Vorherrschaft Europas

vielleicht habe ich mich da zu scharf ausgedrückt, als ich sagte, die (west-)europäer hinkten technologisch weit hinterher. in einzelnen bereichen mag es sogar einen vorsprung gegeben haben. aber in summe waren die voraussetzungen in europa wesentlich schlechter und man hätte eigentlich vermuten müssen, dass entweder die chinesische oder die arabisch-islamische zivilisation im laufe des mittelalters die welt entdeckt.´

wie sah denn die europäische welt um 1500 herum aus?

europa, was man ja auch als "wurmfortsatz" asiens ansehen kann, war (ist) zersplittert, wenige größere und viele kleine zerrupfte territorien. man "leistete" sich eine kirchenspaltung, die die spirituelle einheit westeuropas sprengte und bis 1650 für blutige gemetzel sorgte. in schiffbau und nautik war man den arabern und chinesen weit unterlegen. an bevölkerungszahl und ressourcen konnte es kein europäisches land mit einem der asiatischen reiche aufnehmen. rings um die damals bekannte welt waren die europäer von moslemischen staaten umringt, von denen eines gerade zum angriff ansetzte. noch nichte inmal das mittelmeer konnte von europäischen schiffen gefahrlos befahren werden.

trotzdem schaffen es drei spanische nussschalen, den atlantik zu überqueren, in der hoffnung, kontakt mit dem legendären china und indien zu bekommen. was den portugiesen auf ihrem weg um afrika herum ja auch gelingt. und in ihrem windschatten später den holländern, die gerade einen krieg auf leben und tod mit diesen spaniern ausgefochten hatten. den engländern, den franzosen. alle lagen sie irgendwann einmal miteinander im krieg und trotzdem reicht eine kurze spanne von 200 jahren aus, die welt zu entdecken und sich überall festzusetzen.

was sprach nun dafür, dass dennoch die europäer die welt entdeckten und eine zeitlang beherrschten?

- die religion, mindestens ebenso expansiv wie der islam, nur nicht so tolerant
- der geistige aufbruch der renaissance, die ketten des mittelalters werden gesprengt, altes und neues wissen verbreitet sich durch den buchdruck rasend schnell
- der gnadenlose konkurrenzkampf der beteilgten mächte, um nicht bedeutungslos zu werden, muss man den andern miltärisch bekämpfen und ebenfalls expansiv agieren
- der mögliche profit, auch wenn z.b. das amerikanische gold und silber die wirtschaft spaniens ruinieren

aber auch eine art vakuum, china hat sein interesse an anderen ländern 80 jahre vorher verlorenh, die islamische welt, mit ausnahme der osmanen, ist entweder auf dem rückzug (spanien, russland) oder mit dem was sie hat zufrieden.

und vielleicht das glück, im neuentdeckten amerika keine gleichwertigen gegner angetroffen zu haben, die sonst vielleicht die militärischen ressourcen zu sehr gebunden hätten.

erst als die europäische macht auch durch technologische überlegenheit unangreifbar geworden ist, fällt als letztes auch china im 19.jhdt. dem kolonialismus zur beute, aber das ist schon wieder off topic.
 
@collo: Diese Überlegungen finde ich schon sehr gut. :hoch:

collo schrieb:
. in schiffbau und nautik war man den arabern und chinesen weit unterlegen. an bevölkerungszahl und ressourcen konnte es kein europäisches land mit einem der asiatischen reiche aufnehmen.
Naja, das stimmt nur bedingt. Um 1500 gab es in China praktisch keine Hochseeschifffahrt mehr und der Schiffbau lag im Todeskampf; die Flussschiffe mal ausgenommen. Die europäischen Flotten bestanden ja auch nicht nur aus "Nussschalen". So primitiv waren die europäischen Schiffe nun nicht. Im Gegenteil, die Karavelle war ein höchst innovativer Bautyp.

Auch darf man annehmen, dass Europa um 1500 zu den reichsten und produktivsten Regionen der damaligen Welt gehörte. Ressourcen waren auch nicht gerade spärlich vorhanden. Allein der Agrarsektor dürfte mit zur Weltspitze gehört haben. Also wesentlich schlechtere Vorrausetzungen vermag ich nicht zu erkennen. Wir waren weder arm, noch primitv oder machtlos. Um 1450 - als die Entdeckungen so richtig los gingen - war Europa eines der führenden Machtzentren der Erde, nur noch nicht das führende schlecht hin.

