurde seit Iwan IV. nach byzantischen Ritual gekrönt.


Die Romanows haben sich bis zum heutigen Zeitpunkt als Erben von Byzanz verstanden, da die Großmutter Iwan IV. , Sophia Paläologa, eine Nachkommin der letzten Herrscherfamilie (die Nichte Konstantin XII. Paläologos) von Byzanz war.
 
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Themistokles schrieb:
Die heimische Biographie von Henri Troyat erwähnt nur, dass "Für die Zeit seiner Abwesenheit [...]die Staatsregierung einem aus drei Mitgliedern bestehenden Rat anvertraut" wurde. Die Ruhe in Moskau wurde durch fürst Romodanowski gesichert.


Also bei Saufkumpanen:D , die mit großen Vollmachten ausgestattet waren, würde ich mal auf Menschnikow u. Lefort tippen
 
An Bezeichnungen wie "der Große" werden wir kaum etwas ändern können. Wir werden höchstens nach unseren subjektiven oder sogar objektiven, wenn gemeinschaftlich gefundenen Kriterien einen solchen Beinamen bewerten können. Ebenso wie bei Peter und sogar noch mehr, finde ich diese Bezeichnung "der Große" für den "Großen Kurfürst" und FII sehr fraglich. Bei Katharina II. verhielt es sich so, dass sie ihren Beinamen schon von Zeitgenossen erhielt. Bei vielen solcher "Großen" steht der Beiname irgendwie dabei ohne für uns heutige viel Leben in sich zu haben.

Wenn ich so an den Besuch Peters in Berlin denke, dann glaube ich, dass die Königin in Preußen, den Beinamen wohl nicht diesem Babaren (aus ihrer Sicht zugedacht hätte), der tatsächlich keine westeuropäischen Manieren kannte, oder sich zumindest sehr geschmacklos aufführte. Das Schloss Monbijou, das der Königin sehr am Herzen lag, wurde, da der russische Hof dort untergebracht war, sehr verwüstet, obwohl die Königin den Großteil des Inventars vor dem Einzug schonmal in Sicherheit brachte.

"Der Große" ist also Ansichtssache, ich würde es auf Peter nicht zutreffend finden, denn ihn begünstigten doch allerhand Faktoren.
- Schwäche des Osmanischen Reiches
- Starke Allianz Sachsen-Polen-Dänemark-Russland, die einen ganzen Teil der Kräfte der Schweden band
- Niedergang Polens

Was man ihm anrechnen muss und bewerten, dass er ein Reich schuf, das immerhin so fest durch ihn zusammen geschweißt wurde, dass es auch Fehltritte an der Regierung und relative Schwachmaten wie nach ihm durchstand, bis mit Elisabeth Petrowna wieder eine starke Herrscherin das Ruder übernahm.
 
Peter I. verdient das Prädikat der Große meiner Meinung nach. Nach den Erfahrungen mit der jüngsten Geschichte sind wir heute geneigt, historische Größe zu relativieren, das Ganze riecht zu sehr nach Personenkult.
Man braucht nur an König Friedrich zu denken. Aber immerhin, das Prädikat der "Große" ist ihm über alle Zeiten von Preußenverherrlichung und Preußenverdammung geblieben, wenn auch niemals unwidersprochen. Das Gleiche gilt in gewisser Weise auch für Peter und Katherina, beide ja ebenfalls zwiespältige Charaktere.
Natürlich gibt und gab es immer Versuche das Prädikat der Große propagandistisch zu nutzen. Ich denke da an Wilhelm II. der seinem Großvater partout dieses Prädikat verleihen wollte oder an Theodosius, dem die katholische Kirche unverdient diesen Titel verliehen hat. Die Geschichtswissenschaft hat so etwas meist in Kürze von selbst korrigiert.
Ich denke daher, daß bei allen Vorbehalten gegen die "Größen" der Geschichte diese Etikettierungen noch in 100 Jahren Bestand haben werden und wohl auch ihre Berechtigung besitzen.
Zu Peter ist zu sagen, daß er ein begnadeter Autodidakt war und vor allem verstand, fähige, wenn auch zuweilen zwielichtige Leute (Menschikow) um sich zu scharen und zu fördern. Diplomatisch war er sehr geschickt und er erwies sich als äußerst geschickter Taktiker und Stratege im Krieg mit seinem großen Rivalen Karl XII. Die Leibeigenschaft konnte nicht einmal Katherina abschaffen, woher hätte er sonst Soldaten nehmen sollen. Er war ein Gewaltmensch, der Barbarei mit barbarischen Mitteln bekämpfte. Er war jähzornig, brutal und nicht selten grausam. Das russische Volk, Adel wie Bauern hatte unter ihm viel zu leiden. Etliche Leute konnten sich wegen der Steuern auf Salz nicht richtig ernähren und starben. Zehntausende starben beim Bau Petersburgs oder im Großen Nordischen Krieg, nicht zuletzt wegen der Taktik der verbrannten Erde. Er hat den Zarewitsch mit List und Tücke nach Rußland gelockt, um ihn umbringen zu lassen.
Peter hat aber auch viel positives hinterlassen. Er verbesserte ganz erheblich die rechtliche und gesellschaftliche Lage der Frauen. Nach seinem Tod haben vier Zarinnen Rußland beherrscht. Er kannte keinen Standesdünkel und beförderte Leute unabhängig von Geburt und Religion nur nach ihren Fähigkeiten. Er war in religiösen Fragen tolerant, selbst ein konvertierter Jude, Schafirow, konnte bei ihm Karriere machen. Und last but not least qualifiziert ihn sein Vermächtnis St. Petersburg für den Titel "der Große"
 
