Wer hängt, kann nicht ersaufen, Räuber und Räuberbanden

Scorpio

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Wer an den Galgen gehört, kann nicht ersaufen, so sagten sie, die kleinen und großen Banditen. Entgegen literarischen Vorstellungen, war in der Realität wenig Platz für "edle Räuber", "Verbrecher aus verlorener Ehre" oder "Sozialbanditen". Wen hätte man schließlich auch noch ausrauben können, wenn man da besonders wählerisch gewesen wäre. Natürlich gab es bedeutende Banditen, die auch tatsächlich viel erbeutet haben, reich gestohlen hat sich aber keiner von ihnen. Die meisten hatten ohnehin wenig Talent zum Sparen und verjubelten ihre Beute häufig in Bordellen. Innerhalb der Scharen der Betteljuden, Vaganten, Schausteller und Zigeuner existierte eine Subkultur, die sich stolz selbst "Kochemer" (die Weise nannte, die in den Kulturcode des Fahrenen Volkes eingeweiht war und einen hohen Grad an kriminellem Know How besaß. Wie groß ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung war, ist unsicher, die Schätzungen gehen von 5-15%. Diese Zahlen sind aber leichter zu behaupten, als zu beweisen, genaues weiß man nicht. Nie wäre aber im 19. Jahrhundert das Kinderspiel "Räuber und Gendarm" so populär geworden, niemals das Rotwelsch in der Umgangs- und Vulgärsprache so sprachbildend geworden, wenn nicht diese Kochemer nicht einen zahlenmäßig bedeutenden Anteil gestellt hätten. Das war durchaus so etwas, wie eine "Gegengesellschaft", nur sollte man sich davor hüten, den Begriff überzustrapazieren.

Räuberbanden waren durchaus keine verschworenen Gemeinschaften. Einig war man sich nur in der Ablehnung der legalen Gesellschaft. Viele Räuber waren sich durchaus nicht immer grün, die lieben Kollegen hauten sich übers Ohr und gingen nicht selten aufeinander los. Gar so chaotisch, wie die Kriminalisten sie beschrieben, können die Banditen aber auch nicht gewesen sein, existierten manche Banden doch über 20 Jahre.

Aus Romanen und Filmen kennen wir übliche Topoi der Räuberromantik: Kühne Gestalten, die sich um einen, womöglich aristokratischen Hauptmann scharen. Kühn mögen die historischen Banditen ja gewesen sein, ob sie wenn man sich Spitznamen wie Grindkopf, Stutzohr, scheeler Friedrich u.a. ansieht, wird man sich fragen, ob sie auch fotogen waren. Jedenfalls waren sie deutlich schäbiger gekleidet, als es moderne Kostümberater suggerieren. Banden mit einem herausragenden Anführer waren überaus selten, in der Gaunersprache gibt es gar kein Wort für Anführer. Meist dominierten einige erfahrene Haupträuber. Beim Coup, dem Masematten, kommandierte der, der sich am besten in der Gegend auskannte. Die Frauen der Gauner spielten eine wichtige Rolle als Fluchthelferinnen und mancher Bandit wurde erst durch seine "Beihalterin" in die höheren Weihen eingeweiht. Bei Frauen schreckten die Obrigkeiten vor Hinrichtungen zurück, so daß erfahrene Gaunerinnen ihr Know How weitergeben konnten. Eine fränkische Gaunerin suchte sich ihre Galane selbst aus und wenn sie genug von ihnen hatte, ließ sie sie von ihrem Nachfolger umbringen. So etwas galt aber selbst unter Kochemern als unerhört.
Nickel List sorgte 1699 durch einen spektakulären Kirchendiebstahl in Celle für Aufsehen. Er hatte die Güldene Tafel, einen Reliquienschrein der von Heinrich dem Löwen stammte beraubt. Er praktizierte den laut- und gewaltlosen Einbruch mit Nachschlüsseln. Sein Zeitgenosse Lips Tullian rühmte sich, Gewalt nicht zu scheuen, doch konnte er nicht lange aktiv sein, da er die meiste Zeit im Gefängnis saß. Krummfingers Balthasar war um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Franken, Sachsen und Böhmen aktiv. Er führte ein eigenes Siegel, trug als Zeichen seiner Chefwürde ein Brecheisen und verlieh an seine Leute fiktive Adelstitel, meines Wissens wurde er nie erwischt. Friedrich Schwahn, genannt Sonnenwirtle arbeitete in Schwaben mit verschiedenen jüdischen Banditen zusammen, er wurde zum Vorbild für Schillers Erzählung "Der Verbrecher aus verlorener Ehre". Ein ungewöhnlicher Bandit war Mathias Klostermayer, alias der "bayrische Hiesl". Er war Anführer einer Wildererbande und stammte nicht aus der Vagantenschicht, sondern aus den bäuerlichen Unterschichten. Er war um 1770 in der Gegend um Augsburg aktiv. Ein sehr erfolgreicher Bandit war der Zigeuner Hannikel, der fast 20 Jahre aktiv war. Er tarnte seine Leute als französische Marodeure und überfiel oft Juden. Er wie auch der Zigeuner Gallantho, der um 1720 in Hessen aktiv war, waren beide sehr brutal. Der Schinderhannes wurde an anderer Stelle schon vorgestellt.
Legendär waren die Mersener Bocksreiter, die um 1780 in der Gegend um Maastricht so gewagte gewaltlose Einbrüche verübten, das das Volk sie mit dem Teufel im Bunde glaubte. Doch die am besten organisierte Bande war die Große Niederländische Bande, die zwischen 1790 und 1805 ihren Höhepunkt erreichte. Alte Veteranen waren noch in den 1820er ahren aktiv. Die Gründungsmitglieder waren fast ausschließlich Juden. Von Winshooten bei Groningen zogen der alte Moyses Jakob und sein Schwiegersohn Abraham Picard die Fäden. Der Einzugsbereich reichte von Belgien über die Niederlande, Nordfrankreich das Rheinland bis nach Bayern, Hessen und Niedersachsen. Niemals wurden sie dort aktiv, wo sie wohnten, das Zielobjekt war oft 100 km entfernt. Charakteristisch war die Überfalltaktik auf Gutshöfe und ganze Dörfer, getarnt als französische Marodeure. Die Chefs, die als Abzeichen ihrer Würde ein Brecheisen trugen, reisten standesgemäß zu Pferd oder in Kutschen an. Die Türen wurden mit einem Baumstamm aufgerannt. Durch die französische Justiz bedrängt, wendeten sich die Niederländer nach Meersen bei Maastricht, später ins Rheinische. Wem die Obrigkeit auf den Fersen war, der fand in Mersen später in Eckederoth Unterschlupf, wo der Amtmann falsche Pässe verkaufte. In diesem Ort stifteten die Banditen eine Schule und eine Synagoge. Waren anfangs die meisten Mitglieder Juden, so verbündeten sie sich später mit Christen. Mathias Weber, alias Fetzer, Damian Hessel, genannt Studentchen, ein ehemaliger Gymniasiast und Mathieu Rouhet, genannt der Major waren einige der bekanntesten. Der Major war ein so geschickter Ausbrecher, daß er in einem französischen Gefängnis seinen Ausbruch verschob, um ein Drama zu vollenden, das seine Lebensgeschichte enthielt.

