Vordenker des deutschen Nationalstaats als Vordenker der NS-Ideologie?

Eine Frage an alle, die wie ich finde von enormer Wichtigkeit ist:

Ist Nationalismus gleich Nationalsozialismus?

Und ist Nationalismus nicht von zeitlichen Rahmenbedingungen abhängig?


@Köbis17

Nein, Nationalismus ist ungleich Nationalsozialismus, die Gleichsetzung wäre ein Fehler. Der Nationalsozialsmus ist natürlich nicht denkbar ohne Nationalismus, besser vllt. sogar Chauvinismus. Der Nationalsozialismus war ein Sytem, totalitärer Machtentfaltung, auch jenseits nationalistischer Ziele (innere Ziele), dabei bediente er sich Methoden, die zutiefst den Menschenrechten (überpositivem Recht) widersprachen z.B.: "Rassenpolitik". O.k. arg verkürzt.

Natürlich ist Nationalismus immer im historischen Kontext zu sehen, diese Frage würde ich bejahen wollen.

Allerdings sollten wir aufpassen und nicht die Kategorie des "Protonationalsozialisten" zu kreieren. Bsp. "Brechung der Zinsknechtschaft".

Dokument: Die 25 Punkte des Programms der NSDAP

(dort: Pkt. 11)

Denn dann wären wir schnell beim IV. Laterankonzil und dann wäre auch Nicäa fast im "Ruch".


M. :winke:
 
Allerdings sollten wir aufpassen und nicht die Kategorie des "Protonationalsozialisten" zu kreieren. Bsp. "Brechung der Zinsknechtschaft".

Völlig richtig. Und das provoziert natürlich den Nachsatz, dass auch das wirtschaftspolitsche "Programm" äußerst verschwommen war, vermutlich nur in den Köpfen einiger Exponenten kreiste, und ansonsten schon mangels Intellekt wenig Parteigänger interessierte.

Ich weiss nicht, ob schon oben angemerkt: mit Sozialismus im zeitgenössischen Verständnis hatte Nationalsozialimus ebenfalls wenig zu tun.
 
Jede neuzeitliche Gesellschaft sucht sich identitätsstiftende Persönlichkeiten aus der Vergangenheit. Sie mögen darüber im Grabe rotieren, wehren können sie sich gegen so eine Vereinnahmung nicht mehr.
Man sehe als Beispiel nur die Personen auf den Geldscheinen:
 

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Ich weiss nicht, ob schon oben angemerkt: mit Sozialismus im zeitgenössischen Verständnis hatte Nationalsozialimus ebenfalls wenig zu tun.

Das sehe ich im Grunde ähnlich, nur eines haben NS-Ideologie und kommunistische Ideologie gemeinsam: Den Kollektivismus.

Durch ihn sollte in beiden politischen Systemen jeglicher Individualismus getilgt werden, getreu dem Motto: Du bist nichts - die Gemeinschaft ist alles. Lediglich die Definitionen der "Gemeinschaft" waren meist unterschiedlich.
Jedoch hat sich in der Vergangenheit auch schon gezeigt, daß z. B. in Jugoslawien nach dem Tode Titos aus dem sozialistischen Machtapparat - in dem alle Volksgruppen einigermaßen gleichgestellt waren, ein nationalsozialistischer Staat entstehen konnte, dessen Ziel die Erschaffung eines "Großserbien" wurde. Und das mit allen Konsequenzen, inklusive von Genoziden.
Also ist auch hier ein Sprung zwischen den Ideologien historisch belegt und dem zur Folge machbar.

Übrigens bin ich mir beim "Sozialismus" in der Sowjetunion ebenfalls nicht ganz sicher bei der Einordnung. Zwar stützte man sich dort ideologisch offiziell auf den "Marxismus-Leninismus" - dem entsprach auch die Wirtschaftsform, jedoch scheint es auch eine Art von "Zwangsrussifizierung" (meine eigene Wortkreation) gegeben zu haben. So durfte selbst in den sogenannten "Sowjetrepubliken" - wie Litauen oder Kasachstan - offiziell nur russisch gesprochen werden. Selbst Zeitungen durften nur in russisch herausgegeben werden, nicht aber in der eigentlichen Landessprache. Vielleicht liegt hier eine Mischform vor?
:grübel:
 
So durfte selbst in den sogenannten "Sowjetrepubliken" - wie Litauen oder Kasachstan - offiziell nur russisch gesprochen werden. Selbst Zeitungen durften nur in russisch herausgegeben werden, nicht aber in der eigentlichen Landessprache.
Wo hast du das denn her, das stimmt nämlich schlichtweg nicht. Russisch war natürlich die Lingua franca, mehr aber auch nicht. Lieber @Barbarossa, als Ossi solltest du das eigentlich wissen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wo hast du das denn her, das stimmt nämlich schlichtweg nicht. Russisch war natürlich die Lingua franca, mehr aber auch nicht. Lieber @Barbarossa, als Ossi solltest du das eigentlich wissen.

