War das Fränkische Reich zum Scheitern verurteilt?

Nur zur Info: "Teutschland" ist eine pseudoetymologische Schreibung, weil man zeitweise dachte, dass Deutschland von von den Teutonen abgeleitet sei. Tatsächlich ist Deutschland bzw. deutsch aber von thiudisk abgeleitet. Ein "Teutschland" hat es demnach nie gegeben. Nur die fälschliche Schreibung.
 
Noch was, weil das hier völlig unreflektiert hier passiert: Hat keiner Probleme damit nach dem 10. Jhdt. noch von Frankenreich zu sprechen?
 
Hatten die Bewohner Probleme, sich als Bewohner des frankenreichs zu fühlen, wäre eher die Frage.
Ich habe so den Eindruck, das "Frankenreich" ging verloren wie ne einzelne Socke, einfach weg, keiner weiß so richtig, wann und warum
 
Noch was, weil das hier völlig unreflektiert hier passiert: Hat keiner Probleme damit nach dem 10. Jhdt. noch von Frankenreich zu sprechen?

Ist das nicht eine sehr deutsche Sichtweise? Im Vertrag von Verdun ist von "Francia" die Rede, franz. "Francien", deutsch am ehesten "Franzien". Das Herzogtum "Franzien" wurde allerding schon im 10.Jhd. abgeschafft.

Der französische König führte bis ins 13.Jhd. den Titel "Rex Francorum", der Name des Reiches ändert sich bis zum 13. Jhd. von "Regnum Francorum" in "Regnum Franciae". Philippe August nennt sich dann offiziell "Roi de France".
 
Dass Frankreich aus dem Fränkischen Reich hervorgegangen ist bestreite ich ja auch gar nicht. Aber es kann sich nicht als dessen einziger Nachfolger betrachten, sondern nur als dessen Westhälfte. Deutschland ist ebenso aus dem Frankenreich hervorgegangen. Das heutige Frankreich ist also nicht mit dem Frankenreich identisch.

Aus dem Ostfränkischen Reich ging Deutschland hervor, aus dem Westfränkischen Reich Frankreich - somit hatte das Frankenreich zwei Nachfolger.

Allerdings betrachten die Franzosen ihren Staat gern als alleinigen legitimen Nachfolger des Frankenreichs und vereinnahmen auch Karl den Großen gern als "notre Charlemagne". Aber bei Licht besehen trifft das natürlich nicht zu. Als Argument wird gern genannt, dass der Stamm der Franken schließlich in der romanisierten Bevölkerung Galliens aufgegangen sei. Dabei wird außer aucht gelassen, dass auch im Ostfrankenreich bzw. dem späteren Deutschland links- und rechtsrheinische Franken zurückblieben, auch wenn es aufgrund politischer Umstände nur kurzfristig zu einem Stammesherzogtum Franken kam, das den fränkischen Namen in einem politischen Gebilde hätte bewahren können - anders als "Frankreich".
 
Dabei wird außer aucht gelassen, dass auch im Ostfrankenreich bzw. dem späteren Deutschland links- und rechtsrheinische Franken zurückblieben, auch wenn es aufgrund politischer Umstände nur kurzfristig zu einem Stammesherzogtum Franken kam, das den fränkischen Namen in einem politischen Gebilde hätte bewahren können - anders als "Frankreich".

Niemand bestreitet, dass es im Ostfränkischen Reich Franken gab, aber der vergleich hinkt doch sehr. Das spätere Deutschland war - vor allem in der Maingegend - damals äußerst dünn besiedelt. Das Herzogtum Franken war ein Kolonisationsgebiet, in das im 10.Jhd. fränkische Siedler geholt wurden und erreichte nie einen Status wie Sachsen oder Schwaben. Die Franken an Rhein und Mosel - meist im Herzogtum Lothringen -schwankten ständig zwischen Ost- und Westreich. Im Osten dominierten bald andere Königshäuser, Ottonen oder Staufer - die Salier bildeten nur ein Zwischenspiel. Natürlich berief man sich gerne - und tut es noch - auf Karl d.G.. Aber das ändert nichts daran, dass das fränkische Kernland die Gegend zwischen Reims, Soissons, Paris und Orleans blieb.
 
Aber das ändert nichts daran, dass das fränkische Kernland die Gegend zwischen Reims, Soissons, Paris und Orleans blieb.