Hätte Europa 1450/1500 schlechte Vorrausetzungen gehabt, dann hätte es nicht die Kraft zu einer solchen Expansion besessen. :)
 
collo schrieb:
in schiffbau und nautik war man den arabern und chinesen weit unterlegen.

In der Seeschifffahrt waren die Europäer auf keinen Fall unterlegen. Und dies sehe ich als mitentscheidenden Faktor an. Ende des 15. / Anfang des 16. Jahrhunderts waren die Spanier und Portugiesen wohl die einzigen Nationen, die in der Lage waren, den Atlantik zu überqueren und ihren Schiffbau dementsprechend ausrichteten.
Später entwickelten sich mit England und Holland weitere Europäer zu Seefahrernationen. Auch sie konnten, dank ihrer hochversierten Schiffsbautechnik, in Übersee Fuß fassen.
Die Beherrschung der Weltmeere war mit Sicherheit ein ganz wichtiger Grund für die Vorherrschaft Europas in dieser Zeit.
 
die karavellen kann man getrost als nachbauten der arabischen dhaus bezeichnen, mit dem unterschied, dass das ruder mittschiff angebracht war die innovation.

die portugiesen blieben mit diesem schiffstyp auch brav an der küste. und hätte ihnen ein "verrückter" italiener nicht gezeigt, dass es geht, wären sie wohl nicht auf die idee einer atlantiküberquerung gekommen.

was ich nicht bestreite ist, dass die entwicklung des schiffbaus danach ziemlich rasant voranschritt und die europäischen seemächte die technologische führung übernahmen
 
Tib. Gabinius schrieb:
Herrschaften, vergesst ihr da nicht etwas? Auch schon vor Islam und Christentum gab es stark expandierende Reiche.
Rom, Partherreich, Perserreich, die Griechen kolonisierten wie die Wilden und beanspruchten dementsprechend, die Mongolen kamen auch ohne religiöse Tendenz aus.

Und das manche, oder besser die meisten Staaten stoppten in ihrer Ausdehnung hat wohl jeweils spezifische Umstände. Auch in Europa war lange nicht jeder am "aufpumpen".

Wuerde ich nie vergessen. Im Gegenteil, ich sehe da eine recht klare Linie, von den Alten Griechen und Roemern, mit ihrerem kulturellen Sendungsbewustsein, ihrer Einteilung der Voelker in die eigenen, hochstehende Kultur und die anderen, die Barbaren, die sich ueber die Segnungen der Kultur, die man ihnen zukommen lies, froh sein durften, ueber das christliche Europa, bis heute. Die Namen der Voelker und Protagonisten moegen sich geandert haben, aber die grundlegende Kultur, dass was man abendlaendisch nannte und heute westlich, ist mit ihren Eigenarten geblieben.

Ob man nun gerade genug Rohstoffe hatte, technologisch weit war oder anderes, ist da zweitrangig, wenn man nicht den Glauben hat, besser zu sein als die anderen und den Wunsch, diese in die Welt hinaus zu tragen, dann richtet man sich ein und bleibt, wenn es einem gut geht irgendwann stehen. Die Roemer brachten der Welt ihre Pax Romana, ihre Technolgie und Sprache, die Christlichen Missionare verbreiteten ihrne Glauben, bauten Schulen usw. Und heute verbreiten wir Fast Food, Hollywood, Abgasnormen und Solarzellen, Familienplanung und Menschenrechte, immer in dem uralten Glauben, die alleinige Wahrheit zu kennen und den Unwissenden da draussen bringen zu muessen.

Manche Dinge aendern sich eben nicht, sie geben sich neue Namen und ein anderes Aussehen, aber im Kern bleiben sie gleich...
 
collo schrieb:
die karavellen kann man getrost als nachbauten der arabischen dhaus bezeichnen, mit dem unterschied, dass das ruder mittschiff angebracht war die innovation.

die portugiesen blieben mit diesem schiffstyp auch brav an der küste. und hätte ihnen ein "verrückter" italiener nicht gezeigt, dass es geht, wären sie wohl nicht auf die idee einer atlantiküberquerung gekommen.

was ich nicht bestreite ist, dass die entwicklung des schiffbaus danach ziemlich rasant voranschritt und die europäischen seemächte die technologische führung übernahmen
Na das seh ich aber anders.
Allein schon die Bauweise der Bordwände unterscheidet sich erheblich. Ebenso ist das Zuladungsgewicht ein völlig anderes, was der Karavelle eine größere Reichweite gibt.
Die verschiedenen Dhautypen haben vielleicht eine Verwandtschaft, eine Kopie sind die europäischen Karavellen garantiert nicht.
Geht man von einer Abstammung der Karavelle von Dhautypen aus, kann man auch Schlußfolgern, dass die Araber von den Dschunken abkupferten...

