Marcia
Aktives Mitglied
mir fällt es generell nicht besonders leicht,mich kritisch mit literatur auseinderzusetzen, obwohl ich sehr gern lese. vielleicht könntet ihr mir ja helfen, anregungen, tipps geben? für die prüfung soll ich einige thesen über EH und sein werk aufstellen, die dann in der prüfung diskutiert werden. gut eignen sich ja provokante thesen, die man belegt oder widerlegt. dazu fällt mir z.b. ein: hemingway war ein alkoholsüchtiger frauenheld. o.ä. oder ich fand die frage ganz interessant: müssen autoren moralische vorbilder sein?...
Der Beitrag ist nicht mehr der neueste, ich habe ihn leider überlesen, (für die Prüfung dürfte es also zu spät kommen, was ich hier schreibe ), aber die Frage nach der Moral steht nach wie vor hier. Sie ist tatsächlich sehr interessant und beschäftigt mich immer wieder aufs Neue.
Ich muss, zumindest, was literarische Werke angeht, (glücklicherweise) keine Prüfungen ablegen, müsste ich es aber, würde ich vermutlich genau so vorgehen wie wenn ich mich aus eigenem Interesse mit einem Autor und seinem Werk beschäftige. Die Bibliotheken sind voll von Sekundärliteratur zu den Werken der Weltliteratur. So wichtig, interessant und faszinierend die Betrachtungen von Fachleuten auch sein mögen: für mich hat sich bewährt, sie erst einmal außer Acht zu lassen.
An erster Stelle steht der Direktkontakt mit dem Werk. Habe ich allerdings große Schwierigkeiten mit einem Autor, dann ist es hilfreich, wenn ich mich zunächst seiner Biografie zuwende, d.h. eine Biografie oder auch autobiografische Zeugnisse lese.
Beides kann einem normalerweise schon zu einem recht guten Zugang verhelfen. Erst dann, wenn ich meine, genügend Direktkontakt mit Autor und Werk gehabt zu haben und auf diese Weise eine Beziehung entstanden ist, und auch nur, wenn ich dann noch das Bedürfnis danach habe, greife ich zur Sekundärliteratur.
Mit der Moral ist es so eine Sache. Sie kann einen Menschen für ein Leben lang festigen, sie kann ihn aber auch ein Leben lang knechten und sogar zerstören. Ich war eine Zeitlang der Meinung, Kunst brauche keine Moral oder existiere besser außerhalb von ihr. Es gibt allerdings auch sehr moralische Autoren, die nur mitsamt ihrer moralischen Sicht auf die Dinge authentisch sein und großartige Werke schaffen können. Sten Nadolny, der die „Entdeckung der Langsamkeit“ schrieb, äußerte sich in seinen Poetik-Vorlesungen (sinngemäß), dass ein Autor integer sein müsse. Allerdings fügte er sogleich hinzu, dass das „jedenfalls für ihn“ gelte.
Es gibt Autoren, die lebenslang (moralische) Kämpfe mit sich ausfechten, und diese Kämpfe prägen dann auch ihr Werk. Und es gibt amoralische Autoren, die Hochinteressantes und Hervorragendes schreiben.