War die sog. Revolutionen von 1848 (und 1789) hauptsächlich Hungerrevolten?

Das dürfte bei den entsprechenden Qualifikationen und Möglichkeiten im europäischen Ausland wesentlich reizvoller gewesen sein, als zu versuchen sich als Soldaten zu verdingen oder sich mit prekären Beschäftigungen irgendwie durchzuschlagen.

Nun ein üblicher bürgerlicher Haushalt war etwas ganz anderes als ein adeliger Hof. Vor allem, was die Anzahl der Bediensteten betrifft. Viele werden auch schon Personal gehabt haben. Jedenfalls ist die übliche Meinung, dass viele die Städte verließen, um wieder auf dem Land zu leben, nicht dass der Rückgang auf den Terror oder Hunger zurückgeht. Und ich glaube auch nicht das die Armee für viel so eine schlechte Wahl war. Vielleicht nicht für einen Kammerdiener des Grafen von Artois. Dieser ging vielleicht auch mit ins Exil. Es dürfte ihn aber auch nicht leicht gefallen sein, schnell eine vergleichbare Stelle zu finden. Für einen Küchenjungen oder eine kleinen Diener war die Armee vielleicht eine Option. Für viele Tagelöhner, kleine Gesellen und vor allem Landarbeiter und Knechte, was es sicher eine. Da entstand auch wieder Raum für ehemalige Diener und Mägde. Die aufs Land zurückkehrten. Das wäre, glaube ich, nicht möglich gewesen, wenn sich die Landwirtschaft in einer Krise befunden hätte.
 
Nun ein üblicher bürgerlicher Haushalt war etwas ganz anderes als ein adeliger Hof. Vor allem, was die Anzahl der Bediensteten betrifft. Viele werden auch schon Personal gehabt haben.
Das ist mir durchaus klar. Allerdings, in dem Maße in dem adliges Eigentum konfisziert und zur Aufbesserung der Staatsfinanzen verkauft wurde, sprich in den Besitz des Bürgertums übergingen veränderten sich natürlich auch da die Bedürfnisse, mindestens bis ein zu aufwändiger Lebensstil mit dem Beginn der Terrorherrschaft gefährlich wurde.

Jedenfalls ist die übliche Meinung, dass viele die Städte verließen, um wieder auf dem Land zu leben, nicht dass der Rückgang auf den Terror oder Hunger zurückgeht.
Das mag vor allen Dingen für die erst kürzlich zugewanderten Städter, die auf dem Land noch nahe Verwandtschaft hatten, bei der sie unterkommen konnten und die ein Leben auf dem land durchaus noch gewohnt waren, zutreffend sein.
Das Landbewohner in die Städte zuwanderten, diesen aber nach einer gewissen zeit wieder den Rücken kehrten, weil sie mit verschiedenen Aspekten des städtischen Lebens Probleme hatten (seien es Lebenserhaltungskosten, Arbeitslosigkeit bei schlechter Konjunkturlage oder auch das Gewöhnen an Arbeitsabläufe im Besonderen in den aufkommenden Fabriken), wäre für das ausgehende 18. und das 19. Jahrhundert nicht unbedingt etwas besonderes.

Aber eine tatsächliche Alternative war das eben wirklich nur für diejenigen, die auf dem Land noch Verwandtschaft hatten und von dieser aufegefangenn werden konnten, für andere hätte das den Absturz in die Perspektivlosigkeit bedeutet, im Besonderen wenn durch eine andere Vorgeschichte für das Leben im ländlichen Raum wichtige Fähigkeiten nicht in dem Maße vorhanden waren.

Und ich glaube auch nicht das die Armee für viel so eine schlechte Wahl war.
Da würde ich sagen, sprechen die Desertionsraten und die Notwendigkeit von Konskriptionen, da es an Freiwilligen fehlte, eine andere Sprache.

Das wäre, glaube ich, nicht möglich gewesen, wenn sich die Landwirtschaft in einer Krise befunden hätte.
Von einer allgemeinen Krise der Landwirtschaft geht doch auch niemand aus. Wovon ich ausgehe, dass ist eine Krise der Subistenz- und Kleinbauern, ausgelöst nicht unbedingt durch übermäßige Ernteausfälle, sondern durch zu hohe Abgaben, ein ineffizientes Steuerystem im Zusammenspiel mit dem Wegbrechen des bäuerlichen Nebenerwerbs durchh den Beginn der Industrialisierung, was mehr auf eine wirtschaftliche Struktur- und Umbruchskrise, als auf eine Produktionskrise hinausläuft.
 