Entschuldigung, ich hätte es wohl zeitlich noch eingrenzen sollen. Ich meinte hier speziell die Zeit unter Stalin, also vor allem von 1945-53. Aber auch für die Zeit danach wurde wohl der Zuzug von Russen in andere Sowjetrepubliken forciert. So steht es bei Wikipedia und wurde in Fersehdokus immer wieder so gesagt.

Ich war selbst übrigens nur einmal in der SU - 1985 bei einer Klassenfahrt nach Moskau. Ich habe meine Infos stets über die Westmedien bezogen, da ich den Kommunisten ohnehin nie auch nur ein Wort geglaubt habe.
(Das hat sich bis heute auch nicht... :still: --> Tagespolitik=FSK :devil: )
 
Völlig richtig. Und das provoziert natürlich den Nachsatz, dass auch das wirtschaftspolitsche "Programm" äußerst verschwommen war, vermutlich nur in den Köpfen einiger Exponenten kreiste, und ansonsten schon mangels Intellekt wenig Parteigänger interessierte.

Ich weiss nicht, ob schon oben angemerkt: mit Sozialismus im zeitgenössischen Verständnis hatte Nationalsozialimus ebenfalls wenig zu tun.

Richtig. Die wirtschaftspolitischen Programme waren schwammig, siehe Brechung der "Zinsknechtschaft" oder die Polemik gegen große Warenhäuser.* Diese Programme wurden auch nicht umgesetzt. In der Wirtschaftspolitik agierten die Nationalsozialisten vollkommen praxis- und zierorientiert (Stichpunkte: "4-Jahres-Plan", kriegswirtschaftliche Regulierung usw.). Ideologisch determinierte Eingriffe erkenne ich selbstverständlich bei der "Arisierung"**, der DAF, der wirtschaftlichen Ausbeutung der "Ostgebiete", der verbrecherischen Behandlung von sog. "Fremdarbeiter" und natürlich m.E. durch das WVHA usw. Natürlich wurden auch mißliebige Unternehmer verfolgt.**

Natürlich hat der Nationalsozialismus mit dem Sozialismus im zeitgenössischen Verständnis nichts zu tun. Allerdings eröffnete er weniger privilegierten Schichten oder Personen, die gleichsam aus dem "bürgerlichen Rahmen" gefallen waren, einen sozialen Aufstieg in die Machtelite (Heydrich, Göring, Goebbels, Dr. Best um beispielhaft nur einige zu nennen) und vergessen sollte man dabei auch nicht das gesamte "Führerkorps" der nationalsozialistischen Partei und deren Organisationen (ein Heer von Kreisleitern, Gauleitern etc.)***. Ein gewisser sozialer Mobilitätsschub ist m.E. schon zu konstatieren.

M.

* Deutsche Bank, Dresdner Bank... alle waren weiterexistent
** Da standen aber dann auch immer schon "brave" Volksgenossen für die Unternehmensnachfolge bereit.
*** Dr. Best rekrutierte für den Aufbau der Gestapo und des RSHA gerne arbeitslose Akademiker.
http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Best_(NSDAP)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zeitgeistmäßig ist das 19. Jhd eine spannende Zeit. Ich würde gern etwas tiefer in die Ideen und Motive der Vordenker einsteigen, vor allem aber interessiert mich die Interessenlage der normalen Bürger und Bauern.
Die kleinräumigen mittelalterlichen Gefolgschaften und Loyalitäten waren lange vergessen. Das religiöse Fundament der Reiche mit absoluten Herrschern von Gottes Gnaden war unter Aufklärung und französischer Revolution zusammengebrochen.
Da kommt es stark darauf an, welche Gegend Du betrachtest.

