Warum gab es kein echtes Interesse an der Strafverfolgung?

Griffel

Mitglied
Ich möchte mich gern über ein Thema unterhalten bzw. sprechen, dass ich interessant finde, welches aber nur selten thematisiert wird.;) Und zwar; geht es um die Rolle der Franzosen im 2. Weltkrieg! Oder um genauer zu sein, der Franzosen, die sich dem Vichy-Regime angeschlossen haben bzw. ihm angehörten.

Es steht außer Frage, dass dieses Kapitel in der französischen Geschichte, weder schön noch angenehm war. Und trotzdem gibt es eine Sache, die mich stört oder die ich nicht verstehe. Siehe meine Überschrift?
Wieso hat man in Frankreich die überwiegende Mehrzahl der Kollaborateure ungeschoren gelassen? Zum Teil hatte man die Akten in Frankreich zum Teil, hätte man sie in der BRD beschlagnahmen können.:confused:
In einer alten Dokumentation, über die deutsch-französischen Beziehungen, habe ich mal gehört, dass es für die damalige Zeit untypisch, bei verschiedenen deutschen Staatsanwaltschaften die Bereitschaft gab, die Franzosen über diese Akten zu informieren. Und, dass es ernsthafte Versuche gab diese nach Frankreich zu schicken. Dieser an sich wichtige und richtige Schritt unterblieb aber! Auf Weisung von ganz oben. :rolleyes:

Angeblich soll Adenauer, in einem persönlichen Gespräch auf dieses Thema angesprochen haben. Worauf dieser sinngemäß gesagt haben soll, man möge bitte alles dafür tun, dass diese Akten nicht nach Frankreich gelangen. Also wenn, dass tatsächlich so war, dann irritiert mich das doch etwas?

Gerade jemand wie Herr de Gaulle hätte doch ein Interesse daran haben müssen, dass diese Menschen bestraft werden. Insbesondere bei seiner eigenen Lebensgeschichte! Und im Gegensatz zur BRD, wäre Frankreich nicht technisch zusammengebrochen wenn, man die Kollaborateure entweder hingerichtet oder langjährig verknackt hätte. Im Falle der Angehörigen, der französischen Waffen-SS, hat man sie entweder an Ort und Stelle hingerichtet oder später mit Aussicht auf Erlass der Reststrafe nach Indochina verfrachtet. Wo sehr viele als Fremdenlegionäre mit ihren deutschen Kameraden kämpfen "durften" oder besser mussten.
 
Pierre Laval bspw. war Premierminister des Vichy-Regimes und drängte auf Kollaboration mit NS-Deutschland. Gegen Kriegsende floh er nach Süddeutschland und anschließend in das Spanien Francos. Franco lieferte ihn an die Amerikaner aus, die ihn nach Frankreich überstellten. Er wurde in einem Strafprozess angeklagt, zum Tode verurteilt und am 15.10.1945 erschossen.
 
Dass es unmittelbar nach der Befreiung zu Vergeltungsaktionen kam, weiß ich natürlich. Aber! Das Vichy Regime, hatte ja etliche Tausende von Kollaborateuren. Wenn, man also die Anzahl der Leute anschaut, die tatsächlich bestraft wurden, ist meine Aussage, durchaus nicht falsch.:cool: Dass den Frauen von denen man wusste oder auch nur annahm, dass sie etwas mit einem deutschen gehabt haben. Ziemlich übel mitgespielt hat, war mir nicht neu. Und ist insoweit sogar verständlich bis zu einem gewissen Grad! Die Besatzer und ihre Helfer, haben ja einige scheußliche Dinge veranstaltet.

Allerdings, waren bei diesen Frauen auch nur solche, die von anderen zu Unrecht beschuldigt wurden. Was natürlich für diese armen Geschöpfe besonders schlimm war. Ich nehme doch sehr stark an, dass diese Mädchen und Frauen das, was mit ihnen passiert ist, ihr Lebtag nicht vergessen haben.
 