Jedem Laien der Schiffahrt wie mir fällt der prägnante Bauunterschied auf:
Karavelle
http://www.saraphina.com/moseyseville/032499/032499-a replica of the Pinta.JPG
http://www.bartel-online.de/Schiffe/Bilder/karavelle.jpg
http://cyberechos.creteil.iufm.fr/cyber10/histoire/caravell/carade.jpg

Dhau
http://www.modellversium.de/galerie/bilder/681-segel2.jpg
http://www.modellskipper.de/archive...ente/schiffstypenlexikon_abschnitt_d/dhau.htm


Aber zurück zum Thema: ich glaube, manganite hat den einzigen gravierenden Unterschied zwischen Europäer und dem Rest der Welt, außer der Technik, über die sich trefflich und lange diskutieren ließe, genannt, das Sendungsbewußtsein.

Der Überlegenheitsgedanke ist jedoch bei vielen Völkern vorhanden. Chinesen behaupteten ebenso von sich, die größte und wichtigste Zivilisation zu sein, wie die Zulu ihren Herrscheranspruch durhczusetzen suchten.
Umso mehr erstaunlich, dass die Juden sich nicht expansiv ausbreiteten, denn auch sie sehen in sich ja das auserwählte Volk.

Bleibt der Fakt: viele Völker, überall auf der Welt expandierten, oft genug aggressiv.
Irgendwas hielt sie jedoch meistens auf, seien es gleichwertige oder überlegene Gegner, innere Probleme oder geographische Umstände.
Das einzige Volk, dass m.W. nicht die Möglichkeiten ausschöpfte, obwohl sie die Meere bezwingen gelernt hatten, waren die Chinesen, die sich kurz darauf abschotteten.
Die Europäer lernten es eben, mit allen Gegebenheiten zurecht zu kommen, einigten sich mit ihren unbezwingbaren Gegnern oder arrangierten sich, etablierten stabile Herrschersysteme und entwickelten notwendige Technologien, teilweise auch nur ein wenig weiter.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Der Überlegenheitsgedanke ist jedoch bei vielen Völkern vorhanden. Chinesen behaupteten ebenso von sich, die größte und wichtigste Zivilisation zu sein, wie die Zulu ihren Herrscheranspruch durhczusetzen suchten.
Umso mehr erstaunlich, dass die Juden sich nicht expansiv ausbreiteten, denn auch sie sehen in sich ja das auserwählte Volk.

Der Ueberlegenheitsgedanke findet sich sicher in vielen Kulturen, gerade auch hier in Ostasien oder eben bei den Juden, mit ihrer Idee vom auserwaehlten Volk, aber es fehlt eben das Sendungsbewustsein, das ist etwas ganz anders als der Wunsch macht ueber andere auszuueben. Die Japaner traeumten vor 70 Jahren von einem japanischen Grossreich, aber sie wollte es nur beherschen oder ausbeuten (je nach Sichtweise), nicht japanisieren, wie ihr deutscher Verbeundete (der dieses Sendungsbewustsein bis zur absoluten Perversion getrieben hat) die Welt germanisieren wollte.

Ich denke, dass schon die Roemer diese Idee hatten, den eroberten Voelkern auch die Segnungen ihrer Kultur nahezubringen (nicht deren Kultur voellig zu beseitigen) indem sie Staedte und Strassen bauten usw. und so Eurpopa und den Mittelmeerraum langsam aber stetig romanisierten.

Das Christentum hat mit seinem "geht hin in alle Voelker" (was in dieser Direktheit wohl allen anderen Religionen fehlt) sein uebriges dazugetan.

Ich glaube ein diskutieren ueber technologsiche und sonstige Zufaelligkeiten bringt einfach nicht viel, denn die Chance zur Dominanz duerfte fast jedes Volk mal gehabt haben, die Loesung liegt in der Suche nach der Motivation, was treibt den Westen immer wieder dazu, die Fuehrungsrolle anzustreben und was fehlt anderen, so dass sie sich immer wieder mit einem status quo begnuegen.
 
Tib. Gabinius schrieb:
Umso mehr erstaunlich, dass die Juden sich nicht expansiv ausbreiteten, denn auch sie sehen in sich ja das auserwählte Volk.