In der Forschung ist eine vieldiskutierte Frage, warum das organisierte Bandenwesen etwa um 1811-1815 nach einer mehr als fünfzehnjährigen Blütezeit ziemlich abrupt verschwand. Lag es an den Justizreformen und der verbesserten Fahndung, oder war vielmehr die Mediatisierung und Beseitigung der Klein- und Kleinststaaten dafür verantwortlich, die den Räubern die Schlupfwinkel nahm? Vielleicht aber lag es vor allem an der Pauperisierung der Bevölkerung durch die Napoleonischen Kriege. Denn wo nichts zu holen war, konnten auch die kühnsten Banditen nicht mehr viel erbeuten.
 
Pardon, glatt vergessen Literaturangaben: H. Boenke, C. Sarkowicz Die Deutschen Räuberbanden 3 Bd. Schubert E. Arme Leute Bettler und Gaukler im Franken des 18. Jahrhunderts. Danker U. Räuberbanden im Alten Reich um 1700, Lange K. Gesellschaft und Kriminalität, Lange M. Organisierte Kriminalität und Justiz, Küther C. Räuber und Gauner in Deutschland.
 
Interessanter Text. Ist das Thema nicht eigentlich unter Buchtipps besser aufgehoben? Ich frage ja nur. Offensichtlich hat es dir gut gefallen.
 
Ich habe darüber meine Magisterarbeit geschrieben. Das beste Buch, das sich auch sehr schön liest, ist das meines Mentors Prof. Dr. Ernst Schubert. Er ist leider dieses Jahr im März verstorben. Vielen Dank für die Blumen.
 
Wer hängt, kann nicht ersaufen Gaunersprache für Fortgeschrittene
Bruchstück einer Gauneridylle. Rotwelsch- Hochdeutsch
Lau, lekel mich der Stäbches! das scheftz ke Hanes. Das scheft tof vor die Derger und Manische, vor die Kiesler, T´Schockgänger und Kallmasschlecker, aber lau vor grandige Kochemer, dene Seggel im Rosch scheft. Do lob ich mers Chasne malochen, s´Strahle kehren, und Gaske malochen. Tschi Brißke. schmußt e Deibister, "aber grandiger scheft doch der Bausert, bei solche Massematte." "Was Mohre und Baußert! Wie kann mer d´bestiebe, wans tof gebaldowert scheft, wos Fuchs und de Kesuv in de Jakene, oder bei auschere Sinze, -oder wann d´Latsche holche, oder d´Charette mit oschere Sochterlente von de von de Bete aus grandige Mockums, - und mer hog grandige Sense, und Sackems und Kehrums und glendische und grandige Putschke mit Kimmel und Walze? Und was ist zu baußere bei de Gaskeneß Die werde im Stegen g´malochnet wan de Kolb schlupt un de Gaskene Schaller in de Metten.