Ich möchte mich gern über ein Thema unterhalten bzw. sprechen, dass ich interessant finde, welches aber nur selten thematisiert wird.;) Und zwar; geht es um die Rolle der Franzosen im 2. Weltkrieg! Oder um genauer zu sein, der Franzosen, die sich dem Vichy-Regime angeschlossen haben bzw. ihm angehörten.

Es steht außer Frage, dass dieses Kapitel in der französischen Geschichte, weder schön noch angenehm war. Und trotzdem gibt es eine Sache, die mich stört oder die ich nicht verstehe. Siehe meine Überschrift?
Wieso hat man in Frankreich die überwiegende Mehrzahl der Kollaborateure ungeschoren gelassen? Zum Teil hatte man die Akten in Frankreich zum Teil, hätte man sie in der BRD beschlagnahmen können.:confused:
In einer alten Dokumentation, über die deutsch-französischen Beziehungen, habe ich mal gehört, dass es für die damalige Zeit untypisch, bei verschiedenen deutschen Staatsanwaltschaften die Bereitschaft gab, die Franzosen über diese Akten zu informieren. Und, dass es ernsthafte Versuche gab diese nach Frankreich zu schicken. Dieser an sich wichtige und richtige Schritt unterblieb aber! Auf Weisung von ganz oben. :rolleyes:

Fragen wir mal anders herum, warum hätte die Collaboration per se (bestimmt spezielle Effekte davon einmal außen vor gelassen), bestrafenswert sein sollten?
Frankreich war anno 1940 militärisch besiegt, so sieht es einmal aus. Und das derartig eindeutig, dass da mit klarem Verstand auch keine Dolchstoßlegenden oder ähnliches entstehen konnten.

Auf die Auseinandersetzung mit Deutschland folgte lediglich ein Waffenstillstand, kein definitiver Friendesschluss und in Frankreich hofften wohl diverse Militärs und Politiker, dass man selbst und auch das Kolonialreich vermutlich billiger davon kommen würden, wenn man sich den Deutschen andiente.
Das ist an und für sich genommen keine vollständig unvernünftige Annahme gewesen, da die nämlichen Personen von dem ein jahr später beginnenden Krieg gegen die Sowjetunion noch nichts wussten, auch die USA nicht involviert waren und vom letzten europäischen Verbündeten Großbritannien kaum zu erwarten war, dass dieser Nazi-Deutschland auf dem europäischen Festland hätte bewiegen und Frankreich im Alleingang würde befreien können.

Angeblich soll Adenauer, in einem persönlichen Gespräch auf dieses Thema angesprochen haben. Worauf dieser sinngemäß gesagt haben soll, man möge bitte alles dafür tun, dass diese Akten nicht nach Frankreich gelangen. Also wenn, dass tatsächlich so war, dann irritiert mich das doch etwas?

Ja, die populäre Rezeption der Geschichte ist voll von solchen "angeblich solls"
Entsprechend dem wäre es denn auch sinnvoll, sie auch unter dem Aspekt "angeblich" abzuhandeln so lange sich keine Fakten dahingehen finden, dass es irgendwo verbürgt wäre.


Gerade jemand wie Herr de Gaulle hätte doch ein Interesse daran haben müssen, dass diese Menschen bestraft werden. Insbesondere bei seiner eigenen Lebensgeschichte! Und im Gegensatz zur BRD, wäre Frankreich nicht technisch zusammengebrochen wenn, man die Kollaborateure entweder hingerichtet oder langjährig verknackt hätte. Im Falle der Angehörigen, der französischen Waffen-SS, hat man sie entweder an Ort und Stelle hingerichtet oder später mit Aussicht auf Erlass der Reststrafe nach Indochina verfrachtet. Wo sehr viele als Fremdenlegionäre mit ihren deutschen Kameraden kämpfen "durften" oder besser mussten.