Dass dort einst Franken konzentriert siedelten, ist für unsere Themenstellung unerheblich. Die germanischen Franken gingen in der rgallo-romanischen Bevölkerung auf und übernahmen auch deren Sprache. Und so sind schon die Sraßburger Eide von 842 in altfranzösisch und althochdeutsch abgefasst. Damit war das Westfränkische Reich zu einer romanischen Nation geworden mit (alt)französischer Sprache, das Ostfrankenreich blieb germanisch mit (alt)hochdeutscher Sprache.

Es ist daher pure Fantasie zu vermuten, dass im Paris des 10. Jahrhunderts noch gebürtige Franken einen Becher Wein getrunken und sich womöglich noch in germanischer Sprache zugeprostet hätten..
 
Es ist daher pure Fantasie zu vermuten, dass im Paris des 10. Jahrhunderts noch gebürtige Franken einen Becher Wein getrunken und sich womöglich noch in germanischer Sprache zugeprostet hätten..

Sorry - was ist das für ein Quatsch, und wer hat das behauptet? Natürlich waren die Franken stark romanisiert.

Die Franken siedelten auch nicht "einst" in Nordfrankreich, es gab keine größere Bewegung von dort weg außer der Ostkolonisation. Sie blieben einfach und bildeten eine Mischkultur, aus dem das spätere Frankreich hervorging. Genau diese Mischkultur WAR das Frankenreich, auch wenn deutsche Traditionalisten die Franken immer gerne für Deutschland vereinnahmen wollten.
 
Sorry - was ist das für ein Quatsch, und wer hat das behauptet? Natürlich waren die Franken stark romanisiert.

Sie waren nicht "stark" romanisiert, sondern nach Ablauf von 400 Jahren im 9. Jh. völlig romanisiert. Als Beispiel nehme ich immer gern die Polen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zu Hunderttausenden ins Ruhrgebiet strömten, da die explosionsartig wachsende Stahlindustrie und der Bergbau Arbeitskräfte brauchten.

Schon nach 2-3 Generationen war die polnische Identität futsch und wenn du heute nach 150 Jahren einen Schimanski, Tilkowski oder Libuda nach seiner Nationalität und Identität fragst, so muss man über die Antwort überhaupt nicht nachdenken. Die Franzosen waren auch in Nordfrankreich seit dem Hohen Mittelalter unzweifelhaft romanische Franzosen mit eben dieser Identität. Da beißt keine Maus den Faden ab.
 
Mir ist ja nicht ganz klar, auf was du hinaus willst. Ein fränkisches Bewusstsein blieb schon noch vorhanden, weshalb das Land auch FRANKreich heißt, und nicht Gallia Transalpina. Ebenso wie viele Adlige nach wie vor auf ihre alanische Abkunft stolz waren (wie häufige Name mit Alain... zeigen). Es war ein Mischvolk entstanden. Der französische Norden unterscheidet sich auch heute noch deutlich vom Süden.
 
Wie oben geschrieben, das fränkische Kernland lag an Rhein, Maas, Mosel und Seine, und blieb es auch.

Wer sagt das das fränkische Kernland bis zur Seine ging. Dann müssten die ersten Franken sehr starke Romano-Gallische Wurzeln haben. Was ich bezweifele. Das fränkische Reich hat sich sehr schnell Richtung Westen ausgedehnt, keine Frage. Die Expansion in Richtung Westen wurde dadurch beschleunigt, das das Weströmische Reich mehr oder minder schnell zusammengebrochen ist.

Apvar

P.S. Das fränkische im West-Fränkischen Reich war die Adelsschicht, also eine sehr dünne Oberschicht, welche in kurzer Zeit in der Gallo-Römischen aufgegangen ist. Nicht umsonst hat sich im Westfränkischen Reich eine Unterart des Vulgärlatein durchgesetzt und hat sich zur französischen Sprache entwickelt. Im Ostfränkischen Reich haben sich die Germanischen Sprachen durchgesetzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer sagt das das fränkische Kernland bis zur Seine ging.

Nachdem Chlodvig schon 508 Paris zu seiner Hauptstadt machte, kann man das wohl schon "Kernland" nennen.

Apvar schrieb:
Das fränkische im West-Fränkischen Reich war die Adelsschicht, also eine sehr dünne Oberschicht, welche in kurzer Zeit in der Gallo-Römischen aufgegangen ist. Nicht umsonst hat sich im Westfränkischen Reich eine Unterart des Vulgärlatein durchgesetzt und hat sich zur französischen Sprache entwickelt.