An anderer Stelle wurde bereits häufig über den Erfolg und Misserfolg von Revolutionen philosophiert. Insbesondere wurde die Frage gestellt, warum so viele siegreiche Revolutionen die Ziele ihrer Anhänger nicht erreicht oder gar ins Gegenteil verkehrt haben. Die generelle Sinnlosigkeit von Revolutionen wurde jedoch verneint, denn schließlich gab es ja nun doch gesellschaftliche und politische Fortschritte in der Geschichte.

Ich möchte einen Teil dieser Fortschritte auf das Konto von "großen" Staatsmännern/-frauen buchen, die eine "Revolution von oben" angestoßen und dabei innenpolitisch überholte Gesellschaftstrukturen reformiert oder ihr Land außenpolitisch konsolidiert haben.

Als "groß" würde ich einen solchen Herrscher dann titulieren, wenn er zur Erreichung dieser Ziel große Widerstände überwunden und die neuen Strukturen weitsichtig im Voraus konzipiert hat.

Ein "Großer" wäre beispielsweise Kaiser Augustus von Rom, der durch eine gesellschaftliche, militärische und wirtschaftliche Neuorientierung das Reich vor dem Untergang bewahrte und zu neuer Blüte führte.

Als seine besondere Leistung sehe ich dabei die Überwindung eines Teufelskreises, der darauf beruht, dass diejenigen, die die Macht hätten, in die Irre laufende Strukturen zu reformieren, dies nicht tun, weil ihre eigene Macht auf eben diesen basiert.
 
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@ Klaus
Eine kluge Deffenition.
Aber ist dieses Konservieren denn immer nützlich? Was sollte Russland historisch davon gehabt haben, diesmal meine ich das "Volk" (so vorsichtig ich normal mit dieser Begrifflichkeit bin), dass Peter I. das Zarenreich konservierte? Ich weiß, ich selber habe diesen Aspekt bei meiner Betrachtung zu Peter in meinem letzten Beitrag auch hervor gehoben. Peter schuf eine Stabilisierung, die zuvor nicht in der Form dagewesen war. Bei einer Zuordnung von Begriffen wie "der Große" muss man subjektiv werden und der Vergleich zum Beispiel mit Karl XII., macht die Sache gleich spekulativ. Denn was Peter so Groß machte, muss Karl, der militärisch noch begabter war (obgleich strategisch nicht weitsichtig) gefehlt haben. Sonst hätte er den selben Beinamen verdient. Irre ich da?
Peter wusste um die Stärken seines Reiches, Karl überschätzte und überspannte sie bis hinein in seine eigene Katastrophe.
 
Eine gute Frage, Brissotin! Ich denke aber, daß Peter nicht nur die Autokratie und die Zarenherrschaft konserviert hat. Mit seinen Reformen, mit der Öffnung zu Westeuropa mußten notgedrungen auch europäische Ideen nach Rußland gelangen. Im 19. Jahrhundert tobte in der russischen Geschichtswissenschaft ein Historikerstreit zwischen den "Westlern", die Peters Werk verherrlichten und den Traditionalisten, die an den Eigenwert der moskowitischen Kultur glaubten und Peter tadelten.
Vermutlich wäre es auch unter einem anderen Zaren zu einer Annährung an Westeuropa gekommen, die Regentin Sofia und auch Zar Alexei haben diesen Weg beschritten.
Zweifellos aber wäre dieser Prozeß ohne Peter niemals so schnell, so einschneidend und in letzter Konsequenz auch so erfolgreich verlaufen. Vermutlich hätte es dann Petersburg nicht gegeben. Hätten dann Puschkin, Gogol, Dostojewski, Rimski- Korssakow u. a. ihre Werke der russischen Kultur geschaffen?
Wie auch immer, ob im Guten oder Schlechten, Peter hat die Geschichte Rußlands entscheidend beeinflußt, das macht ihn zu einem "Großen" der Geschichte.
Aber im Grunde pflichte ich dir bei, der Vergleich Peters mit Karl XII. oder der Vergleich Friedrichs mit Maria Theresia fällt keineswegs eindeutig zu Gunsten der "Großen" aus. Wenn du aber erst die 30 überschritten hast, wirst du vermutlich solche Attribute akzeptieren, so fragwürdig sie ganz sicher auch sein mögen.
 
