Von verständislosen Interpreten

Shinigami

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Ich ziehe folgendes mal aus der Diskussion über das Kirchenslawische und die "Plansprachen-Behauptung" hier herüber:

Im Iran und östlich davon hat es nicht funktioniert und ein afghanischer Freund von mir (der Arabisch kann!) schimpft über die Taliban, die zwar alle den Qur'ān auswendig herleiern könnten, aber kein Wort von dem verstünden.

Diese Behauptung ist mir in ähnlicher Weise auch schon untergekommen, ich verstehe aber ehrlich gesagt nicht, wie das technisch funktionieren könnte. Bei einer zur Grunde liegenden Lithurgiesprache wie dem Lateinischen mit relativ eindeutigen Lautwerten und weitgehend ohne Auslassungen, ist es sicherlich für jemanden, der tatsächlich kein Wort Latein vesteht, ohne weiteres möglich einen lateinischen Text einigermaßen fehlerfrei vorzulesen und dadurch wieder zu geben oder sich durch immer wiederholtes Lesen einzuprägen, bis es auswendig beherrscht wird.

Aber wie funktioniert derlei bei einem entvokalisierten arabischen Text, wenn der Leser die Bedeutung der Worte nicht kennt und sich daher aus dem Kontext nicht unmittelbar erschließen kann, um welches Wort es sich handeln und wie dementsprechend die Aussprache sein müsste?
 
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Aber wie funktioniert derlei bei einem entvokalisierten arabischen Text, wenn der Leser die Bedeutung der Worte nicht kennt und sich daher aus dem Kontext nicht unmittelbar erschließen kann, um welches Wort es sich handeln und wie dementsprechend die Aussprache sein müsste?
Nun, darin stecken zwei entscheidende Denkfehler.
  1. Wenn du auf einem T-Shirt TGTHR liest, kannst du erschließen, dass das Together heißt. Genauso funktionieren unvokalisierte hebräische und arabische Schriften. Ob HND Hund oder Hand bedeutet, wirst du dem Kontext erschließen. HND BLLT wirst du nicht als Hand blutet lesen, sondern als Hund bellt. Gut, bei einer unbekannten Sprache funktioniert das natürlich nicht, womit wir zum zweiten Denkfehler kommen:
  2. Der frühe Qur'ān wurde offensichtlich auswendig gelernt. Dann fing man aber an, ihn in einem rasm-Text zu schreiben. Das heißt soviel wie, die Buchstaben wurden ohne diakritische Zeichen geschrieben. Das Problem ist, dass ohne diakritische Zeichen die Buchstaben kaum zu lesen sind. Folgendes sind die Buchstaben b, t, th, n und y: ب ت ث ن ي
Wie deutlich zu sehen ist, unterscheiden sich die Buchstaben durch die Anzahl und Position der Punkte. Außerdem unterscheiden sich n (ن) und y (ي) von den anderen drei Buchstaben dadurch, dass sie beide unter die Schreiblinie gehen, wohingegen b, t und th (ب ت ث) auf der Linie liegen. Dies gilt aber nur isoliert und in Endstellung des Wortes. In Mittel- und Anfangsstellung sind die Buchstaben nur noch durch die Punkte zu unterscheiden:​
Y am Ende: بتثني​
N am Ende: بيثتن​
Weder Y noch N am Ende: ينتبث​
Wenn wir das jetzt in rasm setzen: ٮٮٮٮٮں, ٮٮٮٮٮی, ٮٮٮٮٮٮ​
Man kann zwar noch in der Endstellung y und n erkennen, aber in Anfangs- und Mittelstellung kann man, weil die diakritischen Punkte fehlen, letztlich nicht mehr erkennen, welche Buchstaben dort stehen.​
In dieser Form also, dem sogenannten rasm, wurde der Qur'ān zunächst als Memorialhilfe verschriftlicht. Nach Muḥammads Tod wurde der Qur'ān dann in mehreren Schritten verschriftlicht. Zunächst einmal wurde der Text niedergelegt und die Suren geordnet, dummerweise nicht nach Chronologie ihrer Offenbarung (also mekkanisch und medinesisch), sondern nach Länge. Der Qur'ān beginnt mit der längsten und endet mit der kürzesten Sure.​
Da es bald Unsicherheiten in der Lesung des Qur'ān gab, wurde der Qur'ān vokalisiert, um abweichende Interpretationen zu vermeiden. Am Bespiel:​
مدرسة =mDRSt, DRS ist die Vokabel für 'lernen', 'studieren'​
مدرسة kann man als zweierlei Worte interpretieren (da diese im Normalfall nicht verwechselt werden können, müssen diese i.d.R. nicht vokalisiert werden. Man kann mDRSt als madrasa (Schule, vokalisiert: مَدْرَسَةٌ ) lesen oder als mudarrisa (Lehrerin, vokalisiert مُدَرِّسَةٌ).​
Wenn du die 28 (30) arabischen Buchstaben lesen kannst und die drei Vokalzeichen plus das Verdopplungszeichen (Šaddah, Tašdīd) und den Nullvokal (Sukūn) lesen kannst, dann kannst du den Qur'ān genauso ohne Vokabel- und Grammatikkenntnisse lesen, wie einen lateinischen Text.​
 