Vermutlich, weil die Juden ein Volk ohne Staat waren und politisch dem jeweiligen Regierungsapparat des Landes unterstanden, in dem sie lebten.
Religiös motivierte Expansionsversuche, wo sich "christliche" Heere über Staatsgrenzen hinaus bildeten, gab es doch nur bei den Kreuzzügen. Und dies auch nur, weil mit Papst und Kirchenstaat eine zentrale Gewalt vorhanden war.
 
Festus621 schrieb:
Vermutlich, weil die Juden ein Volk ohne Staat waren und politisch dem jeweiligen Regierungsapparat des Landes unterstanden, in dem sie lebten.
Religiös motivierte Expansionsversuche, wo sich "christliche" Heere über Staatsgrenzen hinaus bildeten, gab es doch nur bei den Kreuzzügen. Und dies auch nur, weil mit Papst und Kirchenstaat eine zentrale Gewalt vorhanden war.

Aber bis zur Zeitenwende gab es jahrhundertelang einen juedischen Staat...

Und es geht nicht um direkt religioes motivierte Expansionsversuche, sondern wenn dann darum wie sich Religion und Kultur gegenseitig beeinflussen und bedingen. Wenn dei Religion mir sagt, ich bin einzigartig und ich soll mich ueber die Welt verbreiten, dann uebertrage ich das ganz automatsich auf meine gesamte Kultur, das kann ich nicht trennen. Heute ist der religiose Anteil immer mehr in den Hintergrund gerueckt, aber die Denkweise hat sich nciht geaendert. Es gibt praktisch keinen qualitativen Unterschied zwischen einem Jesuiten-Missionar vergangener Zeiten und einem Entwicklungshelfer, der nach Afrika geht und den Leuten sagt, wie sie zu leben haben. Das Produkt, das er verkauft hat sich geandert, aber die Motivation es zu verkaufen nicht.
 
um auf die jüdische religion zurückzukommen, eben weil sich die juden als auserwähltes volk sahen, wollten sie nicht missionieren und dadurch diesen elitären status "verwässern". aber das nur am rande.


ich glaube manganite spricht einen wichtige faktor an, warum schlief der drang sich auszubreiten im islamischen kulturkreis ein? weil man auf erbitterte oder überlegene gegner stiess? warum wurde schwarzafrika nicht ebenso islamisiert wie südostasien, warum wurde amerika nicht von marokko aus entdeckt, australien nicht von java aus?

wieso wenden sich gerade die beiden nationen, die jahrhunderte unter moslemischer herrschaft gelebt hatten dem meer zu? bei den spaniern mag es der zufall der entdeckung amerikas gewesen sein, die die begonnene eroberung nordafrikas gestoppt hat. aber was treibt heinrich den seefahrer an, seine schiffe immer weiter nach süden zu schicken und nicht einen neuen kreuzzug zu starten? war es der weg des geringsten widerstands?
 
Das Sendungsbewußtsein als Motivation für die europäische Expansion ist mir allein für sich zu wenig.

Kolumbus wollte bei seiner Fahrt 1492 eben nicht die Inder zu Christen bekehren oder ihnen die spanische Kultur bringen, sondern er wollte mit ihnen Handel treiben.
-Motiv 2: Streben nach Profit

Die Engländer haben die spanischen Schiffe in der Karibik auch nicht wegen einem Sendungsbewußtsein überfallen, sondern in erster Linie wegen des Profits. Außerdem spielt hier die Konkurrenz der europäischen Mächte untereinander eine Rolle. Die ersten englischen und französichen Stützpunkte in der Neuen Welt waren in erster Linie bessere Piratennester, erst nach und nach etablierten sie dann dort wo die Spanier nicht mächtig genug waren eigene Siedlungskolonien.
-Motiv 3: Konkurrenz der europäischen Mächte untereinander
-Motiv 4: Durch das europäische Gesellschaftssystem und die Überbevölkerung gab es jederzeit genügend Kolonisten, die sich eine neue Heimat aufbauen wollten - die Fesseln der Alten Welt hinter sich lassen und der Neuen Welt eben jene Fesseln anzulegen

Die Vorherrschaft Europas ist ein faszinierendes Thema, aber auch ein sehr kompliziertes. Ich habe bis hierher interessiert mitgelesen, nur bisher noch keine wirklich überzeugende Erklärung gelesen. Ich behaupte auch nicht, dass meine Ergänzung schon das Wahre ist aber ich bin mir sicher, dass die Ursache in einer ziemlich verworrenen Motivlage zu suchen ist. Eine einfache Lösung gibt es mMn für das Problem nicht.