Jemand wie Herr de Gaulle, der seinerzeit das Glück hatte aus Frankreich noch heraus zu kommen, hatte in dieser Hinsicht gut reden. Einige Millionen Franzosen hatten eben nicht die Möglichkeit, sich bevor die Deutschen kamen noch nach Großbritannien oder in die Kolonien abzusetzen und die mussten sich mit den Besatzern in irgendeiner Form arrangieren.
An dieser Stelle müssen wir auch einfach Collaboration und Collaboration von einander unterscheiden. Natürlich gab es Aspekte der Collaboration, die hochproblematisch waren. Nehmen wir die Verstrickung in die Deportationen von Juden und damit die Zuarbeit zum Holocaust, in Teilen noch über das Maß dessen hinaus, was die Deutschen verlangten.
Aber daneben gabs natürlich auch erzwungene oder notwendige Formen von Collaboration. Denken wir z.B. an die gesammte Wirtschaft, die sich irgendwie mit dem arrangieren musste, was die Besatzungsbehörden erwarteten um deren Eingriffe so gering wie möglich zu halten.
Denken wir an diverse französische Bürger, die gezwungen waren den Deutschen Quartiere zu stellen oder die sich mit den Deutschen arrangieren mussten, weil sue durch die Umstände der Besatzung sonst ihrer gewöhnlichen und gelernten Tätigkeit nicht mehr hätten nachgehen können.
Das alles ist Collaboration und nur ein Bruchteil davon war dezidiert verbrecherisch.

Davon einmal abgesehen, würden mir 2 sehr einfache Motive einfallen, von bestimmten Aspekten der Collaboration lieber nicht so genau wissen zu wollen und das weniger laut abzuhandeln:

1. Auf Grund dem was in Sachen Collaboration ohnedies bisher passiert war, war der Ruf der Franzosen bei den Briten und Amerikanern bereits schlecht genug.
2. Hörte ja für Frankreich der Krieg 1945 durchaus nicht auf, sondern danach wurde ja mit einigem Nachdruck versucht die wertvollen verlorenen Teile des Kolonialreichs in Indochina wieder einzusammel und Algerien vollständig unter Kontrolle zu bringen.
Das man, während man im eigenen Kernland die Zerstörungen der Jahre 1944 und 1945 noch aufzuräumen hatte und gleichzeitig in den Kolonien schon wieder Krieg führte, man da nicht unbedingt noch durch derartige Fragen die Nation spalten wollte, erscheint einigermaßen einsichtig.
Mir jedenfalls.
 
Auch in diesem Fall ist die Vorgeschichte relevant. In Frankreich lehnte die rechte, nationalistische Ideologie alles ab, was sich im Kontext der "Volksfrontbewegungen" von L. Blum ereignet hatte.

Im Umfeld von Gruppierungen wie der "Action francaise" grenzte man sich stärker gegen "linke" Franzosen ab und sympathisierte mit dem NS-System von Hitler. Frankreich war vor dem WW2 politisch sehr gravierend polarisiert, ähnlich wie vor dem WW1.

Das führte zu der ungewöhnlichen Situation vor dem WW2, dass links-liberale Regierungen massiv aufrüsteten, um die Republik zu verteidigen, während die normalerweise bellizistische nationalistische Rechte zumindest ideologisch auf Appeasement zu Hitler eingestellt war und skch in "Wehrkraftzersetzung" erging.

Vor diesem Hintergrund ist zu erklären, dass nach der totalen militärischen Niederlage Frankreich, die Regierung von Vichy glaubte, ein neues Frankreich in Kooperation mit dem NS-Deutschland als Art von "patriotischer Überlebensstrategie" im Zuge der "nationalen Erneuerung" am besten zu "dienen".

Diese Sicht wurde von einem großen Teil der Bevölkerung mit getragen und beinhaltete, so Nolte, auch eine Kritik an der Republik und ihren demokratischen Institutionen. Eine Strategie, die fast zwangsläufig aus der Vorkriegshaltung resultierte. (vgl. Nolte: Der Faschismus ..., S. 119ff)

Die Kritik an der Regierung von Vichy, an Petain und Laval u.a., war somit auch aus konservativer bzw. monarchischer Sicht nach dem WW2 schwerer zu formulieren wie aus republikanischer oder sozialistischer Perspektive, da man im rechten Spktrum grundsätzlich ideologisch nicht allzuweit entfernt war, gleichzeitig - wie Shinigami es bereits ausgeführt hat - eine Mittäterschaft am Holocaust durch französische Stellen vorhanden war. Egal ob im besetzten Gebiet oder in Vichy-Frankreich.