Richtig, kein Widerspruch, höchstens ließe sich über die "Dünne" der Oberschicht diskutieren.

Apvar schrieb:
Im Ostfränkischen Reich haben sich die Germanischen Sprachen durchgesetzt.

Auch richtig. In erster Linie sächsisch und allemannisch.
 
Ich verstehe den ganzen Streit um die fränkische Identität gar nicht. Die Franken waren zweifellos ein germanischer Stammesverband. Daß sich Franken nach der Eroberung romanischer, ehemals römischer Provinzen auch dort ansiedlten und sich der dortigen Bevölkerung sprachlich anpaßten - also romanisierten - spielt hierbei keine Rolle.
Interessanter ist dagegen, daß es die Franken schafften, Neustrien - eine ehemals römische Provinz - zu ihrem Kernland zu machen. Darin zeigt sich die gelungene Integrationspolitik, die Chlodwig begann und unter seinen Nachfolgern fortgesetzt wurde. Bereits die Söhne Chlodwigs regierten ihre Reichsteile von Neustrien aus.
Allerdings ist auch nicht zu unterschätzen, daß das ursprüngliche Gebiet der Franken - Austrasien - eine ebenfalls sehr wichtiger Reichsteil blieb. Und dieses Gebiet blieb im wesentichen germanisch. Von hier kamen alle wichtigen Königsfamilien - die Merowinger und auch die Karolinger. Dieses Ursprungsgebiet - Austrasien - fiel in seiner Bedeutung für das Frankenreich in seiner Bedeutung hinter Neustrien zurück. Und um das eigentliche Thema nicht aus den Augen zu verlieren: Dies war wohl vor allem der Grund für die hohe Stabilität des Reiches der Franken.
Insgesamt kann man wohl sagen, daß sowohl Deutschland als auch Frankreich in der Tradition der Franken stehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Barbarossa:
"großteils in der Tradition" passt besser.
Im Gegensatz zu Frankreich hat es einen Staat " Deutschland" nie gegeben.

Unerheblich aber für den Thread.

In 53 Beiträgen wird versucht, zu zeigen, das das Frankenreich untergegangen oder nicht untergegangen ist.

Nun, was steht denn an der Stelle des Frankenreichs heute? Wer hat denn die "Franken" abgelöst, nachdem ihr Reich untergegangen ist?

Also in der Königsliste Frankreich stehen Karolinger, ...., Kapetinger verwandt in der weiblichen Linie mit Karl dem Großen und so weiter. Da ist kein Bruch zu sehen, die Bewohner des ehemals Westfränkischen Reichs wählten Könige mit ererbtem "Königsheil" der Karolinger eigentlich bis zur Franz.Revolution. (Die franz. Könige konnten angeblich durch Handauflegen Krankheiten heilen)

Bleibt der Verlust der "Staatsidee" des fränkischen Reichs.
Staatsidee war, der König herrscht und allen gehts gut, in der Hauptsache der Königsfamilie ( Merowinger, Karolinger). Nun, bis zur Revolution funktionierte das auch hervorragend ;-) . Soweit ich weiß, geht es dem "neuen Adel" ( ecole francaise absolventen) in Frankreich nicht soo schlecht und der Wechsel zwischen Politik , Militär und Wirtschaft funktioniert unter Sarkozy wie unter KdG hervorragend.

Also, seit Chlodwig hat sich die Staatsform etwas gewandelt, das Staatsvolk ist zusammengewachsen, aber Brüche wie beim Reich der Goten, Langobarden, Römer sind nicht zu sehen. Somit ist das fränkische Reich nicht gescheitert.

MFG
Wilfried
 
Auch richtig. In erster Linie sächsisch und allemannisch.

Hm, spätestens nach dem Cannstatter Blutgericht von 746 war es aber mit dem Allemannischen auch nicht mehr weit her. Nachdem nahezu alle allemannischen Fürsten durch Karl Martell einen Kopf kleiner gemacht wurden und deren Land an fränkische Familien bzw. frankentreue Familien verteilt wurde, war auch der südwestdeutsche Raum nicht mehr wirklich allemannisch, sondern fränkisch geprägt. (Den 'kleinen Rest' erledigte dann Karl d.G...) Da fand auch auf sprachlicher Ebene eine starke Durchmischung statt, was man im Dialekt zum Teil bis heute hören kann.
 
Nun, was steht denn an der Stelle des Frankenreichs heute? Wer hat denn die "Franken" abgelöst, nachdem ihr Reich untergegangen ist?

