Nein. Aber überlege doch mal: Diskutiert wird die Relevanz der Sprecheranzahl auf die Durchsetzung einer Sprache. Du hast vollkommen Recht mit der Feststellung, dass die germanischen
gentes, als sie ihre
regna auf römischen Boden gründeten in deutlicher Minderzahl waren, vielleicht sogar ihr angestammtes Idiom gar nicht mehr sprachen. Ihre Minderzahl ist aber nicht der wesentliche Grund dafür, dass sich ihre Sprache nicht durchsetzen konnte. Als Beispiel wurden die Römer angeführt. Latein ist eine Sprache, die ursprünglich nur in einem eng umgrenzten Raum um die spätere Stadt Rom gesprochen wurde. Diese Sprache hat sich zunächst durch militärische Eroberungen in Italien gegen andere, nur entfernt verwandte oder gar nicht verwandte Sprachen durchgesetzt, über die Menge der Sprecher weiß ich nichts, aber das samnitische (entfernt verwandt) oder das etruskische (nicht verwandt) Sprachgebiet war territorial z.B. größer als das lateinische. Trotzdem setzte sich das Lateinische als Sprache in Italien durch.
Jetzt haben wir also diese Römer, die gezwungen sind, an allen Fronten zu kämpfen: gegen die Phönizier, gegen die Kelten, gegen die Illyrer, gegen die Makedonen. Militärisch sind sie auf Dauer siegreich und nun setzt sich, obwohl sicher nicht an Sprechermasse überlegen, in all den eroberten Gebieten - außer den griechischsprachigen - das Lateinische durch.
Das Phänomen ist also zunächst kein anderes, als bei den germanischen Königreichen: eine dünne Schicht von Eroberern beherrschte breite Schichten von Untertanen. Also muss, logische Schlussfolgerung, der Grund für die Übernahme von Sprache in etwas anderem liegen, als der reinen Sprecheranzahl. Bei den Römern dürfte das z.B. das Verwaltungssystem und die Schriftlichkeit sein, was dann auch bei den Germanenreichen nachwirkt.
Bei den Arabern dürfte die religiöse Komponente der vorwiegende Grund gewesen sein, warum das Arabische das Griechische, das Aramäische, das Koptische, das Lateinische, das Punische und das Berberische verdrängte. Das persische dagegen verdrängte es nicht. Ein Vorschlag: Das persische Reich hatte ein effizientes Verwaltungs- und Wissenschaftssystem, weshalb die Sprache erhalten blieb, wenn sie auch in Wort und Schrift stark arabisiert wurde.
Bei den Bulgaren könnte ich mir ähnliche religiös motivierte Mechanismen wie bei den Arabern vorstellen, nur eben dass die Bulgaren nicht ihr türkisches Idiom durchsetzten, sondern das slawische Idiom annahmen. Vielleicht einfach, weil Kyrill und Method mit der Schaffung einer slawischen Literatur- und Liturgiesprache (dem Altkirchenslawischen) dem Slawischen ein höheres Prestige verschafften.
Bei den Kolonialreichen wiederum war es ähnlich wie bei den Römern: Die Sprache der Kolonisatoren wurde zur Verwaltungssprache, wer also mit dem Staat verhandeln wollte, musste diese Sprache können. Dies hat in arabophonen Ländern wie Marokko und Libanon Auswirkungen bis heute: Der Hochschulbetrieb läuft vorwiegend auf Französisch.
Oder ist Dir das:
in der Eile der Geschäfte entgangen?
Keineswegs.