Und bei der Strade, do bestiebt de Baußert die Jente im Charette, - wann mer de Susem kappt, und mit de grandige Stenze dalckt uf de Rädlinge- Mantel, und dupft mit de Spade und läßt se de Glaissum roibe und schnellet ihne unter die Muffer. Flugs holche se aus de Charette und eh se mit de Trittling scheffte uf der Bohle, sind se schon gemakaimet uf der Kiebse, daß se joste im Kefel und der Rötling floscht enn über Bonum. Nun bestiebe mer d´Blete und grandige kesuve Ratte. Und de Chassne! Das scheft der grandigste Skarum- wenn mer schallet und schnellet durch d´Gfahr, d´Köhlufe kaporet, und eindrongt mit grandige Dronge, die verbasilte Winde und vergraßmite Feneter, wann mer dann d´Gasche kabolet, Lupfer zupft, s´Lowi kekelt us de Igel, d´Hochhansel hosper malochnet mit de Dallme die schefte im Duß, oder mit d´Clamoni, und bestiebt herrles Flade, Baschnecke und kesuve Heine."

Hör mir nur auf zum Teufel! Das ist kein leben, das ist gut für Bettler und Zigeuner, für Beutelschneider und Markt und Opferstockdiebe, aber nicht für echte Gauner, die Verstand im Kopf haben. Da lobe ich mir den Kirchenraub, das Frachtwagenplündern, die Straßenräuberei und den Einbruch im Sturmangriff!"

Ja Bruder sagt ein Dritter, aber größer ist noch die Angst dabei." Was Furcht und angst! Wie kann man angst haben, wenn es ordentlich ausbaldowert ist, wo das Gold steckt und das Silber in der Kirche. Oder bei reichen Leuten , wenn die Frachtwagen kommen oder die Kutschen von den Messen. aus den großen Städten. Und man ist versehen mit großen Knüppeln und Messern und Säbeln, mit Pistolen und Flinten und Pulver und Blei! Und was ist bei den Kirchen zu fürchten? Die beraubt man im Stillen, wenn der Pfarrer und der Küster schlafen. Und beim Straßenraub! Da bekommn die Leute in der Kutsche Angst, wenn man die Pferde anhält und mit dicken Knüppeln aufs Dach schlägt und sticht mit dem Säbel und läßt sie die Pistolen sehen und schießt ihnen unter die Nase!

Dann springen sie schnell aus der Kutsche und eh sie noch den Fuß auf die Straße stellen können, haben sie schon einen Schlag auf die Köpfe weg, daß ihnen das Blut übers Gesicht läuft und sie in den Dreck fallen. Dann nehmen wir das Gold und die Silbertaler.

Ludwig Aloyis Pfister, Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwald Heidelberg 1812.
 
Pardon, es geht ja noch weiter:
Und de Chassne! Das scheft der grandigste skarum, wenn mer schallt und schnellet an de G´fahr, d´ Köhlufe kaporet, und eindrongt mit grandige Dronge, die verbasilte Winde und vergraßimite Feneter, wann man dann de Gasche kapolet, Lupfer zupft S´Lowi kegelt us de Igel, de Hochhansel hosper malochnet mit de Dalmedie schefte im Duß oder mit de clamoni und bestiebt herrles Flade baschnekke und kesuve Heine.

Und erst das Chassne malochen! Das macht am meisten Spaß, wenn man auf der Straße herumballert, die Hunde abknallt und mit dem Rennbaum die Türen einrennt, und die eisernen Gitter an den Fenstern aufsprengt. Dann die Leute fesselt und ihnen die Uhren herauszieht, das Geld holt aus den Koffern, die Schränke aufmacht mit dem Schlüssel, der im Schloß steckt, oder mit dem Brecheisen. Und dann seidene Tücher und Silbertaler herausholt.
 
Und noch ein paar Kostproben:

Ausschrobern- ausbrechen
baldowern- auskundschaften
Balmachom- Soldat, Gendarm
grandig- groß, großartig
Gleistrampel marodepink- Veterinär
Flebbe- Paß
Flebbenfackler- Einer der falsche Pässe macht.
Flunkert- Feuer
Flaggerfahrt- Brandstiftung
Fotze- Vulva
Hochschule (rotwelsch), ecole (argot), boarding school (cant)- Gefängnis
Kaff- Dorf
Kaffer- Bauer
Kabrusche- Bande
Kesuv- Silber
Knackert- Wald
Mahdine- Landstraße
Grüne Mahdihne- Sachsen
Blaue Mahdine- Preußen
weiße Mahdine- Böhmen
Schwarze Mahdine- Polen
Masematten- Coup
Mohr- Furcht
Mohrflebbe- Steckbrief
Obermann- Kopfbedeckung
piesacken- fesseln, mißhandeln
Penne- Gasthaus
Rosenkranz- Handschellen
Teller machen- rädern
in der Luft reiten, gingele gangele machen, mit der Seilertochter kopulieren- Hängen
Soore- Diebesgut
Schnee- Leinwand
schmusen- sprechen
Verschmäh- die Obrigkeit
Schocher- Brecheisen
Schnelles- Pistolen
Trittlingsmalocher- Schuster
verschütten- verhaften
Zinken- Wink, Petschaft
 