Ein bisher noch zu wenig betrachtetes Phänomen ist auch der Winter. Die klassischen Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten, Indien, Mittelamerika kennen diese Jahreszeit praktisch gar nicht und gerade in dieser tropischen Region entstanden die ersten Zivilisationen. Die ersten Großreiche finden sich dann schon nicht mehr in den tropischen Regionen, sondern in "mediterranen" (Römisches Reich, Alexander der Große, China). Die Kolonialmächte später kommen noch weiter aus dem Norden. Zufall? Ich glaube nein. Der Fortschritt der Zivilisation erfordert einen immer zunehmenden Ordnungsgrad. Gerade den europäischen Winter sehe ich als entscheidende Triebfeder für die zunehmende Ordnungwilligkeit und -fähigkeit der Europäer. Wenn man reichliches halbes Jahr nichts neues ernten kann, muss man die vorhandenen Vorräte sehr genau einplanen, da kommt man mit "südländischem laisser-fére" nicht weiter, weil man damit schlicht verhungern würde. Der schon fast manische Ordnungsgedanke der Europäer (den Wilden die Zivilisation bringen) hat mindestens zum Teil mit dem Winter zu tun.
 
interessanter gedanke, der winter, aber auch nicht einmalig, den kannten aber auch die mongolen. ich kann auch nicht sehen, dass dadurch ein zunehmender organisierungs- und organisationsgrad erzeugt wurde. als meister in diesem fach würde ich bis heute eher die chinesen sehen.

ich will auf die anderen punkte zurückkommen. streben nach profit und konkurrenz der europäer untereinander hatten wir schon, sind aber auch nicht einmalig.

den 4. punkt, überbevölkerung, würde ich so nicht gelten lassen. bis 1700 spielte der siedlungskolonialismus eine ganz untergeordnete rolle. ausserdem bin ich mir nicht sicher, ob der bevölkerungsrückgang durch die pestepidemien bereits um 1450/1500 ausgeglichen war.
 
manganite schrieb:
Aber bis zur Zeitenwende gab es jahrhundertelang einen juedischen Staat...


Das ja, aber im Machtbereich der "übermächtigen" Römer. Und auch sonst (zuvor und danach) standen sie im "Schatten" der Mächte ringsum (bzw. lebten in deren Herrschaftsbereich), seien es nun Sassaniden, Ägypter gewesen. Vielleicht lags auch schlicht an der "mangelnden Masse" die Großreiche herausfordern zu können. Allerdings: Trotz allem Sendungsbewußtsein wär mir nicht bekannt, dass es im Judentum zu größeren Missionierungen a la "gehet hin in alle Welt...." gekommen wäre.
 
Andronikos schrieb:
-Motiv 2: Streben nach Profit
-Motiv 3: Konkurrenz der europäischen Mächte untereinander
-Motiv 4: Durch das europäische Gesellschaftssystem und die Überbevölkerung gab es jederzeit genügend Kolonisten, die sich eine neue Heimat aufbauen wollten - die Fesseln der Alten Welt hinter sich lassen und der Neuen Welt eben jene Fesseln anzulegen

Das sind sicher alles bedenkswerte Motive, aber ich wuerde sie nur als skundaer bezeichnen, denn erstens treffen sie, wie schon ausgefuehrt, auf viele andere Kulturkreise auch zu und zweitens treffen sie fuer unseren Kulturkreis nicht immer zu.

Ausser dem Streben nach Profit ist denke ich keines der otive mehr aktuell, aber es ist gleichzeitig das universellste, dass die Besonderheit des westlich-abendlaendischen Kulturkreises nicht erklaeren kann.

Und wenn man mal dein Kolumbus-Beispeil nimmt, sicher war er auf Profit aus, aber das waren sich andere Leute auch, schon dei alten Phoenizer haben ihre Schiffe weithin gesand, um Handel zu treiben, aber das hatte alles nicht die Folgen, die die Entdeckungsfahrten der Europaer hatten, die, wenn man es ganau nimmt, erst dann aufhoerten, als jeder Flecken Erde schliesslich kartographiert war. Diesen Ergeiz hat niemand so je entwickelt, stetig die Grenzen des Bekannten weiter auszudehnen.

Hier kommt man dann vielleicht auf ein weiteres, tiefer liegendes Motiv: Neugier, als streben nach Wissen um des Wissens willen. Die Abendlaendische Kultur ist vielleicht die einzige, die jemals nicht Zeckgebundene Forschung betrieben hat, die nicht aus den Problemen des Alltags heraus geboren wurden. Letzlich fuehrt das dann aber auch wieder zu einer groesseren Anzahl nuetzlicher Entdeckungen, die dann die rasante technologische ENtwicklung als praktsicher Vorraussetzung fuer die Eroberung der Welt erklaeren kann.