Der Nationalismus eines Arndt und Co setzte zwischen 1800 und 1810 ein. Da haben wir gleichzeitig immer noch mittelalterliche "Überbleibsel", welche dann mit dem Reichsdeputationshauptschluss allerdings umfangreich beseitigt wurden. Der "Zusammenbruch", wie Du es bezeichnest, fällt zumindest zeitlich nicht mit der Revolution in Frankreich, sondern mit deren militärischen Auswirkungen zusammen. Zwar wurden Reichsstände im Westen direkt Frankreich unterworfen (schon 1797/98) aber noch betraf das nicht weite Teile des HRR, welche erst unter den Veränderungen des Reichsdeputationshauptschlusses (1802/03 - 1802 nehme ich mit rein, weil da teilw. von Landesfürsten schon vor dem Abschluss des Hauptschlusses Fakten geschaffen wurden) in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Die frühen Nationalisten und das Ende des HRR, mit seinen teilw. schon damals antiquiert scheinenden Verhältnissen und Institutionen, liegen zeitlich eng beieinander und bedingten einander.

M.E. waren die Bauern um 1800 sicherlich weitesgehend noch genauso wie vor der Aufklärung in ihrem Verhältnis zu Religiösität und Loyalität zum Landesherren eingestellt.
 
Nun, ja zusammengebrochen war da teilweise garnichts, ein wenig abgeschwächt vielleicht. S. Fritz Reuter dessen Darstellung in "Ut mine Stromtid" doch wohl real und zeitnah sind. Und das ist nach 1848 entstanden
 
Was meinst du mit "zeitlichen Rahmenbedingungen", von denen der Nationalismus abhängig ist?

Der Nationalismus wird von vielen Faktoren des jeweiligen Nationalstaates beeinflußt.
Dabei spielt der Cahrakter der jeweilgen Nation eine Rolle, doch vielmehr die zeitlichen Rahmenbedingungen. Der Nationalismus wird von den historischen Ereignissen stark beeinflußt, so ist der Nationalismus in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts ein anderer, als Anfang des 20. Jahrhunderts.
Dabei spielt der gesellschaftliche Aufbau in der Regierungsgewalt, wie dem Verhältnis der Bevölkerung dazu ein Rolle, die wiederum mehr oder weniger von außenpolitischen Situationen beeinflußt werden und diese Parameter sind in der Entwicklung des historischen Kontext sehr verschieden.
 
Ich glaube, zeitliche, gesellschaftliche oder ähnliche Rahmenbedingungen spielen bei einem aufkommenden Nationalismus/Fremdenhass nur dann eine Rolle, wenn keine Regierung sondern nur eine oppositionelle politische Gruppierung/Partei dahinter steht. Hier spielt der Faktor Unzufriedenheit in der Bevölkerung eine Hauptrolle, welchen diese Gruppe dann lediglich für ihre Zwecke nutzt.
Viel häufiger kommt ein gegenseitiges Aufhetzten zweier Völker gegeneinander durch ihre jeweilige Regierung in der Geschichte vor. Dieses Aufhetzen geschieht über die dafür vorhandenen Massenmedien, um das eigene Volk auf einen bevorstehenden Krieg/Auseinandersetzung einzustimmen. Oft werden dabei auch falsche Tatsachen vorgetäuscht, um einen Angriff zu legitimieren. Ein solcher Vorgang kann nicht nur in einer Diktatur vorkommen ("Angriff auf den Sender Gleiwitz"), sondern auch in Demokratien ("Zeugenaussage einer durch irakische Soldaten gefangen genommenen kuwaitischen Geisel in den USA")
 
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@Köbis17

Das "Nationalismus" keine ahistorische Kategorie ist und m.E. nur im historischen Kontext begriffen bzw. untersucht werden kann, ist klar, da besteht, denke ich, Einigkeit.

"Dabei spielt der Cahrakter der jeweilgen Nation eine Rolle..."

Hier bin ich mir nicht ganz sicher was Du damit meinst. Meinst Du die Geschichte der nationalstaatlichen Konsolidierung, des jeweiligen Staates?

M. :winke:
 
"Dabei spielt der Cahrakter der jeweilgen Nation eine Rolle..."

Hier bin ich mir nicht ganz sicher was Du damit meinst. Meinst Du die Geschichte der nationalstaatlichen Konsolidierung, des jeweiligen Staates?

Wie jeder Mensch einen Charakter besitzt, besitzt auch jede Nation ihren Charakter, der sich ebenfalls auf das Nationalgefühl auswirken kann. Ich weiß, dass klingt ein wenig nach Vorurteilen und Schubladendenken, aber eine Nation besteht aus einzelnen Menschen ist in der Gesamtheit der Nation dann auch von speziellen Charakter.
 