Frankreichs Weg in den Zweiten Weltkrieg
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte mich gern über ein Thema unterhalten bzw. sprechen, dass ich interessant finde, welches aber nur selten thematisiert wird.;) Und zwar; geht es um die Rolle der Franzosen im 2. Weltkrieg! Oder um genauer zu sein, der Franzosen, die sich dem Vichy-Regime angeschlossen haben bzw. ihm angehörten.

Es steht außer Frage, dass dieses Kapitel in der französischen Geschichte, weder schön noch angenehm war. Und trotzdem gibt es eine Sache, die mich stört oder die ich nicht verstehe. Siehe meine Überschrift?
Wieso hat man in Frankreich die überwiegende Mehrzahl der Kollaborateure ungeschoren gelassen? Zum Teil hatte man die Akten in Frankreich zum Teil, hätte man sie in der BRD beschlagnahmen können.:confused:
In einer alten Dokumentation, über die deutsch-französischen Beziehungen, habe ich mal gehört, dass es für die damalige Zeit untypisch, bei verschiedenen deutschen Staatsanwaltschaften die Bereitschaft gab, die Franzosen über diese Akten zu informieren. Und, dass es ernsthafte Versuche gab diese nach Frankreich zu schicken. Dieser an sich wichtige und richtige Schritt unterblieb aber! Auf Weisung von ganz oben. :rolleyes:

Angeblich soll Adenauer, in einem persönlichen Gespräch auf dieses Thema angesprochen haben. Worauf dieser sinngemäß gesagt haben soll, man möge bitte alles dafür tun, dass diese Akten nicht nach Frankreich gelangen. Also wenn, dass tatsächlich so war, dann irritiert mich das doch etwas?

Gerade jemand wie Herr de Gaulle hätte doch ein Interesse daran haben müssen, dass diese Menschen bestraft werden. Insbesondere bei seiner eigenen Lebensgeschichte! Und im Gegensatz zur BRD, wäre Frankreich nicht technisch zusammengebrochen wenn, man die Kollaborateure entweder hingerichtet oder langjährig verknackt hätte. Im Falle der Angehörigen, der französischen Waffen-SS, hat man sie entweder an Ort und Stelle hingerichtet oder später mit Aussicht auf Erlass der Reststrafe nach Indochina verfrachtet. Wo sehr viele als Fremdenlegionäre mit ihren deutschen Kameraden kämpfen "durften" oder besser mussten.

Das Thema Kollaboration und Vergangenheitsbewältigung in Frankreich ist ein sehr vielschichtiges und auch sensibles Thema. Seit den 1990er Jahren hat es dazu eine Reihe von Veröffentlichungen gegeben.

Ich bin nicht wirklich kompetent auf dem Gebiet, kann daher auch nicht zuverlässig sagen, ob deine Prämisse überhaupt zutreffend ist, ob die Schlussfolgerung es habe kein wirkliches Interesse an einer strafrechtlichen Aufarbeitung der Vichy-Regierung gegeben, so überhaupt aufrecht erhalten werden kann.

El Quichote hat gestern geschrieben, dass deine Threads eine Gemeinsamkeit haben, indem sie eine Frage stellen und diese mit einem schon gefällten moralischen Werturteil verbinden. Auch dass deine Leser sich dadurch auf den Arm genommen fühlen können.

Wenn du deine Threads, zumal solche mit vielschichtigen, sensiblen Themen etwas neutraler formulieren würdest, würden sich vielleicht mehr Diskutanten auf die Diskussion einlassen und man bräuchte nicht erst lange gegen fragwürdige/falsche Prämissen argumentieren. Es besteht dann auch weniger die Gefahr, dass sich "sensible" Threads in relativ oberflächlichen Beiträgen und Meinungsäußerungen verlieren.

Pierre Laval wurde für seine Verstrickung im Vichy-Regime zum Tode verurteilt, und Philippe Petain entging einem Todesurteil nur wegen seiner Verdienste in der Schlacht von Verdun.