  1. Wenn du auf einem T-Shirt TGTHR liest, kannst du erschließen, dass das Together heißt. Genauso funktionieren unvokalisierte hebräische und arabische Schriften. Ob HND Hund oder Hand bedeutet, wirst du dem Kontext erschließen. HND BLLT wirst du nicht als Hand blutet lesen, sondern als Hund bellt. Gut, bei einer unbekannten Sprache funktioniert das natürlich nicht, womit wir zum zweiten Denkfehler kommen
Es funktioniert ja auch im Englischen nur dann, wenn ich das Wort "together" kenne und dadurch, dass mir auch seine Bedeutung bekannt ist, womit ich verifizieren kann, dass es sich tatsächlich um die Darstellung eines sinnvollen Wortes, nicht um eine bloße inhaltsleere Prozedur von Konsonanten handelt.

Der frühe Qur'ān wurde offensichtlich auswendig gelernt. Dann fing man aber an, ihn in einem rasm-Text zu schreiben. Das heißt soviel wie, die Buchstaben wurden ohne diakritische Zeichen geschrieben. Das Problem ist, dass ohne diakritische Zeichen die Buchstaben kaum zu lesen sind. Folgendes sind die Buchstaben b, t, th, n und y: ب ت ث ن ي
Ich hab mir das arabische Alphabet und ein paar Schreibübungen vor einigen Monaten aus Interesse mal in verschiedenen Varianten angesehen. Vielleicht liegt das daran, dass ich nur ein paar Stunden darauf verwendet habe und mir deswegen die Übung fehlt, aber ich hätte ohne die diakritischen Zeichen innerhalb eines Wortes schon massive Probleme herauszufinden, wo ein Buchstabe endet und der Nächste anfängt.

Und zugegeben, die unterschiedliche Schreibung der Buchstaben je nach Position im Wort macht das nicht einfacher.
In dieser Form also, dem sogenannten rasm, wurde der Qur'ān zunächst als Memorialhilfe verschriftlicht. Nach Muḥammads Tod wurde der Qur'ān dann in mehreren Schritten verschriftlicht. Zunächst einmal wurde der Text niedergelegt und die Suren geordnet, dummerweise nicht nach Chronologie ihrer Offenbarung (also mekkanisch und medinesisch), sondern nach Länge. Der Qur'ān beginnt mit der längsten und endet mit der kürzesten Sure.
Das ist in mehrfacher Hinsicht ein interessanter Hinweis. Dann handelt es sich beim Qur'an (habe den selbst nie gelesen) also im Gegensatz zu anderen religiösen Texten, bzw. seinen Versatzstücken weniger um eine fortlaufende Erzählung, sondern mehr um eine Art nach Themen (der jeweiligen Suren) organisiertes Lexikon jedenfalls dem Stil nach?


Da es bald Unsicherheiten in der Lesung des Qur'ān gab, wurde der Qur'ān vokalisiert, um abweichende Interpretationen zu vermeiden. Am Bespiel:مدرسة =mDRSt, DRS ist die Vokabel für 'lernen', 'studieren'مدرسة kann man als zweierlei Worte interpretieren (da diese im Normalfall nicht verwechselt werden können, müssen diese i.d.R. nicht vokalisiert werden. Man kann mDRSt als madrasa (Schule, vokalisiert: مَدْرَسَةٌ ) lesen oder als mudarrisa (Lehrerin, vokalisiert مُدَرِّسَةٌ).Wenn du die 28 (30) arabischen Buchstaben lesen kannst und die drei Vokalzeichen plus das Verdopplungszeichen (Šaddah, Tašdīd) und den Nullvokal (Sukūn) lesen kannst, dann kannst du den Qur'ān genauso ohne Vokabel- und Grammatikkenntnisse lesen, wie einen lateinischen Text.
Okay, dass erklärt dann, wie es funktioniert, mit einem vokalisierten Text geht das natürlich.
 
Das ist in mehrfacher Hinsicht ein interessanter Hinweis. Dann handelt es sich beim Qur'an (habe den selbst nie gelesen) also im Gegensatz zu anderen religiösen Texten, bzw. seinen Versatzstücken weniger um eine fortlaufende Erzählung, sondern mehr um eine Art nach Themen (der jeweiligen Suren) organisiertes Lexikon jedenfalls dem Stil nach?
Nein, kein Lexikon. Die Suren an sich sind zusammenhängend, nur jede Sure steht für sich. Der Qur'ān ist in Reimprosa verfasst, was natürlich auch das Auswendiglernen ein wenig erleichtert.
Der Qur'ān hat erzählerische Elemente, aber oft sind das verkürzte oder ausgewälzte Darstellungen von biblischen, jüdischen und christlichen Geschichten aber auch Inhalten, die offensichtlich altarabischen Ursprungs sind und manchmal auch nur kryptische Kommentare, die ohne Kenntnis der Bibel oder jüdischer bzw. christlicher Erzählungen kaum zu verstehen sind.
Z.B. findet sich die Geschichte der Schläfer von Ephesos im Qur'ān, allerdings ohne Ephesos zu nennen. Manche muslimische Kommentatoren kannten die Legende offensichtlich und haben sie korrekt nach Ephesos verlegt, andere nach Tarsus im Libanon oder Loja in Andalusien.
 