Also in der Königsliste Frankreich stehen Karolinger, ...., Kapetinger verwandt in der weiblichen Linie mit Karl dem Großen und so weiter. Da ist kein Bruch zu sehen, die Bewohner des ehemals Westfränkischen Reichs wählten Könige mit ererbtem "Königsheil" der Karolinger eigentlich bis zur Franz.Revolution. (Die franz. Könige konnten angeblich durch Handauflegen Krankheiten heilen)

Bleibt der Verlust der "Staatsidee" des fränkischen Reichs.
Staatsidee war, der König herrscht und allen gehts gut, in der Hauptsache der Königsfamilie ( Merowinger, Karolinger). Nun, bis zur Revolution funktionierte das auch hervorragend ;-) . Soweit ich weiß, geht es dem "neuen Adel" ( ecole francaise absolventen) in Frankreich nicht soo schlecht und der Wechsel zwischen Politik , Militär und Wirtschaft funktioniert unter Sarkozy wie unter KdG hervorragend.

Nein, Frankenreich setzt voraus, dass die Franken als Stammesverband bestehen geblieben und nach wie vor politisch relevant wären. Das ist aber spätestens mit dem Aussterben der karolingischen Dynastie im Mannesstamm auch im Westfrankenreich vorbei.
(Pseudo-)Genealogien können nicht darüber hinwegtäushen. Oder sie sollten es zumindest nicht können.
 
Nein, Frankenreich setzt voraus, dass die Franken als Stammesverband bestehen geblieben und nach wie vor politisch relevant wären. Das ist aber spätestens mit dem Aussterben der karolingischen Dynastie im Mannesstamm auch im Westfrankenreich vorbei.
(Pseudo-)Genealogien können nicht darüber hinwegtäushen. Oder sie sollten es zumindest nicht können.

Was in dieser Beziehung der große Unterschied zwischen Karolingern und Kapetingern sein soll, ist mir nicht einsichtig. Das war sicherlich ein geringerer Bruch als von den Merowingern zu den Karolingern. Wieso sollte an dieser Stelle also das Ende eines Reiches konstruiert werden?

Ob die Franken, so sie es überhaupt jemals waren, nach Chlodvig noch als Stammesverband anzusehen sind, ist ebenso fraglich. Sicherlich ist auch hier zwischen Louis V. und Hugo Capet kein Bruch zu erkennen, in der Zeit davor genauso wenig.

Das Ganze hier läuft doch auf eine Definitionsfrage hinaus. Was sind Franken? Wenn man, wie Dieter oben, nur einen germanisch sprechenden, ethnisch germanisch geprägten "Volksstamm" als Franken akzeptiert, so ist dieser schon unter den Merowingern allmählich verschwunden.
Wenn man akzeptiert, dass Volksgemeinschaften ständigem Wandel unterliegen, sich permanent entwickeln, so kann man eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Childerich bis Louis XV. beobachten.

Alles eine Frage der Sichtweise.
 
Warum muß denn das schon wieder zu einer Art Streitthema werden ob nun Deutschland oder Frankreich eine engere oder direktere Beziehung zum alten Frankenreich haben anstatt sich auf das völkerverbindende der "gemeinsamen Ahnen" auf die ja beide Seiten so stolz sind zu besinnen?

Die Diskussion erinnert mich irgendwie an die hitzigen Diskussion zwischen Kurden und Aramäer-"Assyrern" wer denn nun die ältere Abstammungsgeschichte hat, da wird auch auf Biegen und Brechen alles uminterpretiert was die eigene Theorie unterstützt ;)
 
Warum muß denn das schon wieder zu einer Art Streitthema werden ob nun Deutschland oder Frankreich eine engere oder direktere Beziehung zum alten Frankenreich haben anstatt sich auf das völkerverbindende der "gemeinsamen Ahnen" auf die ja beide Seiten so stolz sind zu besinnen?

Die Diskussion erinnert mich irgendwie an die hitzigen Diskussion zwischen Kurden und Aramäer-"Assyrern" wer denn nun die ältere Abstammungsgeschichte hat, da wird auch auf Biegen und Brechen alles uminterpretiert was die eigene Theorie unterstützt ;)

Es geht nicht um eine "direktere Beziehung" oder darum den Deutschen oder den Franzosen etwas abzuerkennen, sondern darum, ob man Frankreich auf die namensgebenden Franken reduziert.
 
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