Grundsätzlich gab es natürlich viele Ebenen der Zusammenarbeit (Colloboration) mit der deutschen Besatzungsmacht. Das Spektrum reicht von Behörden/Beamten, die sich am Holocaust beteiligten und dabei teilweise weit über das von den Besatzern geforderte Maß an Zusammenarbeit hinaus, über französische Unternehmen denen kaum eine Chance blieb, das eigene Unternehmen zu erhalten ohne die deutsche Rüstung dabei zu unterstützen, bis zu Liebesbeziehungen mit deutschen Soldaten oder Beamten.

Bei den Aktionen vor allem gegen junge, alleinstehende Frauen, die sich auf die eine oder andere Art mit Deutschen eingelassen hatten, handelte es sich zum überwältigenden Teil um "wilde" Aktionen, die keineswegs nach gültigen Rechtsnormen geschahen. Solche Aktionen wollte die französische Regierung unterbinden.

Ich kann die Frage, ob es zutreffend ist, dass kein Interesse an einer juristischen Aufarbeitung der Colloboration bestanden habe, nicht beantworten. Grundsätzlich hatte die französische Nachkriegsgesellschaft in Gradunterschieden ein durchaus ähnliches Problem der Vergangenheitsbewältigung wie die deutsche Nachkriegsgesellschaft. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung hatte sich viel zu tief mit dem Faschismus eingelassen. Es galt vor allem, die Schäden des Krieges zu überwinden, der französischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen und den sozialen Frieden in einer äußerst heterogenen, gespaltenen, traumatisierten Gesellschaft zu garantieren und zu stabilisieren.

Die 3. Republik war von mehreren Affären und Krisen heftig erschüttert worden. Es kam im Verlauf der Dreyfus-Affäre dazu, dass Frankreich mehrmals am Rande eines Bürgerkrieges stand. Freunde, Familienmitglieder verfeindeten sich über Jahre, es kam zu öffentlichen Tumulten und einer Vielzahl von Duellen. Das geschah wegen eines recht banalen Aufhängers, ob ein elsässischer, jüdischer Offizier Verrat begangen hatte oder nicht.

Eine Flut von jahrelangen Prozessen, eine Hexenjagd, bei der all die unschönen Szenen aufgerollt worden wären, mit denen im Schutz des Krieges und der deutschen Besatzer alte Rechnungen zwischen Franzosen beglichen wurden, hätte Frankreich vermutlich zerrissen. Wie in Deutschland ließ sich die Vergangenheit in einer Generation schwer bewerkstelligen. Aber wie gesagt, das Thema ist ein sehr heikles.
 
Ich möchte mich gern über ein Thema unterhalten bzw. sprechen, dass ich interessant finde, welches aber nur selten thematisiert wird.;) Und zwar; geht es um die Rolle der Franzosen im 2. Weltkrieg! Oder um genauer zu sein, der Franzosen, die sich dem Vichy-Regime angeschlossen haben bzw. ihm angehörten.

Es steht außer Frage, dass dieses Kapitel in der französischen Geschichte, weder schön noch angenehm war. Und trotzdem gibt es eine Sache, die mich stört oder die ich nicht verstehe. Siehe meine Überschrift?
Wieso hat man in Frankreich die überwiegende Mehrzahl der Kollaborateure ungeschoren gelassen? Zum Teil hatte man die Akten in Frankreich zum Teil, hätte man sie in der BRD beschlagnahmen können.:confused:
In einer alten Dokumentation, über die deutsch-französischen Beziehungen, habe ich mal gehört, dass es für die damalige Zeit untypisch, bei verschiedenen deutschen Staatsanwaltschaften die Bereitschaft gab, die Franzosen über diese Akten zu informieren. Und, dass es ernsthafte Versuche gab diese nach Frankreich zu schicken. Dieser an sich wichtige und richtige Schritt unterblieb aber! Auf Weisung von ganz oben. :rolleyes:

Angeblich soll Adenauer, in einem persönlichen Gespräch auf dieses Thema angesprochen haben. Worauf dieser sinngemäß gesagt haben soll, man möge bitte alles dafür tun, dass diese Akten nicht nach Frankreich gelangen. Also wenn, dass tatsächlich so war, dann irritiert mich das doch etwas?