Interessanter Text. Ist das Thema nicht eigentlich unter Buchtipps besser aufgehoben? Ich frage ja nur. Offensichtlich hat es dir gut gefallen.
Ich finde es spitze hier. Bei Buchtipps liefe es nicht unbedingt auf die fruchtbare Diskussion hinaus. Ich habe nur so Klassiker wie von Schiller "Der Verbrecher aus verlorener Ehre" gelesen, obwohl ich schon glaube, dass die Geschichte sehr realitätsnah ist und eigentlich ganz gut die Tragik dieser Leute darstellt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Verbrecher_aus_verlorener_Ehre

Wenn Scorpio so weitermacht, sollten wir eine Rubrik, Alltagsgeschichte des 18.Jh. aufmachen. Ich fände es spitze, denn die Themen sind extrem spannend.
Ansonsten schon mal jetzt, schon allein für das Tippen: :respekt:
 
Vielen Dank, für die Elogen, Brissotin! Du hast übrigens ganz recht, was den "Verbrecher aus verlorener Ehre" betrifft. Schillers Lehrer an der Karlsschule Abel war der Sohn des Amtmanns, der seinerzeit die Untersuchung gegen den Banditen Friedrich Schwahn, alias Sonnenwirtle leitete. Dieser wurde tatsächlich das Vorbild für die Figur des Christian Wolf, der ebenfalls den Namen Sonenwirtle trägt. Schiller hat den wahren Banditen Sonnenwirtle, der ein gefürchteter Rowdy war, zwar ein bißchen geschönt, aber ganz unzutreffend ist seine Anmerkung, daß es sich um eine "wahre Geschichte handelt nicht.
 
In der Forschung ist eine vieldiskutierte Frage, warum das organisierte Bandenwesen etwa um 1811-1815 nach einer mehr als fünfzehnjährigen Blütezeit ziemlich abrupt verschwand. Lag es an den Justizreformen und der verbesserten Fahndung, oder war vielmehr die Mediatisierung und Beseitigung der Klein- und Kleinststaaten dafür verantwortlich, die den Räubern die Schlupfwinkel nahm? .
Das ist aber unlogisch. Napoleon schuf mit dem Rheinbund eigentlich eine Bündelung von Mittelstaaten. Die Kleinstaaterei kam mit der Zerschlagung des Königreichs Hannovers und einiger anderer Fürstentümer von Napoleons Gnaden eigentlich erst wieder in Schwung, also hätte das nach 1815 wieder für ein vermehrtes Räuberwesen sorgen müssen. Westphalen teilte sich zum Bsp. wieder in Hessen-Kassel und Hannover auf. Ganz im Norden wurden Zwergstaaten auf dem Gebiet Frankreichs (zu dem ja zuletzt auch Hamburg gehörte) restauriert.
 
Es macht Sinn in dem Zusammenhang, daß die Kleinstaaten die Gauner ungemein begünstigten, in Südwestdeutschland gab es hunderte verschiedene Souveräne Herrschaften.

Jeder Duodezfürst pochte auf seine Rechte, wenn ein Kriminalist bei der Verfolgung der Banditen die Grenzen verletzte, beschwor er fast unweigerlich Verwicklungen herauf. Nehmen wir an, ich handele bei Euch da unten einen Masematten. Ich drehe das Ding in der Markgrafschaft Baden, mit meinen Kochemer Kollegen. Unter einer Unzahl geistlicher, reichstädtischer und reichsfreiherrlicher Territorien, hätte man nur zu wählen brauchen. als Mann von Welt wäre ich aber auf kaiserliches Territorium, nach Freiburg im Breisgau gegangen, um mir die Cafes anzusehen. Am sichersten wäre man aber bei den Reichsrittern aufgehoben gewesen. Aus Sicht der Gauner spielen die eine Rolle, wie Preußen oder Hessen- Kassel für die Hugenotten oder Salzburger Emigranten. Die Reichsfreiherrn konnten bei ihrer Peuplierungspolitik nicht wählerisch sein. Ob ihre Untertanen Kriminelle waren, scherte niemanden, solange der Bewerber sich ruhig verhielt. Am Wohnort wurden die Räuber ja auch selten tätig. s

Im Südwesten waren von fast 600 reichsunmittelbaren Territorien nur noch das Großherzogtum Baden, das Königreich Württemberg und Bayern als kompakte Flachenstaaten übriggeblieben. Kurhessen und große Teile Hannovers gehören zum Königreich Westfalen. im Westen hat sich Frankreich bis zum Rhein ausgedehnt. dazu das Großherzogtum Berg und später noch das Großherzogtum Frankfurt. Das erscheint zwar aus heutiger Sicht wie ein Flickenteppich, gemessen an der Situation um 1789 erscheint es tatsächlich sehr kompakt, denn diese zentralisierten Satellitenstaaten konnten grenzübergreifend Razzien organisieren. . Es wurde erstmals eine Gendamerie eingeführt. Da wurde es riskanter. Vor allem aber muß man sich fragen, was bei der Armut der Bevölkerung überhaupt noch gestohlen werden konnte. Oft waren das nur Lebensmittel, ein paar Baumwolltücher und Naturalien. Ein Gauner spezialisierte sich auf den Diebstahl von Federbetten, die er in Gasthäusern auftrennte und durch Moos aus einem mitgebrachten Sack ersetzte. Ein Kollege war Pferdedieb und ließ sich immer wieder als Dragoner anwerben, um dann mitsamt Pferd zu desertieren.