William Wallace
Der "Saufkumpan" Peters, der in seiner Abwesenheit bei der Großen Gesandschaft in Moskau regierte, war Fürst Romodanowski, ein wirklich sympathischer Zeitgenosse, der bei den Hinrichtungen der Strelitzen selbst Hand angelegt haben soll.
Wenn ich mich recht entsinne, war er übrigens ein Feind der Ausländer. Er soll mal einen Europäer aus der Deutschen Vorstadt mit der Begründung entführt haben " "Das tue ich nur, um dich zu beleidigen."
 
@ Scorpio
Wer sagt, dass ich noch keine 30 bin?;)
Den einen Aspekt, der von mir leider nicht in Betracht gezogen wurde, ist ob Grausamkeiten oder dergleichen, genügend wurden für Peter I. als "Gewaltherscher" aufgezählt, Kriterien sein können, die uns einem "Großen" den Titel "Großer" aberkennen lassen. Immer wieder wird eben dies versucht, deswegen denke ich, dass es viele Menschen bewegt.
 
Wenn Grausamkeiten, politische Morde oder Kriegsverbrechen ein Kriterium wären, einer historischen Größe dieselbe abzuerkennen, würden weder Alexander, noch Friedrich und Katherina, geschweige denn Peter und Ludwig XIV. dieses Attribut führen dürfen. Machtmenschen sind selten besonders liebenswürdige Persönlichkeiten, und welches Regierungsoberhaupt hat sich nicht die Hände schmutzig gemacht. Man wird bei allen genannten Persönlichkeiten abstoßende, fast pathologisch anmutende Züge entdecken können, aber auch viel bemerkenswertes. Zweifellos haben auch eigene Historiographen kräftig am Mythos des Herscherhauses gestrickt. Aber auch die Gegner, die Habsburger, Karl XII. hatten ihre Historiker, Karl war mit seiner Anlehnung an Alexander den Großen und seinen Allüren als "Heldenkönig", der sich immer in vorderster Linie aufhielt geradezu ein Meister der PR. Ich mag ihn ja recht gerne, aber wie sein Urteil gegen Patkul zeigt oder Maria Theresias "Sittenkomissionen waren auch diese beiden recht sympathischen Persönlichkeiten nicht frei von "dunklen Seiten". Leistungen als solche unterliegen nicht moralischen Bewertungen und gemessen, an dem was sie in staatspolitischer, historischer, kultureller Sicht hinterlassen haben, gemessen an den Widerständen und hochrangigen Gegnern die sie zu überwinden hatten, gemessen an dem, was sie als Erbe für Generationen hinterlassen haben, verdienen Alexander, Constantin, Louis, Peter, Friedrich und Katherina allesamt das Prädikat "der Große". Das andere Größen, Augustus, Trajan, Marc Aurel oder Maria Theresia ebenso große Leistungen vollbracht haben und ihnen absolut ebenbürtig sind, ist ja eine ganz andere Frage.
 
Leistungen als solche unterliegen nicht moralischen Bewertungen und gemessen, an dem was sie in staatspolitischer, historischer, kultureller Sicht hinterlassen haben, gemessen an den Widerständen und hochrangigen Gegnern die sie zu überwinden hatten, gemessen an dem, was sie als Erbe für Generationen hinterlassen haben, verdienen Alexander, Constantin, Louis, Peter, Friedrich und Katherina allesamt das Prädikat "der Große".
Na ja, darüber lässt sich streiten.
 
"Der Große" ist also Ansichtssache, ich würde es auf Peter nicht zutreffend finden, denn ihn begünstigten doch allerhand Faktoren.
- Schwäche des Osmanischen Reiches
- Starke Allianz Sachsen-Polen-Dänemark-Russland, die einen ganzen Teil der Kräfte der Schweden band
- Niedergang Polens
Ohne Glück und die richtigen Situationen hätte wohl kein Herrscher nur wegen seiner Leistungen den Beinahmen "der Große" erhalten.
Brissotin schrieb:
Was man ihm anrechnen muss und bewerten, dass er ein Reich schuf, das immerhin so fest durch ihn zusammen geschweißt wurde, dass es auch Fehltritte an der Regierung und relative Schwachmaten wie nach ihm durchstand, bis mit Elisabeth Petrowna wieder eine starke Herrscherin das Ruder übernahm.
Die Stabilität des Reichs ist nicht Peters Verdienst, der es eher destabilisiert hat.
 
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