Gerade jemand wie Herr de Gaulle hätte doch ein Interesse daran haben müssen, dass diese Menschen bestraft werden. Insbesondere bei seiner eigenen Lebensgeschichte! Und im Gegensatz zur BRD, wäre Frankreich nicht technisch zusammengebrochen wenn, man die Kollaborateure entweder hingerichtet oder langjährig verknackt hätte. Im Falle der Angehörigen, der französischen Waffen-SS, hat man sie entweder an Ort und Stelle hingerichtet oder später mit Aussicht auf Erlass der Reststrafe nach Indochina verfrachtet. Wo sehr viele als Fremdenlegionäre mit ihren deutschen Kameraden kämpfen "durften" oder besser mussten.

Collaboration bedeutet zunächst Zusammenarbeit, anfangs war der Begriff noch relativ wertfrei, Frankreich war 1940 besiegt, die Deutschen bestimmten das Gesetz des Handelns, es gab überhaupt keine andere Möglichkeit, als sich irgendwie mit den Deutschen zu arrangieren. Ein Ende des Krieges war noch nicht abzusehen, das Leben musste irgendwie weitergehen.
Was sollte ein Betrieb, etwa eine Spinnerei in Flandern oder der Picardie machen? An jemand anderen als die Deutschen hätte man keine Tuche verkaufen können oder dürfen, der Betrieb musste weiterlaufen, die Arbeiter brauchten Beschäftigung, die Chose musste weitergehen, also wurden dann Uniformen für die Wehrmacht produziert.
Kollaboration umfasste ein enorm breites Spektrum, das von schwersten Verfehlungen wie Verrat reichen konnte, aktive Mitarbeit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Denunziation von Juden, Widerstandskämpfern, über Vorteilnahme durch Beziehungen zu Deutschen bis zur sogenannten "horizontalen Kolloboration". Am unbeliebtesten waren natürlich Leute, die durch gute Beziehungen zur Besatzungsmacht Vorteile genossen, Frauen die sich von deutschen Offizieren aushalten ließen. Da gab es natürlich Gunstbeweise, die sich kaum von Prostitution unterschieden, und manche Frauen waren auch bedürftig, mit zunehmender Kriegsdauer beschlagnahmten die Deutschen Lebensmittel, es herrschte mancherorts wirklich Hunger und Not, und die kennt bekanntlich kein Gebot. Die Folter- und Verhörmethoden etwa von Klaus Barbie, dem Schlächter von Lyon waren grauenhaft, es gab manche, die unter "Verhören" unter Folter schwach wurden und andere verrieten.

Manches sickerte erst Jahre, Jahrzehnte später heraus. Die Verstrickung der französischen Polizei in den Holocaust ist in ihrem vollen Umfang erst in den 1990er Jahren aufgedeckt worden. Rivalitäten bis zu Verrat von engsten Mitarbeitern unter Angehörigen der Resistance wurden erst in den 1980er Jahren bekannt.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass prinzipiell schon Bereitschaft bestand, hochrangigen Vertretern der Vichy-Regierung den Prozess zu machen und auch Fälle von Denunziationen, Zusammenarbeit mit Leuten vom Schlage eines Klaus Barbie wurden, wenn dergleichen bekannt wurde auch in der Regel mit aller Schärfe verfolgt. Bei der Eruierung von Beweismitteln, Ausfindigmachung von NS-Tätern wie Klaus Barbie und Kurt Lischka und auch von französischen Mittätern engagierte sich das Ehepaar Serge und Beate Klarsfeld, und die französische Justiz ist in zahlreichen Fällen die ihr bekannt wurden auch tätig geworden.

Die Eruierung von Beweismitteln, das ausfindig machen von Quellen und Originaldokumenten ist enorm zeit- und personalabhängig. Akten wurden teilweise vernichtet, ausgelagert, gingen durch Kriegszerstörungen verloren oder wurden über mehrere Archive zersplittert.

