Diese ganzen Entwicklungen zeigen auch, das der Versailler Vertrag eben nicht sonderlich gut gelungen war.
Der Vertrag von Versailles sollte im Kontext der Vorgeschichte und vielleicht im Vergleich mit dem Vertrag von Brest-Litowsk betrachtet werden. Wenn man sich die teils absurden Reparationsforderungen ansieht, sollte man sie sehen im Vergleich zu dem, was dann schließlich tatsächlich und unterm Strich gezahlt wurde.
Im Weltkrieg hatten die Kriegsführenden aller Parteien in ihrer Kriegspropaganda dem Kriegsgegner praktisch das Menschsein abgesprochen, und der Friedensvertrag war aufgeladen mit dem ganzen Hass und der Hysterie der Kriegszeit. Menschlich und psychologisch war der Vertrag vielleicht in vielem verständlich, aber dieser Vertrag war in keiner Weise geeignet, Europa so etwas wie eine Friedensordnung zu geben.
Fairerweise wird man sagen müssen, dass unter den Erwartungen, unter dem Druck auch einer aufgeheizten, aufgehetzten öffentlichen Meinung nicht viel mehr von dieser Friedenskonferenz erwartet werden konnte. Clemenceau, "der Tiger" musste seinen Hut nehmen, weil er nach Meinung vieler Wähler einen viel zu generösen Frieden geschlossen hatte. Zu den Friedensverhandlungen war die deutsche Delegation nicht mal am Katzentisch zugelassen. Vereinzelt wurde die Forderung ausgesprochen, dass man nicht unterzeichnen sollte. Aber es blieb keine Wahl, Deutschland musste unterschreiben. Das war schon ein Diktat, eine Nötigung. Einen solchen Vertrag, unter solchen Bedingungen geschlossen, hält kein Mensch auch nur eine Minute länger, als man ihn dazu zwingen kann.
Den Kriegsgegner am Boden zerstören, ihn für alles Unrecht bezahlen zu lassen, Reparationszahlungen für Jahrzehnte und nie wieder Krieg in Europa waren einfach Forderungen, die sich gegenseitig ausschließen. Wenn man den Krieg beenden wollte, der alle Kriege beenden sollte, dann ging das nicht, ohne die Besiegten einzubinden. Das waren Gepflogenheiten der Diplomatie, an der Ordnung des Wiener Kongresses war Frankreich natürlich beteiligt. Freilich war etwa der Frieden von Brest Litowsk genauso kleinlich und erpresserisch wie Versailles, und die sich am lautesten darüber beschwerten, hätten ihren Gegnern ziemlich genau die gleichen Friedensbedingungen diktiert, wenn sie in der Lage gewesen wären.
Wenn Deutschland an den Verhandlungen beteiligt worden wäre, wenn das alles mit etwas mehr Würde und Maß geschehen wäre, wäre wohl auch eine vernünftige Entschädigung für Kriegsschäden in Belgien und Frankreich für die deutsche Bevölkerung akzeptabel gewesen.
So wie der Vertrag zustande kam, war er eigentlich von Anfang an dazu angelegt, dass er aufgeweicht wurde.
Deutschland zahlte Reparationen, erfüllte Vertragsbedingungen, in der Erwartung, dass dafür ein Stückchen die Bestimmungen von Versailles gelockert wurden. Das war sozusagen "Geschäftsgrundlage".