Ashigaru schrieb:
Aber wo war der Vorteil für die einheimische Bevölkerung?
Man sollte die Frage vielleicht auch einmal anders herum stellen : Warum waren die Leute mit ihrer alten Göttern nicht mehr zufrieden ?
Meiner Meinung nach kann man Menschen nur dann zu einem fremden Glauben bekehren, wenn ihre traditionellen Götter nicht mehr richtig "funktionieren" und die neuen ihnen eine besserer Perspektive bieten.
Warum sollten Odin & Co also ausgedient haben ?
Grundsätzlich vermittelt eine Religion Werte und Verhaltensregeln, die dem Einzelnen das Leben in seiner natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt ermöglichen. Die Götter dienen als Vorbild, welche Verhaltensweisen gesellschaftlich wünschenswert sind, wie die gemeinschaftliche Arbeiten und die daraus resultierenden Güter aufzuteilen sind, wie im Konfliktfall zu entscheiden ist, wie die Partnersuche vonstatten geht, wie arbeitsunfähige Menschen versorgt werden (oder nicht),...
Wenn sich also die natürliche oder soziale Umgebung verändert, kommt es vor, dass diese Verhaltensweisen keine nutzbringende - vielleicht sogar eine schädliche - Wirkung entfalten. Regeln (Götter), die für eine Jäger- & Sammlergesellschaft gut sind, werden wohl kaum zur Organisation einer landwirtschaftlichen Gesellschaft geeignet sein. Möglicherweise entspringt der Wanen-Asen-Kampf in der nordischen Mythologie genau diesem Übergang. Und die Götterdämmerung ?
Meiner Meinung nach ist die treibende Kraft für die Verbreitung des Christentums die höhere Bevölkerungsdichte, die durch die ständige Weiterentwicklung von Landwirtschaft und Technik realisiert werden konnte. Bei der traditionellen Organisation in kleinen Stämmen konnte diese wachsende Anzahl von Menschen wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr positiv zur Geltung kommen. Vielmehr nahmen die Konflikte zu. Die gesellschaftlichen Einheiten, die Sippen, rückten sich zu nahe auf den Pelz und zermürbten sich in Gebietskämpfen und Blutrache. Bei der traditionellen Konfliktlösung, dem Zweikampf, verschliss die "Gesellschaft" sinnlos ihre Leistungsträger.
"Liebe Deinen Nächsten", lautet dagegen die Botschaft der Bibel. Diese ermöglicht das Zusammenleben von größeren gesellschaflichen Einheiten, indem der Einzelne mit einer großen Anzahl anderer Menschen kooperieren kann, die er nicht persönlich kennt. Man "zahlt" anonym in einen Sozialpakt ein, aus dem man ebenso anonym profitiert. Der Einzelne wird zum entsprechenden Handeln motiviert durch Heils- (bzw. Unheils-)versprechen nach dem Tode.
Die Suche einer verunsicherten Gesellschaft nach neuen - funktionierenden - Werten wird übrigens gut dargestellt in dem Monty-Pyton-Film "Das Leben des Brian".