Das waren Schwierigkeiten der Organisation, ein anderes war die Lage Frankreichs am Ende des Krieges. Das Gefühl der Niederlage war sehr traumatisierend. Ich selbst und Thanepower haben bereits darauf hingewiesen, dass die 3. Republik von mehreren Krisen geschüttelt wurde. Man denke nur an die Verwerfungen im Zusammenhang der Dreyfus-Affäre und die Feindseligkeit die die französische Rechte der Volksfrontregierung entgegenbrachte. "Plûtot Hitler que Leon Blum" (Lieber Hitler, als Leon Blum") schrieben manche rechten Blätter in den 1930ern. Es galt, die äußerst heterogene, gespaltene und traumatisierte französische Gesellschaft in die vierte Republik zu führen, es galt den öffentlichen Frieden des Landes zu garantieren. Der wäre nämlich auf das schwerste gefährdet gewesen, wenn man alles kriminalisiert hätte, was sich in der Zeit der deutschen Besatzung an moralisch fragwürdigem, manchmal auch skandalösen ereignet hatte. Frankreich musste nach dem Krieg wieder zur Ruhe kommen, zu sich selbst finden. Es war durchaus nicht notwendig, alle vor den Kadi zu schleppen, die sich irgendwie mit den Deutschen eingelassen hatten. Es gab in den letzten Kriegstagen nicht bloß Frauen, denen man die Haare schor, es wurden bei wilden Vergeltungsaktionen viele, weit mehr als 10.000 Menschen schwerstens misshandelt und gelyncht.

Das musste aufhören, und eine Hexenjagd, bei der es um Tausende, ja Zehntausende von Menschen gegangen wäre. Es wäre eine Menge an "schmutziger Wäsche" öffentlich verhandelt worden, es wären Hunderttausende von Franzosen in Prozesse verwickelt worden, diese Prozesse hätten sich über Jahre hingezogen, es wären all die Konflikte, die sich quer durch Familien zogen, die zu Feindschaften geführt hatten, wieder aufgerissen worden, die Gesellschaft wäre dadurch polarisiert worden- Das alles konnte Frankreich wirklich überhaupt nicht brauchen- die neue, die Vierte Republik wäre schon bei ihrer Gründung mit einer ganz schweren Hypothek belastet worden.
Das war natürlich auch de Gaulle klar, jedem französischen Politiker, egal welcher Couleur musste das bewusst sein.
Schließlich fiel unter Collaboration einiges, manches war moralisch und menschlich gesehen fragwürdig, aber auch nicht wirklich kriminell.
 
Ich habe mal Zahlen recherchiert: Außer gegen Pierre Pierre Laval und Philippe Petain wurden in Frankreich weitere 2071 Todesurteile gefällt, und es wurden über 40.000 Freiheitsstrafen verhängt. Die Fälle von "wilden Aktionen" gegen Frauen, die sich der "horizontalen Kolloboration" schuldig gemacht hatten oder bei denen man es auch nur vermutete, dürften in die Hunderttausende reichen. In den ersten Wochen nach der Befreiung Frankreichs wanderten gut 100.000 Franzosen in die Gefängnisse.

Wieweit die insgesamt 2073 Todesurteile vollstreckt wurden, kann ich nicht sagen, Bei den Todesurteilen gegen Beteiligte der Meutereien von 1917 wurde nur ein Bruchteil tatsächlich vollstreckt.

Frankreichs Gesellschaft war schon vor dem Weltkrieg gespalten. Die Dreyfus-Affäre hat Frankreich enorm polarisiert. Es gab etliche Familien, in denen sich Familienmitglieder auf Jahre deswegen verkrachten. In den 1930er Jahren stand Frankreich mehrmals am Rande eines Bürgerkrieges, und während der Besatzungszeit war Frankreich sehr gespalten.

Ein jahrelanges Strafgericht, bei dem dann en Detail aufgerollt und an die Öffentlichkeit gezerrt worden wäre, was in der Besatzungszeit alles schiefgelaufen ist, konnte F brauchen wie einen Kopfschuss.

Aber die Vorstellung, dass es in F kein echtes Interesse an der Strafverfolgung von Kolloborateuren gegeben hat, ist schlichtweg falsch.
 
Zurück
Oben