Viele Räuber konnten sich überhaupt keine Feuerwaffen leisten und auch nicht richtig damit umgehen. Oft waren die Waffen nur Knüppel. Das Leben in der Kochemer Szene war teuer und hart, es mußte Geld für Pässe und Unterschlupf bezahlt werden, die Banditen konnten ja nicht am Lagerfeuer Hirsche grillen. Andererseits war dann 1813 auch mit der französiscen Herrschaft Schluß, es kam zu Auflösungserscheinungen und die Kosaken des General Czernitzeffs ließen in Kassel und Marburg viele Gefangene frei, die sich neu organisieren konnten.

Aber das Zeitalter der Postkutschenüberälle und dem Angriff auf ganze Dörfer ging dem Ende entgegen. Veteranen die über ein hohes kriminelles Know How verfügten, betätigten sich als Einvrecher in Postbüros. Diese Vorgehen erschien modern und wies schon auf die Technik späterer Safeknaker hin.

Der letzte große Coups alten Stils war der Postraub an der Subach, nahe Gladenbach bei Marburg 1822. Verzweifelte, pauperisierte Bauern hatten einen Geldtransporter, das Geldkärrnchen überfallen, das einmal monatlich von Kurhessen ins Großherzogtum fuhr. Die Bauern erbeuteten mehr als 20.000 hessische Gulden, doch sie konnten es sich nicht leisten, das geld liegenzulassen. "Der plötzliche reichtum der armen Leute von Combac wurde bekannt und die Bauern mußten alle mit dem Leben büßen, wurden hingerichtet, und zwei nahmen sich selbst das Leben. Der jüdische Hausierer David Briel von Dexbach konnte sich allerdings absetzen, und in den Dörfern, Gladenbach, Combachm Dexbach erinnert man sich noch an "seine" Banditen, und es geht dort noch die Sage, daß David Briel nach Amerika geflohen sei und dort als reicher Mann verstorben sei.

Man kann sich heute, nach absprache mit dem Forstamt in Gladenbach an den Tatort bringen lassen und womöglich nac vergrabenen Schätzen graben, soviel zur Räuberromantik.

Der Bandit Picard, der in Brabant mehr als 20.000 rthl erbeutete, wurde Jahre später als Vagabund verhaftet und besaß nur, was er auf dem Leib trug. er starb 1807 in Marburg, ohne daß man ihm seine Vergehen beweisen konnte.

Wir hatten es zwar schon einmal auf einem anderen Thread, aber noch ein Filmtipp: Volker Schlöndorf, Der plötzliche reichtum der armen Leute von Combach 1970 Darin spielt u.a. der jund#ge R.W. Faßbender mit.
 
Und noch ein paar Kostproben:

Ausschrobern- ausbrechen
baldowern- auskundschaften
Balmachom- Soldat, Gendarm
grandig- groß, großartig
Gleistrampel marodepink- Veterinär
Flebbe- Paß
Flebbenfackler- Einer der falsche Pässe macht.
Flunkert- Feuer
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Ein Buch das auch die Sprache der Gesetzlosen, bzw. der unteren Schichten beschreibt ist : James Hardy Vaux: " Vocabulary of the flash language"
( Der Autor trug das Vokabular während seines unfreiwiligen Aufenthalts in Australien 1812 zusammen)
 
Das ist aber unlogisch. Napoleon schuf mit dem Rheinbund eigentlich eine Bündelung von Mittelstaaten. Die Kleinstaaterei kam mit der Zerschlagung des Königreichs Hannovers und einiger anderer Fürstentümer von Napoleons Gnaden eigentlich erst wieder in Schwung, also hätte das nach 1815 wieder für ein vermehrtes Räuberwesen sorgen müssen. Westphalen teilte sich zum Bsp. wieder in Hessen-Kassel und Hannover auf. Ganz im Norden wurden Zwergstaaten auf dem Gebiet Frankreichs (zu dem ja zuletzt auch Hamburg gehörte) restauriert.
Ich meine beim Unterstrichenen natürlich Westphalen.
Scorpio hatte aber ohnehin schon eingegrenzt und den Rückgang des Räuberunwesens mit dem Einsetzen des Einflusses der franz. Verwaltung auf Frankreich und durch den Rheinbund, also ab ca. 1806 bestätigt.