Das ist ja das Problem: Zwischen vordergruendigen Notwendigkeiten (militaerische Macht, wirtschaftliche Staerke, Technologievorsprung) und den zugrundeliegenden Motivationen, die die westliche von der restlichen Welt signifikant unterscheiden, zu trennen.

Sicher gibt es da nicht nur einen Punkt, aber muss, denke ich, schon etwas tiefer in die Kultur eindringen, um hier zu den richtigen Erklaerungen zu kommen.

Das Winter-Motiv kann ich nicht ganz nachvollziehen: Man betrachte Amerika, wo ganz eindeutig die im warmen bis gemaesigtem Klima lebenden Voelker dominiernd waren. Die Indianer des Nordens haben nie das Entwicklungsniveau erreicht, wie die Voelker Mittelamerikas und der Andenregion.
 
Hier ein paar Überlegungen von mir:

Als erstes habe ich einmal Kolonie und Kolonialismus definiert:

Definitionen:

„Eine Kolonie ist ein durch Invasion (Eroberung und /oder Siedlungskolonisation) in Anknüpfung an vorkoloniale Zustände neu geschaffenes politisches Gebilde, dessen landfremde Herrschaftsträger in dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten Mutterland oder imperialen Zentrum stehen, welches exklusive Besitzansprüche auf die Kolonie hat.“


„Kolonialismus ist eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen.“

„Kolonie ist strenggenommen und von Haus aus eine Neu-Ansiedlung, die selbständig sein oder unter der Kontrolle des Gemeinwesen bleiben kann, aus dem die Siedler stammen. im übertragenen Sinn wird die Kolonie aber jedes räumlich von dem betreffenden Gemeinwesen getrennte Herrschaftsgebiet genannt, vor allem wenn es in Übersee liegt. Der Minimalinhalt des Begriffs Kolonie besteht also in Siedlung oder Herrschaft, der Maximalinhalt in Siedlung und Herrschaft.“

„Kolonialismus soll heissen, die Kontrolle eines Volkes über ein fremdes unter wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Ausnutzung der Entwicklungsdifferenz zwischen beiden.“

Dann habe ich mir die strukturellen Vorraussetzungen der Expansion nach Amerika angeschaut:Voraussetzung der spanischen Kolonisation in Amerika

• die spätmittelalterliche Handelsrevolution in Italien , die zu einem Aufschwung und einer effektiveren Organisation des Fernhandels und gewisser Produktionsformen (Plantage) führte
• die politisch-militärische Entwicklung auf der iberischen Halbinsel im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, als ein erstarktes Königtum die Rückeroberung Südspanien von den Mauren. Die Krone und Teil der Oberschicht waren auf kriegerische Überseeaktionen bereits eingestellt.

Antriebe und Anlässe

Expansionsgeschichtlich betrachtet stand Spanien in Rivalität zu Portugal. Portugal hatte bereits mit dem Aufbau eines Netzes von Handelsstützpunkten an der afrikanischen Küste begonnen. Im Vergleich waren beide Länder zentralistisch organisiert, durchschlagskräftig sowie ökonomisch interessiert und hatten den Katholizismus zur identitätsstiftenden staatstragenden Doktrin gemacht. Der Papst teilte die Welt in zwei Interessensphären und konnte so die Konkurrenz zwischen den beiden Mächten in geordnete Bahnen lenken. Der Westen den Spaniern, der Osten den Portugiesen. Eine Bedingung mussten die Iberer erfüllen, das Christentum verbreiten und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.

Nachdem Columbus die Karibik entdeckte musste sich die Krone Spaniens etwas anderes einfallen lassen. Da sie kein Geld hatte überliess man die Initiative den andalusischen Kaufleuten und den Konquistadoren. Einen Eroberungsplan gab es keinen, statt den Handel aufzubauen ging man über zur Eroberung, Plünderung und Siedlung – Siedlungskolonialismus.


