Wann kam der Hofknicks auf?

muck

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Mir ist aufgefallen, dass ich mich spontan an keine mittelalterliche Illuminationen erinnern kann, die einen Knicks zeigen würden. Frauen sind immer entweder als Zuschauerinnen dargestellt, während Männer sich in der Darstellung verneigen oder knien – oder sie knien selbst (aber auf beiden Knien).

Weiß also zufällig jemand, wann der Hofknicks aufkam?

Meyer, Zedler und Adelung erwähnen gar nichts dazu, die deutsche Wikipedia auch nicht, die englische Wikipedia behauptet etwas schwammig, der Knicks sei eine Erfindung des 17. Jahrhunderts. Stimmt das?
 
Knicks und/oder Kniebeugung…

Knicks bei DamenKniebeugung bei Herren, so unterteilt es „Meyers Großes Konversationslexikon“ (Leipzig 1907 – Band 11, Seite 171 – Knicks, Seite 172 - Kniebeugung).
Hier zur Quelle:
1. Knicks → Knicks – Zeno.org
2. Kniebeugung → Kniebeugung – Zeno.org

Und Wikipedia unterscheidet:

Knicks (Geste)https://de.wikipedia.org/wiki/Knicks_(Geste)
Niederknien oder Kniebeuge https://de.wikipedia.org/wiki/Niederknien

Zum Knicks ist bei Wikipedia zu lesen:
"Seinen Ursprung hat der Knicks wohl in der antiken Praxis, als Zeichen der Hochachtung vor jemandem auf die Knie zu fallen (so bei Homer und Apuleius bezeugt)." Siehe dazu auch die Erläuterung (1) unten bei Einzelnachweise.

Niederknien wird bei Wikipedia sehr ausführlich beschrieben.
 
Weiß also zufällig jemand, wann der Hofknicks aufkam?
Von »zufällig« kann keine Rede sein… (musste auch erst nachschauen), aber der Knicks anstatt einer Verbeugung oder einem Hinknien ist mit Sicherheit älter als von der en. Wikipedia angegeben. Außerdem würde ich nicht wesentlich zwischen dem Knicks der Frauen und der galanten Verbeugung der Männer unterscheiden; lediglich zwei Bewegungsvarianten: der Mann einladend gewährend (gegenüber Frauen, je nach Stand, auch begehrend, was zur Höflichkeit gehörte), die Frau aber ohne die einladende Geste, was schlicht dem gebotenen Sittenverständnis entsprach.
Bsp. einer Abbildung von Ehrerbietung durch Kniebeuge aus 1493, im PDF(41,7 MB) zur Ausstellung Bilderwelten der Bayerischen Staatsbibliothek, S. 61.
Eine weitere Kniebeuge aus dem 15. Jh., sogar mit leichtem Anheben des Rocks(!): « La Duchesse de Brabant accueille Isabelle de Bavière », Les Chroniques de Froissart, @ Mémoire vive, Besançon.

Ausgefeilt elegante Knickse werden allerspätestens im 16. Jh. vorgeführt worden sein, als die Reverenz auch in höfische Tänze integriert war, bezeugt durch Thoinot Arbeaus Orchesographie aus 1589.(bspw., wie im Thread »Guéridon« – Étymologie verlinkt, auf S. 86 @ @ Gallica). Möglich wären aber auch kunstvolle Darbietungen bereits im 15. Jh. bei der sog. »Basse danse«. Das CNRTL zitiert unter révérence: « faire le reverensce », aus: Froissart, Chroniques, Ende 14. Jh.

Was die deutsche Verwendung von »Reverenz« angeht, schrieb Marx Rumpolt (?–1593) in seinem 1581 herausgegebenem Ein new Kochbuch beim Servieren von »gebuͤrlicher Reuerentz« (bspw. auf S. 7 @ Deutsches Textarchiv), was bestimmt nicht jedesmal ein Niederknien erforderte, während ein Nicken wohl kaum genügt und die Verbeugung den Inhalt der Platte gefährdet hätte… :oops:
 
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Eine angedeutete Kniebeuge zeigt auch diese Miniatur von "circa 1375":
19d.gif


Histoire du costume, costumes anciens : hommes et femmes à la fin du quatorzième siècle (XIVe)
 
Was hatte Deutsche Biographie - Tetzel, Gabriel , der Begleiter des böhmischen Herrn Leo von Rožmital auf seiner Reise 1465-1467 am englischen Königshof gesehen? Er schrieb nämlich in seinem Reisebericht:

Do tanzet des kunigs schwester mit zweyen herzogen die kostlichen täntz und die kostlich reverentz, die sie der kunigin erboten, die ich noch ander nie gesehen haben von uberschwenklichen schonen junkfrawen.

'Des böhmischen Herrn Leo's von Rožmital Ritter-, Hof- und Pilger-Reise durch die Abendlande : 1465 - 1467 = Itineris a Leone de Rosmital nobili Bohemo annis 1465 - 1467 per Germaniam, Angliam, Franciam, Hispaniam, Portugalliam atque Italiam confecti' - Digitalisat | MDZ

Was auch immer die kostliche reverentz war, entweder sah er sie zum ersten Mal oder sie war am englischen Königshof 1466 besonders ausgeprägt.
 
Das Interpretationsproblem gerade bei solchen Unklarheiten, wie auch bei Darstellungen kniender Personen in bodenlanger Kleidung (durchaus nicht nur Damen), besteht halt darin, dass man nicht Knien kann, ohne den Saum einer solchen Kleidung irgendwie festzuhalten. Deswegen war ich der Ansicht, dass nicht alles ein Hofknicks ist, was auf den ersten Blick wie ein Hofknicks aussieht.
 
Das Interpretationsproblem gerade bei solchen Unklarheiten, wie auch bei Darstellungen kniender Personen in bodenlanger Kleidung (durchaus nicht nur Damen), besteht halt darin, dass man nicht Knien kann, ohne den Saum einer solchen Kleidung irgendwie festzuhalten. Deswegen war ich der Ansicht, dass nicht alles ein Hofknicks ist, was auf den ersten Blick wie ein Hofknicks aussieht.
Das wäre eine Deutung aus der heutigen, von Fotografien überfluteten Sicht. Ungenaue Darstellungen ja, aber ›Schnappschüsse‹, d.h. Abbildungen von Zwischenbewegungen waren bei der bildnerischen Erzählfreude im Spätmittelalter eher unüblich. Man hätte kaum eine wichtige Begrüßungsszene mit einer sich gerade hinknienden Person gezeigt, wie sie sich dabei das Kleid zurechtzupft; wäre höchstens bei einer Massenszene vorstellbar. Außerdem wäre eine kniende Ehrerbietung, während man sich die Kleidung hält, höchst ungewöhnlich.

Der zweite Link im Beitrag #3 mit Isabelle de Bavière, die das Kleid sogar anhebt, zeigt eindeutig einen Knicks. Und auch das Zitat in Naresuans Beitrag macht klar, dass es die kunstvolle Kniebeuge bereits im 15. Jh. gab; die parallele Erwähnung in »die kostlichen täntz und die kostlich reverentz« erzählt von einer tänzerischen Ausführung, die demnach keine Pose war.
 
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