Ich fand in der sozialistischen Literatur immer wieder eine Entschuldigung für das Räuberunwesen im 18.Jh., nämlich dass vor allem weite Teile der Landbevölkerung verarmten, obendrein wurde oft auch auf die Flurschäden durch die willkürlichen Jagdleidenschaften des Adels hingewiesen. So gesehen wäre Wilderei durch die einfach Landbev. ja nur Selbstverteidigung. Der Schritt von Wilderei zum Räuberunwesen ist ja nun nicht so groß gewesen. Viele betrieben beides, natürlich scherten sich Räuber nicht um Jagdgesetze der Obrigkeit.

Ich weiß nicht, ob ich dieser Ansicht folgen kann. Gewiss macht auch Gelegenheit Diebe, von Scorpio wurde die Kleinstaaterei schon angeführt. In Frankreich sah es aber auch nicht viel besser aus, trotz Zentralismus. Wobei wohl gerade in den 1790ern die chaotischen Zustände, die durch die Rev. befördert wurden, zu einer Ausbreitung des Räuberunwesens beigetragen haben wird. Ebenso kann man auch annehmen, dass zwar die Reformen wie die Bildung des Rheinbundes 1806-13 zu einem Rückgang führten, aber die militärischen Durchzüge und Wirrnisse im Zuge von Kriegen durchaus dazu beitrugen, dass Räuber ihre Nischen behaupten konnten bzw. neue Räuber hinzu kamen.

Davon, dass die Reichsritter bei ihrer Peuplisierungspolitik nicht wählerisch waren, kann ein Freund von mir ein Lied singen. Selbst gemeinhin beargwöhnte wandernde Gruppen wie die Roma wurden wohl angesiedelt, wenngleich nicht ganz öffentlich.
 
Vielen Dank füt Deinen fundierten Beitrag, Brissotin. Deine Beiträge sprechen nämlich für meine These, daß der Niedergang des traditionellen Bandenwesens mehr auf die Pauperisierung der Bevölkerung im Zuge der napoleonischen Kriege, als auf die Mediatisierung und die Verbesserung der Justiz zurückzuführen ist. Die Räuber konnten sich nämlich durchaus anpassen. Etwa um 1810 spezialisierten sich viele alte Veteranen auf gewaltlosen Einbruch in Banken und Postbüros und Diebstähle in Messestädten. Veteranen der Großen Niederländischen Bande waren noch in den 1820er Jahren aktiv. Trotz aller Verbesserungen der Justiz und Gendamerie dauerten Untersuchungen sehr lange, und waren nach wie vor oft von Inkompetenz und Schlendrian geprägt. Auch die Verfolgung von Gaunern war oft dillettantisch. In den letzten Jahren der französischen Herrschaft machten sich im Royaume Westphalie und anderswo Auflösungserscheinungen bemerkbar. Und 1813 war es dann auch mit dem Königreich Westfalen vorbei. Die Kosaken des Generals Czernitschews befreiten in Kassel, Heiligenstadt und Marburg viele Gauner, die sich neu organisierten. Know How und Organisationsstrukturen waren nach wie vor vorhanden. Der Kriminalist Ave´-Lallement berichtete um 1860, daß die Gauner durch die Eisenbahn begünstigt würden. Aber wo nichts zu holen war, konnte auch ein großer Bandit nicht mehr viel tun. Das Zeitalter der Überfälle auf Gutshöfe und Postkutschen näherte sich dem Ende. Charakteristisch für die alteuropäische Kriminalität war, daß sie sich auf dem Land abspielte, mit der Industrialisierung verlagerte sich die Kriminalität dorthin, wo das Kapital abgewandert war, in Industrie und Messestädte. Aber immerhin, die Vorgehensweise einiger Räuber erinnern bereits an die späteren Methoden der Geldschranknacker und Gangster. An der mangelnden Technik und Taktik lag es nicht, daß kein Räuber nach 1810 mehr solche Erfolge erzielen konnte, wie in der Blütetzeit von 1790-1800. Auch in der Literatur verschwand allmählich die Figur des Räubers. Eines der letzten Werke der Räuberromantik war der gruselige Feuilltonroman "Die Geheimnisse von Paris" von Eugene Sues. Die Handlung ist dort aber bereits in den Großstadtdschungel verlegt, wobei traditionelle Räubertopoi mit der Angst des Bürgertums vor dem Proletariat verwoben sind.
 
Brissotin@ Der Schritt von der Wilderei zum Räuberwesen ist ja nicht groß gewesen.
Die Wilderei war eigentlich als Delikt für die Vagantenbevölkerung eher untypisch. Es war eher für die bäuerliche Bevölkerung charakteristisch und wurde wegen der schon von dir angeführten Gründe, in manchen Gegenden durften die Bauern keine Hunde halten oder mußten sogar eigene Saaten für das Wild anlegen, von der Bevölkerung nicht als Verbrechen angesehen. Das sich die sozialistische Geschichtsschreibung dafür interessierte, wundert mich nicht. Seit den Studien von Eric Hobsbawm über "Sozialbanditentum" sind Wilderer ein Lieblingskind. Sozialbanditen sind Kriminelle, deren Handeln von der Bevölkerung nicht als kriminell begriffen wird, und die eine primitive, archaische Form des Protests vertreten. Hobsbawms Labeling trifft aber in der mitteleuropäischen Gaunergeschichte nur auf den Wildschützen Mathias Klostermayer, alias der "Bayrische Hiesl" zu. Charakteristisch für die meisten Räuber war aber, daß sie sich eben gerade nicht aus der bäuerlichen Bevölkerung rekrutierten.

