Es ist ja furchtbar zynisch, aber für die Deutschen, die nicht mit Honecker, "Sudelede", "Tapetenkutte" und Konsorten im gleichen Staat leben mussten, war die DDR ein Glücksfall. Die alte Bundesrepublik, die Bonner Republik war ein Hochlohnland und ein Sozialstaat, der diesen Namen noch verdiente. In der alten BRD wurden bis zur sogenannten Wende die höchsten Löhne in Europa gezahlt, für Jobs, die Deutschen zu dreckig, zu gefährlich und zu schlecht bezahlt waren, wurden Gastarbeiter ins Land geholt, und in den 60er Jahren wurde der Millionste Gastarbeiter-ein Portugiese- noch mit einem Moped beschenkt.
Zeit- und Leiharbeit wagte man Deutschen nicht zuzumuten. Als Günther Wallraff undercover als Türke Ali die miserablen Arbeitsbedingungen bei Mcdonalds, Thyssen und Leiharbeitsfirmen aufdeckte und über den latenten und offenen Fremdenhass 1985 in seinem Buch "Ganz unten" berichtete, war die Öffentlichkeit oder zumindest ein großer Teil davon darüber ehrlich schockiert. Die fetten Jahre, samt Wirtschaftswunder hatten die Westdeutschen mit großer Wahrscheinlichkeit der Systemkonkurrenz des Kalten Krieges zu verdanken.
Wem die Verhältnisse in der BRD der Adenauer- und der Kohlära zu reaktionär erschienen- und es gab durchaus gute Gründe, die Bundesrepublik nicht für die beste aller Welten zu halten, wurde der Spruch "Geh doch nach drüben" an den Kopf geknallt. Im Vergleich mit der DDR schnitt die alte BRD immer gut ab. Man konnte stets und mit Recht auf die undemokratischen, miefigen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik verweisen, die eine große Boulevardzeitung stets in " " setzte. Im Vergleich mit einem Staat, der seine Bürger bespitzelte, sie entmündigte und wegen "Republikflucht" einkerkerte, wenn man sie nicht gleich abknallte wie tollwütige Hunde schnitt die Bundesrepublik und der "Goldene Westen" allemal gut ab.
Wie oft haben wir nicht Berichte über das Schicksal von Peter Fechter gelesen und was die DDR für ein "Unrechtsstaat" war- und das war sie tatsächlich.
Was aber ist unser System, jetzt wo der Kapitalismus scheinbar gewonnen hat? Beim G7 Gipfel in Genua wurden 200 Leichensäcke geordert, ein Kühlraum für die erwarteten Leichen bereitgestellt und mehrere Kriegsschiffe fuhren vor der Küste auf. Carlo Giuliani wurde, nachdem er totgeschlagen wurde, noch zweimal von einem Jeep der Carabinieri überfahren, und kein Polizeibeamter wurde ernsthaft dafür zur Rechenschaft gezogen. Demonstranten wurden niedergeknüppelt und gefoltert, und nur eine einzige Zeitung, The Guardian berichtete objektiv darüber. Die DDR brachte es in 40 Jahren auf etwa 800 Tote, die abgeknallt wurden, weil sie das Land verlassen wollten. Der Friedensnobelpreisträger EU hat mehr als 10.000 "Wirtschaftsflüchtlinge", die trotz Drittstaatenregelung in unsere Sozialsysteme einwandern wollten, ersaufen lassen. Mare Nostrum wurde nicht unterstützt, und es werden inzwischen Prämien gezahlt an Kapitäne, damit sie keine Schiffbrüchigen mehr aufnehmen.
Die BRD räumte ihren Sozialstaat ab, "der Langzeitarbeitslose", "der Hartz IV Empfänger", all die Florida- Rolfs, die es sich bei 13,50 Euro in der "sozialen Hängematte" gemütlich machen, wurden zum Feindbild erklärt. Was ungehemmter Kapitalismus der Erde und den Menschen antut, lässt sich in Südeuropa beobachten.
"Die Staatsmacht ist lediglich ein Ausschuss, der die Interessen der Bourgeosie verwaltet", schrieb Karl Marx, und es gibt durchaus gute Gründe dafür, dass er damit gar nicht so falsch lag. Die Bürger der BRD werden mit Angst beherrscht, wer gegen ein Bahnhofsprojekt demonstriert, verliert schon mal das Augenlicht, und was sich NSA, BND, MAD und Verfassungsschutz leisten und geleistet haben, z. B. in der NSU- Affäre unterscheidet sich kaum noch von Methoden der Stasi. Die Bundeswehr ist keine Verteidigungsarmee mehr, sie darf inzwischen im Inneren eingesetzt werden oder um Rohstoffe zu rauben, was so auch im Blaubuch der Bundeswehr steht. Horst Köhler musste abdanken, weil er das offen sagte.
Für jedes soziale Millieu gibt es das passende Unterdrückungsinstrumentarium. Etliche "Werktätige" wie sie in der DDR hießen, die bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind, haben keinen Arbeitgeber mehr, sondern einen Zuhälter, und für jedes soziale Millieu gibt es das passende Unterdrückungsinstrument. Das Spektrum reicht von Amtsschikanen und Berufsverboten, bis zu Psychiatrisierung und Sicherungsverwahrung. Dem entmündigten, enteigneten Bürger wurde das Maul gestopft, die Pressefreiheit fiel der Selbstzensur zum Opfer, aber den Deutschen geht es gut. Durch Wahlen kann sich nichts ändern, und "Mutti" regiert ganz wie eine Staatsratsvorsitzende. Die staatstragenden Parteien CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und die AfD sind in punkto Marktkonformität eine Einheitspartei wie die "Blockflöten" in der alten DDR.
Einem nicht geringen Teil der US- Bewohner, z. B Afroamerikaner und Hispanics in Cleveland und Milwaukee, die von einer deutschen Bank aus ihren Häusern vertrieben wurden, dürfte mittlerweile der Lebensstandard der DDR fast paradisisch vorkommen. In God we thrust, Dividende et impera!