Da würde ich sagen, sprechen die Desertionsraten und die Notwendigkeit von Konskriptionen, da es an Freiwilligen fehlte, eine andere Sprache

Ja und nein! Man muss bedenken, was die Menschen damals für Informationen haben. Dass die Armee schlecht versorgt war, es viele Tote und großes Leid gab. Das wissen wir. Wusste das auch ein französischer Diener, mit 19 Jahren, der seine Arbeit verloren hatte oder ein 18-Jähriger, der nur die Aussicht auf ein Leben als Tagelöhner hatte. Dazu kommen irrationale Entscheidungen, Illusionen, ja auch Druck. Es ist kein Platz mehr für dich am Dorf, geh zu den Soldaten. Aber viele werden zurück auf das Land gefunden haben, nicht nur Diener. Eben, weil die Dörfer stabil waren. Wir müssen auch definieren, was hier als Krise gilt, dass es viele Subsistenz- u. Kleinbauern schwer hatten, ist ohne Zweifel. Doch das war die Regel. Dass es durch die zunehmende Industrialisierung schwerer wurden, auch nicht. Doch ich glaube nicht, dass dies einer der Hauptgründe für die Revolution war. Was ja Thema dieser Frage ist. Die Revolution kam aus den Städten. Der Widerstand gegen die Revolution aber durchaus aus den Dörfern. Daraus resultiert für mich, dass die Lage der dörflichen Bevölkerung kein zwingender Auslöser der Revolution war.
 
Man muss bedenken, was die Menschen damals für Informationen haben.
Nun, zu denen dürfte z.B. gehört haben, was ein Presskommando (oder in der Seefahrt "Shanghaiing" )war oder mit welchen Fragwürdigen Methoden Werber für die Armee ihrerzeit vorgingen, immerhin waren das durchaus normale Praktiken ihrerzeit.
Genau so wie desertierte Soldaten, die sich vor der Obrigkeit versteckten nichts ungewöhnliches waren.

Was miese Bezahlung/Versorgung angeht, so hatte die politische Krise doch die desolate Finazlage des französischen Staates offengelegt, womit der Bevölkerung klar sein musste, dass sich dieser an der Grenze zur Zahlungsunfähigkeit befand.
Erscheint es irgendwie wie eine verlockende Perspektive in einem bankrotten Unternehmen annzuheuern?
Der Umstand, dass man auf französischer Seite in der Folge dazu überging erfolglose Kommandanten des Verrats zu bezichtigen und sie schlimmstenfalls auch hinrichten zu lassen, dürfte das Berufsfeld nicht unbedingt attraktiver gemacht haben.

Kommt noch hinzu, dass wer sich für die Armee verpflichtete natürlich eine Seite im großen politischen Kampf wählte und damit rechnen musste, dass für den Fall, dass die antirevolutionären Kräfte und die ausländischen Monarchen diesen Kampf gewannen (was ja mindestens zu Beginn durchaus möglich schien) sie dafür zur Verantwortung gezogen würden.

Doch ich glaube nicht, dass dies einer der Hauptgründe für die Revolution war. Was ja Thema dieser Frage ist. Die Revolution kam aus den Städten. Der Widerstand gegen die Revolution aber durchaus aus den Dörfern. Daraus resultiert für mich, dass die Lage der dörflichen Bevölkerung kein zwingender Auslöser der Revolution war.

Das die bäuerliche Bevölkerung nicht unbedingt mit der Richtung d'accord war, die die Revolution nahm, bedeutet nicht, dass ihr Hanndeln dafür nicht mitunter mitverantwortlich war.
Nein, die Bauern waren sicherlich nicht unbedingt Träger revolutionären Gedankenguts oder mit den Neuerungen unbedingt einverstanden.
Für einen nicht geringen Teil der Kleinbauern dürfte gelten, dass sie Grund zu Aufständen mit einer politisch konservativen Agenda hatten.