Der "Sozialbandit" ist im Grunde nichts anderes, als ein wissenschaftlicher Ableger des "edlen Räubers", der in sehr vielen Kulturen existiert. Real aber gab es ihn nur in der Literatur, man muß sich fragen, was solche Vorstellungen über uns selbst aussagen, wenn wir von Banditen ernsthaft erwarten, daß sie besonders gute Menschen sein müssen.

Wie sind sie aber am Ende zu bewerten, die kleinen und großen Banditen? Edle Räuber waren sie wahrlich nicht, reich gestohlen hat sich keiner von ihnen. In der Realität war kein Platz für Lagerfeuerromantik. Aber sie haben neben ihren Innovationen doch manches hinterlassen, was sehr modern war. Das Wichtigste war, daß die Kochemer den Einzelnen nur nach seiner (kriminellen) Leistungsfähigkeit beurteilten, unabhängig von Geschlecht, Religion und Herkunft. Damit nahmen sie wesentliche Elemente der modernen Industriegesellschaften vorweg und waren ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus.
 
Das ist richtig, dass der Schritt vom Wilderer zum Räuber eher in Abenteurerromanen vollzogen wird.
Dass die Obrigkeit, die Wilderei und Räuberei gleichzeitig verfolgte, die selbe ist, das ist ja klar, vermutlich werden gerade deswegen die Unterschiede vor allem für uns heutige wenig gezogen, zumal die Räuber und Wilderer bis auf die mündl. Überlieferung bis hin zu Sagen und Prozessakten keine Zeugnisse ihres Tuns hinterließen. Gerade letzteres ist aber schwierig zu bewerten, weil ja genau von der Oberschicht ein möglichst verzerrtes Bild der Greuel hinterlassen werden sollte, während die Unterschicht ihre Erinnerungen an diese Zeit der Räuber des 18.Jh. wie du, Scorpio, schon andeutest verklärten.

Ganz interessant finde ich immer Vergleiche auch zu anderen Ländern. Wie unterscheidet sich der spanische Räuber vom deutschen. Ziemlich typisch und magisch finde ich das Bild vom Überfall auf eine Kutsche von 1787 von der Hand von Francisco de Goya: http://traumwerk.stanford.edu/philolog/2006/04/goya_friedrich_and_romanticism_1.html
(ungefähr bis auf die Mitte scrollen)
Mit den Passagieren wird kurzer Prozess gemacht. Gefährliche Zeugen werden einfach getötet, auch erstochen (typisch für Goya, vergleicht man das Bild vom Angriff auf die Mamelucken 1808 während des Aufstandes in Madrid)
 
Ich habe eigentlich in allen Zeiten und Kulturen ähnliche Vorstellungen von Räubern gefunden, ob sie aus hellenistischen Romanen, aus dem Geschichtswerk des Cassius Dio, dem chinesischen Roman "Shui hu Chuan" ( Die Räuber vom Liang Shan Moor) oder dem Kurzepos "The Gest of Robyn Hood" stammen, erstaunlich viele Parallelen aufweisen. Räuber erscheinen als brutale Halsabschneider, deklassierte Adelige, besonders abstoßende Vertreter des ewigen Juden, oder aber als Rebellen gegen eine ungerechte Obrigkeit. Oft erscheinen die Räuber als Garanten einer meist rückwärtsgewandten Sehnsucht einer gerechteren Gesellschaft. So berichtet Cassius Dio von einem gewissen Bulla Felix, der als edler Räuber und Herausforderer des Kaisers Septimius Severus beschrieben wird. Robin Hood lebt mit seinen Gefährten in idealer ritterlicher Gefolgschaftstreue im unzugänglichen Wald von Sherwood. Ein chinesisches Pendant ist der (historische) Bandit Sung Chiang, der mit seinen Gefährten streng nach konfuzianischen Traditionen im Liang Shan Moor lebt. Der Pariser Bandenchef wurde zum Regenten eines Gegenkönigreichs, in dem eine gute alte Zeit wie unter Henry IV. heraufbeschworen wurde. Ähnliches geschah mit "Sonnenwirtle", dem "Bayrischen Hiesl" oder Schinderhannes. Räuber werden als meist ungebildet, aber sehr intelligent beschrieben, sie verfügen über erstaunliche Körper- und Manneskraft und schätzen einen guten Tropfen, ebenso wie Damenbekanntschaften. Grausame Räuber besitzen dieselben Eigenschaften, die aber ins Monströse entartet sind: Körperkraft wird zu Brutalität, Großzügigkeit zu Verschwendungssucht und Sinnlichkeit zu viehischer Wollust. So schreibt ein Kriminalist des frühen 19. Jahrhunderts über die Räuber der Niederländischen Bande: "Den stärksten Branntwein schüttten sie durch die Gurgel, nebst dem, daß sie Mätressen die Fülle mit sich schleppen, sie untereinander vertauschen und zum Gemeineigenthum machen, liegen sie unaufhörlich in den Hurenhäusern. Von dort ziehen sie auf Raub aus, und dort verschwelgen sie ihre Beute. Kaum einer ist unter ihnen, der nicht Zeichen einer schrecklichen Krankheit trägt." In der Literatur werden immer wieder brutale Morde und vor allem Vergewaltigungen erwähnt, in der Realität war beides überaus selten. Ein interessantes Phänomen ist, daß mit der Humanisierung der Justiz im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Gewaltkriminalität eindeutig rückläufig war. Das einzige logische Argument, daß man für die Todesstrafe anführen könnte, das der Generalprävention wird durch Quellenstudien widerlegt.
Man muß sich ernsthaft fragen dürfen, was solche Vorstellungen über uns selbst aussagen, wenn wir von Banditen allen Ernstes erwarten, daß sie besonders sympathische Menschen sein müssen.
 