Wie jeder Mensch einen Charakter besitzt, besitzt auch jede Nation ihren Charakter, der sich ebenfalls auf das Nationalgefühl auswirken kann. Ich weiß, dass klingt ein wenig nach Vorurteilen und Schubladendenken, aber eine Nation besteht aus einzelnen Menschen ist in der Gesamtheit der Nation dann auch von speziellen Charakter.


@Köbis17

Mit dem Begriff des "Nationalcharakters" habe ich so meine Probleme. Ich meine, es gibt keinen "Nationalcharakter". Es gibt sicher nationale Eigentümlichkeiten, die in der Sozialisation angeeignet wurden, d'accord, aber einen nationalen Charakter?

M. :winke:
 
Es gibt sicher nationale Eigentümlichkeiten, die in der Sozialisation angeeignet wurden, d'accord, aber einen nationalen Charakter?

Ich vermute, Köbis meinte diese nationalen Eigentümlichkeiten.

Das würde zu der Frage führen, wie man Nationalismus in dieser Epoche zwischen Staaten vergleichen könnte; ich stelle mir das schwierig vor:
Präsenz von Begriffen (Volk und Nation), Behandlung von Minderheiten, Nationalismus in Öffentlichkeit und Presse, Abgrenzungen bis zu Ausprägungen von Aggressivität, Verflechtung mit Militarismus, patriotische Leitbilder, politische Feindbilder, usw.

siehe zB
Der Aufstieg des deutschen ... - Google Bücher
Das Buch kenne ich allerdings nicht, ich habe ein wenig in den verfügbaren Seiten geblättert.
 
Ich vermute, Köbis meinte diese nationalen Eigentümlichkeiten.

Das würde zu der Frage führen, wie man Nationalismus in dieser Epoche zwischen Staaten vergleichen könnte; ich stelle mir das schwierig vor:
Präsenz von Begriffen (Volk und Nation), Behandlung von Minderheiten, Nationalismus in Öffentlichkeit und Presse, Abgrenzungen bis zu Ausprägungen von Aggressivität, Verflechtung mit Militarismus, patriotische Leitbilder, politische Feindbilder, usw.

siehe zB
Der Aufstieg des deutschen ... - Google Bücher
Das Buch kenne ich allerdings nicht, ich habe ein wenig in den verfügbaren Seiten geblättert.

Danke für den Literaturhinweis. :winke: Steht auf meiner Leseliste.

Thomas Mann hat es einmal versucht.

M.
 
Ich denke die Diskussion über diesen Artikel ist recht unsinnig, da der Autor, wie auch schon vorher angeführt einfach der geschichtlichen Zusammenhänge nicht ausreciehdn genug beleuchtet hat: Man muss zwischen dem Nationalismus, der sich im 19. Jh. vermehrt in "Deutschland" entwickelte und dem heutigen Verständnis von Nationalismus eindeutig unterscheiden. Heute meint Nationalismus ein übersteigertes Nationalgefühl, welches darin endet, dass man sämtliche Nationen außer der eigenen verachtet. Die Situation im 19. Jh. war, dass es noch keine "Deutsche Nation" an sich gab, knapp 39 Fürstentümer umfasste dieses "Deutschland" zur damaligen Zeit und dieser Partikularismus hinderte die Entwicklung eines deutschen Nationalgefühls vehement. Man spricht von einem sog. "Kulturnationalismus", weil man sich nicht als "Deutscher" an sich sehen kann, sondern sich mit den anderen deutschen Staaten mittels gemeinsamer Sprache und Kultur identifiziert. Mit der Französischen Besatzung kam ein sog. "Emotionaler Nationalismus" auf, der sich gegen die Französischen Besatzer richtete und zu der Idee eines Deutschen "Nationalstaates" führte, mit der Intention, eine Demokratisch "angehauchte" Liberale Verfassung auszuarbeiten.

Natürlich wendete sich dieses Nationalgefühl "Deutscher zu sein" mit der Reichsgründung durch Bismarck schnell zu einer übersteigerten Form (vgl. "Am Deutschen Wesen soll die Welt genehsen"), aber ihn direkt als Keimzelle für das Dritte Reich zu sehen ist deutlich überspitzt, schließlich war dieses damalige Nationalgefühl auch die Grundlage für unsere heutige Demokratie.
 
Heute meint Nationalismus ein übersteigertes Nationalgefühl, welches darin endet, dass man sämtliche Nationen außer der eigenen verachtet. ...

Natürlich wendete sich dieses Nationalgefühl "Deutscher zu sein" mit der Reichsgründung durch Bismarck schnell zu einer übersteigerten Form (vgl. "Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen"), ...

Die Differenzierung von "übersteigert" verstehe ich nicht.
 
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