Die Kleinbauern, die ökonomisch nicht hinreichend wettbewerbsfähig waren dürften durchaus Grund zur Uruhe gehabt haben, aber mit dem Ziel nicht etwa das Feudalsystem abzuschaffen, sondern es zu erhalten und zu stärken, weil es sie vor den entfesselten Kräften freier Märkte schützte und sie davor bewarte ökonomisch zum Erfolg verdammt zu sein.
Die Feudallasten in Form von Hand- und Spanndiensten etc. waren bei der Landbevölkerung nie beliebt, aber auch Kleinbauern mit wenig eigenem Land konnten diese ohnee größere Probleme verrichten und damit ihren Abgaben und Dienstpflichten, die von ihnen eingefordert wurden nachkommen.
Anstelle der üblichen Hand- und Spanndienste Geldabgaben aufzubringen, die sukzessive an die Stelle der überkommenen Feudalrechte traten, bedeutete demgegenüber die Notwendigkeit dieses Geld aufzubringen und das war für Kleinbauern, deren Grund und Boden nicht ausgedehnt genug war um in größerem Stil für den Markt zu produzieren ein Problem, im Besonderen, wenn durch die Industrialisierung die Möglichkeit im Heimgewerbe Zuverdienste zu erzielen, auch noch bedroht wurde.

Und das spielte, würde ich meinen durchaus eine Rolle dabei einen so großen politischen Druck aufzubauen, dass es in den Systemumsturz führte, weil sich bis auf den Adel die Masse der Bevölkerung darin einig gewesen sein dürfte, dass es so wie bisher nicht weitergehen konnte, allerding dabei extrem unterschiedliche Vorstellungen davon gehabt haben dürfte, wo man eigentlich hinwollte.

Das Großbürgertum und die Großagrarier wollten sicherlich die Revolution um sozial in die erste Liga aufsteigen zu können, die städtischen Handwerker und die Kleinbauern wollten demgegenüber sicherlich eher die Restauration von Verhältnissen, die sie vor den Beedrückungen und Veränderungen auf dem wirtschaftlichen Sektor schützten.
Nichts desto weniger haben ihre freigesetzten Energien die Revolution ermöglicht, auch wenn das wahrscheinlich in dieser Form gar nicht ihre Absicht war.
 
Und das spielte, würde ich meinen durchaus eine Rolle dabei einen so großen politischen Druck aufzubauen, dass es in den Systemumsturz führte, weil sich bis auf den Adel die Masse der Bevölkerung darin einig gewesen sein dürfte, dass es so wie bisher nicht weitergehen konnte, allerding dabei extrem unterschiedliche Vorstellungen davon gehabt haben dürfte, wo man eigentlich hinwollte.

Das es aus den Reihen der bäuerlichen Bevölkerung große Unzufriedenheit gab, will ich nicht bestreiten. Dies kann man auch aus den Cahier de doléances heraus lesen. Aber das findet man auch aus den Beschwerdeschriften der Seeleninstruktion im Habsburgerreich in den 1760er Jahren. Dort kam es auch in Böhmen 1771/72 zu Bauernaufständen. Da man merkte, dass sich trotz der Beschwerden nichts wirklich ändert. Dazu muss man aber sagen, dass es eben nur in Böhmen zu Aufständen kam. Denn Böhmen war in einer besonderen Notlage. Da das Land im Siebenjährigen Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde und auch Jahre danach noch das pure Elend herrschte.
Womöglich wäre es auch in Frankreich zu Bauernaufständen gekommen. Es ist ja auch zu welchen gekommen in der Vendée, in der Bretagne usw. Aber eben gegen das neue revolutionäre Regime.
Für 1789 muss man sehen, dass die Revolution nicht von den Bauern ausging. Als Hauptgrund sehe ich, dass die Reformbemühungen der 1780 Jahre als Schwäche des Staates wahrgenommen wurden und der drohende Staatsbankrott, denn man nun eingestehen musste, nun als Scheitern der bisherigen Ordnung aufgefasst wurde. Wichtig ist auch, dass es ein ideologisches Fundament für den Regime Change gab. Eben in der Aufklärung, vor allem in Contrat social von Jean-Jacques Rousseau. Das dürfte die Massen nicht erreicht haben, sicher nicht. Aber es gab denn neuen revolutionären Eliten ein Fundament, von dem sie aus, mit großem Selbstbewusstsein und Überzeugungskraft heraus auftreten konnten. Dies waren meiner Meinung nach die Hauptursachen der Revolution. Keine Hungerrevolte.
 
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