Ich vermute mal, dass sich viele gar nicht mit lesen abgeben, sondern eh alles mündlich gelernt wird. Ein Lehrer wird die Suren aufsagen und alle werden es wiederholen. Vermutlich haben alle die Texte seit ihrer frühen Kindheit unzählige male gehört.
 
Noch eine Ergänzung. Ich habe mal nachgefragt. Das gilt für Nordindien, wird aber in anliegenden Ländern ähnlich sein . Es gibt beim lernen des Korans zwei Level. Der erste Level ist Lesen lernen. Es gibt ein Lehrbuch auf der einen Seite steht der Text in Arabisch auf der anderen Seite in Urdu. Es wird zusammen der Text mit dem Lehrer gelesen und man kann die Übersetzung auf der gegenüberliegenden Seite ansehen. Es wird lesen gelernt, die Übersetztung ist zweitrangig. Ich habe gefragt, ob das Fehler der Vokale beim lesen ein Problem ist, da ja dann viele Wörter vom Kontext abhängen. Aber die Frage an sich wurde gar nicht so richtig verstanden. Es wurde gesagt, es ist ein bisschen wie ein Gedicht vortragen und lesen. Die meisten Menschen lernen tatsächlich nur lesen und nicht die Sprache selber, wobei beim Urdu ja aber schon Arabisch mit reingemischt ist. Es gibt dann einen zweiten Level in dem Arabisch als Sprache gelernt wird, auch mit dem Ziel den Koran in arabisch zu verstehen.
 
Ein Mitgefangener von mir, ein noch recht junger Mann, war schon vor seiner Inhaftierung zum Islam übergetreten. Er hatte von seiner Moschee Kassetten bekommen in deutscher Sprache. Ein Sprecher rezitierte eine Koransure in arabischer Sprache. Die Anleitung oder Moderation oder wie man das nennen will war in deutscher Sprache. Sie enthielt aber keine Übersetzung, keine Erklärung des zeitlichen Kontextes, keine Erklärung oder Anmerkungen zur Interpretation, zur Exegese, zum Kontext und wie er in bestimmten Lebenssituationen ausgelegt wurde oder wird.

Der Sprecher hämmerte seinen Zuhörern nur immer wieder und wieder ein, dass der Text das lebendige Wort Gottes sei, dass der Text vollkommen sei, dass noch niemand je es vollbracht habe das zu widerlegen, und dass man das gefälligst zu glauben hat, wenn man ein guter Mensch werden will.

Ich habe Gefangene kennengelernt, die durchaus beachtliche Gedächtnisleistungen aufbrachten, die es fertigbrachten, ganze Koransuren auswendig zu rezitieren, einige zuletzt mit perfekter Aussprache, und die aber dennoch mit all ihren, durchaus bewundernswerten, Bemühungen dem Verständnis des Textes, dem Verständnis der Botschaft nicht um einen Schritt nähergekommen sind.

Er hatte ein gutes Sozialverhalten, und er gehörte zu den wenigen Gefangenen, die ihre Taten bereuten: Er hatte im Crackwahn einen Mann niedergestochen, wurde wegen versuchtem Mord angeklagt, hatte aber enormes Glück, dass er nur wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurde.

Damals, das war vor Mannheim, Solingen, Magdeburg oder Aschaffenburg, war ich der Ansicht, dass archaische, reaktionäre Werte, eine archaische Religion immer noch besser sind, als gar keine.

In diesem Fall mochte das zutreffen, der Knast-Imam war ein ganz patenter Mann. Ich will mir aber gar nicht vorstellen, welchen negativen Einfluss islamistische Hetzer auf junge, gutmütige Männer ausüben können, die wie mein Zellennachbar leicht zu beeinflussen und leicht zu beeindrucken sind.
 
Immerhin werden gute Taten vollbracht:

Eid Mubarak wünsche ich dir und deiner Familie♥ Möge Allah der erhabene unser Fasten, unsere Gebete und unsere guten Taten annehmen und unsere Sünden vergeben, in sha Allah auch von den Menschen, die nicht gefastet haben aber das Iftar immer vorbereitet haben.! Möge Allah der erhabene euch und unsere Familie beschützen und uns Gesundheit,Frieden, Liebe, Kraft und Geduld schicken und einen starken Imam.! Möge Allah der erhabene den kranken, Gesundheit bescheren, und denen die Krankheit entnehmen. Möge Allah der erhabene unseren Geschwistern in den Kriegsländern vor der Qual und das schlechte beschützen und die weit fern davon halten. Möge Allah der erhabene uns vor der Höllen Feuer und Kälte weit fern halten, und uns die Tore des Paradieses nähren. Allahume Amin. In sha Allah erfüllt Allah der erhabene all eure Träume und Wünsche und das was ihr euch vom ganzen Herzen wünscht.!
 
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