Weltwirtschaftliche Umstände der spanischen Kolonisation

In Amerika organisierten die Europäer zu ersten Mal im grossen Massstab die Produktion mit einheimischen Arbeitskräften hauptsächlich für den Export nach Europa und Asien. Dabei gibt es zwei Wachstumsbranchen:

1. Die Gold- und Silbergewinnung in Peru und Mexiko


2. Der Anbau von Zuckerrohr und Zuckergewinnung in Nordostbrasilien, Kuba sowie den britischen und französischen Antillen


Folgen:

Wirtschaft: Atlantikhandel
Steigerung des Welthandel durch Einfuhr neuer Kolonialprodukte (Kartoffel, Mais und Tabak) und Plantagenwirtschaft

Steigerung des Grossgewerbes (Kolonien als Abnehmer)

Erhöhter Geldbedarf begünstigt grosskapitalistische Unternehmen


Politik: Portugal und Spanien werden Grossmächte


Kultur: Beginn der Europäisierung der Erde


Die Grossen Zentren

Peru

Lima dürfte im 16. und 17. Jahrhundert die ökonomisch dominante Rolle in spanisch Amerika gespielt haben.

• Einwohner anfangs 17. Jahrhundert: Total 60 000 davon 5 000 – 6 000 Weisse und 30 000 Negersklaven


Mexiko

Mexiko wird aber bald zur politischer Metropole des Nordens, und die wirtschaftliche Metropole ganz spanisch Amerikas.

Bevölkerungswachstum 1550 – 1800 von 75 000 auf 130 000
(Zahl der Weissen 1570 18 000 1790 67 500)

Der Amerikahandel war in fester Hand der Sevillaner Kaufleute und Bankiers.
 
Was hat sich im Abstand von hundert Jahren jeweils verändert?

1680 – 1780

Europa

• Europa war von agrarischen Lebensverhältnissen geprägt. Vier von fünf Europäern um 1780 lebten auf dem Lande.
• Einen grossen Urbanisierungsschub liess noch auf sich warten.
• Transportgeschwindigkeit hatte sich kaum vergrössert. Der Fernverkehr war besser ausgebaut als der Transport im engeren regionalen Bereich.
• Es wurde leichter gegen staatliche und kirchliche Orthodoxien abweichende Ansichten zur Geltung zu bringen. Es gab keine uneingeschränkte Selbstherrschaft wie in Russland, China oder im Osmanischen Reich. Trotzdem kam es vor der Franz. Rev. In keinem Land zu einer nennenswerter Demokratisierung der Politik. Politik in Europa war im besten Fall Politik einer aristokratischen herrschenden Klasse. Die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit war von jeglicher politischer Mitwirkung ausgeschlossen.

Übersee

• Wenig neue Territorialerwerbung dafür Ausbau der bestehenden Kolonialreiche Der wichtigste Expansionsvorgang war der Aufstieg der East India Company.
• Die ostasiatische Welt lag noch ausserhalb des Zugriffs Europas. China war 1780 stärker, als ein Jahrhundert zuvor, von der Aussenwelt abgeschottet.

1780 – 1880

• Um 1880 ist die Welt (ausser den Polen) weitgehend entdeckt.
• Transportzeiten haben sich verkürzt, Dampfschiffe und ab 1869 Suezkanal
Massenverkehr
Auswanderung nach Amerika erreicht Höhepunkt.
• Tourismus 1879 1 Mio. Besucher in der Schweiz davon 200’000 Amerikaner.
• Telegraf
• Zwischen 1840 und 1860 - Eisenbahn. Das Eisenbahnnetz wuchs von 5’500 auf 222’000 Meilen
• Weltbevölkerung verdoppelte sich
• Millionenstädte entstehen. In Europa war London die erste. Zwischen 1750 und 1850 vervierfachte sich die Einwohnerzahl
• Süd- und Mittelamerika ist republikanisch ausser Brasilien (setzt Kaiser 1889 ab). USA wird grösste Demokratie der Welt.
England wechselt von der Elitenherrschaft in die Massendemokratie. Ist aber immer noch eine Monarchie (Königin Victoria)
Frankreich seit 1870 eine Republik

Jetzt bin ich einwenig von der Zeit abgekommen. Sorry
 
@ursi: danke für deien ausführungen, aber ich denke, sie führen ein wenig vom eigentlichen thema weg. es geht ja nicht um den kolonialismus, sondern warum sich ausgerechnet die christlich-abendländischen europäer so "breit machten".

natürlich gab es einen konkurrenzkampf zwischen sapnien und portugal, aber in spanien standen bis 1492 ja noch die mauren und es wäre m.e. eine logische folge gewesen, wenn die spanier sich nach der eroberung nordafrika zugewandt hätten (mit ceuta und mellila hatten sie das ja acuh schon angefangen).

richtig ernsthaft haben die spanier doch erst nach der zufälligen entdeckung der neuen welt die expansion über see betrieben. die aufteilung in zwei interessensgebiete erfolgte ja auch erst nach der entdeckung amerikas und nicht vorher.

es dürfte aber kein zufall sein, dass die entdeckung der (neuen) welt durch die europäer mit der wieder-entdeckung der eigenen, antiken welt in der renaissance zusammenfiel. vielleicht könnte man diese epoche auch die "neugierige" nennen.
 