Für den Südwesten kann ich hier nennen:
den Malefizschenk
den Hannikel
Lokalkolorit dazu findet man auch in dem Roman Schillers Heimatjahre von Hermann Kurz, ich denke antiquarisch wird man ihn noch bekommen. Vom selben Autor:

Die Räuber- und später auch Wilderer-Romantik hat meiner Meinung nach ihre Ursache in den Romanen des 19. Jahrhunderts.

Grüße Repo
 
Danke für die Ergänzungen, Repo. Der "Malefizschenk" Graf Schenk von Castel war durchaus modern, auch wenn seine Bekämpfung des Bandenwesens und seine Anstrengungen, eine eigene Gefängnisarchitektur vielfach belächelt wurden, wie ja schon aus seinem Spitznamen "Malefizschenk" hervorgeht. Hannikel war, was seine Unternehmungen betraf, womöglich ein bedeutenderer Bandit, als Schinderhannes. Er war in Schwaben, der Schweiz und im Elsaß fast zwanzig Jahre aktiv. Seine Festnahme sorgte für Aufsehen in ganz Europa. Sehr modern war vor allem seine Taktik, seine Leute als französische Marodeure zu tarnen. Dieses Beispiel machte dann unter der Großen Niederländischen Bande Schule.
Hannikel war allerdings sehr brutal. Seine Opfer suchte er vorzugsweise unter Juden. "Was soll schlecht daran sein, wenn er sich des Beifalls im publico dabei sicher sey" bemerkte er dazu. Die Brutalität mit der Hannikels Bande, mehr aber noch die eines anderen Zigeuners, Anthoine la Grave alias der Große Galantho, vorgingen, erklärt sich sicher mit der enormen Diskriminierung der Zigeuner. An allen Grenzen standen sogenannte Zigeunerstöcke, auf denen abgebildet war, was sie zu befürchten hatten. Zigeuner waren vogelfrei und wurden bei Streifen nicht selten einfach abgeknallt. So geschah es, daß 1724 mehrere Zigeunerfrauen mit Kindern im fränkischen Berneck kurzerhand aufgehängt wurden. Zigeuner wurden gar mancherorts offenbar als jagdbares Wild betrachtet: In einem rheinischen Duodezfürstentum geschah es, daß eine Zigeunerin mit ihrem Kind abgeknallt und unter der erlegten Strecke aufgelistet wurde.

@ Repo "Die Räuber- und später auch Wilderer Romantik hat, meiner Meinung nach, ihre Ursache in den Romanen des 19. Jahrhunderts".
Der "Boom" der Räuber- und Schauerromantik setzte bereits im 18. Jahrhundert ein. Wie die Südsee, in der man, inspiriert durch die Berichte James Cooks und Reinhold Forster "edle Wilde" lokalisierte, wurden auch die heimischen Wälder zur exotischen Kulisse, in der edle und weniger edle Räuber hausten. Den Höhepunkt erreichte dieses Genre Anfang des 19. Jahrhunderts mit "Rinaldo Rinaldini der Räuberhauptmann" von Christian Vulpius. Dieser war so erfolgreich, daß er seinen Helden wie in modernen Soaps wieder auferstehen ließ. Eine noch ganz eigenartige Gattung Unterhaltungsliteratur war das Genre der "aktenmäßigen Berichte". Diese wandten sich gegen die verklärende Räuberromantik, griff aber dennoch viele Elemente dieses Genres auf. Das war im Grunde genommen eine Art "Aktenzeichen XY ungelöst" die Verfasser, meist Juristen berichteten über die Tricks der Räuber und wie man sich davor schützen konnte. Die Verfasser übertrieben allerdings nicht selten die Gefährlichkeit der Räuber und schilderten die staatliche Justiz, an der sie meist selbst beteiligt waren, in den rosigsten Farben.
Nach 1820 war allerdings die Räuberromantik rückläufig. Wilderer wurden dann durch den Wildschützen Mathias Kneißl und die werke Ludwig Ganghofers noch einmal am Ende des 19. Jahrhunderts populär.
Doch die Gestalt des edlen Räubers scheint tatsächlich ein zeitloses phänomen zu sein, das sich in vielen Kulturen findet.
 
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