Das ist eine sicher gute und genaue Analyse der konkreten Umstaende, Anlaesse udn Entwicklungen, die zur Kolonisation und politischen Vormachtstellung Europas fuehrten, aber sie erklaert nicht, warum dieser ganze Prozess hier und nur hier in dieser Form und mit diesen Folgen in Gang kam.

Viele Kulturen und viele Laender standen oft an Weggabelungen ihrer Entwicklung, wo sie haetten in die ein oder andere Richtung haetten gehen koennen, aber warum haben die einen letzlich immer die eine udn die anderen immer die andere Richtung gewaehlt?

Keiner der Gruende oder besser Anlaesse beinhaltet eine Zwangslaeufigkeit, ein "es musste so kommen weil". Um deinen Anfangspunkt zu nehmen: Die Rivalitaet Spaniens und Portugals haette sich auch anders loesen koennen, sei es durch einen Krieg oder sonstwas. Und selbst als man Amerika entdeckt und die Interessenspaehren abgesteckt hatte, haette man es bei Handelsstuetzpunkten belassen koennen usw.

Es gab und gibt immer Alternativen, warum waehlt man konsequent immer die, die in die gleiche Richtung weist, naemlich Verbreitung der eigenen Lebensart ueber ein grostmoegliches Gebiet?
 
collo schrieb:
@ursi: danke für deien ausführungen, aber ich denke, sie führen ein wenig vom eigentlichen thema weg. es geht ja nicht um den kolonialismus, sondern warum sich ausgerechnet die christlich-abendländischen europäer so "breit machten".

natürlich gab es einen konkurrenzkampf zwischen sapnien und portugal, aber in spanien standen bis 1492 ja noch die mauren und es wäre m.e. eine logische folge gewesen, wenn die spanier sich nach der eroberung nordafrika zugewandt hätten (mit ceuta und mellila hatten sie das ja acuh schon angefangen).

richtig ernsthaft haben die spanier doch erst nach der zufälligen entdeckung der neuen welt die expansion über see betrieben. die aufteilung in zwei interessensgebiete erfolgte ja auch erst nach der entdeckung amerikas und nicht vorher.

es dürfte aber kein zufall sein, dass die entdeckung der (neuen) welt durch die europäer mit der wieder-entdeckung der eigenen, antiken welt in der renaissance zusammenfiel. vielleicht könnte man diese epoche auch die "neugierige" nennen.

Ich denke auch das es kein Zufall war, dass man in Europa die Anike Welt wieder entdeckte und gleichzeitig sich auf neue Wege machte. Ob es Neugierde war, vielleicht oder einfach gesagt Machtausbau und die suche nach Gold und Reichtum?
 
manganite schrieb:
Das ist eine sicher gute und genaue Analyse der konkreten Umstaende, Anlaesse udn Entwicklungen, die zur Kolonisation und politischen Vormachtstellung Europas fuehrten, aber sie erklaert nicht, warum dieser ganze Prozess hier und nur hier in dieser Form und mit diesen Folgen in Gang kam.

Viele Kulturen und viele Laender standen oft an Weggabelungen ihrer Entwicklung, wo sie haetten in die ein oder andere Richtung haetten gehen koennen, aber warum haben die einen letzlich immer die eine udn die anderen immer die andere Richtung gewaehlt?

Keiner der Gruende oder besser Anlaesse beinhaltet eine Zwangslaeufigkeit, ein "es musste so kommen weil". Um deinen Anfangspunkt zu nehmen: Die Rivalitaet Spaniens und Portugals haette sich auch anders loesen koennen, sei es durch einen Krieg oder sonstwas. Und selbst als man Amerika entdeckt und die Interessenspaehren abgesteckt hatte, haette man es bei Handelsstuetzpunkten belassen koennen usw.

Es gab und gibt immer Alternativen, warum waehlt man konsequent immer die, die in die gleiche Richtung weist, naemlich Verbreitung der eigenen Lebensart ueber ein grostmoegliches Gebiet?

Vielleicht weil man in der Ferne etwas von der eigenen Lebensart bewahren möchte und so ein Stück Heimat hat. Weil man davon ausging, nur diese Lebensart ist die einzig richtige Art zu Leben?
 
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